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Eliza ist zurzeit ziemlich verdreht. Sie verwechselt links und rechts und schreibt plötzlich nur noch in Spiegelschrift - selbst ihre Klassenarbeiten. Ihre Schwester Lorina macht sich Sorgen und schiebt alles auf ein seltsames altes Buch, das Eliza aus der Schulbibliothek geliehen und gelesen hat. Gemeinsam versuchen sie, Elizas Verwandlung auf die Spur zu kommen ... Das Haus hinter dem Spiegel ist ein fantastischer Roman für Jung und Alt. Gespickt mit literarischen Anspielungen auf Lewis Carrolls Alice-Bücher erzählt er auf detektivische Weise die Geschichte einer Zehnjährigen, die aufbegehrt. Die Handlung kehrt sich jedoch um: Nicht das Mädchen gerät in ein Wunderland, sondern der Nonsens bricht in die scheinbar logische Alltagswelt ein.
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Seitenzahl: 158
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Frank Schuster
Roman
ISBN 978-3-944124-47-6
Copyright © 2014 mainbook Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Gerd Fischer
Layout: Olaf Tischer
Illustration Titelseite: © Ulrike Rothamel
(www.ulrike-rothamel.com)
Weitere spannende Bücher finden Sie auf: www.mainbook.de
Das Buch: Wo steckt Kitty? Seitdem das schwarze Kätzchen verschwunden ist, wirkt Eliza wie ausgetauscht. Ihrer Schwester Lorina erzählt sie, sie heiße in Wirklichkeit Alice und sei durch den Wohnzimmerspiegel in die Welt der Menschen gelangt, während die wahre Eliza in das Haus hinter dem Spiegel verschwunden sei. Lorina zweifelt an der Geschichte und vermutet, Eliza habe den ganzen Unsinn aus dem Buch, das sie sich beim kauzigen Mathelehrer Karl-Ludwig Hundsen ausgeliehen haben: „Alice hinter den Spiegeln“. Denn Eliza meint plötzlich, überall den Figuren aus dem Roman zu begegnen: den eineiigen Zwillingen Zwiddeldum und Zwiddeldei, dem lustigen Eiermännchen Goggelmoggel und dem fürchterlichen Drachen Zipferlake. Und was hat es mit Papas Schachspiel auf sich? Seitdem die schwarze Königin fehlt, scheint die Anordnung der Figuren auf dem Brett den Lauf der Dinge zu beeinflussen. Die beiden Mädchen begeben sich gemeinsam mit Mathelehrer Hundsen sowie dem zerstreuten Erfinder Herrn Ritter auf die Suche nach dem Geheimnis hinter Elizas seltsamer Verwandlung.
Der Autor: Frank Schuster (geb. 1969) lebt in Darmstadt, ist ehemaliger Redakteur der Frankfurter Rundschau und zurzeit Fraktionsreferent. Bisherige literarische Veröffentlichungen: „If 6 Was 9“ (Roman, Oldenburg 2003) sowie Kurzgeschichten in Literaturzeitschriften und Anthologien.
Für Lilith & Stella
„Go ask Alice, I think she’ll know…“
Jefferson Airplane, White Rabbit
1 Großes Durcheinander
2 Links oder rechts?
3 Vor und hinter dem Spiegel
4 Ein belauschtes Gespräch
5 Eine neue Königin muss her
6 Zweieiige Drillinge
7 Gummibärchen oder Schokolade
8 Das Ei auf der Mauer
9 Hallo, Goggelmoggel!
10 In der Bibliothek
11 Kakerlake, Zipferlake
12 Ein paar ernste Worte
13 Teezeit mit Überraschung
14 Geheimschrift und Spiegelschrank
15 Quiekedeis und Quengelweisen
16 Kein Weg zurück
17 Die allerneuste Erfindung
18 Schachmatt auf der Treppe
19 Ein guter Plan
20 Eine Katze muss her
21 Eine schlaflose Nacht
22 Papa muss weg
23 Aus dem Weg!
24 Noch eine schwarze Königin
25 Verwandlung mit Hindernissen
26 Noch eine schwarze Katze
27 Die Dame in Schwarz
28 Wo ist der Spiegel?
Ein Geräusch.
Irgendetwas war im Wohnzimmer umgestürzt.
Lorina lief nachschauen. Als sie die Tür erreichte, huschte Kitty zwischen ihren Beinen hindurch. Das schwarze Kätzchen flitzte durch den Flur ins Badezimmer. Lorina rannte schnell hinterher und konnte gerade noch beobachten, wie es vom Wannenrand auf die Fensterbank sprang und von dort durch das offene Fenster nach draußen entwischte.
