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Lieben - und geliebt werden: eine Erfahrung, die mich zutiefst berührt, belebt, verzaubert. Ein Hochgefühl. Liebe lässt das Leben fließen, von mir zum andern. Sie ist eine Energie, die glücklich macht. Deshalb sagt Anselm Grün: Trau deiner Liebe - sie führt zu dem Grund, der dein Leben trägt. Gib dich hin. Lass aber auch den anderen sein. Lieben ohne sich selber aufzugeben, darum geht es. Manchmal machen wir sogar die Erfahrung, dass wir in der Liebe sind. Denn wahre Liebe weist über mich selbst hinaus und führt mich gerade so zu meinem tiefsten Selbst. In meiner Seele schafft sie einen Ort der Ewigkeit.
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Seitenzahl: 108
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Anselm Grün
Das kleine Buch der wahren Liebe
Herausgegeben von Rudolf Walter© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011Alle Rechte vorbehaltenwww.herder.de
Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,
KN digital - die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
ISBN (E-Book) 978-3-451-33860-1ISBN (Buch) 978-3-451-30489-7
Einführung
1. Kraft, die uns bewegt
Das schönste Geschenk
In der Liebe daheim
Zweckfrei
Märchenhaft
Ein Weg der Wahrheit
Kein Dauerglück
Wie bei Mozart
Zärtlich
In Freude und Leid
Heilende Kraft
Zuwendung zu allem
Wie eine Quelle
2. Ein weites Herz
Verwandelt, strahlend
Gütig und frei
Ruhig und mutig
Anerkennend und einladend
Sehend und weise
Standhaft und geduldig
Kräftig und schön
Wer liebt, hat genug
3. Trau deiner Liebe
Sei ganz Mensch
Lass dich verzaubern
Liebe und tu, was du willst
Geh durch die Angst hindurch
4. Sich selbst lieben – Schlüssel zum Glück
Ich werden am Du
Mit milden Augen
Innerer Frieden
Sei dir nahe
Sei dir Freund
Hab Vertrauen zu dir selbst
Alles ist gut
Von innen her
Kräfte für die Seele
Nimm dich selber in den Arm
Und nimm dich nicht so wichtig
5. Trag die Liebe in die Welt
Öffne dein Herz
Stifte Frieden
Wenige genügen
Stärker als Gewalt
Öffne anderen den Himmel
Land der Liebe, Land der Güte
Funken, die überspringen
Auch Worte können wärmen
Der Rabbi und sein Sohn
Reich beschenkt
6. Lieben heißt loslassen
Nicht nur ich
Bewahren heißt verschenken
Luft zum Atmen
Lieben heißt frei lassen
Das Nein in der Liebe
Der eigene Raum
Eine neue Qualität
Balance von Nähe und Distanz
Kein Bildnis
Keine Illusionen
Ent-Täuschung
Nicht klammern
Wer ungeduldig ist, liebt nicht
Nicht vereinnahmen
7. Hingabe und Sexualität
Sehnsucht nach Ganzheit
Ausdruck der Liebe
Selbstvergessen
Hingabe als Person
Eins mit dem Grund
In allen Beziehungen
8. Im Alltag der Liebe – Übungswege
Nicht von allein
Miteinander braucht Zeit
Durchschnittlichkeit
Achtsamkeit hilft
Aufeinander achten
Das Herz sieht tiefer
Dankbarkeit
Gute Balance
Wertschätzung schenken
Ordnungen der Liebe
Zeichen der Verbundenheit
Erinnerung belebt
Treue
Gute und böse Tage
Auch Liebe
9. Schmerz und Heilung
Wunden
Verletzungen
Aufbrechen
Verletzliche Nähe
Wundgerieben
Konflikte als Chance
Streit und Aggression
Vergeben
Nicht der Dumme
Der Hoffnung langer Atem
Was bleibt
10. Sehnsucht nach Unendlichkeit
In der Sehnsucht ist schon alles
Ausgesöhnt
Begehren
Größer als wir selbst
Aufleuchten des Göttlichen
Auf Dauer
11. Der Quell aller Liebe
Wie Liebe gelingt
Vom Wesen her Liebe
Kein Gegensatz
Gottes Liebesduft
Erfüllte Sehnsucht
Alles durchdringend
Das Ende der Zerrissenheit
In uns – der Himmel
Wortloser Raum
