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Vom Fenster des Rittersaales erblickte der Graf Guy de Guedelon die Gestalt am Burgtor. Es war die Verwalterin, die sich auf den Heimweg machte. Er eilte hinaus.
»Herr Graf, haben Sie mich erschreckt!«
»Aber, aber«, sagte er schelmisch tadelnd, und sein runzliges, weiß gepudertes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Bin ich denn so zum Fürchten?« Galant verbeugte er sich, gab ihr einen Handkuss - und sog dabei ihre Wärme, ihre Lebenskraft in sich auf!
Als die Verwalterin kraftlos davongetorkelt war, sah der Graf ihr unbefriedigt nach. Er wusste, was seine eigene Schwäche zu bedeuten hatte. Er musste unbedingt für einen Nachkommen sorgen.
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Seitenzahl: 135
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Was bisher geschah
SCHWARZE HOCHZEIT
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
mystery-press
Vorschau
Impressum
Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrunde liegt. Die Zamis sind Teil der sogenannten Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben und nur im Schutz der Dunkelheit und ausschließlich, wenn sie unter sich sind, ihren finsteren Gelüsten frönen.
Der Hexer Michael Zamis wanderte einst aus Russland nach Wien ein. Die Ehe mit Thekla Zamis, einer Tochter des Teufels, ist standesgemäß, auch wenn es um Theklas magische Fähigkeiten eher schlecht bestellt ist. Umso talentierter gerieten die Kinder, allen voran der älteste Bruder Georg und – Coco, die außerhalb der Sippe allerdings eher als unscheinbares Nesthäkchen wahrgenommen wird. Zudem kann sie dem Treiben und den »Werten«, für die ihre Sippe steht, wenig abgewinnen und fühlt sich stattdessen zu den Menschen hingezogen.
Während ihrer Hexenausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels lernt Coco ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Als ihr schließlich zu einem vollwertigen Mitglied der Schwarzen Familie nur noch die Hexenweihe fehlt, meldet sich zum Sabbat auch Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, an und erhebt Anspruch auf die erste Nacht mit Coco. Als sie sich weigert, wird Rupert Schwinger in den »Hüter des Hauses« verwandelt, ein untotes Geschöpf, das fortan ohne Erinnerung an sein früheres Leben über Coco wachen soll.
Auf weitere Konsequenzen verzichtet Asmodi vorerst, als es Coco gelingt, einen seiner Herausforderer zu vernichten – durch die Beschwörung des uralten Magiers Merlin, der sich auf Cocos Seite stellt. Merlin aber ist seinerseits gefangen – im centro terrae, dem Mittelpunkt der Erde. Coco gelingt es, ihn zu befreien, doch im Anschluss verliert sie ihre Erinnerungen an die Reise ins centro terrae, so wie Merlin es ihr prophezeit hat.
Zurück auf der Erdoberfläche, erfährt Coco, dass Asmodis Groll auf die Zamis nicht geschwunden ist. Dennoch schließen Asmodi und Michael Zamis einen Burgfrieden. Die Leidtragende ist Coco, die in der Kanzlei des Schiedsrichters der Schwarzen Familie Skarabäus Toth von einer Armee von Untoten getötet wird. Im letzten Moment rettet sie ihre Seele in den Körper der Greisin Monika Beck. Als Toth den Zamis Cocos Leichnam präsentiert, schöpft nur Cocos Bruder Georg Verdacht. In Amerika spürt Coco inzwischen in Monika Becks Körper den Seelenfänger Sheridan Alcasta auf, der ihr die Rückkehr in den eigenen Leib ermöglicht. Zurück in Wien, vernichtet Coco ihre Urahnin Natascha Zamis und bald darauf auch den Dämon Donatius, der Natascha angeleitet hat, die Menschen mit Fluchtafeln zu quälen. Inzwischen schließt Michael Zamis einen ganz besonderen Pakt – und verkauft seine Tochter Coco ...
SCHWARZE HOCHZEIT
von Ernst Vlcek
Ihm war kalt. Er fror ganz erbärmlich. Die Kälte war tief in ihm. Sie wurde in seinem Innersten geboren und breitete sich über den ganzen Körper aus. Bis in die Fingerspitzen und die Zehen. Und sie ließ ihn erstarren.
