Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Seit ihrem ersten Auftritt vor 25 Jahren sind die Simpsons aus den deutschen Wohnzimmern nicht mehr wegzudenken. Die skurrilen Episoden um Homer, Bart und Co. sind aber nicht nur unterhaltsam, sondern auch höchst lehrreich – zumindest, wenn Sebastian Moll sich mit ihnen auseinandersetzt. In „Das Evangelium nach Homer“ kommt der Erfolgsautor („Jesus war kein Vegetarier“/„Du sollst nicht atmen“), Theologe und bekennender Simpsons-Fan – immer ausgehend von den satirischen Episoden der Erfolgsserie über Kirche und Glaube – auf die Kernfragen des Christentums zu sprechen: Funktioniert Gebet wirklich? Was ist Sünde? Wieso lässt Gott Leid zu?
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 127
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
SEBASTIAN MOLL
Die Simpsons
und die Theologie
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-86506-830-9
© 2015 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers
Coverillustration und Einbandgestaltung: Dietmar Reichert
Satz: Brendow Web & Print, Moers
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
www.brendow-verlag.de
„Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu ertragen:
Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.“
Immanuel Kant
„Mir ist alles recht, was mich von meinem Leben ablenkt.“
Homer Simpson
Cover
Titel
Impressum
Zitate
Vorwort von Matthias Matussek
Einleitung
Kapitel I
Die Heilige Schrift und ihre Autorität
Kapitel II
Das Problem der Theodizee
Kapitel III
Die Kraft des Gebets
Kapitel IV
Christliche Ethik
Kapitel V
Das Christentum und die Weltreligionen
Kapitel VI
Die Rolle der Institution Kirche
Kapitel VII
Wissenschaft und Religion
Kapitel VIII
Sekten, Kulte und Kultsekten
Schlussgedanken
Weitere Bücher
Die Menschen, wie ich sie sehe, teilen sich in zwei große Gruppen auf, in solche, die die Simpsons mögen, und die anderen, mit denen ich nichts anfangen kann.
Die Simpsons sind die älteste und erfolgreichste Comic-Serie der Welt, und trotzdem sind sie anarchischer und elitärer als alles, was das deutsche Fernsehen zu bieten hat, und vor allem, ich unterhalte mich weit intelligenter. Möglicherweise, nein, ganz sicher sogar, hängt das mit den Autoren der Serie zusammen, die alle aus Harvard oder aus Stanford stammen und schon auf ihren Unis zu den Lustigeren und Durchgeknallteren gehörten.
Sicher, „South Park“ ist nicht schlecht, vor allem die Folge, in der Santa Claus weggeballert wird – weg mit ihm, dem roten Fettsack, heidnische Erfindung sowieso – aber das sind Ausreißer, während die „Simpsons“ zuverlässige Bestware liefern und solide die Himmel- und Höllenfahrten Amerikas anhand dieser Kleinfamilie aufs Korn nehmen.
Da ist Homer, Familienoberhaupt und passionierter Biertrinker, der seinem Sohn Bart die goldene Devise mitgibt: „Son, if something’s too hard to do, then it’s not worth doing it.“ Seine Ehefrau Marge mit der Reibeisenstimme, trotz aller Anarchie die typische american mum mit gelegentlichen Anfällen zur Romantik, Sohn Bart, der nur Unsinn im Kopf hat, Lisa, seine hochintelligente Tochter, strebsam und streberisch und altklug, wie achtjährige Gören eben sind, und das Nuckelbaby. Nicht zu vergessen der Großvater, der auch öfter durchdreht in einem Senioren-Heim.
Mein Lieblingsdialog:
„Großvater, wenn du das noch einmal machst, stecken wir dich ins Heim“
„Aber ich bin doch schon im Heim!“
„Dann stecken wir dich eben in ein besonders beschissenes Heim.“
Ach so, alle so lala fromm.
