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Zwei Paare, die sich seit der Studienzeit kennen, vereinbaren vierzehn Tage gemeinsame Ferien in einem Haus am Kleinen Belt. Die Männer entschließen sich spontan zu einem Segelwochenende. Keiner der vier Freunde ahnt, dass dieser Törn auf der Ostsee ihrer aller Leben auf dramatische Weise verändert. Getrieben von Schuld und den Forderungen einer mysteriösen Organisation beginnt die Flucht durch Skandinavien bis nach Auckland in Neuseeland. Die Ereignisse der Vergangenheit lassen die Freunde nicht los und holen sie immer wieder ein.
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Seitenzahl: 380
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Peter Schröder begann nach einer langen Berufszeit im hohen Alter mit dem Schreiben. Nach den Schilderungen von Erlebnissen aus seiner Kindheit und Jugendzeit beschrieb er seine fast 40-jährigen Segelerfahrungen, die auch in dieses Buch eingeflossen sind.
„Das Geheimnis des Kleinen Belt“ ist sein erster Roman.
Sämtliche Handlungen, Charaktere und Dialoge sind rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Firmen, Organisationen etc. sind zufällig. Geografische Schilderungen basieren auf eigenen Reisen und Recherchen in vielfältigen Medien.
Mein besonderer Dank für das Gelingen dieses Buches gilt meinem Bruder Bernd.
Er gestaltete den Umschlag und half mir beim druckfertigen Seitenaufbau und mit vielen sachlichen Hinweisen.
Für Elke
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Kapitel 71
Kapitel 72
Kapitel 73
Kapitel 74
Kapitel 75
Kapitel 76
Kapitel 77
Kapitel 78
Kapitel 79
Kapitel 80
Kapitel 81
Kapitel 82
Kapitel 83
Kapitel 84
Kapitel 85
Kapitel 86
Kapitel 87
Kapitel 88
Kapitel 89
Kapitel 90
Kapitel 91
Kapitel 92
Kapitel 93
Kapitel 94
Kapitel 95
Kapitel 96
Kapitel 97
Kapitel 98
Kapitel 99
Kapitel 100
Kapitel 101
Kapitel 102
Kapitel 103
Kapitel 104
Kapitel 105
Kapitel 106
Kapitel 107
Kapitel 108
Kapitel 109
Kapitel 110
Kapitel 111
Kapitel 112
Kapitel 113
Kapitel 114
Kapitel 115
Freitag, 23. Januar 2015
Es war wieder dieses typische Schmuddelwetter in Hamburg. Der Regen schien nicht aufhören zu wollen. Nachdem Jörn früh aus dem Haus gegangen war, hatte Lea noch einmal für ein paar Minuten die Wärme ihres Bettes gesucht.
„Hab´ keine Zeit für ein Frühstück“, hatte Jörn ihr beim Rausgehen aus der Wohnungstür zugerufen. „Bin spät dran.
Hab´ gleich einen wichtigen Kundentermin in der Agentur.“
Lea fragte sich, wie oft sie beide in letzter Zeit vor der Arbeit in Ruhe miteinander gefrühstückt hatten. Das war den Wochenenden vorbehalten. Sie war sicher in dieser Hinsicht in der besseren Position. Ihre Arbeit als Lektorin konnte sie in freier Einteilung auch zu Hause erledigen.
Jörn hatte sich längst daran gewöhnt, an seinem Arbeitsplatz in der Werbeagentur mit einigen Kolleginnen und Kollegen ein schnelles Frühstück on the job einzunehmen. Die italienische Kaffeemaschine lief permanent, und irgendjemand seines Teams brachte morgens im Vorbeifahren ein paar Hörnchen aus Blätterteig oder eine Mischung von Körnerbrötchen mit. Das funktionierte ohne eine Namensliste für den Einkauf. Sie waren eine lange eingespielte Truppe. Es gab keine erkennbaren Hierarchien. Arbeitszeiten waren ohnehin nur eine statistische Größe, weil alle Zeit dem Erfolg untergeordnet war.
Nach dem Studium der Medienwissenschaften in Köln verbrachte Jörn zunächst zwei weitere Jahre an der Uni. Sein Aufgabenbereich befasste sich mit der Medienforschung. Wie lassen sich Texte, Inszenierungen, Filme, TV-Sendungen und Games wissenschaftlich analysieren? Mit diesem Basiswissen wurde er schnell ein Wunschkandidat der großen Agenturen, zumal er sich in den zwei Jahren bereits einen guten Ruf in der Branche erarbeitet hatte.
Nach den Jahren an der Uni reizte ihn die Praxis, und er folgte einem Angebot von Wilkins and Partners, die als europäische Agentur auch in Köln ein Büro besaßen.
Lea hatte er bereits während des Studiums kennengelernt. Sie studierte Germanistik und Literaturwissenschaften, eine hochkarätige Ausbildung. Während der Studienzeit lebten sie gemeinsam in einer WG in Ehrenfeld. Mit seinem Job konnte sich Jörn eine kleine Wohnung leisten, in die er mit Lea einzog. Es war alles etwas bescheiden, aber beide waren froh, ihr erstes eigenes Reich zu haben und dem Durcheinander der WG zu entkommen.
Sie begannen, gemeinsame Zukunftspläne zu schmieden. Heiraten war zunächst noch kein Thema, aber der Wunsch nach einem Familienleben mit Kindern wurde immer deutlicher. Jörn war voll ausgefüllt mit seinem Agenturjob. Lea brauchte während ihrer Zeit in der kleinen Wohnung noch ein Jahr bis zum Studienabschluss, der zwei Semester später bestanden wurde, als sie es zum Beginn des Studiums geplant hatte.
Diese Zeit ging Lea durch den Kopf, als sie am Morgen noch einmal unter die Bettdecke geschlüpft war. Sie erinnerte sich gern an die damalige, harmonische Zweisamkeit, an Zeit für- und miteinander und an zärtliche Stunden. Das waren sicher die bisher schönsten Jahre ihrer Partnerschaft.
Lea sass aufrecht im Bett. Sie konnte gegenüber im Spiegel über der weißen Kommode sehen, wie ihr kräftiges Gähnen ihr ganzes Gesicht verzerrte. Zeitgleich streckte sie beide Arme seitlich in die Höhe, als wenn sie damit zeigen wollte, dass sie bereit war für den Tag. Der Übergang in die üblichen morgendlichen Abläufe gelangen ihr jedoch nur mühsam. Sie suchte mit lang ausgestreckten Beinen nach den wattierten Hauspantoffeln, der warmen Version für den Winter. Leicht fröstelnd musste sie feststellen, dass dieser feuchte Aprilmorgen kein Vorbote des Frühlings war.
Sie brauchte bei diesem Wetter einige Überwindung, den zweiteiligen Winterschlafanzug abzulegen und suchte die Wärme der Dusche. Wie jeden Morgen checkte sie bei einem Blick in den Spiegel die Tagesform. An diesem Morgen war sie mit dem Ergebnis recht zufrieden.
In wenigen Tagen würde sie 35 Jahre alt werden, und sie fand, dass sie recht sportlich daherkam. Sie war zwei Jahre jünger als Jörn. Manchmal, wenn sie mal wieder allein war, weil Jörn abends noch mit irgendwelchen Terminen oder Arbeitsessen verhindert war, hatte sie Zeit, ihr bisheriges gemeinsames Leben abzuspielen und über die Zukunft nachzudenken.
