Das Haus Zamis 29 - Ernst Vlcek - E-Book

Das Haus Zamis 29 E-Book

Ernst Vlcek

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Beschreibung

Ich spüre die Hände der Männer überall an meinem Körper. Sie wollen sich nehmen, wozu ich sie die ganze Zeit ermuntert habe, und ich - ich lasse sie gewähren, mache alles mit!
Irgendwann sind die Männer verschwunden. Ich finde mich in der Gosse sitzend, besudelt, erniedrigt. Völlig entkräftet. Aber ich verspüre keine Reue. Denn ich hasse Coco Zamis.

Unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Wien durchlebt Coco einen sonderbaren Albtraum - in dem der Geist eines Mädchens namens Chiara in ihren Körper schlüpft und sie zwingt, sich fünf Männern hinzugeben. Am nächsten Morgen fühlt Coco sich wie zerschlagen - und entdeckt auf ihrem Wandspiegel eine Botschaft: Dir werde ich es zeigen, verfluchte Hexe. Ciao Chiara.
Ist die schreckliche Begegnung in der Nacht also gar kein Traum gewesen? Besitzt Chiara Gewalt über sie? Und woher rührt ihr unbändiger Hass? Coco folgt der Spur des Mädchens in die Vergangenheit - und zum Advokat der Toten ...


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Seitenzahl: 135

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

ADVOKAT DER TOTEN

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrunde liegt. Die Zamis sind Teil der sogenannten Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben und nur im Schutz der Dunkelheit und ausschließlich, wenn sie unter sich sind, ihren finsteren Gelüsten frönen.

Der Hexer Michael Zamis wanderte einst aus Russland nach Wien ein. Die Ehe mit Thekla Zamis, einer Tochter des Teufels, ist standesgemäß, auch wenn es um Theklas magische Fähigkeiten eher schlecht bestellt ist. Umso talentierter gerieten die Kinder, allen voran der älteste Bruder Georg und – Coco, die außerhalb der Sippe allerdings eher als unscheinbares Nesthäkchen wahrgenommen wird. Zudem kann sie dem Treiben und den »Werten«, für die ihre Sippe steht, wenig abgewinnen und fühlt sich stattdessen zu den Menschen hingezogen.

Während ihrer Hexenausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels lernt Coco ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Als ihr schließlich zu einem vollwertigen Mitglied der Schwarzen Familie nur noch die Hexenweihe fehlt, meldet sich zum Sabbat auch Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, an und erhebt Anspruch auf die erste Nacht mit Coco. Als sie sich weigert, wird Rupert Schwinger in den »Hüter des Hauses« verwandelt, ein untotes Geschöpf mit einem von Würmern zerfressenen Gesicht, das fortan ohne Erinnerung an sein früheres Leben über Coco wachen soll.

Auf weitere Konsequenzen verzichtet Asmodi vorerst, als es Coco gelingt, einen seiner Herausforderer zu vernichten – durch die Beschwörung des uralten Magiers Merlin, der sich auf Cocos Seite stellt. Merlin aber ist seinerseits gefangen – im centro terrae, dem Mittelpunkt der Erde. Um ihn zu befreien, muss Coco sieben Siegel erbeuten, die sie vor dem Einfluss der Zentrumsdämonen schützen. Sie meistert diese Aufgabe – und verliert im Anschluss ihre Erinnerungen an die Reise ins centro terrae, wie Merlin es ihr prophezeit hat.

Zurück auf der Erdoberfläche, erfährt Coco, dass Asmodis Groll auf die Zamis nicht geschwunden ist. Er hat aus drei verschiedenen Dämonen ein künstliches Geschöpf namens Axinum zusammengefügt, das er auf die Zamis hetzt. Doch Axinum verfällt dem Wahnsinn und muss von Zakum, dem dunklen Archivar, vernichtet werden. Um nach der Auseinandersetzung das Gesicht zu wahren, verbannt Michael Zamis Coco nach Südamerika, wo sie am Zuckerhut einen mysteriösen schwarzen Jahrmarkt besucht. Dessen Initiator, der Kinddämon Chico, gibt ihr vor seinem Tod einen Hinweis auf die TABULA TENEBRARUM – das »Buch der Toten«, das sich im Besitz eines bekannten Wiener Dämons befinden soll ...

