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Der kleine Löwe Nuru kennt die Gebote der Wildnis. Er weiß natürlich auch, dass Hyänen seine Feinde sind und dass sie die Beute, die während der Trockenzeit sowieso rar ist, stehlen. Bei seinen Streifzügen trifft Nuru immer öfter auf das Hyänenmädchen Lela. Sie fordern sich heraus, kämpfen – und stellen fest, dass die Feindschaft immer mehr verfliegt. Eines Tagen bringen zwei fremde Löwen Nurus Rudel in Gefahr und ausgerechnet die vermeintlich hinterhältigen Hyänen sind zur Stelle, um zu helfen. Aufregende Abenteuer, erstaunliche Wunder der Natur und das spannende Leben der Tiere – diese Kinderbuchreihe entführt Mädchen und Jungen ab 8 Jahren in die verschiedenen Lebensräume der Erde. Ob im tiefen Meer, im dichten Wald oder in der Savanne: In diesen Geschichten erleben Tiere schöne und zugleich bewegende Abenteuer. Mit berührenden und coolen Schwarz-Weiß-Illustrationen. Lehrreich wie ein Sachbuch und berührend wie ein Disney-Klassiker! Für Fans von Peter Wohlleben und Karsten Brensing. Alle Bände dieser Reihe: Das geheime Leben der Tiere (Savanne) - Nuru und Lela - Das Wunder der Wildnis Das geheime Leben der Tiere (Savanne) - Nuru und Lela - Die Reise der Elefanten Das geheime Leben der Tiere (Savanne) - Im Reich der Geparde Das geheime Leben der Tiere (Savanne) - folgt Die Titel sind auf Antolin gelistet.
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Seitenzahl: 139
Inhalt
1. Kapitel: Angeknabberte Ohren
2. Kapitel: Der König des Flussrudels
3. Kapitel: Jagd-Geheimnisse
4. Kapitel: Die Räuber
5. Kapitel: Verbotene Pläne
6. Kapitel: Das Versteck
7. Kapitel: Die kleine Hyäne
8. Kapitel: In der Falle
9. Kapitel: Warten auf ein Wunder
10. Kapitel: Rauferei am Fluss
11. Kapitel: Gefahr aus der Tiefe
12. Kapitel: Unterwegs mit dem König
13. Kapitel: Noch ein Überfall
14. Kapitel: Ein Wald aus Hörnern
15. Kapitel: Tanzende Krokodile
16. Kapitel: Die Fremden
17. Kapitel: Akidas Versprechen
18. Kapitel: Ruhe vor dem Sturm
19. Kapitel: Im Morgengrauen
20. Kapitel: Der Kampf
21. Kapitel: Zwei Königinnen
Und wie ist das alles wirklich?
1. Kapitel:
Angeknabberte Ohren
Der Angriff kam aus heiterem Himmel.
Nuru hatte mit halb geschlossenen Augen gedöst und kaum auf seine Umgebung geachtet. So merkte er nicht, wie die beiden hinter einem Felsen hervorkamen. Er hörte nur ein kurzes Rascheln im trockenen Gras, dann stürzten sie sich auf ihn: zwei Löwen, die ihn bissen und mit ihren Pranken nach ihm schlugen.
Oder, um genau zu sein: zwei winzige Fellbündel, aus denen irgendwann einmal richtige Löwen werden sollten.
„Hab ich dich!“, fiepte Sadiki und packte Nurus Ohr.
„Jetzt fress ich dich!“, maunzte seine Schwester Binti und zwickte in Nurus Pfote.
Mit einem Fauchen versuchte Nuru, die Zwillinge abzuschütteln, aber ohne Erfolg. Wieder spürte er ihre spitzen kleinen Zähnchen, während sie jubelten:
„Mh, lecker Oooohr!“
„Mh, lecker Pfoooote!“
„Jetzt reicht’s.“ Nuru drehte sich auf den Rücken und verteilte Tatzenhiebe, bis sein Cousin und seine Cousine endlich von ihm abließen. Nicht zu fassen, wie kräftig sie schon waren! Dabei hatte ihre Mutter, Nurus Tante Penda, sie erst vor wenigen Tagen zum Rudel gebracht. Die ersten zwei Monde waren sie irgendwo im Gebüsch versteckt gewesen, und Tante Penda hatte sich allein um sie gekümmert. Angeblich, weil sie noch zu zerbrechlich gewesen waren, um mit anderen zu spielen.