Sebastian Moll, einer der scharfsinnigsten christlichen Essayisten des Landes, ist natürlich Simpsons-Fan. Und Simpsons-Analyst. In diesem Buch stellt er sie unter theologischen Aspekten vor, die Simpsons und die übrigen Bewohner des Kleinstädtchens Springfield irgendwo in den USA, und er trifft genau den Ton, der die Serie auszeichnet: diabolisches Vergnügen, trockener Humor und profundes theologisches Wissen in dieser Abhandlung, dieser summa theologiae der Kleinstadtamerikaner.
Die Amerikaner, das sei hier eingefügt, sind jenseits des Iran das wohl frömmste Volk der Welt. Sie hatten ihre ersten Siedlungen als Glaubenskolonien gegründet, sie hielten sich lange für das auserwählte Volk der Neuzeit und nannten sich „God’s own country“ oder „The New Jerusalem“. Rund 80 Prozent beten mindestens einmal am Tag, während bei uns selbst Kirchensteuerzahler das allenfalls Weihnachten und Ostern tun, weil’s da in die Kirche geht.
Die USA sind das Land der Millionen Kirchen, protestantisch zumeist, evangelikal, presbyterianisch, baptistisch, pfingstlerisch, methodistisch, katholisch, ich habe diesen grandiosen religiösen Supermarkt an frommer Schriftauslegung und großer Show und, ja, wunderbaren Nachbarschaftshilfen in meiner vierjährigen Korrespondentenzeit in den 1990er Jahren immer wieder fasziniert beobachtet und beschrieben.
Alle sind fromm auf die eine oder andere Art, und wer mit dem zur Verfügung stehenden Angebot nicht zufrieden ist, gründet eine eigene Kirche und versucht, aus ihr und mit ihr Kapital zu schlagen wie Reverend Lovejoy, Vertreter der Phantasiekirche „Western Branch of American Reform Presbylutheranism“.
Kenntnisreich und hochintelligent führt uns Sebastian Molls Buch in die Glaubenswelt der Simpsons und der Amerikaner ein.
Ich habe gelacht, ich habe gestaunt, ich habe gelernt.
Ein einziges großes Vergnügen.
Matthias Matussek
In Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ lässt der blinde Bibliothekar Jorge seine gesamte Bibliothek in Flammen aufgehen, nur, um das Geheimnis eines Buches zu wahren, in dem das Lachen wohlwollend thematisiert wird. „Das Lachen ist die Schwäche, die Hinfälligkeit und Verderbtheit unseres Fleisches“, es gefährde den Respekt vor der göttlichen Ordnung der Welt, so die Überzeugung Jorges, die ihn zu seinem fanatischen Handeln anstachelt. Diese fiktive Szene aus einem Kloster des 14. Jahrhunderts findet in der heutigen Welt ihr trauriges Pendant in dem mörderischen Wahn jener Terroristen, die das Lachen über den Propheten Mohammed um jeden Preis verhindern wollen. Warum hat das Lachen offenbar besonders auf religiöse Menschen eine derart furchteinflößende Wirkung? Kann denn Lachen Sünde sein?
Der blinde Jorge hat ja nicht ganz unrecht, wenn er feststellt, dass der Mensch durch das Lachen eine gewisse Distanz zur Welt aufbaut. Aber ist dies wirklich eine Beleidigung Gottes? Ist die Welt, die wir um uns herum wahrnehmen, wirklich die Welt, die Gott für uns vorgesehen hatte? Jeder Mensch, ob religiös oder nicht, spürt in sich ein Unbehagen über den Zustand der Welt, er fühlt, dass die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte. Dieser Umstand ist umso interessanter, wenn man bedenkt, dass der Mensch diese Erkenntnis nicht aus der Erfahrung gewonnen haben kann, da ihm ja keine andere Welt bekannt ist. Die Bibel versucht dieses Phänomen durch die Erzählung vom Sündenfall zu erklären. Der Mensch beraubt sich durch seine Rebellion gegen Gottes Willen seiner ursprünglich paradiesischen Umgebung und wird in die grausame Welt außerhalb des Gartens geworfen. Somit ist sein Gefühl, dass die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte, eine Art tiefverwurzelte Erinnerung an das Paradies. Ob man diese Erklärung nun für plausibel hält oder nicht, um das besagte Gefühl jener unbestimmten Unzufriedenheit mit dem Zustand der Welt kommen wir alle nicht herum.