Die Katze gehörte jemandem in der Nachbarschaft. Sie kam gelegentlich in die Wohnung der Kleyns, um Milch oder Wurststückchen zu erbetteln.
Lorina ging zurück zum Wohnzimmer und sah die Bescherung: Papas Schachbrett war mitsamt dem kleinen Tischchen, auf dem es gestanden hatte, umgekippt. Die schwarzen und weißen Figuren waren heruntergepurzelt und lagen kreuz und quer über die Dielen und den bunten Perserteppich verstreut. Lorina stellte das Tischchen wieder auf seine Beine und das Schachbrett oben drauf.
Dann sah sie Eliza. Sie saß auf dem Boden und presste eine Schachfigur, die schwarze Königin, die sie sich an den Mund hielt, fest zwischen ihren Fingern, so fest, dass ihre Knöchel leicht gerötet waren. Sie hatte die Augen geschlossen und wiegte den Kopf sachte vor und zurück, ihre Lippen bewegten sich. Es sah aus, als ob sie der Schachfigur etwas zuflüsterte. Plötzlich starrte sie mit weit aufgerissenen Augen in den großen alten Spiegel an der Wand, der mit seinem verzierten Rahmen knapp über dem Boden hing. Er reichte bis fast an die Decke. Lorinas Eltern hatten das schwere, kostbare Stück vor Jahren in einem Möbelantiquariat in England gekauft, als Eliza und Lorina noch gar nicht auf der Welt gewesen waren.
„Was ist mit dir?“, fragte Lorina ihre kleine Schwester. „Hast du etwa noch nie dein Spiegelbild gesehen?“ Sie wollte Eliza aufheitern und lächelte ihr zu. Doch ihr Lächeln gefror. Ihre Schwester wirkte traurig, irgendwie verloren. Irgendetwas schien mit ihr nicht zu stimmen.
„Hört ihr mich, ihr dort, im Haus hinter dem Spiegel?“, zischte Eliza plötzlich. Sie löste ihren Blick wieder von dem Spiegel, ganz langsam, als ob sie gerne noch weiter hineingeschaut hätte. Schließlich schüttelte sie ihren Kopf, so fest, als ob sie ihre verrückten Gedanken loswerden wollte.
Lorina prustete plötzlich vor Lachen los, als sie sah, dass Eliza die schwarze Königin wie eine kleine Puppe an ihre Brust drückte. „Weißt du noch“, fragte sie ihre jüngere Schwester kichernd, „wie wir mit den Schachfiguren Schlachten auf dem Wohnzimmerteppich gefochten haben? Und wie Papa, wenn er nach Hause kam, immer geschimpft hat?“
Eliza reagierte nicht. Ihr Gesicht war reglos, ihr Blick leer. Sie schwieg.
„Die Figuren“, fuhr Lorina etwas verunsichert fort, „sehen ja auch wirklich so aus wie kleine Menschen. Und die schwarzen sind …“, ihre Stimme stockte, „… irgendwie unheimlich“, beendete sie nachdenklich ihren Satz. Ihr Blick fiel auf die dunkle Königin in Elizas Händen.
Oje, Papa!, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Was wird er wohl sagen, wenn er die Figuren auf dem Boden liegen sieht? Er spielte mit einem guten Freund, der weit weg im Ausland wohnte, Briefschach. Sie spielten gegeneinander, ohne dabei zusammen in einem Zimmer sitzen zu müssen. Das ging, weil die Felder des Schachbretts mit Nummern und Buchstaben versehen sind – senkrecht von 1 bis 8 und waagrecht von a bis h. So konnte Papa einfach eine E-Mail an den Freund schicken, in der er zum Beispiel schrieb: „Weißer Bauer auf d2.“ Und sein Freund mailte dann zurück: „Schwarze Königin von e2 auf h5.“ Weil Papas Freund aber sehr viel arbeitete, antwortete er manchmal tagelang nicht und das Schachbrett stand solange unberührt im Wohnzimmer.
Papa wird schimpfen, dachte Lorina, weil er und sein Freund das Spiel so bald nicht fortführen konnten. Sie mussten nun erst einmal herausfinden, in welcher Anordnung die Figuren zuletzt auf dem Brett gestanden hatten. Und dafür mussten sie alle E-Mails noch einmal lesen, die sie geschrieben hatten – falls sie die nicht schon längst gelöscht hatten.