Zu zerbrechlich, von wegen! Seit ihrer Ankunft im Rudel hatten Binti und Sadiki nichts anderes im Sinn gehabt, als zu raufen. Nuru konnte sich nicht daran erinnern, dass er sich in ihrem Alter genauso aufgeführt hatte. Nein, vollkommen ausgeschlossen. Er war schon vor fünf Monden ein ernsthaftes Mitglied des Flussrudels gewesen. Würdevoll. Majestätisch.
Andererseits …
„LECKER, COUSIN!“, platzte es aus Nuru hervor, und er warf sich auf Sadiki. Der quiekte begeistert, während sie gemeinsam durchs Gras rollten. Die zwei großen Löwinnen schauten im Schatten des Akazienbaums entspannt dabei zu. Spielen war wichtig, um alles zu lernen, was ein Erwachsener können musste: anpirschen und springen, zupacken und beißen. Es störte die Löwinnen nicht einmal, wenn die Jungen ihre Fähigkeiten an ihnen ausprobierten. Als Binti den riesigen Kopf ihrer Mutter zwischen die Vorderpfoten nahm, um ein bisschen daran zu nagen, leckte Penda sie einfach ab.
„Nicht!“, quietschte Binti. „Nicht putzen! Bin gefährlich!“
„Schmutzig bist du.“ Ungerührt fuhr Penda fort, das wollige Babyfell ihrer Tochter zu striegeln. Die Zwillinge waren voller dunkler Flecken, die erst mit der Zeit verblassen würden. Auch bei Nuru sah man dieses Babymuster noch. Aber er bildete sich seit Kurzem ein, dichten Flaum an seiner Brust zu erkennen, wenn er nach unten schielte. Ein Flaum, der sich hoffentlich bald in eine prächtige Mähne verwandeln würde! Man musste bloß sehr genau hinschauen, um ihn zu bemerken — nur leider tat das niemand außer ihm selbst. Als Tante Oyana ihn zu fassen bekam, fuhr sie mit ihrer rauen Zunge direkt über Nurus Mini-Mähne hinweg.
„Du hast ebenfalls eine Wäsche nötig, kleiner Prinz“, brummte sie gutmütig. Nuru strampelte, wehrte sich aber nicht ganz so heftig, wie er es bei seiner Mutter getan hätte. Auf dem Rücken liegend, betrachtete er die große Narbe im Gesicht seiner zweiten Tante. Auch Oyana war vor einer Weile fortgegangen, um ihre Jungen zu bekommen, doch anders als Penda war sie allein zurückgekehrt. Mit nichts als einer Verletzung, die ihr quer über die Wange reichte. Als Nuru sie fragte, wo ihre Babys geblieben waren, antwortete sie bloß: „Das Leben ist gefährlich. So ist es, so war es, und so wird es immer sein.“
Ihre Wunde war inzwischen wieder verheilt, aber ihr Gesicht sah wegen der Narbe ein bisschen schief aus. Dadurch machte Oyana einen grimmigen Eindruck, obwohl niemand sanfter und freundlicher war als sie. Um die Jungen des Flussrudels kümmerte sie sich fast so, als wären es ihre eigenen Kinder. Die Zwillinge durften sogar bei ihr trinken, wenn Penda gerade auf der Jagd war. Binti und Sadiki konnte man mit Milch noch vollkommen zufriedenstellen, und manchmal beneidete Nuru sie darum. Er selbst hatte sich in letzter Zeit so sehr an Fleisch gewöhnt, dass sein Magen schon beim Gedanken daran schmerzhaft grummelte.
Hunger. Dieses Gefühl war genauso neu wie Nurus Mähnenflaum. Vielleicht gehörte es auch zum Erwachsenwerden? Aber wenn das stimmte, wäre Nuru freiwillig noch länger ein wolliges, mähnenloses Baby geblieben.
Er schreckte hoch, als in der Ferne ein heiseres Geräusch ertönte. Dieser Laut, irgendwo zwischen einem Grunzen und einem kurzen Brüllen, hätte ihn wahrscheinlich sogar aus dem Tiefschlaf gerissen. Aufgeregt ließ er den Blick über das Meer aus trockenen Halmen wandern. So rief nur seine Mutter Salama — und da war sie auch schon: eine große, schlanke Gestalt, so goldgelb wie die Savanne.
Als Salama nur noch wenige Löwenlängen von dem Rudel entfernt war, beschleunigte sie ihre Schritte. Sie trabte direkt auf Penda und Oyana zu, und die Löwinnen rieben fest die Köpfe aneinander. Dann ließ Salama sich mitten zwischen die anderen fallen. Sie zog Nuru mit den Pranken an sich, und auch er wurde ausführlich geknuddelt. Normalerweise mochte er es, dass die Jägerinnen bei ihrer Rückkehr alle begrüßten, als wären sie eine halbe Ewigkeit voneinander getrennt gewesen. Aber heute machte ihn das Grummeln in seinem Bauch ungeduldig.
