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Wydrin von Kreuzhafen ist berühmt - und berüchtigt: Findige Diebin, effektive Söldnerin, ein Mundwerk so spitz wie ihre Klingen. Sie kennt all die Gerüchte, die über die Katakomben unterhalb der Zitadelle im Umlauf sind. All das Gerede über hinterhältige Magie, verschollene Zauberer, uralte Götter und unermesslichen Reichtum. Doch sie weiß auch: von Gerüchten allein wird man nicht satt.
Als ein ungewöhnlicher Auftraggeber erscheint und sich mit dem Namen eines toten Mannes vorstellt, ist Wydrins Neugierde geweckt. Der Fremde will die Tiefen der Zitadelle erkunden und sucht Unterstützung für seine Expedition. Für Wydrin und ihren Kumpanen Sebastian klingt das nach einem lukrativen Auftrag, der jede Menge Gold und noch mehr Geschichten abwerfen würde, mit denen sie in den Tavernen prahlen konnten.
Doch was ihr mysteriöser Auftraggeber in den unterirdischen Tunneln tatsächlich sucht, das verschweigt er den beiden. Sie erkennen die Gefahr erst, als sie unmittelbar vor ihr stehen - und etwas aufwecken, das besser niemals wieder das Licht der Sonne erblickt hätte.
"Das Kupferversprechen" vereint die vier Einzelbände von Jen Williams' "Von Göttern und Drachen" in einem Sammelband.
Enthalten sind: Band 1 - Der Geist der Zitadelle, Band 2 - Die Geschwister des Nebels, Band 3 - Der Prinz der Schmerzen, Band 4 - Die Klinge aus Asche.
Eine mitreißenden Fantasy-Geschichte auf mehr als 550 Buchseiten!
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Seitenzahl: 724
Cover
Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
ERSTER TEIL
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ZWEITER TEIL
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VIERTER TEIL
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Danksagung
Wydrin von Kreuzhafen ist berühmt als findige Diebin und berüchtigt für ein Mundwerk, dass so spitz ist wie die Klingen ihrer Schwerter. Außerdem kennt sie sämtliche Gerüchte über die Katakomben unterhalb der Zitadelle im Herzen von Creos. All das Gerede über hinterhältige Magie, verschollene Zauberer, uralte Götter und unermesslichen Reichtum.
Wydrins Neugierde ist sofort geweckt, als ein ungewöhnlicher Mann erscheint, der Söldner sucht, um in die Zitadelle einzudringen und ihr ihre Geheimnisse zu entlocken. Wydrin und ihr Kumpane Sebastian hoffen als Lohn nicht nur auf jede Menge Gold, sondern auch auf Geschichten, mit denen sie in den Tavernen der Stadt prahlen können.
Aber wonach ihr mysteriöser Auftraggeber in den unterirdischen Tunneln tatsächlich sucht, verschweigt er den beiden. Wydrin und Sebastian erkennen die Gefahr erst, als sie unmittelbar vor ihnen steht. Und sie haben bereits etwas erweckt, das besser niemals das Licht der Sonne erblickt hätte.
Jen Williams lebt mit ihrem Partner und ihrer Katze in London. Sie war schon immer von Piraten und Drachen fasziniert und schreibt über sie, seit sie denken kann. Mittlerweile lebt sie ihre Leidenschaft in rasanten Fantasy- und Sword-and-Sorcery-Romanen aus, in denen es nicht nur die bereits erwähnten Piraten und Drachen gibt, sondern auch jede Menge Magie und stets ein kleines Augenzwinkern. Bei den British Fantasy Awards war sie 2015 als Best Newcomer nominiert. »Von Göttern und Drachen« ist ihr Debüt.
JEN WILLIAMS
DASKUPFER-VERSPRECHEN
VON GÖTTERN UND DRACHEN
Aus dem Englischen vonFalko Löffler
beBEYOND
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Titel der englischen Originalausgabe: The Copper Promise
Copyright © 2014 by Jennifer Williams
Für die deutschsprachige, digitale Originalausgabe
Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Übersetzer: Falko Löffler
Textredaktion: Catherine Beck
Covergestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven © Headline Publishing Group unter Verwendung von shutterstock: Algol und Getty Images: Dagli Orti
eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-4392-2
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Mit Liebe für
Alle anderen Zellen im Kerker stanken nach Angst, diese aber nicht. Der letzte noch lebende Sohn von Lord Frith war einfach zu stolz, um Angst zu empfinden. Selbst jetzt noch, da der Gelbäugige Rin seine Werkzeuge auf der blutbefleckten Bank ausbreitete und nacheinander jede Klinge im Licht der Fackel drehte, lag in den Augen des jungen Mannes, der auf dem Steinboden kniete, nichts als Wut.
Das Blut auf der Bank ist das seines Vaters. Wie auch das seines Bruders, dachte Lady Bethan. Und bald vermischt es sich mit seinem, aber er wird sich uns bis zum Ende widersetzen. Sturer Bastard.
Die Kerker der Feste von Dunkelforst waren eng und voller Schatten, weswegen Bethan näher bei dem Gelbäugigen Rin stehen musste, als ihr lieb war. Er war eine schmierige Warze von einem Mann. Glänzende Fleischbeulen ragten aus seiner Lederkluft, und glatte graue Haarsträhnen hingen von seinem knolligen Kopf. Den Namen hatte er von seinen immerzu wässrigen Augen, in denen kein Mitleid mit seinen Opfern stand. Rin mochte ein widerwärtiger Anblick sein, doch für Bethan war seine Fähigkeit, mit wenigen präzisen Schnitten für unerträglichen Schmerz zu sorgen, unerlässlich.
Mit dem jungen Aaron Frith sah es anders aus, trotz der rauen Behandlung, die sie ihm hatten zuteilwerden lassen. Mit dem markanten Kiefer und den grauen Augen, die alle Friths hatten, seiner gebräunten Haut und dem modisch geschnittenen, langen dunklen Haar sah er wirklich gut aus. Bethan wusste schöne Dinge zu schätzen. Sie hatte angeordnet, dass die besten Gemälde der Burg von den Wänden genommen und in Kisten gepackt werden sollten, damit sie diese später durchsehen konnte. Es schmerzte sie gewaltig, dass sie diese warme Haut verletzen musste – diese hübschen Augen. Im ersten Handgemenge hatte Frith einen Schlag auf die Schläfe abbekommen, und das getrocknete Blut ließ sein Haar an einer Kopfseite seltsam abstehen. Und der Gelbäugige Rin würde natürlich alles noch schlimmer machen. Was für eine Verschwendung. Aber er musste bald reden. Noch ein weiterer Tag ohne Antworten, und Fane käme vielleicht persönlich nach Dunkelforst – und darauf war niemand erpicht.
»Möchtet Ihr noch etwas sagen, Aaron, bevor es blutig wird? Oder soll ich Euch nun lieber Lord Frith nennen? Schließlich ist Euer Vater gestern hier gestorben.«
Aaron Frith sackte ein wenig tiefer in die Knie und wandte den Blick von ihr ab. Einen Wimpernschlag lang empfand sie Mitleid mit ihm, doch das Gefühl hielt nicht an. Der schwarze Samt und die Seide, die er bei der Eroberung der Feste getragen hatte, waren nun zwar verdreckt und zerrissen, aber dieser Mann hier war in ein privilegiertes Leben hineingeboren worden. Eine Silberbrosche in der Form eines Baums war immer noch an seine Brust geheftet. Kleine Saphirstücke in den Zweigen konnten Blätter oder Sterne darstellen. Es war eine gute Arbeit, und Bethan nahm sich vor, die Brosche in ihrer Tasche landen zu lassen, wenn sich dieses dreckige Geschäft dem Ende zuneigte.
Er sah zu ihr auf, und seine Augen waren trocken.
»Ich habe Abschaum aus Istria nichts zu sagen.«
Bethan seufzte und blickte sich in der kümmerlichen Zelle um. Die Fackeln ließen die Ecken nur noch dunkler erscheinen.
»Möchtet Ihr hier sterben, Lord Frith? Wofür? Ein paar Juwelen, ein wenig Gold? Reichtum, den Ihr wahrscheinlich sowieso niemals ausgeben können werdet?«
Frith schwieg. Bethan fühlte, wie sie ungeduldig wurde.
»Wir wissen, dass sich die Schatzkammer irgendwo im Wald befindet, Frith. Alle wissen das. Irgendwann entdecken wir sie, aber es wäre mir lieber, wenn Ihr es mir erzählt. So ist alles schneller vorbei.«
Zu ihrer Überraschung lächelte Frith. »Glaubt Ihr etwa, Ihr findet auf einem Pergament notiert, wie die Schatzkammer zu finden ist, vielleicht als Fußnote im Vermächtnis meines Vaters? Ihr scheint nicht zu verstehen, was ein Geheimnis ist.«
»Dann sagt Ihr es mir. Ihr seid der Letzte. Vielleicht lasse ich Euch sogar am Leben. Die Istrianer waren schon immer vom Adelsstand ihrer Nachbarn fasziniert und würden gut zahlen, um dich angaffen zu können.« Sie versuchte, vernünftig zu klingen. »Nun sage es mir, Aaron Frith, und ich schwöre, dass es für dich besser ausgeht. Du hast nichts davon, die gleiche Sturheit an den Tag zu legen, die schon den Rest deiner Familie in den Tod getrieben hat.«
»Tristan war neun Jahre alt. Er war nicht stur, er hatte Todesangst.«
Bethan näherte sich dem Gefangenen einen Schritt. Sie fühlte, wie sie errötete, und das verärgerte sie.