2002
Nachdem Lea damals in Köln das Studium zu Ende gebracht hatte, bekam sie das Angebot, als wissenschaftliche Referentin in einem privaten Institut für Deutsche Kulturgeschichte zu arbeiten. Ihr wurde gleich zu Beginn in Aussicht gestellt, nach kurzer Zeit als Dozentin in den Lehrbereich einzusteigen. Das war für das junge Paar die Chance, mit zwei guten Gehältern den nächsten Schritt in die gemeinsame Zukunft zu machen. Sie suchten nach einem kleinen Haus, in das sie zunächst allein einziehen wollten, das aber auch den Spielraum für eine Familie mit zwei Kindern bieten würde.
Geschockt von den Immobilienpreisen im Stadtbereich von Köln mussten sie den geografischen Radius für ihr Vorhaben erweitern. Letztlich fanden Sie ein Angebot, das sie finanziell stemmen konnten. Mit Hilfe einer mutigen Bank kauften sie ein kleines Reiheneckhaus am Rande von Bergisch Gladbach. Die Anbindung an die Kölner City mit öffentlichen Verkehrsmitteln war machbar, aber zeitaufwendig.
Jörn hatte zu Beginn darauf gesetzt, schnell über die A4 in die Innenstadt zu gelangen. Das hatte sich bald als sehr mühsam herausgestellt. Er gestaltete jedoch seine Arbeitszeit in der Agentur so flexibel, dass er die morgendlichen Stoßzeiten umgehen konnte.
Lea erreichte das Institut einfacher mit der Bahn, da es auf der östlichen Seite des Rheins lag, und sie somit nicht bis in die Innenstadt fahren musste. Die Schulen für die Kinder waren in der Nähe ihres Hauses und hatten einen guten Ruf. Der Wunsch nach Kindern blieb über die Jahre unerfüllt. Das hatte Lea besonders getroffen und schleichend ihr Wesen verändert. Die Partnerschaft hatte gelitten und zu einer Gleichgültigkeit im täglichen Zusammenleben geführt.
Als schließlich die endgültige ärztliche Bestätigung kam, dass die beiden keine Kinder haben würden, brach zunächst eine Welt zusammen. Sie hatten zwar längst die Hoffnung auf ein schönes Familienleben mit Kindern aufgegeben, jedoch die Endgültigkeit hatte jeder auf seine Weise verdrängt.
Lea und Jörn hatten sich nach einiger Zeit mit den Tatsachen abgefunden und beschlossen, unter dieses Kapitel ihres Lebens einen Strich zu ziehen und ein neues Leben zu beginnen. Sie waren sich einig, dass dazu ein räumlicher Wechsel mit neuen Herausforderungen erforderlich sein würde. Beruflich passte Jörn diese Entscheidung gut in seinen Karriereplan, da er in der Agentur in Köln mittelfristig keine Perspektiven mehr sah.
Erleichtert wurde der Wunsch nach einem beruflichen Neubeginn durch die Tatsache, dass seit ein paar Wochen ein Headhunter Kontakt zu ihm hielt mit einem verlockenden Job Angebot der Creative Media Company in Hamburg, einer weltweit bekannten Agentur, in der die großen Etats von Markenunternehmen umgesetzt wurden. Das wäre für ihn ein echter Karriereschritt mit weit besseren Konditionen als bisher in Köln.
Er hatte in den vergangenen Jahren nicht bemerkt, wie sehr ihn das Berufsleben vereinnahmt hatte. In drei Jahren würde eine 4 als erste Ziffer seiner Altersskala auftauchen. Auch diese Tatsache bedeutete für ihn Handlungsbedarf.
Lea war ebenfalls bereit, einen Neuanfang zu wagen. Die Arbeit im Institut hatte ihr gefallen, und sie war dort anerkannt. Aber auch bei ihr reifte nach und nach der Wunsch, noch einmal etwas anderes zu wagen.
Sie wünschte sich zudem, dass sie flexibler arbeiten konnte und nicht mehr so sehr in die zeitlichen Zwänge von Lehrplänen eingebunden zu sein. Die Suche nach einer neuen Aufgabe war relativ kurz. Über wissenschaftliche Foren erhielt sie Zugang zu bundesweit interessanten Angeboten. Da sich Jörn bereits sehr konkret mit dem Standort Hamburg befasste, hatte auch Lea dieser Stadt Priorität gegeben. Mit einer Portion Glück und dem Zufall stieß sie auf das Angebot eines großen Verlages, als Lektorin und freie Mitarbeiterin zu arbeiten.
Jörn und sie haben ihre Vorstellungsgespräche in Hamburg zeitlich zusammenlegen können. Als sie sich am Abend in ihrem Hotel trafen, konnten sie beide einen unterschriftsreifen Vertrag vorzeigen.
Das war der Startschuss in ein neues Leben. Hamburg erschien ihnen zudem als deutlich weltoffener, im Vergleich zu Köln und schon gar zu ihrem bisherigen Wohnort.
Sie hatten im Laufe der Jahre nicht recht Fuß gefasst, und der Kölner Klüngel mit dem Rheinischen Karneval lag ihnen überhaupt nicht. In der verbleibenden Zeit in Köln war es schnell möglich, einen Käufer für ihr Haus in Bergisch Gladbach zu finden, so dass das Kapitel Köln endgültig geschlossen werden konnte.
Lea und Jörn waren sich einig, in Hamburg nicht in die Außenbezirke der Stadt zu ziehen. Sie wollten mittendrin sein und die Angebote der Stadt nutzen, zumal sie sich nun auf ein Leben zu zweit einrichten konnten. Der Kauf eines Hauses war finanziell nicht machbar, auch wenn sie in der neuen beruflichen Situation fest mit zwei guten Gehältern rechnen konnten.
Sie fanden nach langem Suchen eine Erdgeschosswohnung in einer typischen hanseatischen Kaufmannsvilla in Harvestehude. Das Haus lag nur ein paar Straßenzüge entfernt von der Außenalster, wo die Mietpreise immer noch gewaltig waren, aber günstiger als die Mieten mit Alsterblick. Die obere Etage wurde von einem alten Beamten-Ehepaar bewohnt, das schon lange Jahre dort lebte. Alles zusammengenommen, war ihr Wechsel in ein neues Leben gut und problemlos gelungen.
Freitag, 23. Januar 2015
Lea nahm sich Zeit für ihr Frühstück, das jeden Morgen in gleicher Weise zubereitet wurde: ein großer Pott Kaffee mit viel Milch, eine Schale Früchtemüsli, ihr spezielles Körnerbrot vom Bäcker nebenan, mit Butter, fettarmem Käse und einem frisch gepressten Orangensaft. Trotz der Medienvielfalt, zu der sie Zugang hatte, liebte sie es, beim Frühstücken im Hamburger Abendblatt zu schmökern. Besonders aufmerksam las sie die Kulturseiten.
Die Technik der Küche war auf dem neuesten Stand, jedoch eingefügt in die alten, weiß lackierten Möbelteile, die nach alter friesischer Farbgebung hellblau lackierte Rahmen besaßen. Die Tischleuchte mit einem schwarzen Metallring, der einen großen Glasschirm hielt, hatten sie auf einem Trödelmarkt gefunden.
