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Auf Leben und Tod Man kann eine Geschichte an jedem beliebigen Punkt beginnen. Diese hier beginnt irgendwann im Sommer. Oder auch ein paar Jahre vorher. Zu einer anderen Jahreszeit. Es schneit also vielleicht gerade, oder man schläft zum ersten Mal bei weit offenem Fenster und tiefer als sonst. Das alte Gründerzeithaus steht in einer namenlosen Vorstadt. Es bildet Kulisse und Rahmen für einen Spannungsroman, dessen souveräne, eigenwillige Erzählweise mit unwiderstehlichem Sog ins Leben der Hausbewohner hineinzieht. Das Kaleidoskop dieses Lebens beginnt bei Markus, dem Sohn der Hausbesorgerin. Und das erste (wenn auch nicht letzte) Opfer ist ein Frauenhaarfarn, den Markus auf dem Gewissen hat: definitiv tot. Markus’ Mutter Julia Wawerka hat sehr jung geheiratet. Ihren Mann, den Säufer und Schläger, wirft sie nach vielen Jahren des Erduldens hinaus. Sorgt allein für Markus, hält das ganze Haus in Schuss und geht Büros putzen. Doch als im ersten Stock die heitere Daniela einzieht, geht für Julia die Sonne auf… Nach und nach lernen wir die Mieter kennen, spüren ihre Vorbehalte und Ängste, ahnen verborgene Vorgeschichten. Plötzlich wird Daniela auf offener Straße niedergeschlagen. Stand sie zufällig im Weg, als ein Bankräuber zu fliehen versuchte, oder steckt mehr dahinter? Stumme Anrufe lassen befürchten, dass ein Stalker die junge Frau im Visier hat. Und dann findet der zerbrechliche Hausfrieden jäh ein gewaltsames Ende: Mord!
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Seitenzahl: 387
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Krimis ohne Ermittler, formal experimentierende Spannungsromane erfreuen sich wachsender Akzeptanz, was wiederum das Genre befruchtet und bereichert. Doch selten entsteht mit wenig Action und viel Ruhe ein solcher Sog wie bei diesem Buch. Das Leben ist schmutzig kommt auf leisen Sohlen daher und geht nachhaltig unter die Haut. Es ist eine schräge Mischung aus Episoden- und raffiniertem Kriminalroman: ausgesprochen originell, merkwürdig intim, etwas schwermütig, aber auch humoresk. Anne Goldmanns sinnlich-literarische Erzählweise zieht rasch hinein in den charmant realistischen Mikrokosmos eines alten Hauses, dessen Bewohner anmuten wie leuchtende Facetten eines Kaleidoskops des Menschlichen. Mit sicherer Hand wechselt Goldmann die Perspektive: Jeder Erzählstandpunkt öffnet sich wie ein Schatzkästchen, enthüllt seine Abbildungsweise der Wirklichkeit wie eine historische Führung durch die Köpfe der anderen, mit denen wir Kultur und Gesellschaft teilen. Das Buch lebt ganz von der unterschwelligen Spannung – und die speist sich nicht wie beim typischen Thriller primär aus einer unbekannten Bedrohung, vielmehr entwickelt man ein unbändiges Interesse an den Figuren und der Art, wie sie die Welt erleben. Man will dringend erfahren, wie es mit ihnen und für sie weitergeht. Der lakonische Blick des 15-jährigen Markus Wawerka auf seine Umwelt ist so unverbraucht, wie die Perspektive der einsamen Marie klaustrophobisch wirkt: Die sehr vielfältigen und ungeheuer lebendigen Charaktere nehmen einen mit ins Innere des Hauses, ins Innere ihres Lebens. Eine zeitlose, erstaunlich wahre Geschichte mit nur einem Hauch von unaufdringlichem Lokalkolorit und schön melancholischem Nachgeschmack: Anne Goldmann ist ganz entschieden eine eigene neue Stimme im Spannungsgenre.
Else Laudan
Anne Goldmann, geboren 1961, wuchs in einer Großfamilie auf dem Land auf. Sie jobbte als Kellnerin, Küchenhilfe und Zimmermädchen, um sich die Ausbildung zur Sozialarbeiterin zu finanzieren. Einige Jahre arbeitete sie in einer Justizanstalt, derzeit betreut sie Straffällige nach der Haft. Anne Goldmann begann früh zu schreiben, gewann zwei Literaturwettbewerbe, veröffentlichte ein paar Texte, verwarf dann alles und entdeckte erst vor wenigen Jahren das Schreiben wieder neu. Das Leben ist schmutzig ist ihr erster Roman.