»Ihr wollt Euer Leben hier beenden, im Kerker Eurer eigenen Burg? Die Familiengeschichte der Frith umspannt Hunderte von Jahren, und nun wollt Ihr, dass alle in namenlosen Gräbern in Eurem eigenen verfluchten Wald enden?«
Zur Antwort spuckte Aaron Frith auf ihren Stiefel.
»Genug geredet«, sagte Rin mit einem Rachen voller Schleim. Er nahm eine bösartig funkelnde Klinge, kaum länger als Bethans kleiner Finger. »Wollen wir mal sehen, welche Farbe das Blut des jungen Lords hat. Ich habe gehört, es ist schwarz wie ihre Bäume, aber bei allen anderen war es bislang rot. Sehr enttäuschend …«
Bethan schüttelte die Spucke von ihrem Stiefel.
»Fang an.«
Bethan überließ Rin seiner Arbeit – letztlich konnte sie das alles auch nur bis zu einem gewissen Maß ertragen – und strich durch die Burg, um nach ihren Leuten zu sehen und sich zu erkundigen, ob sie etwas in den Dokumenten des alten Lord Frith gefunden hatten. Die Bediensteten waren im Hauptsaal versammelt worden, und Carlson, ihr Offizier, hatte versucht, die Information aus ihnen rauszuprügeln, doch niemand von ihnen wusste etwas.
Die Sache mit der Schatzkammer war verzwickt. Die Familie Frith war nicht nur für ihren Reichtum bekannt, sondern auch für ihren Verfolgungswahn. Vor vielen Generationen hatte der damalige Lord, ein gewisser Erasmus Frith, den Bau einer großen Schatzkammer mitten in Dunkelforst befohlen. Jeden Tag waren die Arbeiter mit verbundenen Augen zur Baustelle geführt worden, und jederzeit war ein Mitglied der Frith-Familie anwesend, um die Umsetzung zu überwachen. Hunderte von Jahren später war nur noch sicher, dass sich die Kammer irgendwo im Dunkelforst befand, diesem weitläufigen und labyrinthischen Wald. Dort lag das gesamte Vermögen der Frith-Familie und wartete auf jemanden, der es sich unter den Nagel riss …
Viele Stunden später kehrte Bethan in den Kerker zurück. Als sie sich der Zelle näherte, lauschte sie, ob sie die Geräusche hörte, die Männer am Ende ihrer Kraft von sich gaben, doch die Steinwände waren still.
»Bitte sag mir, dass du Antworten hast, Rin.«
Der Folterer wischte seine Hände an einem blutigen Tuch ab und zog eine Grimasse.
»Dieser Junge ist ein so großer Idiot, wie es die anderen waren.«
Aaron Frith war an die Bank gefesselt. Seine Hände steckten in Eisenmanschetten. Die teuren Kleider aus Samt und Seide hatte Rin schon lange entfernt, sodass er dort zitternd in Unterwäsche hing. Eine Seite seines Gesichts war blutverschmiert, und auch eine Hand war bis zum Gelenk voller Rot. Auf seiner Brust prangten Brandspuren, und Bethan roch den süßlichen Geruch von versengtem Fleisch in der Luft.
»Ich habe die üblichen Dinge ausprobiert. Glühender Schürhaken, Nadeln unter die Fingernägel – als das nicht funktioniert hat, habe ich sie einfach ausgerissen –, dazu noch ein paar Schnitte hier und da. Hab ihm eins seiner Ohren abgenommen und dachte, dann gibt er auf, aber jetzt scheint er mich zu ignorieren. Soll ich eins seiner Augen rausholen?«
Bethan sah den jungen Lord genau an. Seine Augen waren geschlossen, er atmete flach und schnell. Er wirkte, als würde ihn hohes Fieber plagen, aber sie war sicher, dass er sie trotzdem hören konnte.
»Einen Augenblick.«
Sie trat an die Bank und griff nach Friths Kinn, drehte seinen Kopf zu ihr. Eines seiner Augenlider flatterte, das andere war mit Blut verkrustet.
»Vergiss deinen Stolz, Lord Frith. Sag mir, wo die Schatzkammer liegt.«
Kurz war der Blick in dem offenen Auge verwirrt, als wüsste er nicht, wo er sich befand. Dann nahm er sie wahr, und sie sah den Hass.
»Der Dunkelforst wird dein Blut trinken, Gewöhnliche.«
Bethan nahm ihre Hand zurück.
»In deinem wertvollen Wald liegt irgendwo ein Grab, und es wird nicht für mich sein.« Sie wandte sich an den Folterer. »Der Hammer scheint mir angemessen. Ich will, dass ihm die Beine gebrochen werden.«
»Wir schreiten hier vorsichtig aus, Meister.«
Gallo blickte von der Karte auf. Sein Führer strich mit den Fingerspitzen über die roten Granitwände, schnupperte und schaute finster drein, als wäre er in etwas Unschönes getreten.
»Wirklich? Hier ist nichts eingezeichnet.« Gallo wedelte mit der Karte in seine Richtung. »Und ich würde es wirklich bevorzugen, wenn du mich nicht Meister nennen würdest, Chednit. Ich bin dein Auftraggeber, nicht dein Gebieter. Wir sind sozusagen Partner!«
Chednit blickte ihn mit seinen nicht zusammenpassenden Augen an. Eines war so braun wie eine Nuss und misstrauisch zusammengekniffen, das andere war künstlich – eine grüne Jadekugel mit einer eingeritzten silbernen Pupille, die sich in der Augenhöhle drehte.
»Du vertraust der Karte?«
»Wir haben sonst nichts, an das wir uns halten könnten. Außerdem habe ich sie ja nicht einem der grinsenden Scharlatane abgekauft, die wir in der Stadt gesehen haben. Sicher steht irgendwo in Krete ein kleines Haus, in dem Hunderte ausgehungerter Kinder Karten der Zitadelle fälschen. Die hier stammt aus den Ruinen eines Tempels in Relios und wurde direkt unter den Augen der Plappernden Männer gestohlen.« Gallo schwieg, um seine Worte wirken zu lassen, denn auf diese Leistung war er immer noch stolz.
»Wie Ihr meint, Meister.«
Gallo warf einen Blick in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er konnte noch die letzten Sonnenstrahlen über der Wüste sehen, die den entfernten Durchgang wie ein Fenster voll Gold erscheinen ließen. Sie waren vorsichtig eine Steintreppe heruntergekommen, hatten jeden Schritt in ängstlicher Erwartung von Fallen, Schlangen und Skorpionen gemacht. Es hieß, dass die verwünschte Zitadelle tausend Möglichkeiten beherbergte, wie man zu Tode kommen konnte, eine schrecklicher als die andere. Vor ihnen befand sich eine Kammer aus grauem Stein. Es war etwas kälter, als sie erwartet hatten, aber bislang war ihnen nichts Schlimmes widerfahren. Weiter vorne befanden sich drei in Dunkelheit gehüllte Durchgänge.
»Wovor hast du Angst?«
Sein Führer schaute zu ihm und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich höre was. Immer wieder ertönt ein Rumpeln, ein Seufzen.«
»Wirklich?« Gallo verharrte reglos und lauschte, hörte aber nur das Rauschen des Winds, der weit über ihnen durch das Tor blies, und das Geräusch seines eigenen Atems. So hoch über Krete war es nicht einmal möglich, etwas aus der Stadt zu hören, denn die alten Steine ließen kein Geräusch durchdringen. Unvermittelt lachte er auf und schlug Chednit herzlich auf den Rücken. Der Führer zuckte zusammen.
»Schau uns an! Wir sind gerade mal ins erste Geschoss der Zitadelle gekommen und erschrecken uns jetzt schon bei jedem Geräusch, sind nervös wie Mäuse. Gehen wir weiter.« Gallo sah auf die Karte und nickte zu dem Durchgang hinten rechts. »Wir nehmen den.«
»Wie Ihr meint, Meister.«
In der nächsten Kammer stießen sie auf eine schmale Treppe, die nach unten führte. Das Licht von Chednits Fackel erleuchtete nur die ersten Stufen, die weiteren wurden von der Dunkelheit verschlungen.
»Wir sollten noch eine Fackel entzünden, Meister.«
»Ich habe lieber die Hände frei.« Gallo tätschelte die Schwertscheide an seiner Hüfte.
»Mir gefällt das nicht.« Chednit sah in die Dunkelheit, und sein ledriges altes Gesicht lag in tausend kleinen Falten. Das Licht der Fackel tanzte auf seinem Jadeauge, und es glühte in der Dunkelheit, als wäre es das einer Katze. »Wir hätten auf Euren Freund warten sollen. Noch ein Schwert, ja, das wäre weise gewesen. Wir können noch zurückgehen und in Krete auf ihn warten.«
Ungeduldig schüttelte Gallo den Kopf.
