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Wie kann Vertrauen gestärkt und der Glauben ins Leben gefördert werden, wenn in der Hektik des Alltags allzu oft Vertrautes schwindet und Beziehungen immer mehr Belastungen ausgesetzt sind? Spirituelle Wege zu Selbstvertrauen, zum Vertrauen in andere und zu einem neuen Gottvertrauen.
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Seitenzahl: 170
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Anselm Grün
Vertrauen –
Spüre deine Lebenskraft
Herausgegeben von Anton Lichtenauer
3. Auflage 2009
© Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2008
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung und Konzeption:
R·M·E München / Roland Eschlbeck, Liana Tuchel
Umschlagfoto: © plain picture
Datenkonvertierung eBook: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN (E-Book) 978-3-451-33360-6
ISBN (Buch) 978-3-451-05960-5
Im ersten Jahrhundert vor Christus lebte in Rom ein Freigelassener mit dem Namen Publius Syrus. Er stammte aus Syrien und wurde als Sklave nach Rom verschleppt. Aufgrund seiner Intelligenz und seines Witzes wurde er dort freigelassen und schrieb zahlreiche Theaterschwänke. Bekannt wurden vor allem seine zahlreichen kurzen Sinnsprüche, die Eingang in die Schulen humanistischer Bildung gefunden haben. In seinen Sinnsprüchen ist immer wieder vom Vertrauen die Rede. „Wer Vertrauen verliert, kann nicht noch mehr verlieren.“ Offensichtlich hat Publius Syrus als Sklave erfahren, dass der, der das Vertrauen in sich selbst und in das Leben verloren hat, nichts mehr hat, an dem er sich festhalten kann. Er hat sich letztlich selbst aufgegeben. Und nur der, der das Vertrauen nicht aufgibt, vermag auch Vertrauen bei den Menschen zu finden und sich so aus seiner misslichen Situation befreien. Auch in den beiden anderen Sprüchen, die um das Vertrauen kreisen, kommt diese Erfahrung zum Ausdruck: „Wer Vertrauen verliert, womit soll der sich sonst noch retten?“ Und: „Vertrauen ist meist für immer hin, wenn es dich einmal verlassen hat.“
Publius Syrus drückt mit seinen Sinnsprüchen seine eigene Erfahrung aus. Als Sklave hätte er keine Chance gehabt, aus seinem Leben etwas zu machen, wenn er nicht am Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten festgehalten hätte. Doch die Sinnsprüche zeigen keinen Weg, wie wir Vertrauen finden sollen. Sie beschreiben nur, wie wichtig es ist, das Vertrauen nicht aufzugeben. Nur wenn wir die Worte des Publius Syrus auf dem Hintergrund seines eigenen Lebens lesen, können wir darin einen bis heute gültigen Weg erkennen. Er zeigt, wie wir am Vertrauen festhalten können, selbst wenn die äußere Situation noch so aussichtslos erscheint. Als Sklave hatte man in Rom keinerlei Rechte. Man war der Willkür seines Herrn ausgeliefert. So fühlen sich auch heute viele Menschen. Sie haben das Gefühl, von der Willkür ihres Arbeitgebers abhängig zu sein. Oder sie haben die Erfahrung gemacht, dass das Schicksal ihnen übel mitspielt. Gegenüber einem sinnlosen Schicksal, das ihnen immer wieder Leid aufbürdet, scheinen sie keine Chance zu haben. Doch das Schicksal dieses freigelassenen römischen Sklaven zeigt uns: Auch wenn die äußere Situation noch so bedrückend ist, auch wenn es kaum Aussicht auf Änderung zu geben scheint, so ist es doch wichtig, am Vertrauen festzuhalten. In uns ist eine Ahnung, was es heißt, vertrauen zu können. In jedem von uns ist die Fähigkeit zu vertrauen. Diese Fähigkeit ist oft genug überdeckt von anderen Erfahrungen und Gefühlen. Doch der Blick auf diesen Sklaven, der sich selbst nicht aufgegeben hat, will auch uns einladen, nach innen zu schauen und den Grund zu entdecken, auf den wir bauen können. Dieser Grund ist das Vertrauen, das Gott jedem Menschen als Fähigkeit ins Herz gelegt hat. Wir müssen nur daran glauben. Manchmal hilft es uns, das Schicksal anderer Menschen zu betrachten, damit wir an das Vertrauen glauben können, das auch in uns bereit liegt, selbst wenn die äußere Situation noch so sehr der Sklaverei ähnelt, in die Publius Syrus unfreiwillig geraten ist. Doch das Vertrauen – so glaubte er – konnte ihm niemand nehmen. Daran festzuhalten oder es aufzugeben, das liegt allein an mir. Wenn ich daran festhalte und das Vertrauen nicht loslasse, dann gibt es immer irgendwie Rettung.