Es hatte ihn in die Fremde verschlagen, und das allein bescherte ihm Frustration und Gefühlsleere. Es war ihm in diesem fremden Gemäuer unbehaglich, obwohl er, den Umständen entsprechend, nicht so übel untergebracht war. Die Burg, in der er Quartier bezogen hatte, stammte aus dem 12. Jahrhundert, und die Grundmauern aus dieser Zeit waren noch erhalten. Ihre Ausstrahlung bereitete ihm gelegentlich Wohlbehagen. Er liebte es, die geschichtsträchtige Atmosphäre einzuatmen, in sich einzusaugen und sich davon durchströmen zu lassen.
Doch reichte das nicht aus, die Kälte, die ihn schleichend heimsuchte, zu bewältigen. Dieser Frost hatte seinen Ursprung nicht in der fremden Umgebung. Er selbst trug den Quell in sich. Er war alt und spürte seine Energien schwinden. Er konnte das Ende nicht abwenden, nur hinauszögern, indem er sich an Menschen wärmte.
Sie kamen zu ihm, ohne dass er sie zu rufen brauchte. Das war bequem und schonte seine Kräfte. Denn er hatte die Burg nicht für sich allein. Ihm war am Tage nur ein kleiner Bereich vorbehalten, der Rest stand der Öffentlichkeit zur Verfügung. Es fanden jeden Tag mehrere Führungen durch die Burg statt, und das war gut so. Er holte sich von den Touristen Kraft, ohne dass sie es merkten. Dabei war er überaus genügsam, denn er wollte nicht, dass irgendjemand Verdacht schöpfte und ihm auf die Schliche kam. Er war auf Sicherheit bedacht. Er holte sich von den ahnungslosen Leutchen gerade so viel Vitalenergie, damit der Frost aus ihm wich und ihm wieder wohler war.
Die Labung in kleinen Portionen hatte den Nachteil, dass er öfter auftanken musste. Aber die Touristen kamen in Strömen, und so konnte er immer wieder unbemerkt Lebenskraft aus ihnen saugen, sodass sie, wenn überhaupt, bloß unter vorübergehender Übelkeit und Schwindelanfällen litten. Das war jedoch nichts, was sie ins Grübeln brachte.
Der Burg gegenüber lag ein verfallendes Schloss. Dort fanden Penner, Obdachlose und jedwedes Gesindel Unterschlupf. Gelegentlich fand er sich dort des Nachts ein, um sich an diesen zwielichtigen Figuren zu stärken und seine alten Knochen aufzuwärmen.
Einmal wäre ihm das beinahe zum Verhängnis geworden. Denn als er sich zu ungestüm auf eine der verlotterten Gestalten stürzte, die im tiefen Schlaf versunken schien, da überfielen ihn mit Urgewalt schreckliche Eindrücke – der Wahnsinn hatte nach ihm gegriffen und zerrüttete seinen Geist.
Bei seinem auserkorenen Opfer hatte es sich um einen Freak gehandelt, um einen Ausgestoßenen, ein früheres Mitglied des Dämonenkreises, das jetzt mit Irrsinn gebrandmarkt war. Eine solche Ausstrahlung bereitete jedem Dämon Übelkeit, ja, man konnte sich mit diesem Wahnsinn sogar infizieren. Und er, mit der Schwäche des Alters geschlagen, war besonders gefährdet.
Er hätte sich aus eigener Kraft nicht retten können und wäre vermutlich elendig zugrunde gegangen. Zum Glück hatte sein bester Freund seine geistigen Hilferufe gehört und war in diesem Moment der höchsten Not rasch zur Stelle gewesen – schnell genug, um ihn aus dieser verhängnisvollen Lage zu befreien und vor bleibenden Schäden zu bewahren.