»Ich könnte mein ganzes Leben damit verschwenden, auf Sebastian zu warten, während die Zitadelle hier mit all ihren unentdeckten Geheimnissen steht. Außerdem haben wir die Wachen längst bestochen.« Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da wäre sein Freund der Erste gewesen, der die Stufen in die Zitadelle hinabstieg, mit einem wilden Glühen in den Augen und seinem Schwert in der Hand, aber inzwischen wartete er lieber ab und, schlimmer noch, redete von Ehre. Einem echten Abenteurer drehte sich da der Magen um. »Schau, wenn du dich dann besser fühlst, schreitet meine Klinge voran.« Er zog sein Schwert und schenkte Chednit ein besonders beruhigendes Lächeln. »Bleib dicht hinter mir. Wir brauchen alles Licht, das deine Fackel verströmt.«
Sie stiegen die Treppe hinab. Gallo ging voraus, Chednit folgte ihm, hielt dabei die Fackel hoch über dem Kopf. Der Durchgang war schmal, die Stufen uneben. Gallo strich mit der freien Hand über die Steine, und an seinen Fingerspitzen blieb etwas grüner Schleim zurück. Vor ihnen erstreckte sich Dunkelheit, so tief und allumfassend, wie er es nie zuvor gesehen hatte. Als wäre sie ein festes Gebilde, und er müsste fürchten, gegen sie zu prallen, wenn er zu schnell lief. Ihre Schritte wurden als seltsame Echos zurückgeworfen, als würden sie sich erst entfernen und dann erst schneller, dann langsamer zurückzukehren. Nach ein paar weiteren Schritten knackten seine Ohren.
»Dies ist fürwahr ein dunkler Ort«, sagte Gallo. Er wollte sprechen, um diese beunruhigenden Echos zu übertönen, aber seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren angestrengt und schwächlich. »Sebastian würde das überhaupt nicht gefallen. Er hat lieber endlosen Himmel und seine Berge um sich.«
»Wie Ihr meint, Meister.« Chednit klang, als wären Sebastians Berge für ihn so spannend wie der Hintern eines Esels, und Gallo konnte es ihm nicht übel nehmen. Aber er konnte auch nicht mit dem Reden aufhören.
»Kennst du Ynnsmouth, Chednit? Ein seltsamer Ort. Dort verehren sie ihre Berge als Götter, und es gibt geheime Schreine, die nur die Ritter von Ynnsmouth finden können. Sebastian hat mir versprochen, mich zu einem zu bringen, obwohl das verboten ist.«
Plötzlich war Gallo von der Gewissheit erfüllt, dass er niemals den Schrein in den Bergen sehen würde – ja sogar, dass er niemals wieder Tageslicht erblicken würde. Dieser Gedanke lähmte seine Zunge und zog seinen ganzen Brustkorb auf nie erlebte Weise zusammen. Er räusperte sich, sagte aber nichts weiter. Schweigend gingen sie weiter.
Immer tiefer stiegen sie hinab, ohne dass sich die Beschaffenheit der Treppe oder der Wände änderten. Sie gingen so lange, dass Gallo sich zu fragen begann, ob das eine der sagenumwobenen Fallen der Zitadelle sein könnte … eine, die so raffiniert und einfach war, dass man jahrelang immer weiterlief, bis man irgendwann alt und tattrig war. Gallo war stolz auf den Zustand seines Körpers – als er die Karte von den Plappernden Männern gestohlen hatte, war er von ihnen fortgelaufen und dabei kaum ins Schwitzen geraten –, aber nun sammelte sich der Schweiß an seinen Brauen, und seine Beine schmerzten.
Ein leises Rascheln über ihm ließ ihn stehen bleiben. Es erinnerte ihn an das Geräusch, das die Seile verursachten, wenn am Hafen ein Schiff ablegte – ein Rupfen und Schleifen über gesplittertes Holz. Er schaute hoch, aber Chednits Fackel warf nur einen schwachen Schein an die Decke.
»Was war das?«, fragte er, und kurzzeitig war die Neugier stärker als seine Angst. »Kannst du etwas sehen?«
Eine Bewegung war zu erahnen, gefolgt von einem markerschütternden Schrei hinter ihm. Gallo wirbelte herum und konnte gerade noch sehen, wie Chednits Beine in der Höhe verschwanden, als sein Körper zur dunklen Decke hochgerissen wurde. Wie die meisten Männer, die ihr Schwert gegen Bezahlung schwangen, war Gallo flink wie eine Katze. Seine Hand schoss vor und packte den Stiefel des Führers.
»Helft mir! Helft mir!«, rief Chednit aus. Die Fackel fiel auf die Treppe, und Rauch stob auf. Was auch immer ihn gepackt hatte, war erschreckend stark. Gallo zerrte an Chednits Stiefel, doch der Zug zur Decke wurde nur stärker, sodass er fast mit seinem unglückseligen Führer in die Höhe stieg. Er wollte sein Schwert fallen lassen, um mit beiden Händen zuzupacken, doch seine Hand weigerte sich.
»Chednit!«
Mit einem Mal war der Stiefel verschwunden, und Chednit verschmolz mit einer dunklen Nische in der Decke. Gallo hob sein Schwert, als sein Führer aus der Dunkelheit aufschrie, wieder und wieder. Sanfter, warmer Nieselregen tropfte auf sein nach oben gerichtetes Gesicht, und etwas Kleines, Rundes fiel an seiner Nase vorbei, landete klirrend auf den Steinstufen und verschwand in der Schwärze unter ihm. Im flackernden Licht von Chednits Fackel hatte er es nur kurz sehen können, aber er hatte das Jadeauge mit der silbernen Pupille erkannt, das nun am Boden der endlosen Stufen landen würde.
Das Ganze hatte nicht mehr als ein paar Herzschläge gedauert. Gallo nahm die Fackel und blies sie an, um das Feuer wieder zu entfachen, bemerkte erst jetzt das klebrige Blut daran. Als das Licht wieder heller war, hob er sie über den Kopf, befürchtete halb, Chednits grinsende Leiche flach an der Decke zu sehen, mit Löchern in seinem Gesicht, da, wo die Augen sein sollten … doch da war nichts. Dort waren nur die gleichen grauen Steine mit dem grünen Schleim, und von seinem Führer gab es keine Spur. Gallo schluckte schwer und verstärkte den Griff um das Schwert.
»Dieser Ort ist verflucht«, entfuhr es ihm. Als sein Schreck nachließ, wurde er von schwarzem Zorn erfüllt. Wie konnte es jemand wagen, seinen Führer zu töten? Es war unannehmbar, dass er einen solchen Verlust schon zu Beginn seines Abenteuers erleiden sollte. Sebastian würde unausstehlich sein. »Wie widerwärtig es ist, von oben einen unbewaffneten Mann anzugreifen.«
»Möchtest du mir lieber von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten, junger Krieger?«
Die Stimme war so dicht hinter ihm, dass der warme Atem Gallos Nacken kitzelte. Er wirbelte herum, reckte das Schwert vor, aber was er auf der Treppe der Zitadelle erblickte, benötigte nur ein leises Lächeln, um seine Arme jeder Kraft zu berauben.
»Das habe ich mir gedacht«, sagte es mit einem Anflug von leidgeprüftem Humor. »Niemand will das jemals.«
»Du bist eine dreckige Betrügerin! Alle wissen es! Und es sagt auch jeder!«
Wydrin zog die letzte Karte über den Tisch zu sich und sah sich schnell um, wer in der überfüllten Taverne lauschen könnte. Gute Gerüchte, böse Gerüchte, sie waren ihr alle gleich. Leider herrschte an einem frühen Sommerabend in der Schicksalshand-Taverne immer Hochbetrieb, und leider kümmerte sich kaum jemand um einen Streit beim Kartenspiel. Zumindest nicht, bevor Blut fließt, dachte sie.
»Hast du schon wieder die Regeln vergessen, Sammy?« Sie lächelte ihn an, und war erfreut, dass sein Gesicht dunkelrot anlief. »Ich kann sie dir gern wieder erklären, aber unterm Strich, tja, hast du verloren. Ohne irgendwelche Tricks. Die Kupferkatze spielt sauber. Zumindest bei Kartenspielen.«
»Ich will mein Geld zurück.« Sam Larken schlug mit der Faust auf den Tisch, wodurch die Münzstapel zersprangen. »Du gibst es mir sofort wieder, du lügende kleine Diebin.«
Wydrin lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und strich über die beiden Dolche an ihrem Gürtel.
»Diebin also? Willst du das mit meinen Krallen hier besprechen?«
Nun zögerte Sam Larken kurz, und auch das gefiel Wydrin. Er war also doch kein unverbesserlicher Narr.
»Ich will nur, was mir gehört, mehr nicht, sonst erzähle ich herum –«
Wydrin zog den Dolch schneller, als er folgen konnte, und drehte mit der Spitze sehr langsam eine der Karten um. Es war die Acht der Kelche.
»Was willst du rumerzählen?«
»Äh …«
Auf einmal senkte sich ein Schatten auf sie. Wydrin sah hoch zu einem großen, breitschultrigen Mann, dessen lange schwarze Haare zu einem Zopf geflochten waren und der ein riesiges Breitschwert auf dem Rücken trug. Er hielt in jeder Hand einen Krug und warf Wydrin einen gequälten Blick zu, bevor er sich an Sam wandte.
»Ich hab’s dir schon gesagt, Sam. Wenn du unbedingt weiter mit ihr Karten spielen willst, darfst du dich nicht beschweren, wenn du dein ganzes Geld verlierst. Ratten lernen ja schneller als du.«
Sam trat ungelenk vom Tisch zurück, stieß dabei fast den Stuhl um. Sein Blick war auf das Schwert geheftet. »Na gut.« Er blickte Wydrin mit Augen voller Gift an. »In diesem Drecksloch von einer Stadt kann man nirgendwo ein ehrliches Spiel finden.«
Wydrin verfolgte, wie er in der Menge untertauchte. Sie winkte ihm kurz hinterher.