Lea liebte dieses Ritual zum Tagesbeginn und musste sich eingestehen, dass ihr Jörn dabei immer weniger fehlte.
Heute war ein Homeoffice Tag, und sie war nicht gezwungen, sich büromäßig anzukleiden. Nachdem sie den Frühstückstisch abgeräumt hatte, genoss sie es, im warmen Morgenmantel am Schreibtisch zu sitzen. Die große Wohnung bot ihr einen eigenen Arbeitsraum, den sie mit einem alten Schreibtisch ausgestattet hatte. Da gab es noch keinen Rollcontainer mit selbsteinlaufenden Schubladen, wie sie es von den Büros ihrer Arbeitgeber gewohnt war.
Die kleinen Holzschubladen, rechts und links unter der Tischplatte angebracht, ließen sich mit leicht knarrendem Geräusch öffnen. Sie liebte diesen Tisch mit der Arbeitsplatte, die über die Jahrzehnte hinweg reichlich Patina angesetzt hatte. Ihr Laptop nahm nicht übermäßig viel Platz ein, so dass eine ausreichende Fläche für die manuelle Schreibarbeit verblieb. Als Tischleuchte hatte sie vor Jahren bereits eine alte Original Wagenknecht Leuchte kaufen können in ihrem typischen, zeitlosen Design.
Das Holzregal an der Stirnseite des Raumes war überladen mit Büchern aller Art. Ein neutraler Besucher wäre schnell auf die Idee gekommen, in welchem beruflichen Umfeld sie arbeitete. Zur alt-ehrwürdigen Möblierung des Raumes gehörte auf der anderen Seite ein Biedermeier nachempfundenes Sofa mit Holzleisten, die die Armlehnen abdeckten.
Auf dem Holzfußboden in der Mitte des Raumes lag ein orientalischer Seidenteppich, den sie vor Jahren von einer Reise mitgebracht hatten. Ob er soviel wert war, wie es der arabische Verkäufer ihnen damals nachdrücklich erklärt hatte, ist bis heute nicht bewiesen.
Lea hatte gerade die genaue Stelle zur Bearbeitung des Buches gefunden, an der sie gestern aufgehört hatte, als ihr Handy klingelte. Sie konnte die Anrufe nicht ignorieren, auch wenn es im Moment überhaupt nicht passte. Sie musste für Ihren Verlag und andere Anrufer aus ihrem Berufsumfeld erreichbar sein. Die Stimme der Anruferin erkannte sie sofort.
„Hey, Lea, du Büchermaus, hab´ich dich jetzt im Bett erwischt oder sitzt du schon am Schreibtisch? Hoffentlich nicht im Verlag.“ Es war Saskia, ihre alte Freundin.
“Mit dem Schreibtisch hast du recht. Ich bin zu Hause. Heute habe ich Homeoffice. Schön, dass du dich an meinen Namen und meine Nummer noch erinnern konntest. Wie lange haben wir uns nicht mehr gesprochen? Ich glaube, nur die Älteren erinnern sich.“ Das musste Saskia kontern:
„Hör mal zu, mein Schätzchen, du weißt, dass zu einer Kommunikation mindesten zwei Personen gehören, und dass die drahtlose Verbindung von beiden Seiten genutzt werden kann.“ Die beiden Frauen liebten diese flapsige Sprache.
„Ich habe in der Schule eine Freistunde und mir um die Ecke gerade ein Sandwich geholt, das ich auf einer Parkbank verspeise. Wundere dich also nicht, dass ich mit vollem Mund spreche. Heute ist so gar nicht mein Tag, und meine Gedanken fliegen in die Vergangenheit. Da bin ich schnell bei dir und Jörn. Sag mal an, wie steht´s bei euch? Mischt ihr das Nachtleben von Hamburg auf? Hab ich vielleicht montags in der BILD schon was verpasst über euch?“
Lea musste innerlich schmunzeln über ihre Saskia. So war sie nun mal. Ihr Berliner Dialekt, den sie sich schon ein wenig angeeignet hatte, machte ihre Ausdrucksweise noch lustiger.
„Mein Schätzchen, du darfst unser Alltagsleben hier in der Hafenstadt nicht überbewerten. Der Tagesverlauf ist hier ebenso wenig spannend wie an anderen Orten auch. Ich vermute mal, dass du mit deinem Ben auch nicht von einem Abenteuer in das nächste stürzt.“
Auf Saskias Handy konnte Lea ein akustisches Schmunzeln hören. „Ne, von Abenteuern sind wir weit entfernt und träumen höchstens davon. Die Schüler in meinen Klassen werden immer frecher, und ich hatte auch schon Fälle von Aggressionen gegen mich. Ich frage mich zunehmend, ob das auch an mir liegt, und ob ich dem ganzen Stress hier noch gewachsen bin.“
Lea spürte, dass sie ihre Freundin viel fröhlicher erlebt hatte. Vielleicht war ihre flapsige Art etwas vorgetäuscht. Sie hätte ihr jetzt gern ins Gesicht gesehen.
„Und was macht dein Ben?“, fragte Lea. „Lässt ihm sein Job noch etwas Zeit für dich?“ Die Antwort aus Berlin kam nur zögerlich.
„Seitdem er zum Projektleiter befördert wurde, ist er weniger zu Hause. Er kommt viel herum in der Welt. Er ist gerade bei den Scheichen in Abu Dhabi und versucht den Männern in den weißen Gewändern Turbinen zu verkaufen. Er erzählt nichts von seinem Job. Am Sonntag kommt er zurück.“
Beide hatten offenbar den Wunsch, die gleiche Frage zu stellen. Lea brachte das Gespräch als erste auf den Punkt:
„Saskia, ich glaube es ist an der Zeit, dass wir uns sehen und unsere Gefühlslage nicht nur über den Satelliten austauschen. Außerdem gehört zu solch einem Gespräch ein gutes Glas Rotwein und ein weiter Blick in die Landschaft oder aufs Meer.“ Die Antwort zu diesem Hinweis kam prompt:
„Was meinst du wohl, warum ich eigentlich anrufe? Mich treiben die gleichen Gedanken. Ben hat neulich von einem dänischen Kollegen ein tolles Angebot bekommen. Der besitzt ein Ferienhaus an der dänischen Ostseeküste, nicht weit nördlich von Flensburg. Von euch aus ist das sehr schnell zu erreichen.
Wenn wir möchten, können wir dort mal für zwei Wochen die Seele baumeln lassen. Das Haus ist fantastisch. Es liegt direkt am Wasser des Kleinen Belt. Direkt heißt, dass du mit den Füßen im Wasser stehst, wenn du die Leiter einen Meter von der Terrasse hinabkletterst. Lea, meine Liebe, ich schicke dir nachher ein paar Fotos per Mail. Ich muss jetzt leider Schluss machen. Die Pausenglocke bimmelt schon. Meldet euch mal zu der Idee. Hab dich lieb, mach´s gut.“
Sie beendete das Gespräch mit einem akustischen Schmatzer.