Papa die Wahrheit erzählen, nämlich dass Kitty das Schachbrett umgeworfen hatte, ging auch nicht, überlegte Lorina weiter. Das würde Ärger geben. Denn Mama und Papa wollten nicht, dass das Kätzchen in die Wohnung kam. Sie würden sauer sein, weil Lorina und Eliza Kitty hineingelassen hatten.
Es waren zum Glück nicht viele Figuren heruntergefallen, bemerkte Lorina, als sie sie vom Boden aufsammelte. Zusammen mit der schwarzen Königin, die Eliza immer noch in ihrer Hand hielt, waren es acht, rechnete Lorina im Kopf nach. Die Schachpartie zwischen Papa und seinem Freund musste also schon fortgeschritten sein, weil die meisten Figuren (insgesamt 24 Stück, wie Lorina schnell im Kopf überschlug) geschlagen und vom Feld genommen waren.
Nachdem Lorina die Figuren wieder auf das Brett gestellt hatte – schön über das Spielfeld verteilt, damit nichts auffiel – sagte sie: „So, Eliza, jetzt kannst du auch die Königin wieder draufstellen. Papa merkt so schnell nichts …“ Ihre Stimme stockte, denn als sie mit ihren letzten Worten wieder von dem Schachbrett aufschaute, war Eliza verschwunden. Sie saß nicht mehr vor dem Spiegel. Wo steckte sie?
„Eliza! Eliza!“ Lorina lief durch den Flur und rief ihre Schwester. Sie konnte sie nirgends in der Wohnung finden. Plötzlich sah sie, dass die Terrassentür offenstand. Lorina trat hinaus in den Garten und blickte sich suchend um.
Dort war sie! Eliza saß mit gesenktem Kopf auf dem Rasen. Sie starrte gedankenverloren auf ein Blumenbeet. Die Lilien und Maßliebchen, die ihre Mutter gepflanzt hatte, bewegten sich sachte im Wind. Ihre bunten Blütenköpfe schaukelten auf ihren dünnen Stängeln hin und her. Die grünen Blätter an ihren Stielchen flatterten, als ob sie aufgeregt in die Hände klatschten. Von der Ferne sahen die Blumen fast wie kleine schnatternde Tratschweiber aus.
„Seid doch still!“, zischte Eliza sie an.
Redete sie mit den Blumen?, überlegte Lorina. „Eliza, was ist denn?“, rief sie besorgt. „Komm doch wieder rein und gib mir endlich die schwarze Königin!“
Eliza stierte Lorina staunend, mit weit aufgerissenen Augen, an. „Warum nennst du mich eigentlich die ganze Zeit Eliza?“, fragte sie ihre Schwester. „Ich heiße doch A…“
Weiter kam sie nicht. Denn plötzlich huschte ein dunkler Schatten knapp über ihren Kopf hinweg.
Eine Elster! Der schwarzweiß gefiederte Vogel setzte sich auf den Rasen, direkt vor das Blumenbeet. Dort – auf der Erde – sah Lorina die schwarze Königinfigur liegen. Ihre glatte, polierte Oberfläche blitzte im Sonnenlicht auf. Die Elster legte den Kopf schief, stieß einen keckernden Laut aus, packte dann die Schachfigur zwischen ihre beiden Schnabelhälften und flog mit ihr in die Luft – auf und davon.
„Nein! Halt! Die Königin!“, rief Lorina entsetzt. Sie wollte der Elster hinterherspringen, blieb jedoch stehen, als ihr klar wurde, dass sie sie nicht mehr einfangen konnte.
In dem Moment hörte sie Mama durch die Terrassentür rufen:
„Lorina! Eliza! Kommt ihr bitte! Papa ist da. Es gibt Abendbrot.“
Papa hatte lange schweigend zugeschaut. Doch nun konnte er nicht mehr länger mit ansehen, wie Eliza mit dem Besteck am Abendbrottisch herumhantierte.
„Eliza, warum hältst du eigentlich die ganze Zeit das Messer in der linken und die Gabel in der rechten Hand? Wir haben dir doch schon so oft gezeigt, wie man richtig mit Messer und Gabel isst“, sagte er. „Du bist doch Rechtshänderin, also musst du das in der und die in der Hand halten. So!“ Elegant schob Papa mit seinem Messer ein Häufchen Erbsen auf die Gabel. Er führte sie zum Mund, ließ sie mitsamt der Erbsen darin verschwinden, zog sie wieder heraus und kaute dann genüsslich und vornehm mit geschlossenem Mund, ohne das geringste Schmatzen.
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