ADVOKAT DER TOTEN

von Ernst Vlcek

Was für ein Albtraum. So real und doch so unwirklich, wie ihn nur die totale Erschöpfung produzieren kann.

Schon während des Fluges von Rio nach Wien habe ich eine unerklärliche Beklemmung gespürt und eine wie magische Müdigkeit. Aber ich konnte den ganzen Flug kein Auge zu bekommen. Ich war innerlich zu aufgewühlt, befand mich in einem Kampf widerstreitender Gefühle, ohne eine Erklärung für diesen Zustand zu finden.

Zu Hause angekommen, hat mich der Jetlag umgehauen. Kaum habe ich mein Bett gesehen, bin ich auch schon drauf gefallen und eingeschlafen. Und dann kam der Traum:

Ich bin von einer starken Unruhe erfüllt, wache auf und verlasse das Bett. Aber ich bin nicht ich selbst. Jemand anderer lenkt meinen Körper. Ich selbst bin hilflos, kann nichts dagegen tun, dass mit meinem Körper gespielt wird. Ich muss es geschehen lassen, dass ich zum Kleiderschrank gehe und Discoklamotten anziehe. Ein enges rotes Kleid mit Flittereffekt, das sich über meine Brüste spannt.

1. Kapitel

Dabei singe ich Janis Joplin:

»Oh Lord, won't you buy me a Mercedes Benz.

My friends all drive Porsches, I must make amends.

Worked hard all my lifetime, no help from my friends,

So Lord, won't you buy me a Mercedes Benz?«

Ich wende mich dem Schminktisch zu und trage reichlich Make-up auf, Mascara und violetten Lippenstift. Mein Spiegelbild erscheint mir als ordinär. Ich bespucke es. Ich hasse diesen Körper. Ich werde von unbändigem Hass getrieben.

Ich wiederhole das Wort »Mercedes Benz« auf Englisch. Aber diesmal mit anderer Silbebetonung, so dass es wie »mercy dispense« klingt.

Nachdem die Kriegsbemalung beendet ist, schlüpfe ich in die kurze, schwarze Lederjacke und steige aus dem Fenster. Niemand soll etwas von meinem nächtlichen Ausflug merken. Das Klettergerüst für den Efeu ist wie eine Leiter für mich. Es macht keine Probleme, den Boden zu erreichen. Ich durchquere den Garten und will durch das Nebentor schlüpfen, aber da entdeckt mich der Hüter des Hauses.

»Kusch du nur«, herrsche ich ihn an und haste zur stillen, verlassenen Straße hinaus.

Als ich in ein belebteres Viertel komme, kriege ich auch ein Taxi.

»Ins Chattanooga«, trage ich dem Fahrer auf.

Während der Fahrt versucht er, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Ich höre nicht hin. Wir erreichen die Innere Stadt, und ich muss noch ein Stück laufen, um das Tanzlokal zu erreichen. Ich gebe meine Jacke an der Garderobe ab. Hier kennt mich niemand, aber mit dem engen Roten errege ich Aufsehen. Die Augen der Männer saugen sich förmlich an meiner betonten Oberweite fest. Ich werde einige Male angesprochen.

»Ist Armin da?«, frage ich jeden. »Armin, den sie Snoopy nennen.«

Aber niemand kennt ihn. Ich setze mich an die Bar und bestelle eine Bloody Mary. Der Barkeeper kennt »Snoopy«, aber er hat ihn heute noch nicht hier gesehen.

»Wenn er kommt, sage ihm, dass Lilian auf ihn wartet«, sage ich zum Barmann. Der nickt zustimmend, während er einen Cocktail schüttelt.

Die Zeit vergeht, aber von Armin ist nichts zu sehen. Ich unterhalte mich mit Männern, tanze einige Male und benehme mich dabei sehr aufreizend. Selbst eindeutige Angebote schlage ich nicht direkt aus, sondern gebe den Männern das Gefühl, dass ich leicht zu haben wäre. Das ist ein gefährliches Spiel, ich sollte damit Schluss machen. Aber je länger die Nacht dauert – und keine Spur von diesem Armin, den sie auch »Snoopy« nennen –, desto mehr lasse ich mich gehen.