Die Freundschaft zwischen den beiden Paaren bestand schon seit der Studienzeit. Jörn und Ben lebten zusammen in derselben Wohngemeinschaft in Köln. Ben hatte Maschinenbau studiert. Das passte gut zu ihm. Er war von den beiden der ruhigere Typ, dem es aus Sicht von Jörn an Emotionalität fehlte und der Bereitschaft, mal etwas Verrücktes und Spontanes zu machen. Jörn liebte die Leichtigkeit und die Neugier während der Studienjahre. Trotz der Unterschiede kamen sie gut miteinander zurecht, oder vielleicht gerade deshalb, weil sie verschiedene Typen waren.
Die Wohngemeinschaft wurde damals ergänzt durch Lea und eine Studentin, die bereits eine jahrelange Freundin von Lea war. Sie kannten sich bereits vom Gymnasium. Ihre Freundin hatte wechselnde männliche Bekanntschaften und sah das menschliche Zusammenleben in der kleinen WG recht frei und unbekümmert.
Ben hatte einen klaren Plan für das Studium. Der Fachbereich Antriebstechnik hatte ihn früh interessiert. Direkt nach dem Abschluss bekam er die Möglichkeit, in einem Institut für Antriebstechnik zwei Jahre zu forschen. Sein Spezialgebiet war die Nutzung von Wasserstoff-Brennstoffzellen als Antriebe für U-Boote und andere anspruchsvolle Schiffe. Der Einsatz unter Wasser würde geräuscharme Schleichfahrten ermöglichen. Das wären zudem wirtschaftliche Antriebe, weil sie eine größere Reichweite bieten könnten.
Er hatte sich in wissenschaftlichen Fachkreisen schnell einen guten Ruf erarbeitet und bekam Kontakte zu vielen Spezialisten in diesem Fachgebiet.
Während des Studiums hatte Ben sehr diszipliniert Sport betrieben und die Tage regelmäßig mit einem halbstündigen Lauf, runter zu den Rheinauen, begonnen. Dabei ist ihm Saskia im wahrsten Sinne der Worte über den Weg gelaufen. Ihre sportliche Figur gefiel Ben. Sie war total verschwitzt. Das passte zum Gesamtbild der attraktiven Läuferin. Man tauschte sich aus über die Leidenschaft des Laufens und dass diese morgendlichen Aktivitäten zu einer wahren Sucht werden können. Die beiden haben sich bald so organisiert, dass man den Tag gemeinsam begann. Gegensätze zogen sich an. Die aktive und muntere Saskia und der ruhige, bedachte Ben haben schnell eine Basis für eine Partnerschaft gefunden.
Ben und Jörn hatten viele gemeinsame Interessen. Auf der sportlichen Seite hat es sie gereizt, ein Angebot der Uni aufzugreifen, mit geringem finanziellen Aufwand einen Segelkurs zu machen. Die theoretische Ausbildung fand in der Uni statt. Das erste Ziel war der Sportbootführerschein Binnen, der sie befähigte, ein Segel- oder Motorboot mit gewissen Größeneinschränkungen auf Binnengewässern zu führen. Parallel zu der Theorie wurden die praktischen Kurse auf dem Zülpicher See, nahe Köln, durchgeführt.
Die beiden haben besonders die Stunden auf dem See genossen, mit gleichgesinnten jungen Leuten aus der Uni. Sie haben schnell erkannt, dass dieser Sport ein schönes Hobby für ihr ganzes Leben werden könnte. Nach dem Erreichen des ersten Scheines haben die beiden Jungs beschlossen, gleich anschließend den Sportbootführerschein Küste zu machen.
Dieses Papier erlaubte ihnen das Führen von Schiffen bis zu einer gewissen Größe und Motorstärke auf küstennahen Gewässern. Damit waren unter anderem die Nord- und Ostsee für sie zugängig.
Der Prüfungstörn wurde auf dem Ijsselmeer in Holland durchgeführt. Die acht Prüflinge mussten auf engem Raum auf einer 10-Meter-Yacht ein langes Wochenende verbringen. Von Hafen Enkhuizen aus wurden alle erforderlichen Manöver durchgeführt, und jeder der Teilnehmer wurde nacheinander für alle Aktivitäten an Bord eingesetzt und dabei bewertet. Das umfasste das Führen des Schiffes als Rudergänger, bei dem die Kommandos des Segellehrers ausgeführt werden mussten, wie auch das Segelsetzten und -einholen. Es wurde das Betätigen der Winschen und die Wendemanöver geprüft sowie der Umgang mit den Navigationsinstrumenten und alle anderen Handgriffe an Bord. Abends im Hafen saß die gesamte Gruppe zusammen und musste beweisen, dass man die wichtigsten Knoten beherrschte.
An dem Prüfungswochenende wurden drei verschiedene Häfen angelaufen. Da musste jeder einmal zeigen, dass er in der Lage war, An- und Ablegemanöver nach Vorgabe des Prüfers durchzuführen. Er war ein harter Knochen, aber er wurde von allen Teilnehmern wegen seiner großen Erfahrung und dem umfangreichem seglerischen Wissen anerkannt.
An den Abenden in den Häfen des Kurses blieb dennoch Zeit für ein gemeinsames Abendessen an Bord, das auch von den Crewmitgliedern angerichtet werden musste. Natürlich war das kein Trockenkurs. Nachdem das Boot sicher festgemacht hatte, gab es den Anleger, das traditionelle Bier des Seglers. Jörn und Ben waren theoretisch gut gerüstet in diesen Prüfungstörn gegangen und haben beide zum Abschluss voller Stolz den Sportbootführerschein aus der Hand des Prüfers erhalten.
Sie waren sich sofort einig, dass dies ihr neues Hobby werden würde. Später haben sie auf dem Ijsselmeer mit weiteren Segelfreunden kurze Törns gemacht, soweit sie sich die Chartergebühren leisten konnten.
Nachdem sie mit Saskia und Lea zu viert waren, versuchten sie, ihre Mädels auch für diesen Wassersport zu begeistern. Die beiden Frauen haben zögerlich zugesagt, mit ihren Freunden einen einwöchigen Törn, ebenfalls auf dem Ijsselmeer, zu machen.
Der Wagen wurde vollgepackt mit Proviant für die Woche, da man beschlossen hatte, aus Kostengründen nicht in den Häfen in teure Restaurants zu gehen. Kneipenbesuche für ein paar Drinks an Land waren von der Entscheidung ausgeschlossen. Für die kulinarische Qualität bedeutete dies Einschränkungen. Der zweiflammige Gasherd der Dehler 65, die die Jungs gechartert hatten, machte den Speiseplan übersichtlich und sehr pastalastig.
Es gab eine enge Kabine im Vorschiff, in dem die Füße des Paares in der Bugspitze zusammenstießen. Im Achterschiff war das zweite Paar, getrennt in zwei kleinen Einzelkabinen, untergebracht. Das gefiel den Jungverliebten, die dieses Los gezogen hatten, gar nicht. Die beiden Paare hatten die Benachteiligung im Achterschiff erkannt und haben tatsächlich gelost, wer die Doppelkabine im Vorschiff erhalten sollte.
Die Gewinner waren Jörn und Lea. Auf das Angebot der beiden Vorschiffbewohner, nach der halben Woche einen Kabinentausch vorzunehmen, sind die Bewohner der Achterkabinen nicht eingegangen. Das war ihnen zu albern, wenngleich sie sich die gemeinsamen Nächte im Vorschiff sehr gut vorstellen konnten.