»Also wirklich, Sebastian«, sagte sie, als der große Mann sich hinsetzte und die Krüge vorsichtig weitab der Karten hinstellte. »Diesmal habe ich nicht mal betrogen. Kaum hatte er einigermaßen brauchbare Karten, stand das quer über sein dämliches Gesicht geschrieben.«
Sebastian drehte seinen Stuhl und sah hinter sich zur Tür. Er war ein großer Mann, muskulös und stark, aber sein Gesicht mit der langen Nase und den blauen Augen, für das Wydrin ihn gern aufzog, war freundlich. Kein furchteinflößender Ritter hätte solch hübsche Augen, sagte sie immer.
»Es wäre hilfreich, wenn du keine Schlägerei beginnst, während wir auf einen möglichen neuen Kunden warten.«
Wydrin verdrehte die Augen und nahm einen Schluck Ale. Es war warm und schmeckte nach Hafer. Für Krete gar nicht schlecht.
»Was ist mit dir los? Du schaust drein, als hätte dir jemand ins Bier gepinkelt.«
Sebastian seufzte und packte seinen Krug. »Dieser Auftrag. Ich bin mir nicht sicher, ob das klug ist. Nach allem, was passiert ist, sollten wir vorsichtiger sein.«
»Du hast das so gewollt, Sebastian.« Wydrin führte ihren Dolch zurück in die Scheide und senkte die Stimme. »Wir können ihn auf diese Weise finden. Gallo war ein Idiot, aber wir sind das nicht. Uns passiert nichts.« Als sie den Ausdruck in seinem Gesicht sah, veränderte sie ihren Ton. »Außerdem wird jeder, der dumm genug ist, die Zitadelle erforschen zu wollen, viel dafür bezahlen. Wir werden den Rest des Jahres ausgesorgt haben. Keine Aufträge mehr von leidigen, kleinen Händlern, die ihre jämmerlichen Wagen beschützt haben wollen.« Sie schnaubte. »Außerdem wollte ich mir neue Lederrüstung anschaffen. Rot vielleicht, damit es zu meinem Haar passt.«
Darüber musste Sebastian lachen, denn ihr Haar war kurz, ungepflegt und grellrot.
Schließlich sagte er: »Das stimmt wohl. Wir müssen ihm folgen, und dieser Weg ist so gut wie jeder andere. Allein können wir nicht mal die Wachen bestechen.«
»Was ist das überhaupt für ein Kunde?«, fragte Wydrin. »Ich bin gespannt, was für ein Narr darauf brennt, eine so berüchtigte Todesfalle zu erkunden.« Sie räusperte sich. »Außer Gallo natürlich.«
»Irgendein Lord.« Sebastian nahm einen Schluck Ale und zuckte mit den Schultern.
»Ein Lord! Dann dürfte er einen gut gefüllten Säckel haben.«
Wydrins Blick blieb an einer dürren Gestalt hängen, die sich durch das Gedränge in der Taverne schob. Der Mann stützte sich auf einen Stock und hatte einen weißen Haarschopf, aber als er näher kam, erkannte sie, dass er erstaunlich jung war, sicher nicht älter als sie. Auf einer Wange zeichnete sich eine fahle Narbe ab, und er sah die anderen Gäste düster an, als habe ihn jeder hier persönlich beleidigt.
Wydrin blickte zu Sebastian und nickte in Richtung des Neuankömmlings. Manchmal würden sie die Augen nach leichten Zielen offenhalten, Männer oder Frauen, die eine Nacht in einer Stadt wie Krete kaum überleben würden und Schutz brauchten. So ließ sich leicht etwas Geld verdienen.
Sebastian sah dorthin und setzte sich auf. »Bei Isu, ich glaube, das ist er.«
Wydrin zog die Augenbrauen hoch. »Hast du nicht gesagt, er sei ein Lord?«
Als der weißhaarige Mann zu ihnen trat, bemühte er sich, nicht zu sehr zu humpeln. Er hatte einen schweren schwarzen Mantel übergeworfen, der kaum verbergen konnte, wie ausgemergelt er war.
»Mein Lord?«
Der Mann beäugte sie, und die Abneigung zog seine Mundwinkel herunter. »Ihr seid Sir Sebastian Carverson, der Ritter von Ynnsmouth? Und … die Kupferkatze von Kreuzhafen?«
»Das sind wir, mein Lord.« Sebastian wies zum Stuhl, und der Mann ließ sich nieder.
»Ich bin die Kupferkatze.« Wydrin streckte die Hand über dem Tisch aus, und als er keine Anstalten machte, sie zu ergreifen, packte sie stattdessen den Krug. »Aber Ihr könnt mich einfach Wydrin nennen. Das mit der Kupferkatze, tja, das ist vielleicht mein Erkennungszeichen, aber es dauert den halben Tag, alles auszusprechen.«
»Uns ist gesagt worden, dass Ihr eine Reise plant, bei der Ihr ein paar starke Schwertarme benötigt.« Sebastian gab dem Wirt das Zeichen, dass sie Nachschub brauchten.
»Es ist eine Reise, ja, aber sie führt nicht weit. Ich muss in die Zitadelle gelangen, um die unteren Stockwerke zu erforschen.« Der weißhaarige Mann lehnte seinen Gehstock an den Tisch. »Es gibt viele Geschichten über die Zitadelle und was sich in ihr befindet. Ich schätze, ihr habt sie gehört?«
Sebastian nickte. »Legenden, ja, jeder kennt sie. Sogar in Ynnsmouth erzählen die alten Frauen die Geschichten von den Magiern der Zitadelle, die vor langer Zeit gelebt haben.«
Neugierig beugte sich Wydrin vor. »Ich habe gehört, dass es einen Raum gibt, der bis zur Decke voller Goldmünzen und Juwelen aus ganz Eda gefüllt ist, und dass sie dort ein Schwert hatten, das in der Nähe von Dämonen gesungen hat, und dass es eine Rüstung gibt, die eine Geisterarmee beschwören kann.«
Sebastian schaute zu seiner Kollegin, bevor er sich wieder an ihren Kunden wandte. »Ich fürchte, dass dies nur Geschichten sind, mein Lord.«
»In jedem Gerücht steckt ein Körnchen Wahrheit. Der Rat von Krete hat eine Wache am einzigen Eingang postiert, aber die habe ich schon bestochen. Ich interessiere mich nur für das Innere der Zitadelle.« Der weißhaarige Mann holte tief Luft. »Es heißt, da drinnen sei es ein Labyrinth.«
»Und da könnten wir Euch vielleicht behilflich sein.« Sebastian griff an seinen Gürtel und zog ein Pergament hervor, auf das Quadrate und Kreise in Tinte eingezeichnet waren. »Mein Freund hatte eine Karte der Zitadelle, und ich habe einen Teil davon als Kopie. Damit können wir zumindest einen Teil des Wegs zurücklegen.«
»Wo ist dein Freund jetzt?«, fragte der weißhaarige Mann.
Sebastian runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht. Er ist … ohne uns losgezogen.«
»Dann vermutest du, dass er tot ist?«
Sebastian sah auf seinen Krug hinab. »Er ist nicht so leicht um die Ecke zu bekommen«, sagte er schließlich. »Vielleicht ist er immer noch da drin unterwegs und erkundet die unteren Stockwerke … oder vielleicht ist er im Schutze der Nacht wieder herausgekommen und ist über sein Scheitern zu beschämt, um mir unter die Augen zu treten. Wenn wir in die Zitadelle gelangen und ihn finden, haben wir die gesamte Karte in den Händen.«
Der weißhaarige Mann beugte sich vor, um einen Blick auf das Pergament zu werfen, und als sein Haar herabfiel, sah Wydrin da, wo das Ohr sein sollte, eine verknotete Narbe. Es war abgeschnitten worden, und nicht gerade mit Sorgfalt.
»Es ist ein Anfang.« Er lehnte sich wieder zurück und sah die beiden an. Wydrin mochte die Abschätzigkeit in seinem Blick nicht. »Wenn ich euch anheuere, möchte ich euch erst ein paar Fragen stellen.«
»Ihr müsst nur wissen, dass wir die Besten sind«, erwiderte Wydrin schulterzuckend.
Der weißhaarige Mann zog die Augenbraue hoch, als wollte er andeuten, dass er davon noch überzeugt werden musste, dann wandte er sich an Sebastian. »Warum hast du die Ritter von Ynnsmouth verlassen?«
»Wer sagt, dass ich sie verlassen habe?« Zorn flackerte in Sebastians Stimme auf. »Ich trage immer noch das Zeichen von Isu.« Er deutete auf ein Wappen, das an der Schulter auf seinen Mantel genäht war. Darauf war mit silbernem Faden der Umriss einer Bergkette vor einem roten, stürmischen Himmel eingestickt. Darunter befanden sich Buchstaben, die Wydrin nicht lesen konnte, aber von denen Sebastian ihr gesagt hatte, dass sie »Isu« bedeuteten. »Mein Schwert ist an der Quelle der Gottesberge gesegnet worden.«
»Jeder Mann, mit dem ich gesprochen habe, hat mir berichtet, dass du für ein nicht näher genanntes Verbrechen verstoßen worden bist. Alle schwören, dass das stimmt, aber niemand weiß, was genau du getan hast. Ich werde nicht mit einem Mann auf diese Reise gehen, dessen Vergehen ich nicht beurteilen kann. Bis zu einem gewissen Grad muss ich euch beiden vertrauen können.« Der weißhaarige Mann warf Wydrin einen Blick zu. »Und soweit ich weiß, erledigen die Ritter von Ynnsmouth eigentlich nicht die Arbeit von Söldnern.«
Sebastian schürzte die Lippen und sah auf sein Ale hinunter, als wäre es sauer geworden. In die Stille trat der Wirt, der drei frische Krüge brachte. Sebastian wartete, bis er gegangen war, um wieder das Wort zu ergreifen.