Vertrauen ist lebensnotwendig für jeden Menschen, zu allen Zeiten, in allen Kulturen. Über Vertrauen nachzudenken führt uns auch heute ins Zentrum der Religion und der Spiritualität. Jede Sprache bringt ihre eigene Erfahrung mit Vertrauen ins Wort und drückt dadurch schon etwas Bestimmtes aus. Das lateinische Wort „fiducia“ etwa hängt eng mit „fides“ (Glaube) zusammen. Und das wiederum geht auf das griechische Wort „pistis“ zurück. Dieses Wort wird in der Bibel sehr oft gebraucht. Im klassischen Griechisch hatte dieses Wort die Bedeutung von Zuverlässigkeit, Gewissheit, Treue. Dabei dachte man immer an eine Beziehung. Ich schwöre dem andern, dass ich zu dem stehe, was ich ihm versprochen habe. Pistis kann sowohl das Vertrauen, das einer genießt, bezeichnen, als auch das Vertrauen, das einer hat. Jemand ist vertrauenswürdig. Aber er vertraut auch dem andern, weil er ihm glaubt, dass er zu dem steht, was er ihm versprochen hat. In Griechenland bezeichnet „pistis“ vor allem die Beziehung zu einem andern Menschen. Im Neuen Testament dagegen bezeichnet „pistis“ die Beziehung des Menschen zu Gott. Ich glaube und vertraue Gott. Ich soll Gott und seinen Worten und Taten Glauben schenken. Und Glaube ist ein Feststehen in Gott. Es ist immer auch mit Hoffnung verbunden. Bei Paulus geht es im Glauben vor allem darum, der Botschaft Jesu zu vertrauen und darin das Heil zu finden. Im Johannesevangelium hat Glauben eine andere Bedeutung. Im Glauben erkenne ich die Wirklichkeit, wie sie ist. Ich schaue durch den Schein, der über allem liegt, hindurch auf das wahre Sein. Wer glaubt, hat das Leben. Er ist jetzt schon vom Tod zum Leben übergegangen.
Die deutsche Sprache hat ihre eigene Erfahrung mit „Vertrauen“ Dieses Wort hängt mit „treu“ zusammen und bedeutet: „fest werden“. Es kann auch bedeuten: Vertrauen schenken, sich etwas zutrauen, etwas wagen. Die deutsche Sprache hat das Wort Vertrauen also mehr psychologisch verstanden und weniger religiös, wie es die Bibel mit dem Begriff von „pistis“ tut. Vertrauen heißt: Stehvermögen haben, in sich selbst ruhen. Und es bedeutet, eine tragfähige Beziehung zu einem andern Menschen haben. Wem ich vertraue, dem bin ich auch treu, zu dem stehe ich, bei dem bleibe ich. Die Sprache allein sagt uns nicht, wie wir das Vertrauen lernen können. Sie weist uns nur hin auf die Qualität des Vertrauens. Vertrauen hat mit Festigkeit zu tun und mit Treue. Ich stehe in mir fest. Ich stehe zu mir. Ich stehe für mich ein. So bin ich auch fähig, zum andern zu stehen und ihm Vertrauen zu schenken und zugleich Vertrauen zu vermitteln. Wer diese Sicherheit und Festigkeit erfährt, der spürt seine Lebenskraft. Und er kann auch die Lebenskraft anderer stärken und mithelfen, dass ihr Leben glückt.
Das Urbild des Vertrauens auf Gott ist in der Bibel Abraham. Er zieht auf das Wort Gottes hin aus aus dem Vertrauten, in dem er sich bisher geborgen und getragen wusste. Vertrauen ist für Abraham also nicht rückwärts orientiert, sondern eröffnet einen Raum in die Zukunft. Abraham weint nicht seiner Heimat nach, sondern er macht sich auf, eine neue Heimat zu suchen. Schon der Hebräerbrief hat das Vertrauen des Abrahams als Urbild des Glaubens gepriesen: „Er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde.“ (Hebr 11,8) Und er spricht von der Heimat, die Abraham und die Seinen suchten: „Hätten sie dabei an die Heimat gedacht, aus der sie weggezogen waren, so wäre ihnen Zeit geblieben zurückzukehren: nun aber streben sie nach einer besseren Heimat, nämlich der himmlischen.“ (Hebr 11,15 f)
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