Nach dem Ablegen am ersten Tag hatte die Crew herrliches Segelwetter mit halbem Wind bei Windstärke 4. Sie genossen den Tag. Lea hatte einen Salade Nicoise vorbereitet, der am Nachmittag auf dem Achterdeck mit einem guten Rosé serviert wurde. Abends machten Sie auf der anderen Seite des Meeres im Hafen von Lemmer fest. Abendessen gab es in einem der Restaurants dort. Das hatten sie eigentlich nicht geplant. Der gemütliche Ausklang des Tages fand unter Deck statt.
Dieses friedliche Bild änderte sich am nächsten Morgen schlagartig. Das Ijsselmeer zeigte sich von seiner rauen Seite. Der Wind hatte aufgefrischt auf Stärke 5 mit zunehmender Tendenz. Die Männer beschlossen, rauszufahren, damit sie wieder auf die westliche Seite des Meeres gelangten, wo sie gechartert hatten.
Diese Entscheidung erwies sich für Saskia als schrecklich. Sie wurde nach wenigen Meilen seekrank, und man sah sie auf Deck nicht mehr, mit der Ausnahme von drei Besuchen, bei denen sie sich heftig übergeben musste. Abends im Hafen von Medemblik kam von ihr die klare Aussage, dass sie für diesen Sport nicht mehr zur Verfügung stehen würde.
Die Crew beschloss, Rücksicht auf Saskia zu nehmen und brachte die Dehler Yacht einen Tag früher als geplant nach Enkhuizen zurück. Der Hafen konnte in wenigen Stunden erreicht werden.
Jörn und Ben haben später zu zweit kleinere Törns auf der Ostsee gemacht. Die gemeinsamen Urlaube zu Viert fanden an Land statt.
2010
Ihre gemeinsame Zeit in Köln war zu Ende, als Saskia und Ben sich entschieden hatten, ihr Leben in Berlin fortzusetzten, da sie beide diese Stadt mit ihrer kulturellen Vielfalt sehr reizte.
Der Wechsel dorthin ging sehr schnell. Nach dem Studium konnte Ben seine deutschlandweiten Kontakte nutzen. Seine Qualifikation führte schnell zum Erfolg. Er entschied sich für eine Stelle bei der Firma Turbinenbau AG, die ihm sein gewünschtes Arbeitsfeld anbot.
Für Saskia war es als ausgebildete Lehrerin kein Problem, eine entsprechende Aufgabe zu finden. Sie konnte als erste Stelle die Klassen eins bis vier in einer Grundschule in Wedding übernehmen. Die beiden hatten sich früh entschieden, mit dem Heiraten zu warten, da sie eine Ehe nicht als Bestätigung ihrer Partnerschaft ansahen. Der Wunsch nach Kindern bestand zunächst nicht. Als Zeichen des gegenseitigen Vertrauens und des Willens, ihre Lebensgemeinschaft zu dokumentieren, haben sie früh gegenseitige, hochwertige Lebensversicherungen abgeschlossen.
Nach wochenlangem Suchen fanden Sie eine Berliner Altbauwohnung in der Nähe vom Schillerpark in Wedding, die es beiden ermöglichte, mit der U-Bahn ihre Arbeitsstellen zu erreichen. Die Mietpreise waren sehr hoch und nahmen einen hohen Prozentsatz ihrer Gehälter in Anspruch.
Freitag, 23. Januar 2015
Als Jörn am Abend nach Hause kam, hatte ihm Lea gleich von dem Telefonat mit Saskia berichtet.
„Ich habe endlich mal wieder mit Saskia telefoniert. Es gibt in Berlin auch nur grauen Alltag, wie bei uns. Sie hat einen guten Vorschlag gemacht. Ben hat durch Beziehungen zu einem dänischen Kollegen ein schönes Ferienhaus an der dänischen Ostseeküste angeboten bekommen. Es soll direkt am Wasser liegen und hat Platz genug für uns Vier“, sprudelte es aus ihr heraus. „Was meinst du Schatz, wäre das nicht einmal eine gute Gelegenheit, um so richtig zu relaxen?“
Jörn war überrascht von der plötzlichen Euphorie seiner Lea.
„Hoppla, langsam. du bist ja richtig aufgekratzt. Hast dich wohl schon entschieden, oder?“, sagte er und nahm seine Lea beruhigend in den Arm.
„Da brauchen wir zunächst mal weitere Informationen. Ich möchte nicht noch einmal so einen Reinfall erleben wie mit dem Haus in Büsum, wo ich damals am liebsten gleich wieder umgekehrt wäre.“ Lea war auf diesen Hinweis vorbereitet:
„Daran habe ich auch gleich gedacht. Saskia hat mir einige Fotos per Mail geschickt. Warte, ich kann Sie dir zeigen.“ Sie holte ihren Laptop und brachte die Bilder großformatig auf den Schirm. Zunächst zeigte sie die Außenansicht und die Lage am Wasser.
„Das sieht ja wirklich sehr komfortabel aus. Die Terrasse scheint groß zu sein. Zur Wasserseite ist das Haus komplett verglast“, stellte er anerkennend fest.
„Jetzt schau dir mal die Inneneinrichtung an.“ Sie holte weitere Eindrücke von den inneren Räumen auf den Bildschirm. „Hier die kuschelige Sitzgruppe und der Kaminofen davor. Ich sehe uns da schon sitzen und auf das Meer schauen.“
Jörn war sichtlich beeindruckt, umso mehr, als er die weiteren Fotos von der perfekt ausgestatteten offenen Küche sah, mit der Essgruppe davor für 6 Personen.
Im hinteren Bereich des Ferienhauses konnte ihm Lea zwei gemütliche Doppelzimmer zeigen und ein großes, sehr gut eingerichtetes Bad. „Der Hammer kommt noch“, meinte Lea und zeigte ihm die Sauna, die vom Bad aus zugänglich war.
„Stell dir vor, wir können uns dort aufheizen und dann schubse ich dich von der Terrasse in den Kleinen Belt.“
Jörn nickte ihr anerkennend zu.
„Wann soll das stattfinden, und ist das für Saskia und Ben auch schon klar? Wie lange wollen wir dort sein, und wie weit ist das eigentlich zu fahren?“
„Also, der Reihe nach“, ergänzte Lea ihre Vorführung. „Erstens: Saskia muss das Ganze noch Ben verkaufen.
Zweitens: Wir könnten schauen, dass wir das Haus im Juni bekommen, dann ist es auch in Dänemark schon schön warm.
Drittens: Das Haus liegt in einer kleinen Bucht in der Nähe von Haderslev, ungefähr eine knappe Autostunde nördlich von Flensburg. Das ist für uns ab Hamburg kein Thema.
Viertens denke ich, wir sollten uns dort einmal zwei Wochen gönnen.“
„Also, kläre das mal mit den Berlinern und dann können wir gemeinsam entscheiden“, war sein Fazit.
„Ich habe aber doch noch eine wichtige Frage. Was gibt es eigentlich bei uns heute Abend zu essen?“, wollte er wissen.
Damit war das Urlaubsthema zunächst beendet.