»Der Orden der Ritter von Ynnsmouth hat weise gehandelt, mich ins Exil zu schicken. Ich werde die Gründe nicht ausführen, Euch aber sagen, dass ich meine Taten nicht für ein Verbrechen halte und dass Ihr ganz sicher nicht in Gefahr seid.«
Wydrin lachte auf. »Sagen wir einfach, dass seine Vorstellung von Bruderschaft nicht der seiner Vorgesetzten entsprochen hat.«
Sebastian warf ihr einen düsteren Blick zu und wandte sich dann wieder an ihren Kunden. »Ihr habt recht, mein Lord, die Plünderung von Tempeln ist nicht gerade ein ritterliches Unterfangen, aber ein Mann, der mit dem Schwert umzugehen weiß, muss auch irgendwie überleben.« Seine Lippen formten die Andeutung eines verbitterten Lächelns.
»Ich habe allerdings auch eine Frage.« Wydrin nahm einen Schluck Ale und rülpste vernehmlich in ihre Hand. »Ihr habt vor, mit uns in die Tiefen der Zitadelle zu steigen?«
»Natürlich. Es ist unabdinglich, dass ich mitkomme. Dort sind bestimmte Objekte … bestimmtes Wissen, dessen ich habhaft werden muss.«
»Die Zitadelle zu erforschen, wird sicher gefährlich und anstrengend, selbst wenn wir in den dunklen Tiefen nicht auf unangenehme Überraschungen stoßen.« Sie drehte ein paar weitere beliebige Karten um: das Ass der Stäbe, die Kristallkugel, den Bären. »Wir müssen schnell und stark sein. Und Ihr scheint nicht schnell zu sein – oder stark.«
Der weißhaarige Mann blickte einen Augenblick lang mit verhärteten Gesichtszügen auf den Tisch.
»Du kennst mich nicht, Wydrin von Kreuzhafen, sonst würdest du nicht solche Aussagen treffen. Ich bin Lord Frith von Dunkelforst, und Friths lassen sich nicht einfach zur Seite schieben.« Wieder war da dieser Blick, als wäre er von einem Zorn erfüllt, den er kaum im Zaum halten konnte. »Ich bin stärker, als ich aussehe.«
Wydrin zuckte mit den Schultern. »Gut. Dann kommen wir zu meinem Lieblingsthema, unserem Lohn.«
Lord Frith sah Sebastian an und dann wieder sie. »Ich habe schon mit eurem Kontakt darüber gesprochen, und wir haben uns auf eine Summe geeinigt. Ich weiß nicht, was weiter zu verhandeln wäre.«
»Oh, ich weiß nicht … ich verhandle am liebsten selbst.« Wydrin zwinkerte Frith zu. »Was fällt an? Ausgaben, Gefahrenzulage, etwas Personenschutz, schätze ich. Gehen wir nur zum Spaß noch mal alle Details durch, ja?«
Dann folgte eine langwierige Diskussion über die Höhe ihres Lohns, die Lord Frith weitere achthundert Goldstücke abrang und Sebastian zwei weitere Runden Ale bestellen ließ. Als sich alle einige waren, lehnte sich Wydrin auf ihrem Stuhl zurück und war zufrieden. Ein interessanter Auftrag für eine gewaltige Menge Münzen, und ein neuer Bekannter, mit dem man feilschen konnte.
»Also ist alles geregelt. Wir brechen morgen früh auf. Betrachtet unsere Schwerter als in Euren Diensten stehend. Und ein Kupferversprechen sollte immer mit einem Trinkspruch besiegelt werden.« Wydrin hob ihren Krug. »Auf die Plünderung der Zitadelle!«
Sebastian und Frith hoben widerwillig ihre eigenen Krüge, und sie rammte ihren gegen beide, wobei sie einiges auf Lord Friths bestickten Ärmelaufschlag verschütte.
»Wir werden so viele Geschichten erzählen können.«
»Krete ist weniger Stadt als vielmehr ein Infekt«, murmelte Frith, als er durch die bevölkerten Gassen humpelte. Die Zitadelle war die Pustel in der Mitte, erhob sich im Herzen der Stadt und jenseits der Mauern hoch über die Wüste. Die Häuser, Tavernen und Märkte, die Bordelle und Lagerhäuser und Spielhöllen, die in der Stadt wucherten, waren Zeichen seiner fiebrigen Seuche. Selbst im Licht des frühen Morgens war es schon zu heiß, und die Sonne hing am blassen Himmel wie eine glühende Scheibe.
»Ein grässlicher Ort.« Er humpelte um einen Marktstand herum, an dem gebratene Vögel auf Stöcken verkauft wurden. Die bunten Schwanzfedern hingen noch an ihnen. »So viele Leute, so wenig Platz. Und alle stinken.«
»Meint Ihr?« Die Söldnerin namens Wydrin schritt voran. »Es riecht nicht halb so schlimm wie in Kreuzhafen. Wo ich herkomme, würde dies als ein besonders wohlriechender Tag gelten.«
Frith schaute düster drein. »Das kann ich mir vorstellen.«
Er hatte auf seiner langen und schmerzvollen Reise von Litvania viele Geschichten gehört. Die Kupferkatze von Kreuzhafen, so hieß es, war eine furchtlose Schwertkämpferin mit flammend roten Haaren, einem Paar Silberdolchen an den Hüften und einem Wagemut, der fast so groß war wie ihre Liebe zu Männern und Gold. Man sagte, dass man in Kreuzhafen keine gefährlichere Klinge anheuern konnte, und wenn man bedachte, was für einen Ruf die Söldner und Tagediebe dort hatten, klang das recht beeindruckend. Ihr Partner, so hieß es weiter, war eine kaltblütige Tötungsmaschine, erfüllt vom Zorn seiner eiskalten Berggötter, und er besaß so viel Wärme und Gnade wie die gefährlichen Gipfel.
Frith hatte sich eine große, wohlgeformte Frau vorgestellt, mit blutrotem Haar, das bis zur Hüfte hing, einem Paar grüner Augen, so verspielt und verschlagen wie das einer Katze, und einer Rüstung, die wenig verhüllte. In Wirklichkeit war die Kupferkatze eine junge Frau mittlerer Größe mit kurzem, möhrenfarbenem Haar, Sommersprossen auf der Nase und einer Rüstung aus gehärtetem Leder. Während er sie beobachtete, blieb sie stehen, um einen Klumpen von etwas, das man nicht näher benennen sollte, von einem ihrer Stiefel zu treten. Sie wurden dadurch aber auch nicht vorzeigbarer.
Der Ritter von Ynnsmouth machte wenigstens äußerlich was her. Auch an einem so warmen Tag trug er die traditionelle Rüstung seines Ordens, eine Mischung aus gehärtetem schwarzem Leder, einem filigranen Kettenpanzer und einer silbernen Brustplatte. Die anderen Leute schienen ihm unbewusst aus dem Weg zu gehen, wie ein Bach, der einen Stein umfließt. Außer seiner Größe und dem riesigen Breitschwert auf seinem Rücken wies nichts darauf hin, dass es sich bei ihm um einen Barbaren handelte. Seine Gesichtszüge waren scharf, der Bart gestutzt, die Augen klar und blau.
»Habt Ihr schon einmal die Ozeanglasstraße gesehen, mein Lord?«, fragte Sebastian.
»Das habe ich nicht. Ich bin aus dem Norden nach Krete gekommen und habe Creos durchquert.« Er öffnete den Mund, um mehr zu berichten, überlegte es sich dann aber anders. »Es war eine unbequeme Reise.«
»Sie ist wirklich sehenswert. Eines der Wunder von Eda.«
»Ich bin nicht wegen der Sehenswürdigkeiten hier.«
Frith vermutete, dass sie ein schönerer Anblick war als die Straßen von Krete. Beiderseits standen hölzerne Wirtshäuser, aus denen heißer Dunst den Geruch von abgestandenem Bier und kalter Kotze heraustrug. Metzger schleuderten Innereien auf die Straße, sodass ein Rudel wilder Hunde von einem Geschäft zum nächsten zog und nur innehielt, wenn sie um die besten Stücke kämpften, während Dirnen in den Fenstern hingen, mit ihren teigigen Brüsten auf den Fensterbänken, und den Männern in der Gasse etwas zuriefen. Langsam schoben sich Ochsen durch die Straßen, zogen Wagen, auf denen die Erzeugnisse geladen waren, die aus dem fernen Onwai und der Insel Kreuzhafen durch die Wüste hergebracht worden waren, während Händler zwischen ihnen herumliefen und Geschäfte abschlossen. Männer und Frauen riefen sich etwas zu, Kinder brüllten und kreischten, und über allem brannte die Wüstensonne, machte alles glühend heiß und seltsam fiebrig.