Anne Goldmann
Das Leben ist schmutzig
Ariadne Krimi 1194
Ariadne Krimis
Herausgegeben von Else Laudan
www.ariadnekrimis.de
Deutsche Originalausgabe
Alle Rechte vorbehalten
© Argument Verlag 2011
Glashüttenstraße 28, 20357 Hamburg
Telefon 040/4018000 – Fax 040/40180020
www.argument.de
Umschlag: Martin Grundmann
Fotomotiv: © Dream-Emotion, Fotolia.com
Lektorat: Else Laudan
Satz: Iris Konopik
ISBN 9783867549424
Erste Auflage 2011
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013
Cover
Klappentext
Titel
Impressum
Das Haus
Die Bewohner
Das Leben ist schmutzig
Weitere Werke
wurde um 1870 in der für die damalige Zeit charakteristischen L-Form errichtet. Hinter den in Ringstraßenmanier seriell gefertigten, reich verzierten Fassadenornamenten gibt es nur noch im Erdgeschoss – von der Hausbesorgerwohnung abgesehen – die typischen kleinen Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnungen mit einer Bassena (Wasserentnahmestelle) und Toilette am Gang. Die Fassade zum Hinterhof ist karg und schmucklos. In den oberen Stockwerken wurden mehrere Wohnungen – hohe Räume mit Flügeltüren und altem Eichenparkett – zusammengelegt und aufwändig saniert.
Im Parterre
Julia Wawerka ist Ende dreißig, hat den Hausbesorgerposten inne und geht nebenher putzen, bevor sie ihr Leben von Grund auf umkrempelt.
Markus Wawerka ist noch nicht sechzehn, Julias Sohn und Schüler an einer Höheren Technischen Lehranstalt. Er lebt mit seiner Mutter in der Hausbesorgerwohnung.
Sedlak dessen genaues Alter und Vornamen auf Anhieb keiner der Bewohner nennen kann, ist als kleiner Beamter beim Magistrat beschäftigt.
Wagner ist Briefträger. Er ist zweiundvierzig, lebt allein und ist mit Markus befreundet. Mit seinem Nachbarn Pöhz verbindet ihn tiefe Feindschaft, die sich auch auf dessen Hund erstreckt.
Herr Pöhz hat schon immer hier gelebt. Er ist seit Jahren in Pension und kennt das Haus und seine Bewohner wie kein Zweiter. Obwohl er sich oft ärgern muss, arrangiert er sich erstaunlich gut mit den Veränderungen. Eine Bedienerin, Frau Maria, und der Hund der alten Frau Novak, Wastl, spielen bald eine wichtige Rolle in seinem Leben.
1. Stock
Mona Bergmann ist Langzeitstudentin, Kellnerin in einem Szenelokal, Chaotin, ca. dreißig Jahre alt und noch immer nicht erwachsen.
Bernhard Färber ist etwa vierzig, sportlich und dem Vernehmen nach Journalist. Er legt keinen Wert auf näheren Kontakt mit den Nachbarn.
Daniela Brandlhofer ist noch keine dreißig. Sie ist mit der Hausbesorgerin befreundet, weitgereist, Lehrerin, und schafft es, Herrn Pöhz zum Lächeln zu bringen.
Frau Novak kennt Markus von Kindheit an. Hat einen Hund, Wastl.
2. Stock
Frau Radl die Hausbesitzerin, hat zwei Katzen und verbringt viel Zeit in ihrem Haus am Land.
Marie Berger ist zweiunddreißig, Single und gesundheitlich nicht ganz stabil. Markus kümmert sich um ihre Pflanzen.
Wagner ist Briefträger, und ich beneide ihn um die vielen Frauen, die er morgens schon sieht: schlaftrunken noch und bettwarm, mit rutschenden Hemdchen, zerzausten Haaren und nacktem Mund. Natürlich, sagt Wagner, geht auch hin und wieder was, und ich stelle mir vor, wie eine Rothaarige mit schweren Lidern sich an Wagners Reißverschluss zu schaffen macht. Oder eine Blonde haucht: Kommen Sie doch weiter. Und auf ihr großes Doppelbett weist. Wie eine stupsnasige Kurzhaarige ihre Hand in Wagners Haar wühlt und ihn sanft an sich zieht.
Wagner sieht voll Durchschnitt aus, finde ich. Er ist nicht viel größer als ich, obwohl ich ja noch wachse, und hat keine richtige Frisur, bloß so Haare, die irgendwie länger werden und dann wieder geschnitten, die er gelb färbt und die noch nie mit Gel oder so was in Berührung gekommen sind. Ob da wirklich eine drin wühlen will oder vor seinen engen schmutzigen Jeans auf die Knie gehen? Sein Ding herausschälen und es ihm so richtig besorgen?
Wagner bemerkt meinen Blick und grinst, weil ich ja von nichts eine Ahnung habe, er aber schon: »Irgendwas geht immer, Markus«, sagt er. »Glaub mir.«
Diesmal geht aber definitiv nichts mehr. »Definitiv« ist eines von Wagners Lieblingswörtern, die er auch dort einsetzt, wo sie definitiv nichts verloren haben.
»Der ist schon länger tot«, sagt Wagner nun in mein erschrockenes Gesicht und geht neben der Leiche in die Knie. »Definitiv tot.«
Ich wäre jetzt gerne irgendwo anders. Bei meiner Oma auf der Veranda. Oder weit weg an einem Strand, wo die Luft flimmert vor Hitze und die Mädchen ganz rot sind im Gesicht und Schweißperlen auf der Oberlippe haben. Und knappe Bikinis an. Und schlapp im Sand liegen. Egal, was du machst, um ihre Aufmerksamkeit zu kriegen. Oder sich absichtlich so bewegen, dass man aus dem Takt kommt. Und sich dann gemeinsam halbtot kichern.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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