Mittwoch, 27. Januar 2015
Wie so oft in den vergangenen Monaten musste Saskia lange auf Ben warten. Er kam gegen 22.30 Uhr und hatte wie immer über den Stress im Büro geflucht und darüber, dass er sich noch so oft um die Abendgestaltung der Kunden kümmern musste.
„Warum, verdammt noch mal, kann das nicht auch mal Hendrik übernehmen? Der sitzt abends zu Hause oder hat Zeit für seinen Freizeitsport.“
Hendrik war Bens bester Freund in der Firma und zugleich sein direkter Vorgesetzter.
Als Saskia Ben ein spätes Abendessen zurechtmachen wollte, musste sie zur Kenntnis nehmen, dass ihr lieber Lebenspartner mit amerikanischen Kollegen Typical Berlin Food gegessen hatte, weil das der Wunsch seiner Gäste war. Die Tatsache, dass Ben sie bei der Planung seiner Abendgestaltung nicht einmal angerufen hatte, brachte Saskia heftig in Rage:
„Glaubst du eigentlich, dass ich nach meinem Job am Abend hier sitze und raten darf, ob der Herr noch ein Essen wünscht und das auf Verdacht vorbereite, falls du zufällig und ohne Vorwarnung hier einmal pünktlich aufschlägst? Welche Vorstellung hast du von meiner Rolle in unserer Partnerschaft?“
Derartige Diskussionen hatten seit ungefähr einem Jahr zugenommen, was Saskia sehr belastete. Sie fragte sich zunehmend, wo die Zweisamkeit verloren gegangen war, mit gemeinsamer Gestaltung ihrer Freizeit und harmonischem Zusammensein. Sie fing an, darüber nachzudenken, ob Ben das Interesse an ihr und den Wunsch nach vertrauten Stunden verloren hatte.
Saskia fragte sich auch, ob er sich von ihr nicht mehr so angezogen fühlte wie früher. Natürlich war da auch der Gedanke, ob Ben vielleicht seine Zuneigung an anderer Stelle verbrauchte. Sie hatte die Überlegungen darüber immer wieder verworfen.
Sie liebte ihn nach wie vor, und sie wusste auch, dass allein das vorsichtige Hinterfragen hierüber bei ihm zu einem Riss im Vertrauensverhältnis führen könnte. Der weitere Abend verlief reichlich gesprächsarm.
Am nächsten Abend war Ben außergewöhnlich pünktlich zu Hause, was Saskia schon fast als gekünstelt und albern ansah. Er brachte einen gemischten, sehr aufwendigen Blumenstrauß mit, in der Zusammenstellung, von der er wusste, dass er damit bei Saskia punkten konnte.
„Ben, die Blumen sind sehr schön!“, sagte Saskia und suchte gleichzeitig nach einer entsprechenden Vase.
„Mir wäre lieber, wenn du einmal spontan Blumen mitbringen würdest, einfach mal so zwischendurch und unerwartet, als Überraschung und kleine Aufmerksamkeit. Bei diesem Strauß wissen wir beide, dass er das Ergebnis des gestrigen Abends ist, gewissermaßen um die Dinge wieder zu glätten“, sagte Saskia und hielt Ben am Arm fest.
„Also gut“, fügte sie an, „lass uns hier mal einen Punkt setzten. Wir müssen eine Entscheidung treffen.“
Den letzten Satz hatte Ben völlig falsch eingeordnet, und er sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. Er wurde sofort ruhiger, als Saskia zur eigentlichen Sache kam.
„Ich habe gestern mit Lea gesprochen und ihr berichtet, dass du über deinen dänischen Kollegen ein Haus an der Ostsee mieten kannst. Da habe ich wohl einen Volltreffer gelandet. Die Hamburger finden diese Idee toll und würden gern mit uns einmal, wie in alten Zeiten, einen schönen Urlaub verbringen.“
Ben hatte nicht damit gerechnet, dass aus seinem Hinweis auf das Ferienhaus in Dänemark etwas Konkretes werden würde. Er wollte eigentlich Saskia damit nur signalisieren, dass er das Thema des gemeinsamen Urlaubs nicht völlig verdrängt hatte.
„Ich bin wirklich überrascht, wie schnell sich hier die Dinge entwickeln. Ich hatte bei dieser Ferienidee eigentlich an eine gemeinsame Woche zu zweit gedacht und du denkst mit den Hamburgern schon über eine Woche zu viert nach.“
Für Ben ging das alles zu schnell und innerlich war er nicht bereit oder hätte den Urlaub lieber etwas hinausgezögert.
„Ich muss das doch erst mal mit dem Dänen klären und sehen, wann da überhaupt mal eine Woche für uns frei sein würde!“, versuchte Ben den Wind aus den Segeln zu nehmen.
„Was willst du mir damit sagen?“, erwiderte Saskia und schüttelte den Kopf.
„Ruderst du jetzt wieder zurück und lässt mich im Regen stehen? Und außerdem macht das alles nur einen Sinn, wenn wir für diesen Ostseeurlaub einmal zwei Wochen zur Verfügung haben. Dieser Meinung sind auch Lea und Jörn.“
„Ok,ok“, sagte er. „Ich kläre das mit dem Dänen, aber an zwei Wochen hatte ich bei meinem Vorschlag wirklich nicht gedacht, und ich weiß auch nicht, ob ich 14 Tage Urlaub bekomme. Du weißt, dass ich tief in diesem wichtigen Großprojekt mit der Turbinenanlage stecke. Da kann man nicht einfach mal zwei Wochen Auszeit nehmen. Wann soll das denn stattfinden? Habt Ihr das auch schon hinter meinem Rücken geklärt?“
Für Ben hatte der vor einigen Tagen erwähnte Vorschlag nun zu viel Dynamik bekommen.
Mittwoch, 11. Februar 2015
Es war morgens um 9.30 Uhr, als Ben auf seinem Handy einen merkwürdigen Anruf erhielt, der sein Leben total verändern sollte. Er griff nach dem Mobilgerät und meldete sich wie gewohnt: „Ben Berger“
„Hallo, Ben Berger. Mein Name ist Max.“
„Max, wer? Wie ist ihr Nachname? Entschuldigung, ich kenne keinen Max!“, sagte Ben leicht verärgert, weil er glaubte, jemand habe sich verwählt oder wollte ihn veräppeln.
„Nennen sie mich einfach nur Max, das reicht für unsere Konversation!“, hörte Ben die Stimme seines mysteriösen Gesprächspartners sagen.
„Und brechen sie jetzt das Gespräch nicht ab. Sie würden einen Fehler machen!“, war die Fortsetzung.
„Ich werde mich wieder bei ihnen melden“, sagte Max, der damit selbst das Gespräch abrupt beendete. Ben war irritiert. Er wusste mit dem Namen nichts anzufangen und auch die Stimme konnte er nicht zuordnen. Ihm blieb im Ohr, dass es eine tiefe Stimme mit einem Akzent aus dem englischsprachigen Raum war. Den ersten Gedanken, dass sich jemand einen Spaß mit ihm treiben wollte, verdrängte er schnell. Er wurde sich immer sicherer, dass etwas anderes dahintersteckte.