Nun gibt es verschiedene Arten, damit umzugehen. Manche zerbrechen regelrecht unter dieser Last und verfallen in Zynismus oder Melancholie. Andere lehnen sich dagegen auf und versuchen, die Welt so zu gestalten, wie sie – ihrer Meinung nach – sein sollte. Diese Variante endet leider nicht selten in Fanatismus und Gewalt. Als dritte Möglichkeit bleibt der Humor, und er ist vielleicht nicht die schlechteste Antwort.
Humor ist die Fähigkeit, eine Welt zu akzeptieren, die anders ist, als man sie gerne hätte. Selbst der große Immanuel Kant, der nicht gerade als Witzbold der Nation bekannt war, sagte einmal: „Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen: Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.“
Ist Humor aber auch in religiösen Fragen angebracht? Geht es dabei nicht um ernsthafte Dinge? Durchaus, doch wie Tucholsky sagen würde: „Langweilig ist noch lange nicht ernsthaft.“ Leider werden diese beiden Eigenschaften oft miteinander verwechselt, auch und gerade von Theologen und Kirchenfunktionären. Dabei könnte uns gerade der Humor beim Umgang mit der Religion helfen. Religiöse Systeme sind Menschenwerk. Das ist keineswegs so zu verstehen, dass religiöser Glaube einfach eine Erfindung des Menschen ohne realen Bezugspunkt sei. Wohl aber ist beispielsweise die Bibel nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern von Menschen geschrieben und zusammengestellt worden. Auch unsere Glaubensbekenntnisse und Katechismen sind Produkte des menschlichen Geistes. Die Religion ist fehlerhaft, weil der Mensch fehlerhaft ist. Daher ist es durchaus geboten, ihr zuweilen auch mit Distanz und Humor zu begegnen. Dabei können uns die Simpsons helfen.
Die Simpsons sind die erfolgreichste Fernsehsendung aller Zeiten und mit ihren nunmehr über 25 Jahren Laufzeit sogar älter als das wiedervereinigte Deutschland. Natürlich handelt es sich nicht um eine theologische Serie, sondern um Satire. Ganz bewusst lautet der Titel dieses Buches nicht „Die Theologie der Simpsons“, sondern „Die Simpsons und die Theologie“. Wenn eine satirische Serie einen derartigen Erfolg verzeichnet, muss sie irgendetwas haben, das die Menschen anspricht, etwas, worin sich Menschen wiedererkennen. Genau das ist das Geheimnis der Simpsons. Bei aller Absurdität, die sich mitunter in der Handlung der Folgen findet, zeichnet sie doch ein echtes Sittengemälde unserer Zeit, mit allen Schwächen ihrer Protagonisten. Das gilt auch für das religiöse Profil der Gemeinde von Springfield. Hier finden wir sämtliche Klischees vereint, vom überfrommen Naivling über den abgeklärten Pfarrer bis hin zum heuchlerischen Ablasshändler. Dabei macht die Serie aber niemals Gott verächtlich, sondern stürzt sich vielmehr auf sein „Bodenpersonal“ – und das sollten wir aushalten können!
Die Fähigkeit, sich selbst nicht so ernst zu nehmen, über sich selbst lachen zu können, ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, auch seinen Mitmenschen in Frieden und Toleranz zu begegnen. So gesehen wird aus dem Humor weniger eine Sünde als vielmehr eine christliche Tugend. In diesem Sinne, um mit Homer zu sprechen: „Ich habe gelernt, dass das Leben eine nicht enden wollende Folge von vernichtenden Niederlagen ist, bis man sich nur noch wünscht, Flanders sei tot!“