Sie näherten sich der Innenstadt. Die Häuser wurden immer baufälliger, die Leute immer ärmer. Die Zitadelle erhob sich auf einem Hügel in der Mitte, und in ihrer Nähe hausten die Verarmten und Verzweifelten. Obwohl sie seit Jahrhunderten still dastand, wollte niemand in ihrer Nähe leben, wenn es sich vermeiden ließ. In stillen Nächten, so hieß es, hörte man den Ruf der Geister.
Frith konnte sich kaum vorstellen, dass man hier eine ruhige Nacht haben konnte.
»Seht, mein Lord.«
Frith blickte in die Richtung, in die der Ritter wies. Zwischen zwei Lagerhäusern, von denen eines vor Kurzem gebrannt haben musste, entdeckte er einen breiten Streifen von etwas Blaugrünem, auf dem das helle Sonnenlicht tanzte. Es war wirklich, als näherte man sich mitten in der Stadt dem Ozean. Bei diesem Anblick beschleunigte sich sein Herzschlag, und er zwang sich, schneller zu gehen. Der Pfad der Götter.
»Gut, beeilen wir uns. Ich habe genug von dieser schwärenden Stadt.«
Als sie am Rand ankamen, musste Frith jedoch eine Pause einlegen. Die Ozeanglasstraße erstreckte sich durch Krete wie ein gefrorener Fluss. Ihre Oberfläche war verzogen und glänzend, und es war ein packender Anblick. Wellenförmig waberte die Hitze darauf, und wenn man es schaffte, lange genug draufzuschauen, konnte man ihrem Verlauf bis zur Zitadelle folgen, deren rote Steine und schwarze Schatten sich unter der gnadenlosen Sonne erhoben.
Frith griff an sich hinab und massierte sein steifes Bein. Es schmerzte von dem langen Marsch durch die Stadt.
Wydrin trat an seine Seite und legte die Hände an die Hüften. Auch sie sah zur verwunschenen Zitadelle hoch und nickte, als wäre alles genau so, wie sie erwartet hatte.
»Wie steht es, Prinzlein? Wettrennen bis zur Spitze?«
Wydrin ging voran. Sebastian und Frith folgten ihr, und Letzterer schritt auf der rutschigen Oberfläche unter seinen Füßen vorsichtig drein. Unbehagen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Nach einigen Augenblicken hielt Wydrin inne und wartete auf die beiden.
Zu Friths Bedauern war die Ozeanglasstraße der einzige Weg zur Zitadelle. Die vier eisernen Tore in den roten Steinwänden waren vor langer Zeit zugeschmiedet worden, um die Schaulustigen und Raffgierigen fernzuhalten, während sich die Ozeanglasstraße vom Creosmeer erhob und über den Strand bis hinauf zu den Mauern der Zitadelle führte, wo ein Teil eingestürzt war. Sie war einzigartig. Zehn große Karren konnten nebeneinander auf ihr fahren, so breit war sie, sofern die Pferde es schafften, auf der buckligen, glänzenden Oberfläche zu laufen. Die meisten mochten es nicht, genauso wenig wie Frith. Außerdem war der Weg steil, sodass selbst Wydrin in ihren festen Lederstiefeln nur langsam vorankam. Das Glas unter ihren Füßen war ein tiefes Grün, wie der Ozean, nach dem die Straße benannt war, und die Morgensonne erzeugte strahlend helle Pfützen weiter vorn.
»Wer hat dieses seltsame Ding hier gebaut?«
»Du meinst, du weißt das nicht?«, fragte Frith.
»Ich habe es ihr erzählt«, sagte Sebastian in überdrüssigem Ton. »Aber sie hört ja nicht zu.«
»Blödsinn«, gab sie fröhlich zurück. Sebastian erzählte immerzu von irgendeinem geschichtlichen Ereignis. Wie sollte sie wissen, was davon wert war, in Erinnerung behalten zu werden? »So eine Straße hast du nie erwähnt. Das schwöre ich bei meinen Krallen.« Sie tätschelte die Dolche an ihren Hüften.
»Dann bleib stehen und hör zu.«
Sie legten eine Pause ein. Krete erhob sich beiderseits der Ozeanglasstraße, wie die Anleger eines Hafens an einem Fluss, und hier und da hatte man versucht, einen Laden direkt an der buckligen Oberfläche zu eröffnen, aber hier lief nicht viel. Ein paar Händler hatten sie schon überholt – Männer, die rotes Fleisch auf Stöcken verkauften oder Gläser mit kalter Würzmilch –, aber die Verkäufer wirkten erschöpft. An den Hängen nah an der Zitadelle versuchte niemand, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dort war man zu nah an den Wachen und den Geistern. Die Straße selbst erstreckte sich viel weiter, führte aus der Stadt heraus und wurde in der Ferne zu einem grünen Faden. Am Horizont war das saphirblaue Band des Creosmeers auszumachen.
»Das ist ein verdammt langes Ding«, sagte sie und hob die Hand über die Augen, um sie vor der Sonne zu schützen. Sie konnten immer noch den Rauch riechen, der von der Stadt unter ihnen aufstieg, gemischt mit den Gerüchen süßer Gewürze von den Fleischern und einem Hauch Salz, der vom Meer herüberwehte.
»Der Weg wird nicht kürzer, wenn wir hier rumstehen«, sagte Frith. Er trug einen schwarzen Waffenrock aus Wolle, einen schwarzen Umhang, und seine Stiefel waren durch das viele Reisen grau geworden. Schwer stützte er sich auf seinen Stock und wirkte in der Hitze alles andere als zufrieden. Sebastian, der mit Büchern und Erzählungen aufgewachsen war, hatte diesen Blick, der verriet, dass er gleich eine Geschichte erzählen wollte. Er wies zum Anfang der Ozeanglasstraße, der in weiter Ferne lag.
»Vor Tausenden von Jahren war das alles nur Sand. Doch dann erhob sich ein Krieg zwischen den Göttern und den Magiern, der drohte, alles Leben in Eda auszulöschen. In ihrer Verzweiflung versammelten sich die größten Magier ihrer Zeit, brachten ihre mächtigsten Waffen mit, ihre geheimnisvollen und gefährlichen Artefakte, und bauten eine Zitadelle, um sie zu beschützen. Als die Götter davon erfuhren, dass so eine Ansammlung von Macht in einer Zitadelle der Menschen versteckt war, rauschten sie über das Creosmeer heran und zerwühlten dabei das Land unter sich, sodass es schmolz und zu Glas wurde. Aber es war eine Falle. Sobald sie in der Zitadelle waren, gelangten sie nicht mehr heraus, und so fand der Krieg ein Ende.«
»Und alle Artefakte blieben dort. All die alten Siegel der Macht«, vervollständigte Frith. »Ja, das ist eine nette Geschichte.«
Wydrin zuckte mit den Schultern. Die Ozeanglasstraße war sicher eindrucksvoll, vielleicht eine außergewöhnliche Laune der Natur.
»In Kreuzhafen bevorzugen wir Geschichten über Piraten und Meeresnymphen, oder über die Salzgeister und die Grazien. Meistens geht es darum, dass ein Salzgeist für einen Tag zu einem Menschen wird und dann irgendeine Fischfrau schwängert. Solche Geschichten halt. Meistens sind noch ein oder zwei Lieder im Mittelteil.«
Sebastian seufzte.
»Vielleicht gehen wir einfach weiter?«
Es war ein harter Anstieg, und oben sahen sie sich den genauso harten Gesichtszügen der Wachen gegenüber. Vier von ihnen patrouillierten auf den Resten der äußeren Mauer, wo die Ozeanglasstraße endete. Hinter ihnen erhoben sich die inneren Mauern der Zitadelle, und darüber thronte das runde Hauptgebäude. Alles bestand aus den dunkelroten Steinen. Die Zitadelle war weitläufig und ziemlich beeindruckend, aber nicht gewaltig genug, um ein Gefängnis von Göttern zu sein, dachte Wydrin. Der erste Wächter trat an sie heran, ein großer schlanker Mann mit einem gepflegten grauen Bart und dunklen Ringen unter den Augen. Er hielt einen Speer in der Hand, richtete ihn aber nicht auf die Neuankömmlinge. Wydrin dachte, dass sich das schnell ändern konnte. Die drei anderen Wächter behielten von ihren Stellungen auf der Mauer aus alles im Blick. Zwei waren Männer mittleren Alters, der andere ein jüngerer Kerl, dessen Augenbrauen unter dem Halbhelm versteckt waren. Wydrin vermutete, dass er den Posten nicht länger als einen Monat innehaben konnte.
»Haben wir uns verlaufen?«, rief Graubart. In seinem Mundwinkel lag ein Lächeln angedeutet. »Die Tavernen und Bordelle liegen in dieser Richtung.«
Sie blieben vor ihm stehen.
»Zweifellos kennt Ihr die besten Bettenhäuser, Großvater«, sagte Wydrin und schenkte ihm ihr fröhlichstes Grinsen. »Sagt mir, geben sie Männern im fortgeschrittenen Alter einen Nachlass?«
Graubarts spöttisches Lächeln verblasste ein wenig. »Sag du es mir. Gibst du Rabatt, kleines Freudenmädchen?«
Sebastian räusperte sich. »Ich möchte mich für meine Kollegin entschuldigen«, sagte er. »Wir sind eigentlich in einer geschäftlichen Angelegenheit hier.«
Die drei anderen Wächter kamen neugierig näher. Wydrin vermutete, dass Eindringlinge normalerweise schnell mit den Speeren verjagt wurden.