Irgendwann lande ich im Kreis von fünf Männern. Sie haben schon einiges intus und werden zudringlich. Ich wehre mich nicht dagegen, dass sie mich begrapschen, sondern fordere sie geradezu heraus. Als einer von ihnen einen Tapetenwechsel vorschlägt, stimme ich zu. Er nennt irgendein Lokal, von dem ich noch nie gehört habe. Dort soll es bis früh in den Morgen hoch hergehen. Wir machen uns auf den Weg. Die Männer schmusen mich abwechselnd ab. Ich spüre ihre Hände überall am Körper, und sie reiben ihre Erektion an mir. Ich lass mir alles gefallen, mache alles mit.

Als wir in eine dunkle Gasse kommen, wollen sie sich über mich her machen. Das ist mir zu viel. Ich wehre sie ab, beschimpfe sie. Aber das macht sie nur noch wilder. Sie wollen sich nehmen, wozu ich sie die ganze Zeit ermuntert habe, und ich habe keine Chance, es zu verhindern.

Und dann tu ich etwas Unglaubliches, Haarsträubendes.

Ich mache alle Schweinereien mit, tu Dinge, die diese Hurenböcke mit Gewalt nie bei mir erreicht hätten. Und ich tu das alles bis fast zur Besinnungslosigkeit.

Irgendwann ist der Albtraum dann zu Ende. Die Männer sind verschwunden. Ich finde mich in der Gosse sitzend, besudelt, erniedrigt. Völlig entkräftet.

Irgendwie schaffe ich es, nach Hause zu kommen und unbemerkt in unsere Villa zu gelangen. Nicht einmal der Hüter des Hauses ist zu sehen. Aber das erlebe ich alles wie durch einen Schleier.

Ich verspüre keine Reue. Es war gut so, was passiert ist.

Ich hasse Coco Zamis.

Ich schreckte schweißgebadet hoch und fand mich in meinem Bett. Sonnenschein fiel durch die Vorhänge auf das rote Discokleid, das zerknüllt und zerfetzt auf dem Boden lag. Dem einen Schuh fehlte der Absatz. Schmutzflecken überall auf dem Boden.

Was für ein übler Traum. Das Schlimmste daran war, dass in diesem Traum jemand Gewalt über mich bekommen hatte. So etwas konnte einer Hexe wie mir im Leben nicht passieren! Wäre ich ich selbst gewesen, hätte ich mich zu wehren gewusst. Und doch war mir in diesem Albtraum alles so real erschienen.

Ich blickte an mir hinunter und stellte erschrocken fest, dass ich voller Schrammen und blauer Flecken war. Schmutz klebte überall an meinem Körper, und auch das Laken war voll davon.

Kann das mehr als nur ein Traum gewesen sein?, fragte ich mich ungläubig. Nein, unmöglich.

Ich fühlte mich wie gerädert, Schmerz durchzuckte mich bei jeder Bewegung, als ich aus dem Bett kletterte und mich zum hohen Wandspiegel schleppte. Ich erschrak vor meinem Anblick.

Und ich sah die Schrift quer über dem Spiegel. Sie war mit meinem violetten Lippenstift hingeschrieben worden. Dort stand:

Dir werde ich es zeigen, verfluchte Hexe. Ciao Chiara.

Mir wurde übel, denn das bedeutete, dass ich das alles doch nicht nur geträumt hatte. Jemand hatte von meinem Körper Besitz ergriffen und ihn durch alle Höllen der Gosse getrieben.

Wie war das möglich? Wer war Chiara? Ich kannte niemand dieses Namens. Steckte dieses fremde Bewusstsein noch immer in meinem Körper? Wie war es in mich gelangt? Konnte Chiara jederzeit wieder Macht über mich bekommen? Oder war das nur vorübergehend gewesen, durch eine momentane geistige Schwäche? Warum hasste diese Chiara mich?