Maßloses Maß
Finden und Suchen
12. Stärker als der Tod ist die Liebe
Mitten in der Trauer
Für immer im Haus der Liebe
Ewigkeit in meiner Seele
Du, du wirst nicht sterben
Ohne Ende
Stärker
Endgültig
Spuren hinterlassen
Verwandlung
Für immer daheim
Darauf hoffe ich
Quellen
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„Wir alle müssen das Leben meistern. Aber die einzige Art, das Leben zu meistern, besteht darin, es zu lieben.“ George Bernanos, der französische Dichter, hat das gesagt. In diesem Buch möchte ich einige Gedanken über die Liebe darstellen, die mir für mein eigenes Leben und für die Menschen, die ich in ihrer seelischen Not begleiten darf, wichtig geworden sind. Wenn Menschen mir ihre Nöte schildern, dann erkenne ich als Ursache oft den Mangel an Liebe, den sie in ihrer Kindheit erfahren haben oder den sie jetzt gerade in ihrer Umwelt erleben. Aber müssen wir uns mit dem Mangel an Liebe abfinden? Können wir nichts dagegen tun? Sind wir dem einfach ausgeliefert?
Sicher fällt es mir nicht leicht, mein Leben zu lieben, wenn ich bisher zu wenig Liebe erfahren habe. Aber es geht eben nicht nur um die Liebe, die wir von außen erfahren. In jedem von uns ist die Sehnsucht nach Liebe. Auch wenn wir wenig Liebe erlebt haben, wissen wir in unserer Seele, was Liebe meint und wie sie sich anfühlt. In der Sehnsucht nach Liebe ist schon Liebe, da spüren wir schon etwas von ihr. George Bernanos meint nun, es sei auch eine Entscheidung für die Liebe nötig, um sein Leben zu meistern. Ich entscheide mich, mein Leben zu lieben: Diese Entscheidung lehrt mich, mit neuen Augen auf mein Leben zu schauen und seinen Wert zu sehen. Ich bin dankbar für das Leben, das ich leben darf. Ich bin einmalig. Ich strahle etwas aus in diese Welt. Und ich |8|entscheide mich dafür, eine Spur der Liebe einzugraben. Das Leben lieben, heißt vor allem, es annehmen wie ein kostbares Geschenk, das ein lieber Mensch für mich ausgesucht hat. Weil mein Leben Ausdruck der Liebe Gottes ist, nehme ich es in Liebe an, versuche ich, es selbst zu lieben.
Wenn wir von der Sehnsucht nach Liebe sprechen, meinen wir normalerweise die Liebe zu einem Menschen. Wir alle sehnen uns danach, zu lieben und geliebt zu werden. Auch da ist unsere Fähigkeit zu lieben oft abhängig davon, wie wir die Liebe von Menschen erfahren haben. Aber es gibt kein Leben, ohne dass wir etwas Liebe erfahren haben. Schon die Tatsache, dass wir da sind, entspringt einem Liebesakt unserer Eltern. Auch wenn es vielleicht nicht reine Liebe war, so war ganz bestimmt Liebe dabei. Als Kind haben wir Liebe genommen von unseren Eltern. Vielleicht war ihre Liebe nicht so groß, wie wir sie erwartet haben. Aber Liebe haben wir ganz sicher bekommen. Es gilt, diese Liebe, die wir als Kind genommen haben, auch heute dankbar zu erinnern. Die Erinnerung an diese Liebe macht uns liebesfähig.
Es ist kein ehernes Gesetz, dass wir nur soviel Liebe geben können, wie wir empfangen haben. Weil wir in der Tiefe unseres Herzens wissen, was Liebe ist, sind wir fähig, sie auch andern zu schenken, und mehr zu schenken, als wir empfangen haben. Indem wir sie schenken, werden wir nicht ärmer an Liebe. Im Gegenteil, durch das Lieben wird die Liebe in uns vermehrt. Indem wir |9|Menschen lieben, wird die Quelle der Liebe, die auf dem Grund unserer Seele strömt, ansteigen und immer mehr unser Bewusstsein durchdringen. So werden wir, indem wir lieben, zu liebevollen Menschen.