Seitdem war er auf der Hut, wenn er das verfallende Schloss besuchte, und ging den Freaks sorgsam aus dem Wege. Sein Freund hatte sogar gemeint, dass er solche Ausflüge besser unterlassen und sich, wenn seine innere Kälte des Nachts übermächtig wurde, besser an ihm wärmen solle. Doch davon wollte der altersschwache Dämon nichts wissen. Er mochte ihre Jahrhunderte währende Freundschaft nicht überstrapazieren, und außerdem hatte er noch einen ausgeprägten Jagdinstinkt, den er nicht ganz verkümmern lassen wollte.
Das alles war natürlich kein Dauerzustand. Er würde Sorge tragen, dass alles zu einem guten und endgültigen Ende kam. Schon bald würde diese Übergangslösung in ein grandioses Finale münden, durch welches er Offenbarung und Erlösung erfahren würde.
Es war alles in die Wege geleitet.
Der Kontakt zu einer einflussreichen Sippe von heimischen Dämonen war hergestellt. Es galt nur noch die Modalitäten auszuhandeln, und er zweifelte nicht daran, dass man rasch Einigkeit erzielen würde. Sein Freund, der Marquis, war ein begnadeter Diplomat und geschickter Unterhändler. Amarquos würde alles zu seinem Besten erledigen. Auf ihn konnte er sich blind verlassen.
Er war voller Ungeduld, konnte es kaum erwarten, dass es endlich so weit war.
Er brauchte unbedingt einen Ableger!
Das war es, was ihn die ganze Zeit beschäftigte. Dieser unabdingbaren Pflicht musste er nachkommen, damit die Erbfolge gesichert war.
Bis es jedoch so weit war, musste er sich mehr schlecht als recht über Wasser halten.
Er spürte während dieser Gedanken, wie ihn wieder die schleichende Kälte des Todes heimsuchte. Der Abend dämmerte bereits, und darum gab es keine Führungen mehr. Er irrte durch die Burg, von innerer Kälte und Schmerz gepeinigt, auf der verzweifelten Suche nach einer warmen Quelle des Lebens. Aber überall fand er nur Leere vor.
Da sah er vom Fenster des Rittersaales am Burgtor eine Gestalt. So schnell er konnte, eilte er über Treppen und durch verwinkelte Gänge, bis er ins Freie gelangte. Die Gestalt wollte gerade hinter sich das Burgtor zuziehen, doch er kam noch rechtzeitig, um seinen Fuß in den Türspalt zu stellen.
Bei der Gestalt handelte es sich um die Verwalterin, die das Burgtor von außen abschließen und sich auf den Heimweg machen wollte.
Sie zuckte bei seinem Anblick zusammen und stotterte: »Herr Graf, haben Sie mich erschreckt.«
»Aber, aber«, sagte er schelmisch tadelnd und betonte dabei seinen französischen Akzent, weil er wusste, dass dies bei den einheimischen Frauen ankam. »Bin ich denn so zum Fürchten?«
»Das nicht, Herr Graf, ganz und gar nicht«, stammelte die Frau unsicher, und man merkte ihr an, dass sie sich wünschte, schleunigst von hier wegzukommen.
Aber so schnell wollte er sie nicht gehen lassen. Er nahm ihre Hand und beugte sich galant darüber, wie um ihr einen Handkuss zu geben.
Und während er seine Lippen auf ihren Handrücken presste, saugte er gierig ihre Wärme in sich auf.
Als sein Lustgefühl dem Höhepunkt zustrebte, löste er sich gewaltsam von ihr.
Er lächelte die Frau freundlich an und entließ sie mit einer graziösen Handbewegung. Er sah ihr nach, wie sie die Straße, die von der Burg wegführte, unsicheren Schrittes entlangwankte, geschwächt von diesem kurzen Aderlass. Als sie hinter der Biegung verschwand, kehrte er in die Burg zurück. Halbwegs gestärkt, aber unbefriedigt.
Nein, das war ganz und gar kein Dauerzustand.
Er musste schleunigst für einen Nachkommen sorgen!
»Wir haben ernsthaft miteinander zu reden«, hatte Vater gesagt. Seine gepresste, unheilschwangere Stimme machte mir klar, dass es diesmal nicht mit einer Strafpredigt getan sein würde.