Mir schwindelte bei diesen Fragen. Ich musste mich aufs Bett setzen. Ich hatte ein Problem. Ein sehr schwerwiegendes Problem. Ich musste mir überlegen, wie ich es bewältigen konnte. Im Moment war ich nicht in der Lage, weder geistig noch körperlich, eine Lösung zu finden. Ich erinnerte mich, dass ich mich schon auf dem Flug nach Wien so eigenartig hin und her gerissen gefühlt hatte. War das bereits der Beginn eines unheimlichen Prozesses gewesen, durch den der fremde Geist in meinen Körper geschlüpft war? Nein, es konnte nicht so gewesen sein, dass ich von außerhalb attackiert worden war. In diesem Fall wären die Begleitumstände anders gewesen. Das wäre ein Kampf gewesen, ein heftiges Ringen um die Vorherrschaft über meinen Körper.

Es muss so sein, dass das fremde Bewusstsein schon länger – wie lange schon? – in mir geschlummert hatte und auf dem Flug nach Wien geweckt worden war. Das konnte nur durch schwarze Magie geschehen sein.

Und jetzt wurde ich von jemandem beherrscht. Allem Anschein nach handelte es sich dabei um eine Frau mit Namen Chiara. Chiara – und wie noch? Sie musste irgendwann in der Vergangenheit eine Rolle in meinem Leben gespielt haben. Vielleicht war sie der Geist einer Person, deren Tod ich verschuldet hatte. Aber ich hatte keine Erinnerung an eine Chiara. Weder im Positiven noch im Negativen. Der Name Chiara weckte in mir keinerlei Assoziationen.

Vielleicht war alles auch wirklich nur ein einmaliges Phänomen. Aber daran konnte ich nicht glauben – und verlassen durfte ich mich erst recht nicht darauf.

Ich musste schleunigst überlegen, wie ich mich gegen dieses fremde Bewusstsein in meinem Körper wehren konnte. Was ich tun könnte, um es los zu werden.

Was, bei Asmodi, hatte ich mit einer Chiara zu tun? Was wollte sie von mir?

2. Kapitel

Es war bereits nach Mittag, als ich mich halbwegs restauriert hatte, um mich wieder unter Dämonen zu trauen. Im Haus war es still, nicht einmal fernes Rumoren war zu hören. Ich hatte keine Ahnung, wer von meiner Familie überhaupt im Hause war.

Ich holte tief Atem, öffnete die Tür und trat hinaus auf den Korridor. Niemand war zu sehen, noch immer keine Geräusche. Ich ging die Treppe hinunter in die Küche. Eigentlich hatte ich keinen Appetit, aber ein spätes Frühstück war eine gute Beschäftigungstherapie. Und vielleicht regte es auch meine Gehirnzellen an – ich fühlte mich immer noch zerschlagen.

Die Küche war verlassen, aber dann bemerkte ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln. Ich wirbelte herum und sah den Hüter des Hauses in der Tür stehen.

»Wo warst du letzte Nacht, Coco?«, fragte dieses erbarmungswürdige Wesen. Der nackte, schwarze Körper war nur einen Meter groß und trug eine bunte Holzmaske vor dem abstoßend hässlichen Gesicht. Das war von Rupert Schwinger übrig geblieben, der einmal ein hübscher Junge gewesen war. Ich hatte ihn damals gerettet, als Asmodi ihn mir zur Initiation opfern wollte. Aber das hatte ihm nicht geholfen, der Opfertod wäre vermutlich gnädiger gewesen. Denn Asmodi hatte zur Strafe verfügt, dass ich ihn in diesen Freak verwandelte, der er jetzt war. Der einzige Trost bestand aus meiner Sicht darin, dass er die Erinnerung an sein früheres Leben verloren hatte.

»Was hast du letzte Nacht getrieben, Coco?«, fragte er wieder mit seiner heiseren Stimme.

»Das geht niemanden etwas an«, herrschte ich ihn an. »Und dich am allerwenigsten. Wehe, du sagst zu irgendjemandem ein Wort.«

Ich war die Einzige im Haus, die ihn bei seinem Namen nannte. Er wandte die Gesichtsmaske ab; meine Forderung hatte ihn sichtlich in einen Gewissenskonflikt gebracht, denn er war der Familie Zamis verpflichtet und nicht mir.