»Was für ein Geschäft könnte das wohl sein? Nur die Toten haben etwas in der Zitadelle verloren, und dafür seht ihr mir noch etwas zu lebendig aus.« Er sah Frith an und zuckte mit den Schultern. »Von diesem Krüppel vielleicht abgesehen.«
Der weißhaarige Mann verengte die Augen zu Schlitzen und erwiderte sichtlich gereizt: »Ich bin Lord Aaron Frith von Dunkelforst. Ich habe mit dem Rat von Krete gesprochen und mich auf einen … Preis geeinigt. Ihr solltet darüber in Kenntnis gesetzt worden sein.«
Graubart stützte sich auf seinen Speer und strich sich über das Kinn. Dabei blickte er demonstrativ in die Ferne, als suchte er am Horizont nach etwas, das nur er kannte. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Das kann ich nicht behaupten.«
Innerlich seufzte Wydrin. Sie ertrug keine Leute, die nicht einmal vernünftig lügen konnten.
Frith humpelte nach vorne, wobei sein Gehstock auf dem Glas schlidderte. »Ich sage dir, Wächter« – dieses Wort spuckte er regelrecht aus – »dass wir Bestechungsgeld bezahlt haben. Nun tritt zur Seite.«
Die drei anderen Wächter standen nun direkt hinter Graubart. Wydrin sah dem nervösen jungen Kerl in die Augen und zwinkerte ihm zu. Kurz wirkte er erschrocken und schaute schnell weg.
»Nun, vielleicht wurde Bestechungsgeld bezahlt«, sagte Graubart langsam. »Vielleicht stimmt das, aber vielleicht an jemanden, der nicht ich bin. Vielleicht ist das euer Problem.«
»Was?«
Sebastian drehte die Handflächen zum Himmel. »Ich bin sicher, dass wir zu einer Einigung kommen. Schließlich sind wir Abenteurer und könnten -«
»Ich gebe diesem Kerl keine einzige Münze«, entfuhr Frith. »Er ist ein Geier, der am Kadaver eines anderen Geschäfts reißt.«
»Nun denn.« Wydrin zog ihre Dolche heraus und ließ das Licht der Morgensonne auf den Silberklingen tanzen. Dem jungen Kerl sprangen fast die Augen aus den Höhlen, aber seine beiden Kameraden zogen nun ihre eigenen Waffen, zwei gekerbte Kurzschwerter. Wydrin grinste sie bei diesem Anblick an. »Ich habe doch gleich gesagt, dass wir das so machen, oder? Es ist viel einfacher, sie direkt umzubringen.«
Sebastian seufzte. »Das hast du nicht gesagt. Du hast gesagt, wenn wir das täten -«
»Hab’s mir anders überlegt. Heute Morgen war noch nicht viel los, und ich langweile mich schnell. Du, Frischling. Willst du zuerst sterben?« Sie hob einen ihrer Dolche und zeigte ihn dem jüngsten Wächter. »Der hier heißt Frostling, der andere Asche.«
»Das ist die Kupferkatze«, stieß er aus. »Sie wird uns alle töten und unsere Körper nach Kreuzhafen mitnehmen, um sie an die Grazien zu verfüttern!«
Triumphierend schenkte Wydrin Sebastian ein Lächeln.
»Du hast behauptet, das Gerücht würde keiner glauben.«
»Genug davon.« Frith humpelte nach vorne, stellte sich vor den Wächter. »Ich habe Wegzoll bezahlt, und nicht wenig. Jetzt tritt zur Seite.«
Wydrin wog die Dolche in den Händen und behielt Frith genau im Blick. Er rührte sich nicht, seine Augen strahlten Härte aus, und in seinem Gesicht stand keinerlei Angst. Graubart allerdings war von Friths Aufplustern nicht sonderlich beeindruckt und senkte die Speerspitze, sodass sie auf den Bauch des Lords wies.
»Blutvergießen bringt keinem von uns etwas.« Sebastian schob sich zwischen den Wächter und Frith, und zum ersten Mal schien ihnen die Größe des Mannes bewusst zu werden – und das schimmernde Breitschwert auf seinem Rücken. »Wydrin, bitte. Fahr für den Augenblick deine Krallen ein.«
Wydrin verdrehte die Augen, tat ihm aber den Gefallen. Dann schaute Sebastian zu Graubart, bis der den Speer senkte.
»Dann geht von mir aus vorbei. Ihr haltet nicht einmal bis zum Mittag durch. Niemand kommt dort lebend raus, und das wissen alle. Ihr Abenteurer mit euren großen, strahlenden Schwertern, euren Plattenpanzern und leeren Köpfen – ihr alle sterbt irgendwo da unten im Staub.«
Wydrin ging entspannt an den Wächtern vorbei und blieb nur kurz stehen, um dem jungen Kerl eine Hand auf die Schulter zu legen. »Ich werde mich daran erinnern, wenn ich in meinem eigenen Marmorpalast in die Seidenkissen sinke. Dann werde ich sagen: Dieser hässliche Wächter hat mir gesagt, dass es so kommen würde, und ich habe nicht auf ihn gehört.« Sie zwinkerte ihm noch einmal zu, während er sie anstarrte.
Graubart spuckte in den Staub neben ihrem Stiefel.
»Vor einigen Wochen muss noch ein anderer Mann hier gewesen sein«, sagte Sebastian. »Habt Ihr ihn gesehen?«
»Ja, ich habe ihn gesehen, den jungen Idioten. Blonde Haare und mehr Messer als Verstand. Er ist nicht zurückgekehrt, und ihr werdet das auch nicht tun.« Als sie ihn einfach nur ansahen, winkte er mit dem Speer in ihre Richtung. »Also los, dann geht, lasst euch umbringen. Mir soll es gleich sein.«
Im Schatten der inneren Mauern liefen sie um die Ecke und damit aus dem Sichtbereich der Wächter. An einigen Stellen hatte der Wüstenwind Sandhaufen aufgetürmt. Dürre Pflanzen mit spitzen Blättern waren dort gewachsen, wo das Mauerwerk zerfallen war. Sebastian nahm die Wände in Augenschein und erinnerte sich an seinen Vater. Er hätte es als Wunder bezeichnet, dachte er. Was würde er wohl sagen, wenn er wüsste, dass ich hier und heute vor einem der größten Bauwerke der Geschichte von Eda stehe?
Sein Vater hatte sein ganzes Leben lang mit Stein gearbeitet: Er hatte sie zerbrochen, gemeißelt und geformt, um dem Felsen seinen Willen aufzuzwingen. Vielleicht wäre alles einfacher gewesen, wenn er dem Wunsch seines Vaters gefolgt und ins Familiengeschäft eingestiegen wäre. Wenn der Berg nicht zu mir gesprochen hätte, wenn die Ritter von Ynnsmouth mich nicht zu einem der ihren gemacht hätten … Er fühlte eine Mischung aus Verbitterung und Bedauern, wenn er an seine Heimat dachte … die grauen Steine seines Knappenhauses, die tückische Trainingsanlage, alles bedeckt mit Schnee. Jetzt lebe ich unabhängig, rief sich Sebastian ins Gedächtnis zurück.
Frith tauchte an seiner Seite auf und sah aus, als stünde er immer noch unter dem Eindruck der Auseinandersetzung mit den Wächtern. »Ich glaube, wir brauchen bald deine Karte«, sagte er und deutete zu den Mauern vor ihnen. »Ich will nicht ziellos rumirren.«
Vor ihnen befand sich ein verzierter Torbogen, der teilweise eingestürzt war. In den roten Stein waren Ornamente eingearbeitet, aber man konnte sie kaum noch erkennen: Helden mit Schwertern, seltsame Wesen mit mehr Zähnen als Beinen, Männer, die zur Hälfte ein Hund waren, Frauen, die zur Hälfte ein Fisch waren. Der Zahn der Zeit hatte ihre Gesichter zu ausdruckslosen Flächen abgenagt, als wollten sie ihre Umgebung nicht mehr ansehen müssen. Hinter dem Torbogen bildeten Mauern eine Art Labyrinth, durch das man zu einem runden Gebäude in der Mitte der Anlage kam. Zwischen den Mauern hatten sich einmal Gärten befunden, doch nun waren dort nur noch Dreck und Unkraut. Hier und da stand eine einsame Statue mit fehlenden Gliedmaßen.
»Das scheint unser Weg zu sein«, sagte Wydrin. Die Wüstensonne verlieh ihrem Haar die Farbe von mattem Gold. »Dann gehen wir rein, oder?«
Frith nickte und zog sich den Mantel enger um die Schultern, und trotz der Wärme des Tages lief Sebastian ein Schauder über den Rücken. An diesem Ort fühlte man sich seltsam, voller Erwartung, erfüllt von Einsamkeit, obwohl man so nah an der Stadt war. Er stellte sich vor, wie Gallo diesen Weg entlanggekommen war, gespannt auf das, was er finden würde.