„Mama!“ Mit einem leisen Murren wand er sich aus ihrem Griff. „Erzähl schon, hast du was gefangen?“
Doch insgeheim kannte er die Antwort bereits. Wenn hier irgendwo in der Nähe köstliche Beute lag, hätte Salama ihr Rudel gleich dorthin geführt, statt sich unter dem Baum auszustrecken. Sie roch auch kein bisschen nach Fleisch. Trotzdem schnüffelte Nuru weiter hoffnungsvoll an ihr, bis sie ihn mit der Nase ein wenig von sich wegschubste.
„Diesmal nicht, Nuru. Ich bin ganz nah an eine Gazelle herangekommen, aber sie ist mir entwischt.“
„Oh.“ Enttäuscht sackte Nuru in sich zusammen.
Binti, die inzwischen fertig geputzt war, schaute frech zu ihnen herüber. „Will auch Gazellen jagen“, verkündete sie, obwohl sie noch nie eine Gazelle gesehen hatte — jedenfalls keine lebendige. „Würd mich anschleichen, ganz, ganz nahe, ganz, ganz leise und dann: happs!“
„Von wegen“, sagte Nuru und zog schnell die Pfoten ein. Wenn seine Cousine happs machte, konnte das ziemlich unangenehm werden. „Als ob du dich schon richtig anschleichen könntest! Du trampelst ja herum wie … wie eine Hyäne!“ Das hatte gesessen, dachte Nuru.
Die Zwillinge aber platzten fast vor Begeisterung. „Jaaa“, jubelte Binti, krümmte den Rücken und watschelte extra ungeschickt durchs Gras. „Ich bin eine Hyäne! Eine hässliche, hinkende …“
„… grässliche, stinkende …“, fiel Sadiki mit ein.
„… grauselig-gruselige HYÄNE!“ Ausgelassen sprang Binti nach vorn, geradewegs auf ein dunkles Büschel zu, das hinter dem Baumstamm hervorlugte.
„Binti, nein!“, fauchte Penda, aber es war schon zu spät. Nurus Cousine biss herzhaft in die Haarquaste, und das Rudel hielt vor Schreck den Atem an.
Die Quaste, in die Binti gebissen hatte, gehörte zu keiner der drei Löwinnen. Sie gehörte dem ruhenden König.
2. Kapitel:
Der König des Flussrudels
„ROAAAR!“
Mit einem Brüllen fuhr König Akida hoch. Es kam Nuru vor, als verdunkelte seine Mähne den Himmel. Sie war ein Zeichen für Akidas Stärke: Nur die mächtigsten Löwen bekamen so dichte schwarzbraune Mähnen, und der König ertrug es, dass die Sonne ihn deshalb besonders quälte.
Was er allerdings gar nicht ertragen konnte, war eine gestörte Mittagsruhe. „Wie kannst du es wagen?“, fuhr er Binti an, die vor Schreck zu einem winzigen Häufchen zusammenschrumpfte.
„’tschuldigung. Deine Quaste hat wie ein Grasbüschel ausgesehen“, maunzte sie. „So … grasig und büschelig …“
„Das meine ich nicht“, knurrte Akida und zog auf einer Seite die Lefze hoch, sodass ein gewaltiger Fangzahn sichtbar wurde. „Wir vom Flussrudel vergleichen uns nicht mit Hyänen, hast du verstanden? Das sind unsere schlimmsten Feinde! Kein Löwe ist dermaßen hinterhältig, feige und dumm! Nun lass mich gefälligst in Ruhe schlafen, statt meine Kräfte mit solchen Albernheiten zu verschwenden.“ Drohend starrte er das erschrockene Binti-Häufchen an, bevor er sich wieder unter den Baum legte.
Binti verkrümelte sich zu ihrer Mutter, aber nicht so schnell, wie Nuru es an ihrer Stelle getan hätte. Wahrscheinlich überlegte sie, warum Akida anders auf Neckereien reagierte als Penda. Immerhin war er der Vater aller Jungen, die im Flussrudel geboren wurden. Aber Nuru hatte bereits gelernt, dass es zwischen Löwenmüttern und Löwenvätern gewaltige Unterschiede gab: Salama beschützte ihn so gut wie möglich vor Hunger und Durst, vor Hitze, Kälte und Einsamkeit. Akida beschützte ihn vor … allem anderen. Ganz genau wusste Nuru zwar nicht, was das sein könnte. Doch er musste nur in Oyanas vernarbtes Gesicht sehen, um sich zu erinnern, dass es dieses Andere gab. Solange Akida bei ihnen war, würden solche Gefahren niemals an sie herankommen.