»Versprich es«, verlangte ich. »Zu niemandem ein Sterbenswort!«

Er nickte. »Ich verspreche es.«

Ich entspannte mich.

»Was gibt es Neues«, fragte ich den Hüter des Hauses. »Wer hält sich im Moment in der Villa auf?«

»Es hat während deiner Abwesenheit keine besonderen Vorkommnisse gegeben, Coco«, antwortete er auf meine erste Frage. »Im Moment sind nur deine Mutter und dein Bruder Georg im Haus. Dein Vater ist nach Italien verreist. Deine anderen Geschwister sind unterwegs. Nur Lydia hat ihr Kommen angekündigt.«

»Lass mich allein«, befahl ich ihm, und er schlich sich wortlos davon. Ich war sicher, dass er niemandem etwas über meinen nächtlichen Ausflug verraten würde. Es wäre mir unangenehm gewesen, meiner Familie Rechenschaft darüber geben zu müssen. Die Wahrheit konnte ich sowieso niemandem sagen. Ich konnte mir meines ältesten Bruders Georg Gesicht vorstellen, wenn er erführe, dass ich von einem fremden Geist besessen war.

Nein, ich musste das für mich behalten und aus eigener Kraft meine Freiheit zu erkämpfen versuchen. Kein Zamis hätte für mich Verständnis, und meine älteste Schwester Lydia würde gewiss nur Schadenfreude empfinden.

Und doch würde ich die Unterstützung meiner Familie brauchen. Denn ich würde in meiner Erinnerung bis zu meiner frühesten Kindheit – bis zu meiner Geburt vielleicht – zurückwandern und nach einer Person namens Chiara forschen müssen. Eine Frau dieses Namens musste einmal in meinem Leben eine bedeutende Rolle gespielt haben. Dabei konnte mir meine Familie wertvolle Informationen liefern. Ich durfte nur nicht verraten, wofür ich diese Informationen benötigte.

Ich bereitete mir ein Frühstück zu und begann lustlos zu essen. Auf einmal merkte ich, dass jemand lautlos die Küche betrat. Es war meine Mutter, die Ausstrahlung war unverkennbar.

»Auch wieder einmal im Hause, so, so«, sagte sie statt einer Begrüßung. Sie wollte nicht wissen, wie es mir ging und wo ich gewesen war. Sie hatte mich nie wie ihr eigen Fleisch und Blut behandelt. Ich war ihr deswegen nicht gram, denn sie war keinem ihrer sieben Kinder wie eine Mutter gewesen. Sie war gefühlsarm und als Dämonin ohne besondere Fähigkeiten ausgestattet.

Mit ihrem wallenden grauen Haar war Thekla Zamis eine imposante Erscheinung, aber viel mehr als das hatte sie nicht zu bieten. Sie war nicht einmal eine besondere Hexe. Nur einmal hatte sie mir gegenüber Emotionen gezeigt, das war, nachdem ich mich bei meiner Initiation Asmodi verweigert hatte.

Sie war selbst ein Kind von ihm und hätte es sich so sehr gewünscht, dass auch ihre Tochter von ihm geschwängert wurde. Sie hat es nie verstehen können, dass ich das nicht als besondere Ehre empfunden hätte.

»Setz dich bitte, Mutter«, bat ich. »Ich möchte mich mit dir unterhalten.«

»Was sollten wir beide denn miteinander zu bereden haben«, sagte sie spitz, setzte sich aber dennoch zu mir an den Tisch. Durch ihre distanzierte Haltung wirkte das aber, als seien wir meilenweit voneinander entfernt.

»Ich möchte von dir etwas über meine Kindheit erfahren«, sagte ich und sah, wie sie erstaunt die Augenbrauen hob.

»Du hast es mir schwerer gemacht, als jedes deiner Geschwister«, sagte sie anklagend. »Ich habe dich verflucht ... Verzeih mir ... Wahrscheinlich bist du deswegen so missraten.«

Das hatte sie mir immer wieder bei jeder Gelegenheit unter die Nase gerieben. Ich ging nicht darauf ein.