Montag, 23. Februar 2015
Ben hatte eine andere Frau kennengelernt und den Dänemark Vorschlag nur gemacht, um Saskia nicht zu sehr an ihrer Partnerschaft zweifeln zu lassen. Er hatte längst den Verdacht, dass Saskia etwas ahnte.
Die beiden trafen sich zum ersten Mal in Jennys kleinem Apartment. Jenny hatte Sushi vom Japaner nebenan geholt. Dazu hatte sie einen trockenen Pino Grigio kaltgestellt.
Er mochte diese kleine Wohnung. Jenny hatte sich offenbar aus Überzeugung nur für eine Wandfarbe entschieden: weiß. Sie glaubte, dass die Einrichtungsgegenstände, die Bilder an den Wänden, Textilien und die Menschen, die sich in einem Raum bewegen, die Farbimpulse des Gesamtbildes darstellen.
Der große Wohnraum wurde zur Küchenzeile mit einer Theke getrennt, die auf der Arbeitsseite Fächer und Schubladen für Geschirr, Bestecke und andere Geräte enthielt. Die andere Seite der zweigeteilten Tischplatte war für die Bewirtung vorgesehen. Davor standen zum Wohnbereich hin vier moderne, elegant geschwungene Hocker mit weißem Leder. Große, im Winkel von 90 Grad aufgestellte Sitzelemente, bestimmten den Wohnbereich. Optisch stachen die vier knallroten, weichen Kuschelkissen deutlich hervor. Ein quadratischer, niedriger Couchtisch, mit Chromgestell und einer Kristallglasplatte, bot Platz genug für alle Dinge zum Abstellen.
Auf eine Deckenbeleuchtung hatte Jenny bewusst verzichtet. Sie mochte es, mit verschiedenen Lichtquellen Stimmungen im Raum zu erzeugen.
Vor einer Wand stand ein Regal mit verchromtem Rahmen, offenen Fächern für Bücher, sowie einer Vitrine für Gläser. Dazu gab es geschlossene Türen und Klappen mit weißen Fronten. Der Raum bekam ausreichend Tageslicht durch die hohe Fensterfront, die vom Parkettboden bis zur Decke reichte.
Durch die Balkontür hatte man Zugang zum Außenbereich, der Platz bot für einen kleinen, runden Tisch und vier rote Kunststoffstühle.
Das moderne Schlafzimmer, mit einem großen Boxspringbett und einem eleganten Schiebetürschrank, passte zur Einrichtung des Wohnbereiches, ebenso der Eingangsflur und das Bad.
Ben staunte über den Geschmack von Jenny. Sie hätte sicher auch eine gute Innenarchitektin abgegeben.
Er hatte sie in dem Reisebüro getroffen, in dem seine Firma alle Reisen organisieren ließ. Der Grund, einmal selbst zum Reisebüro zu kommen, lag daran, dass die Flugtickets für den nächsten Morgen nicht mehr rechtzeitig im Büro angekommen waren. Also ist er auf dem Heimweg dorthin gefahren, um die Unterlagen abzuholen.
Jenny saß am PC hinter dem Counter und lächelte ihn an. Sie war sehr geschäftsmäßig gekleidet und trug einen blauen Hosenanzug mit einer weißen Bluse. Auf der Jacke steckte das Namensschild: Jenny. Ben erkannte ihre sportliche Figur, und seinen flüchtigen Blick in Jennys Blusenausschnitt konnte er nicht verhindern. Ihr schulterlanges, blondes Haar passte zum Gesamtbild.
„Was kann ich für sie tun, Herr Berger?“, fragte sie freundlich und lächelte ihn dabei an.
„Woher kennen sie meinen Namen?“, antwortete Ben etwas irritiert.
„Ich habe ihr Foto auf einigen Reisedokumenten gesehen, die wir für sie vorbereitet haben“, sagte sie, und ihr Lächeln wurde noch reizender.
„Dann gratuliere ich zu ihrem visuellen Gedächtnis. Das ist bemerkenswert. Ich könnte das nicht“, meinte Ben mit einem Ausdruck der Hochachtung im Gesicht. Er hatte den dringenden Wunsch, dieses Gespräch jetzt nicht zu beenden, aber eigentlich musste Jenny ihm nur noch die Tickets übergeben, dann wäre alles erledigt.
Er wusste, dass jeder Versuch, dieses Gespräch zu verlängern sehr durchsichtig und plump sein würde und als Anmache interpretiert werden könnte. Also bedankte er sich freundlich bei Jenny und sah ihr bewusst etwas länger in die Augen. In seinem Wagen angekommen musste er tief durchatmen.
„Was ist denn hier gerade passiert?“, fragte er sich. Er fand diese Frau einfach umwerfend.
„Ich bin doch alt genug und mir sind wirklich schon viele hübsche Frauen über den Weg gelaufen“, sinnierte er.
„Ok, Junge, das nimmst du jetzt mal als schönen Eindruck mit und kümmerst dich um deine Saskia, die sicher mit einem leckeren Abendessen auf dich wartet.
Er versuchte, seine Gedanken wieder auf Normalbetrieb umzuschalten.
Donnerstag, 26. Februar 2015
Im Auto meldete sich sein Handy. Er war auf die Frage von Saskia vorbereitet, wann er nach Hause käme, weil sie ein Abendessen vorbereiten wolle. Er hatte nicht auf das Display geschaut, um den Anrufer zu erkennen
„Hallo, Schatz, du kannst den Ofen anwerfen. Ich brauche nur noch zehn Minuten!“, wollte er sie überraschen.
„Ich bin nicht ihr Schatz. Hier spricht Max.“
Nach dem ersten mysteriösen Anruf von Max waren zwei Wochen vergangen. Er hatte das kurze Telefonat fast schon als Jux abgetan.
„Was wollen sie von mir?“, fragte Ben verärgert.
„Ich bitte sie dringend, diese Belästigungen einzustellen!“
„Ben, hören sie genau zu. Ich mache ihnen ein Angebot!“ Ben wollte nun zumindest wissen, was hinter der Frechheit dieses Menschen steckte, und er brach das Gespräch nicht ab.
„Wir wissen sehr viel über sie, Ben. Die Organisation, für die ich arbeite, hat seit einigen Monaten intensiv recherchiert. Wir wissen, woran sie arbeiten, und wir wissen, dass Teile ihrer Arbeit der äußerst strengen Geheimhaltungspflicht des Verteidigungsministeriums unterliegen.“
Ben war völlig überrascht. Über den Entwicklungsauftrag, den seine Firma vom Verteidigungsministerium bekam, hatte er mit niemandem gesprochen. Selbst Saskia hatte keine Ahnung davon. Er musste also annehmen, dass die Organisation, für die Max arbeitete, Informationen aus einer undichten Stelle im Unternehmen hatte.
„Wir sind in der Lage, ihr Leben grundsätzlich angenehmer zu gestalten, für ein kleines Entgegenkommen von ihnen. Denken sie mal darüber nach. Ich melde mich wieder bei ihnen, Ben.“
Montag, 02. März 2015
An diesem Morgen saß er mit einem Kollegen im Flieger nach Detroit. Sein Leben war mit einem Mal völlig aus dem Ruder gelaufen. Er schaffte es nicht, diese Frau aus dem Kopf zu bekommen, und dazu drehten sich seine Gedanken um das Angebot von Max.