Sie liefen durch den Torbogen in die Überreste der Gärten. Frith stützte sich weiter auf den Stock und entschied sich für den Weg an den niedrigen Mauern entlang, doch Wydrin kletterte über sie und hielt in einer geraden Linie auf das Herz der Zitadelle zu. Sebastian folgte Frith, denn er hatte es nicht eilig damit, eine Steindecke über seinem Kopf zu haben. Hier draußen konnte er wenigstens das schrille Geschrei der Möwen über sich und das gemächliche Summen der Wüstenbienen um sich herum hören. Als er an einem Salzrosenbusch vorbeikam, hörte er das Zischen und Gleitgeräusch einer Schlange in den unteren Ästen. Er erhaschte einen Blick auf glitzernde rote Schuppen – es war eine rubinrote Natter.
»Hier sind Schlangen, Wydrin. Halt die Augen offen, wenn du dich durchs Unterholz schlägst.«
»Ha!«, rief Wydrin aus und zog einen ihrer Dolche. »Katzen sind schneller als Schlangen.«
»Katzen haben kein Gift in ihren Krallen.«
Er schloss zu Frith auf. An der Braue des jungen Mannes zeichnete sich schon Schweiß ab, und die Mundwinkel hatte er nach unten gezogen, weil es ihm Mühe bereitete, die Geschwindigkeit beizubehalten. So wütend, dachte Sebastian. Er erinnert mich daran, wie ich vor einigen Jahren war. Aus unmittelbarer Nähe wirkte Frith zu Sebastians Erstaunen sehr jung, trotz seines schütteren, knochenweißen Haars. Er verbarg so gut wie möglich, was ihm widerfahren war, aber Sebastian hatte gute Augen, und als auf der Ozeanglasstraße der Wind die Haare des Mannes nach hinten geweht hatten, hatte er einen Blick auf das schreckliche Loch werfen können, wo einmal Lord Friths Ohr gewesen war. Ein wirklich wütender Mann.
Frith bemerkte, dass er angestarrt wurde, und blickte düster drein. Wydrin war weiter vorne und schlug mit den Dolchen aufs Unterholz ein.
»Was gibt es?«
»Nichts, mein Lord. Ich denke nur darüber nach, was uns bevorsteht.«
»Von ihr höre ich wohl kein ›mein Lord‹«, stellte er fest und nickte in Richtung der Kupferkatze.
Sebastian musste lächeln. »Das wird wohl nicht passieren.«
»Du vertraust ihr? Kann man ihr trauen?«
Sebastian sah auf zum Himmel, der immer noch ein helles, unbeflecktes Blau war. In Ynnsmouth war der Himmel oft derart blau, aber die Luft war immer frisch. Hier roch es nach einem schwärenden Misthaufen.
»In dem zerschlissenen Beutel, den sie auf dem Rücken trägt, befindet sich ein Kartenspiel«, sagte er leise. »Irgendwann wird sie Euch fragen, ob Ihr eine Runde Giftige Sally spielen wollt. Findet eine Ausrede. Sagt nicht, dass ihr die Regeln nicht kennt, denn sie wird anbieten, sie Euch beizubringen, und dann habt Ihr endgültig verloren. Aber von Kartenspielen abgesehen? Da ist sie nicht weniger vertrauenswürdig als jeder andere Söldner.«
»Das beruhigt mich ja sehr«, sagte Frith säuerlich. »Und wie ist es dazu gekommen, dass ein Ritter von Ynnsmouth zum Partner eines Kartenhais wird?«
Sebastian erinnerte sich an die chaotische Zeit, nachdem er den Orden verlassen hatte, und blickte düster drein.»Das ist eine lange Geschichte, mein Lord, und sehr ermüdend, das kann ich Euch versichern.«
Frith warf ihm einen Blick zu, schwieg aber.
Weiter vorne stand Wydrin nun direkt an der inneren Feste und strich mit den Fingerspitzen über die roten Steine. »Sie sind kalt«, sagte sie und klang verwundert. »Komm her, fühl selbst.«
Sebastian legte die Hand an die Wand. Die Wand war kalt, gerade so, als würde die Zitadelle nicht jeden Tag in der quälenden Sonne schmoren, aber da war noch etwas … ein Zittern? Sebastian runzelte die Stirn und versuchte es einzuordnen, aber Frith trat an ihre Seite und schlug mit dem Stock an die Wand.
»Wir sind nicht hier, um die Zitadelle zu streicheln, sondern um sie zu knacken. Wo ist der nächste Eingang?«
Sebastian nahm seine Hand weg und versuchte zu ignorieren, wie die Steine ihn verwirrt hatten. Er nahm die unfertige Karte aus seinem Gürtel und faltete sie auf.
»Da ist eine Tür«, sagte er und fuhr die Linien mit einem Finger entlang. »Rechts von uns ist eine Tür. Wir müssen noch ein Stück gehen.«
Sie umrundeten die innere Feste, bis sie den Eingang entdeckt hatten. Man konnte ihn kaum verfehlen. Trümmer lagen auf ihrem Pfad, und Teile der Tür ragten wie eine Reihe schiefer Zähne aus dem Boden.
»Das ist Ebenholz«, sagte Frith und nahm die Überreste des Eingangs genau in Augenschein.
Sebastian wollte schon darauf hinweisen, dass sie nicht hier waren, um Türen zu streicheln, aber damit würde er nur Wydrin zu schlimmeren Kommentaren verführen.
»Es wächst nur in Litvania.«
»Also eine teure Tür«, sagte Wydrin. »Aber jemand hat sich nicht lange damit aufgehalten.«
»Das dürfte Gallo gewesen sein«, sagte Sebastian.
Die Tür war einmal drei Schritte hoch gewesen, aus dickem Holz mit Eisenbeschlag. Nun war sie nur noch ein Haufen teures Brennholz und verbogener Schrott. Sebastian war glücklich darüber, ein Zeichen zu finden, dass sein Freund hier durchgekommen war, aber es beunruhigte ihn auch. Jetzt gab es keine Zweifel mehr, dass Gallo hier gewesen war, und zweifellos hatte er die Zitadelle betreten. Wo war er jetzt?
Hinter der zerschmetterten Tür befanden sich ein staubiger Boden und tiefe Schatten.
»Wie ist das möglich?«, fragte Frith. Er fuhr mit seiner behandschuhten Hand über die Splitter.
»Es gibt ein schwarzes Pulver, das man in Kreuzhafen kaufen kann«, sagte Sebastian. »Mischt man es mit anderen Stoffen, wird es -«
»Explosiv, ja.« Frith nickte. »Ich weiß etwas darüber. Aber so eine Menge durch die Wüste zu transportieren … das wäre wirklich eine gefährliche Aufgabe.«
Sebastian nickte.
»Gallo ging ab und an gern ein Risiko ein. Also, geht, meine ich.«
»Also …« Wydrin schlug Frith auf die Schulter und schleuderte ihn damit fast durch den Eingang. »Gehen wir rein? Ich stehe ja gern rum und diskutiere alle möglichen Gründe aus, aber lieber weiß ich erst mal, womit wir es überhaupt zu tun haben.«
Drinnen wurde die Wüstensonne zu einem lange zurückliegenden Traum. Sebastian trug viele Lagen Kleidung: Unterwäsche, Uniformrock, Lederrüstung, Kettenhemd und darüber noch einen schweren schwarzen Mantel. Und trotzdem fühlte er eisige Kälte im Nacken, als sie über die Schwelle traten. Wydrin, die immer ein langes Hemd unter ihrer gehärteten Lederrüstung trug, schien es genauso zu gehen, denn sie schlang die Arme um ihren Körper. Der Raum, den sie betraten, war weitläufig und geräumig. In der hinteren Wand waren drei Durchgänge, jeweils mit einer hinabführenden Treppe. Reliefs waren in die Wände gearbeitet worden, und obwohl sie von Staub und Schatten bedeckt waren, erkannte Sebastian die Umrisse von Tieren und Menschen, dazu Schriftzeichen, die er nicht entziffern konnte. Staub und Sand wirbelten im Tageslicht herum, das durch die Tür hereinfiel.
»Wir könnten den rechten Durchgang nehmen«, sagte er und versuchte überzeugter zu klingen, als er war. »So müssten wir zur untersten Kammer gelangen, zu der es von hier einen Zugang gibt. Die anderen führen nur zum Stockwerk direkt unter diesem, und wenn wir den Geschichten Glauben schenken wollen, haben die Magier ihre stärksten Artefakte in den Tiefen der Zitadelle aufbewahrt.«
Frith holte eine kleine gläserne Öllampe aus seiner Gürteltasche und zündete sie vorsichtig an. Warmes oranges Licht erhellte den Steinboden.
»Die verwunschene Zitadelle erwartet uns.«
Sie liefen. Und liefen. Und dann liefen sie noch ein Stück weiter. Die Treppenstufen waren breit genug, dass die drei nebeneinander gehen konnten, aber Frith war meistens ein Stück vorne, gab das Tempo vor und leuchtete ihnen den Weg. Wydrin hielt hin und wieder inne, um mit der Spitze eines ihrer Dolche ein großes Kreuz in eine Wand zu ritzen, damit sie Anhaltspunkte für ihren Rückweg hatten, falls sie eilig fliehen mussten. Manchmal vollführte die Treppe einen Schlenker nach links oder rechts, und manchmal ging es ein Stück flach weiter, aber sie stiegen immer tiefer hinab.
»Also, was hofft Ihr am Fuß dieser Treppe zu finden, Prinzlein?«, fragte Wydrin, nachdem sie eine Stunde lang gelaufen waren. »Ich dachte, als Prinzlein besäße man schon genug.«