Dieser Gedanke beruhigte Nuru so sehr, dass er auch mit leerem Magen bald eindöste. Die Tage verbrachte das Rudel meist schlafend, erst die Kühle der Dämmerung ließ sie munter werden. Als Nuru das nächste Mal erwachte, stand die Sonne allerdings noch über dem Horizont. Benommen schaute er sich um und sah Akida, der am Stamm der Akazie stand. Ein Scharren ertönte, als er seine Pranken die Rinde hinabgleiten ließ. So schärfte er seine Krallen, aber Nuru ahnte, dass noch mehr dahintersteckte als Pfotenpflege. Der König machte sich für einen ausgedehnten Streifzug bereit.
Salama schien dasselbe zu denken. Alarmiert hob sie den Kopf und stieß ein leises, grummelndes Geräusch aus. „Du gehst?“, fragte sie.
Akida streckte sich und schüttelte seine Mähne. „Ja, ich muss die Grenzen des Reviers ablaufen. Das wird eine Weile dauern.“
„Kann ich mir vorstellen.“ Salamas Grummeln wurde lauter. „Wie weit reicht das Revier eigentlich schon? Bis dorthin, wo Himmel und Erde sich berühren?“
Der König fuhr zu Salama herum. Plötzlich waren die Rückseiten seiner Ohren nach vorn gedreht und die Augen weit geöffnet — alles Zeichen für seine Verärgerung. „Und wenn es bis zur Sonne hinaufreichen würde, wäre das für dich nur ein Grund zur Freude“, entgegnete er scharf. Auch Nuru, der sich instinktiv geduckt hatte, verstand seine Mutter nicht. Auf ein großes Revier sollte man stolz sein, vor allem, wenn man zu einem eher kleinen Rudel gehörte. Das war ein weiterer Beweis für Akidas Macht!
Aber Salama gab sich nicht zufrieden. Sie erhob sich, um die zornige Haltung des Königs nachzuahmen, und knurrte sogar dabei. Nuru erschrak. Was war denn nur mit ihr los? Sie konnte doch den Anführer nicht so offen herausfordern!
„Warum reicht dir dieses Gebiet hier am Fluss nicht?“, bohrte Salama nach. „Das ist ein Ort, um den uns viele beneiden. Wir sollten lieber gut darauf achtgeben, statt in einem unkontrollierbar großen Revier herumzustreunen!“
„Wir?!“ Akidas Schwanz peitschte durch die Luft. „Es ist Sache des Königs, sein Revier zu bewachen. So ist es, so war es, und so wird es immer sein! Kümmere du dich lieber darum, dass wir hier nicht verhungern, obwohl ich dir ein derart großes Reich voller Beutetiere erobert habe!“ Mit strengem Blick fixierte er Salama, und Nuru begann zu zittern. Mittlerweile waren auch die anderen erwacht und verfolgten stumm die Auseinandersetzung. Als Salama zurückwich, schienen alle erleichtert aufzuatmen. Grußlos brach Akida zu seiner Wanderung auf, und Nuru sah aus der Ferne, wie er sein Gesicht an einem Strauch rieb. Dann drehte der König sich um und spritzte einen Strahl auf die Zweige. Das war sein Markenzeichen, seine Botschaft an mögliche Feinde: Hier herrsche ich— wagt es ja nicht, das infrage zu stellen. Diesmal hatte Nuru allerdings das Gefühl, dass es auch eine Warnung an seine Mutter sein sollte.
Salama machte keine Anstalten, sich wieder hinzulegen. Sie wartete nur, bis Akida außer Sichtweite war, dann entfernte sie sich ebenfalls vom Rudel. Nach ein paar Schritten hielt sie allerdings noch einmal inne und drehte den Kopf.
Nurus Herz vollführte einen Satz. Wenn seine Mutter das Rudel verließ, ohne sich nach ihm umzusehen, war das ein eindeutiger Befehl. Dann musste er an derselben Stelle ausharren, bis sie wiederkam. Aber seit er kein Baby mehr war, durfte er sie manchmal begleiten. Gespannt wartete er, wie Salama sich entscheiden würde, bis er endlich ihren Lockruf hörte: ein leises, heiseres Wuh. Sofort war er auf den Pfoten und stürmte seiner Mutter hinterher. „Gehen wir jagen?“, fragte er aufgeregt. „Wir fangen uns jetzt was, hab ich recht?“
„Nein, Nuru“, erwiderte Salama und setzte sich wieder in Bewegung. „Ich gehe jagen, und du gehst fressen. Während große Könige fort sind, werden kleine Prinzen hoffentlich satt.“
3. Kapitel:
Jagd-Geheimnisse
Das Gras raschelte unter ihren Pfoten. Stellenweise war der Boden so trocken, dass ihre Schritte kleine, leuchtende Staubwolken hochwirbelten. Von der Abendsonne wurde alles in einen besonderen Glanz getaucht.