Meine Lage war verdammt brenzlig.
Das Gefühl, in die Enge getrieben zu sein, bestätigte sich dadurch, dass mein Vater und mein Bruder Georg mich in den Keller führten. Vater ging voran, Georg bildete den Abschluss. Als wollten sie mich in die Zange nehmen, mich an einer Flucht hindern. So war es natürlich nicht wirklich, denn solche Vorsichtsmaßnahmen hatten sie nicht nötig. Dadurch erzeugten sie zusätzlichen psychologischen Druck auf mich.
Ich konnte nicht einfach davonlaufen. Wohin hätte ich auch fliehen können? Ich hätte nicht die geringste Chance gehabt, überhaupt nur die Straße zu erreichen – es sei denn, ich hätte mich in den rascheren Zeitablauf fallen lassen. Aber diese Möglichkeit hatten sie sicherlich einkalkuliert und vorgesorgt. Wenn ich es versuchte, würde die Strafe nur umso schlimmer sein.
Ganz zu schweigen davon, dass ich nicht die Kraft zum Davonlaufen hatte. Meine Beine waren wie aus Gummi, und mir war ganz schlecht vor Angst. Ich wusste selbst nicht, was mit mir los war. Ich fühlte mich schlapp, als sei ich während der Nacht von einem schrecklichen Alb gequält worden, der mich zusätzlich in seinen Bann geschlagen und mir die Lebensenergie ausgesaugt hatte.
So fürchtete ich mich jetzt ganz erbärmlich vor dem, was da auf mich zukommen musste – obwohl ich inzwischen doch eigentlich eine selbstbewusste junge Hexe war und kein Problem damit hatte, mich hin und wieder den Anweisungen meines Vaters zu widersetzen.
Ein Blick über die Schulter in Georgs Gesicht bestätigte mir, dass auch er keinen Pardon kennen würde. Ausgerechnet Georg, von dem ich noch am ehesten Verständnis erwartet hätte. Aber es sah ganz so aus, als würde mein Bruderherz mein Vertrauen wieder einmal kolossal enttäuschen.
Wir erreichten den Meditationsraum im Keller, der ausschließlich wichtigen Beschwörungen vorbehalten war. Er war ganz in Schwarz gehalten: schwarze Kerzen, deren fahler Schein kaum Licht spendete, und schwarze, erdrückende Wände, die keine Helligkeit aufkommen ließen. Von hier aus knüpften die Zamis ihre Kontakte zu verbündeten Dämonen, um politische Entscheidungen zu treffen. Hier wurden Schicksale entschieden und Todesurteile gefällt. Und Verbannungen ausgesprochen.
War es das, was mich erwartete? Ein Ausschluss aus der Zamis-Sippe und der Schwarzen Familie generell? Das würde mich nicht besonders hart treffen, denn ich hatte mir schon immer gewünscht, keine Hexe zu sein und als normale Frau unter Menschen zu leben.
Doch mit Verbannungen aus der Schwarzen Familie gingen andere Strafen Hand in Hand. Körperliche und geistige Verstümmelungen zum Beispiel. Und davor hatte ich schreckliche Angst. Ich wollte nicht zum verkrüppelten, wahnsinnigen Freak werden.
Ich redete mir ein, dass ich vielleicht eine Chance hatte, mich aus dieser Misere herauszuwinden. Ich war entschlossen, jede Gelegenheit zu nützen, die sich mir dazu bot. Aber dann war da wieder diese seltsame Schwäche, die jeden Widerstand von vornherein erstickte.
Vielleicht würde Vater doch nicht so gnadenlos sein und zu härtesten Maßnahmen greifen. Ich hoffte es für mich.
Michael Zamis, mein Vater, setzte sich, mit dem Rücken zur Wand, an das eine Kopfende des mit schwarzem Samt überzogenen Tisches, in dessen Mitte die unverzichtbare Glaskugel stand. Georg nahm ihm gegenüber am anderen Ende Platz. Mir blieb nur der dritte Stuhl auf der der Wand zugewandten Längsseite. Ich fühlte mich in die Enge getrieben.