„Hey, Ben, bist du mit deinen schweren Gedanken am Boden geblieben?“, fragte Gerd neben ihm.
„Oh, sorry“, antwortete Ben, als ob er aus einem Traum zurückkam. „Ich habe gerade noch einmal über die Präsentation morgen nachgedacht.“
„Haben wir etwas vergessen oder sollte ich noch Details kennen?“, wollte Gerd wissen. Ben verneinte das und bemühte sich anschließend, in einen normalen Gesprächsrhythmus zurückzukehren. Die beiden Wissenschaftler waren sich danach einig, die Vorzüge der Business Class zu nutzen und etwas zu schlafen. Die Stewardess bekam die Anweisung, sie nur zu wecken, wenn es etwas Gutes zu essen gäbe.
Ben war erst nach drei Tagen wieder in Berlin im Büro. Er war entschlossen, Jenny im Reisebüro wiederzusehen. Ben wollte den nächsten Schritt sehr vorsichtig und überlegt angehen. Ihm war noch nicht bewusst, dass diese Frau sein Leben verändern würde.
Letztlich entschied er sich doch für den direkten Weg, ohne falsches Geplänkel. Er ging am Montagnachmittag zum Reisebüro, kurz bevor dies schloss. Jenny war nicht an ihrem Platz.
„Was kann ich für sie tun, junger Mann?“, fragte eine ältere Dame.
„Ich hatte vor vier Tagen ein Beratungsgespräch mit ihrer Kollegin Jenny. Ist sie im Hause?“, antwortete Ben verlegen.
„Tut mir leid. Jenny ist heute etwas früher gegangen, aber ich kann ihnen sicher weiterhelfen“, bot die Dame an.
„Das ist nett von ihnen, aber ihre Kollegin hat mir ein paar persönliche Tipps von ihrer Reise gegeben, und da möchte ich noch einmal nachfassen“, versuchte Ben sich aus der Situation herauszuwinden.
„Das verstehe ich. Dann müssen sie morgen noch einmal kommen. Jenny ist den ganzen Nachmittag hier. Vielleicht kann ich sie schon über ihren Besuch informieren. Ist das ok für sie?“ Ben hatte nichts dagegen, sich auf diese Weise bei Jenny in Erinnerung zu rufen.
„Ja, das können sie gern machen“, bot er an. „Und wen darf ich ihr nennen?“, fasste die Dame nach. „Ben. Ben Berger.“
Das war nun zunächst ein Fehlschlag für Ben. Aber er war entschlossen, am nächsten Tag einen neuen Versuch zu machen. Dabei verstand er sich selbst nicht mehr so richtig.
Beim Abendessen musste er sich von Saskia die Frage gefallen lassen, warum er etwas geistesabwesend sei.
„Sorry“, antwortete Ben. Ich bin unaufmerksam. Denke an das Meeting morgen. Ich mache uns einen guten Wein auf, mein Schatz, einverstanden?“
Er musste sich Mühe geben, Normalität zu zeigen.
Jenny hat ihn auch am nächsten Tag beschäftigt.
„Wie alt ist sie wohl?“, dachte er. „Ich bin 38 Jahre alt.“
Er tippte mal darauf, dass sie ca. 35 bis 38 Jahre alt sein würde, wenngleich sie deutlich jünger wirkte. Er würde das schnell herausfinden, beschloss Ben.
Nach dem guten Wein wollte Saskia ihren Ben am Abend einmal wieder verführen, wie sie das früher oft mit ihm gemacht hatte. Sie war schon vor ihm ins Bad gegangen und kam im Nachthemd ins Wohnzimmer. Da stand sie vor ihm und zog provozierend langsam einen Träger des Hemdes nach unten.
Sie sah ihn auffordernd an und bewegte den Zeigefinger lockend als deutliche Komm-Komm Geste. Damit hatte Ben nicht gerechnet und er folgte Saskia nur sehr zögernd. Im Schlafzimmer setzte sie ihr Spiel fort, bis sie ihren Ben neben sich im Bett hatte. Ihr Plan ging nicht auf. Ben musste ihre Enttäuschung ertragen, und das Spiel war ihm unangenehm.
„Mit dir kann man heute wirklich nicht viel anfangen!“, sagte Saskia enttäuscht. „Das konnten wir schon mal besser, mein Lieber. Was ist los mit dir? Du bist schon seit einiger Zeit so abwesend. Du solltest wirklich nicht deinen Bürostress mit in unser Bett nehmen.“
Saskia drehte sich um und murmelte noch etwas, was Ben nicht zuordnen konnte. Der Wein verhalf ihr zum schnellen Einschlafen, während Ben ein gedankliches Karussell im Kopf hatte.
Mittwoch, 11. März 2015
Er hatte einen arbeitsreichen Tag mit dem Erarbeiten von Angeboten, Abstimmung mit seinem Boss und einigen kurzen Besprechungen. Im Auto erreichte ihn wieder der Anruf von Max.
„Ich mache es ganz kurz, Ben. Wenn sie grundsätzlich an einer Zusammenarbeit interessiert sind, dann sollten sie mir jetzt zustimmen, dass ich ihnen ein abhörsicheres Mobiltelefon schicke, mit dem sie nur mit mir kommunizieren können. Das ist zunächst völlig unverbindlich und gefahrlos für sie. Allerdings sehe ich gute Gründe, den nächsten Schritt zu machen, aus vielfältiger Sicht. Mehr Zeit kann ich ihnen nicht geben. Nennen sie mir eine sichere Adresse für den Empfang der Sendung. Ich melde mich dann in ca. einer Woche bei ihnen über dieses Telefon.“
Ben war wie elektrisiert. Er spürte, dass hier etwas auf ihn zu kam, das seinem Leben eine Wendung geben würde. Seine Antwort war kurz und knapp:
„Ben Berger. Postlagernd im Bahnhof Friedrichstrasse.“
Danach war das Gespräch sofort beendet.
Ben fuhr auf den nächsten freien Platz an der Straße und stellte den Motor ab. Er nahm seinen Kopf in beide Hände und stützte ihn mit der Stirn am Lenkrad ab. Sein Blutdruck war kräftig gestiegen. Er verspürte ein heftiges Klopfen an den Schläfen. Seine Gedanken überschlugen sich. Er blickte wieder auf, als eine ältere Dame vom Gehsteig an die Beifahrertür schlug.
„Ist ihnen nicht gut, junger Mann? Kann ich ihnen helfen? Brauchen sie einen Arzt?“, fragte sie sichtlich besorgt.
Ben richtete sich im Fahrersitz auf, um deutlich zu machen, dass er bei vollem Verstand war.
„Nein, vielen Dank. Das ist sehr aufmerksam von ihnen“, sagte er mit bewusst kräftiger Stimme. „Mir geht es gut. Ich musste mal in Ruhe über etwas nachdenken. Ich wünsche ihnen einen schönen Abend.“
Damit war die Dame zufrieden, und Ben sah ihr nach, als sie schwerfällig ihre volle Einkaufstasche auf Rädern hinter sich herzog. Er wollte jetzt auf keinen Fall nach Hause zu Saskia gehen. Sie hätte sofort seine Zerstreutheit erkannt und ihn mit endlosen, nervigen Fragen überschüttet. Er brauchte etwas Aufmunterung.