Dietrich Bonhoeffer, der im Dritten Reich wegen seines Widerstands gegen das Regime hingerichtet worden ist, fasst als Essenz seines Lebens zusammen: „Aller Sinn des Lebens ist erfüllt, wo Liebe ist.“ Wir gedenken dieses großen Mannes heute wegen seines Einsatzes gegen die Diktatur. Doch er ist selbst davon überzeugt, dass seine Lebenshingabe nur dann wertvoll ist, wenn sie aus Liebe geschieht. Er teilt die Überzeugung des hl. Paulus, der in seinem Hohenlied der Liebe schreibt: „Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts.“ (1Kor 13,3) Der Sinn unseres Lebens ist erfüllt, wenn wir unser Leben aus Liebe hingeben. Die Liebe ist das eigentliche Kriterium, ob mein Leben wertvoll und sinnvoll ist.
So wünsche ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, dass Sie durch die Gedanken in diesem Buch in Berührung kommen mit Ihrer Sehnsucht nach Liebe. Vertrauen Sie darauf, dass in Ihrer Sehnsucht nach Liebe schon Liebe ist. Ich möchte Ihnen nichts völlig Neues sagen. Ihre Seele weiß genau, was Sie für das Leben brauchen. Ihre Seele weiß, was Liebe ist. Aber manchmal brauchen wir einen Impuls, um das, was unsere Seele in ihrer Tiefe spürt und weiß, wieder ins Bewusstsein zu heben, damit |10|uns dieses innere Wissen der Seele auch in unserem ganzen Denken, Reden und Tun prägt.
Die Liebe, die in der Tiefe unserer Seele wie eine Quelle strömt, muss angesprochen werden, damit die Quelle höher steigt und für uns und für die Menschen um uns herum spürbar wird.
Trauen Sie der Liebe, die in Ihnen strömt. Die Bibel sagt uns, dass diese Quelle der Liebe eine göttliche Quelle ist, die nie versiegt. Aber die göttliche Quelle braucht die Erfahrung menschlicher Liebe, damit sie nicht abstrakt und farblos bleibt, sondern ausstrahlt und unser Herz wärmt und erfreut. Und wenn Sie darunter leiden, dass Sie zu wenig Liebe erfahren, dann gehen Sie durch alle Schmerzen, die der Mangel an Liebe in Ihnen auslösen, hindurch, um auf dem Grund Ihrer Seele die Liebe zu entdecken, die unter aller Traurigkeit, unter allem Leiden da ist wie eine unversiegbare Quelle. Sobald wir in Berührung kommen mit dieser Quelle, steigt sie an und erfüllt unseren Leib und unsere Seele mit einem neuen Geschmack: mit dem wunderbaren, süßen Geschmack der Liebe.
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Die Liebe ist das schönste Geschenk, das Gott uns ins Herz gesenkt hat.
Der Mensch findet die Liebe einfach vor. Sie ist ihm gegeben. Er erfährt sie, ob er will oder nicht. Sie kann ihn krank machen oder verzaubern. Sie ist wie eine Glut, die in ihm brennt. Sie ist wie ein Strom, der ihn mitreißt. Liebe ist dabei nicht nur die Liebe zwischen Mann und Frau, sondern auch die Liebe zu den Kindern, die Liebe zu den Menschen, die Liebe zur Natur, die Liebe als Grundstimmung und Haltung, die all unser Denken, Fühlen, Wollen und Handeln prägt und die Liebe zwischen Gott und Mensch.
Man kann die Liebe weder als Gefühl noch als Willensakt bezeichnen. Sie scheint eine eigenständige Macht zu sein, die im Herzen des Menschen wirkt und all seine Beziehungen betrifft. Die Liebe ermöglicht eine neue Lebensqualität, eine neue Selbstwahrnehmung. Sie verwandelt den Menschen und verleiht ihm eine eigene Ausstrahlung.