Immer wieder stoppte Salama, um zu lauschen. Sie schien zwischen dem Flüstern der Halme, dem Insektenzirpen und dem Vogelgezwitscher irgendetwas zu hören, das Nuru entging. Still zu sein und sich zu konzentrieren war sowieso nicht seine Stärke. In seinem Inneren kribbelte es wie von tausend Ameisen, und er machte ein paar Luftsprünge.
„Pst“, warnte ihn Salama. „Erinnere dich, was deine wichtigste Regel auf Jagdausflügen ist: Du sollst da sein, aber nicht bemerkt werden.“
„Wie meine Mähne?“
Belustigt rieb Salama ihre Wange an Nurus. „Ganz genau wie deine Mähne, die tatsächlich sehr unauffällig ist. Darin besteht das Geheimnis einer gelungenen Jagd.“
Das klang nicht besonders spannend, fand Nuru. „Jagen ist doch vor allem Verfolgen, Einholen und Springen!“, protestierte er.
„Man muss auch schnell sein, das stimmt“, räumte Salama ein. „Aber auf längerer Strecke ist das furchtbar anstrengend, und normalerweise sind wir nicht schneller als die Grasfresser. Unsere schweren Pranken sind zum Packen und Festhalten da, nicht so sehr zum Rennen. Wenn wir Beute machen wollen, müssen wir sie also überraschen.“
„Warum haben wir dann nicht gewartet, bis es dunkel ist?“
„Weil die Beutetiere, auf die ich es abgesehen habe, nachts in Erdhöhlen schlafen. Dann würden wir sie gar nicht finden. Aber jetzt habe ich eine Ahnung, wo sie sein könnten!“ Salama beschleunigte ihre Schritte, und Nuru lief eilig hinterher. Ihm war klar, dass seine Mutter ihn zum Fluss hinunterführte. Der wand sich wie eine braune Schlange quer durch Akidas Revier, und von ihm hatte das Rudel seinen Namen. Obwohl schon lange kein Regen mehr fiel, gab es hier immer noch reichlich Wasser. Nuru hätte gern ein bisschen getrunken, doch Salama hielt ihn zurück. Geduckt schaute sie über das hohe Gras hinweg zum Ufer. Dort bewegte sich etwas hin und her, Ohren wackelten, braune Mähnenhaare flatterten im Wind.
Ein Warzenschwein! Nein, gleich mehrere! Jetzt nahm auch Nuru ihren Geruch wahr, und das vorfreudige Kribbeln in seinem Inneren verwandelte sich in ein Brennen. Gierig streckte er sich immer höher, bis Salama ihn mit der Pranke wieder zu Boden drückte.
„Vorsicht! Warzenschweine können unheimlich gut hören, also kommt man nur schwer an sie heran. Und sie sind flinker, als man es ihnen zutrauen würde!“
Nuru spähte zweifelnd durch die gelben Halme. Die Schweine trotteten sorglos am Ufer entlang, schnupperten hier und da, grunzten und wedelten mit den Schwänzen. Wie es aussah, ahnten sie überhaupt nichts von der drohenden Gefahr. Außerdem hatten sie dicke Bäuche und dazu lächerlich dürre Beine. Wie sollten sie damit einer Löwin entwischen können?
Ungeduldig machte Nuru einen Schritt nach vorn — da hoben sich auf einen Schlag alle warzigen Köpfe. Die Schweine schauten die Uferböschung hinauf, und nun hielten sie Ohren und Schwänze ganz still. Angestrengt versuchten sie, jemanden im hohen Gras zu erkennen. Allerdings waren sie dafür wohl zu kurzsichtig, und der Wind wehte zum Glück nicht in ihre Richtung. Ein quälend langer Augenblick verging, dann schienen sich die Schweine zu beruhigen. Ihre Schwänze wackelten wieder, und sie setzten ihren Spaziergang fort.
Nuru musste sich sehr zusammenreißen, um vor lauter Anspannung nicht zu miauen. Entschuldigung, bat er Salama mit seinem Blick.
Salamas goldene Augen zuckten kurz zu ihm, ehe sie sich wieder auf die Beute richteten. Warte, schien sie sagen zu wollen. Warte einfach nur ab …