Es herrschte eine Weile lang grausames Schweigen, in der nur mein schwerer Atem zu hören war. Die Übelkeit wurde mit jeder Sekunde schlimmer. Was hatte ich zu erwarten?
»Du hättest eine härteste Bestrafung verdient, Coco«, sagte Vater schließlich mit gestrenger Stimme, aber ohne mich anzusehen.
Wofür? Was hatte ich getan?
War es etwa immer noch die Geschichte mit den Fluchtafeln, die er mir anhängen wollte?
Mein Vater starrte auf die Glaskugel in der Mitte des Tisches. Er fuhr fort: »Du hast in letzter Zeit den Namen unserer Familie immer wieder in Verruf gebracht. Ich will darauf verzichten, deine Verfehlungen im Einzelnen aufzuzählen, denn du weißt selbst, was du dir alles herausgenommen hast. Wir haben immer wieder Nachsicht mit dir walten lassen, weil du von unserem schwarzen Blut bist. Aber damit ist jetzt endgültig Schluss!«
Das hatte er schon oft gesagt, aber ich spürte, dass es ihm diesmal so ernst war wie nie zuvor.
Ich hatte den Blick gesenkt und zitterte vor banger Erwartung. Es war nicht gut für mich, Schwäche zu zeigen. Eine richtige Hexe sollte in jeder Lebenslage Standhaftigkeit beweisen. Auch im Angesicht des Todes. Aber ich konnte gegen den Schüttelfrost einfach nicht ankommen.
»Wir Zamis können es uns nicht mehr leisten, dass du unseren Ruf durch deine Eskapaden schädigst«, fuhr mein Vater mit unerbittlicher Strenge fort. »Darum haben wir einen Beschluss gefasst, der allen Beteiligten zugutekommen soll. Dir, weil diese Verfügung eine erzieherische Maßnahme für dich darstellt. Aber in erster Linie der Familie, der du so großen Schaden zugefügt hast.«
Und was war mit den guten Taten? Hatte ich nicht oft genug die Familie aus brenzligen Situationen gerettet, wenn die Machtgelüste meines Vaters uns wieder mal in große Schwierigkeiten gebracht hatten?
Ich wollte hinausschreien, dass ich mich ungerecht behandelt fühlte, aber kein Wort kam über meine Lippen.
Vater stützte sich mit den Ellenbogen auf den Tisch und verschränkte die Hände ineinander. Dabei sah er mich zum ersten Mal direkt an. Es war kein Zorn oder gar Hass in seinem Blick, aber er brannte sich mir gnadenlos in die Augen. So sah mein Vater immer drein, wenn er zu allem entschlossen war. Was immer er, in Beratung mit meinem Bruder Georg, gegen mich beschlossen hatte, er würde es ohne Rücksicht durchsetzen.
»Du sollst wissen, dass diese Maßnahme nicht primär als Strafe für dich gedacht ist«, fuhr er mit gleichbleibend eiskalter Stimme fort; es war nicht die Spur eines Gefühls darin. »Sieh es als Wiedergutmachung an der Familie. Die Zamis haben in letzter Zeit einiges an Reputation eingebüßt. Die anderen Wiener Familien werfen uns Führungsschwäche vor, und Asmodi ist geneigt, ihnen in dieser Sache zuzustimmen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil wir ihn offen angegriffen haben ... was leider fehlgeschlagen ist.«
Und diesen Angriff hattest du geplant!, wollte ich ihm entgegenrufen, doch wieder blieb ich stumm.
»Wir haben dem Herrn der Finsternis damit nur einen Grund geliefert, uns zu demütigen. Und dein anmaßendes Verhalten, Coco, hat Asmodi und unseren Feinden weitere Munition geliefert.«
Ich wünschte, Vater würde endlich zur Sache kommen. Ich fragte mich auch, warum er all das zur Sprache brachte, was mir ohnehin sattsam bekannt war – und warum er es noch dazu falsch darstellte. Doch nicht, um sich zu rechtfertigen! Mir erschien es eher so, dass er alle meine Verfehlungen nur aufzählte, um mich auf die Höhe der Bestrafung vorzubereiten.