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Jeder Mensch sehnt sich nach Zuwendung. Es ist der ursprüngliche und elementare Wunsch des Kindes, dass sich der liebende Blick seiner Mutter ihm zuwendet und ihm zulächelt. Diese Urerfahrung, die dem Kind Daseinsberechtigung schenkt, vermittelt ihm: Du bist willkommen auf dieser Erde. Das wollen wir immer wieder erfahren. Die mütterliche Zuwendung ist Urbild des Segens.
Jeder Mensch sehnt sich auch nach Heimat. Daheim bin ich dort, wo ich geliebt werde, wo ich keine Rolle spielen muss, wo ich sein darf, wie ich bin, weil ich mich bedingungslos geliebt weiß. Auch diese Erfahrung hat mit einer Liebe zu tun, die größer ist als die persönliche Sympathie. Ich muss mir diese Liebe nicht erarbeiten. Sie wird mir geschenkt. Sie ist einfach da. Ich bin von dieser Liebe getragen.
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Wo alles nur nach Nutzen und Rentabilität berechnet wird, erstirbt die Liebe. Doch die Liebe ist stärker als alles Berechnen. Sie lässt sich nicht einzwängen in unsere Lebenspläne. Sie blüht einfach auf, wo und wann sie will. Die Rose blüht, weil sie blüht, sagt Meister Eckhart. Sie fragt nicht nach Nutzen. Sie ist einfach da. Die Liebe fragt nicht nach ihrer Berechtigung. Sie ist, wie sie ist. Sie ist, weil sie ist. Sie durchbricht alles Zweckmäßige. Sie ist frei und lässt sich nicht vorschreiben. Nicht das Wann, nicht das Wo. Und auch nicht, wie sie blühen darf. Sie blüht einfach. Und wo sie aufblüht, erfreut sie unser Herz.
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Die Märchen wissen, dass es für das Leben kein Rezept gibt. Umwege und Irrwege sind nicht ausgeschlossen. Es gibt kein Programm und keinen Meisterplan. Wir können nichts tun. Ein anderer tut es an uns. Wandlung geschieht in der Begegnung, in der Liebe. Der wohlwollende Blick des anderen verwandelt uns. Wenn uns die Liebe begegnet, gehen wir erneuert daraus hervor. Ein anderer Mensch kann etwas aus uns herauslieben, was vorher verborgen in uns geschlummert hat. Liebe weckt in uns eine Kraft, die uns unser eigenes Geheimnis entdecken lässt.
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Die Sehnsucht danach, zu lieben und geliebt zu werden, ist so tief im menschlichen Herzen verankert, dass wir sie nicht aus uns herausreißen können. Wenn wir verliebt sind, fühlen wir uns wie verzaubert. Die Liebe hat nicht nur zu tiefen menschlichen Freundschaften und zu gelingenden Ehen geführt, sondern auch wunderbare Kunstwerke in Dichtung, Musik und Malerei hervorgebracht. Ohne die Liebe wäre das Leben wesentlich ärmer. Natürlich machen wir auch die Erfahrung, dass die Liebe uns zwischen den Fingern zerrinnen kann und dass wir nirgendwo so tief verletzt werden wie gerade in der Liebe. Aber all das spricht nicht gegen die Liebe. Wenn wir nach der Liebe fragen, geht es um etwas anderes: Es geht um die Frage, wie es gelingen kann, auf Dauer zu lieben und so zu lieben, dass es nicht in Chaos und Verletzung endet. Damit die Liebe auf Dauer gelingt, darf ich sie nicht mit dem Gefühl verwechseln. Liebe ist nicht ewiges Verliebt sein. Das Verliebt sein muss sich wandeln zu einer Liebe, die den anderen so annimmt, wie er ist.
|17|Liebe ist nicht dauerndes Glück. Es gibt keine Liebe ohne Schmerz. In der Liebe öffne ich mich dem andern und werde dadurch verletzlich. Ohne diese Offenheit wäre Liebe nicht möglich. In der Liebe zueinander lernen wir uns mit all den Verletzungen kennen, die wir im Leben erfahren haben. Liebe kann verletzen. Und Liebe vermag diese Verletzungen zu heilen.
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