Das Liebesgeschenk des Scheichs - Pippa Roscoe - E-Book

Das Liebesgeschenk des Scheichs E-Book

Pippa Roscoe

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Beschreibung

WIEDERSEHEN MIT DEM STOLZEN WÜSTENPRINZEN von PIPPA ROSCOE Mason ist verzweifelt! Als sie Scheich Danyl Al Arain überraschend wiedersieht, flammen die alten Gefühle wieder auf: Verlangen, Leidenschaft, Begehren. Vor Jahren waren der charismatische Wüstenprinz und sie ein Liebespaar. Aber die Verbindung zerbrach - und damit ihr Herz. Mason ist hin- und hergerissen zwischen ihren tiefen Empfindungen für Danyl und der Angst, ein zweites Mal verletzt zu werden! Denn sie weiß nur zu gut, dass Danyl eine standesgemäße Frau braucht, um den Thron seines Heimatlandes zu besteigen … IM BANN DES STOLZEN SULTANS von HEIDI RICE Fünfhunderttausend Pfund - ein verlockendes Angebot! Soviel bietet ihr Scheich Zane, wenn Cat ein Buch über sein fernes Wüstenreich schreibt. Dafür wird sie drei Monate lang in seinem prächtigen Palast wohnen, den stolzen Sultan täglich in ihrer Nähe wissen. Verzweifelt versucht die junge Wissenschaftlerin, ihr vorsichtiges Herz vor dem Wüstenprinzen zu schützen: vergeblich. Voller Leidenschaft erwidert sie Zanes feurigen Kuss! Doch eine heiße Liebesnacht hat ungeahnte Folgen. Nicht nur für Cat, sondern auch für den Thron von Narabien … DIE RÜCKKEHR DER STOLZEN PRINZESSIN von ELISA MARSHALL "Du wirst mir meine Tochter nicht nehmen." Stolz weist Jasmine den feurigen Scheich Tarek in die Schranken. Zwar ist er Leilas Vater - aber niemand trennt sie von ihrem Kind! Auch wenn sie Tarek dafür nach Aljazar begleiten muss, wo in einer sinnlichen Wüstennacht alles begann …

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Seitenzahl: 575

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Pippa Roscoe, Heidi Rice, Elisa Marshall

Das Liebesgeschenk des Scheichs

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Pippa Roscoe Originaltitel: „Reclaimed by the Powerful Sheikh“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2424 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Nicole Lacher

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733713898

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

Mason McAulty konnte nicht genau sagen, ob sie atmete.

Vermutlich tat ihr Körper es automatisch, weil das nun mal lebensnotwendig war, aber während eines Galopprennens blieb ihr oft keine Zeit, bewusst Luft zu holen. Außerdem ließ sie dann in der Regel keine überflüssigen, geschweige denn unliebsamen Gedanken zu. Normalerweise arbeitete ihr Hirn schnell und geradlinig, wie ein kühler, klarer Fluss. Heute nicht. Mason hätte sich auf das Pferd konzentrieren sollen, das sie ritt, nicht auf den Mann aus ihrer Vergangenheit – den in ihrer Gegenwart – den Mann, vor dem sie fliehen wollte. Danyl.

Beim Gedanken daran, was hätte sein können, keimte ein ziehender Schmerz in ihrer Brust auf, den sie rasch erstickte, bevor er sich einnisten konnte. Bevor er sich dem Rhythmus anpasste, in dem die Hufe des galoppierenden Pferdes auf den Boden trommelten, und Mason überwältigte. Sie verdrängte den Gedanken und konzentrierte sich auf die Ziellinie.

Das Brennen in ihren Oberschenkeln, mit denen sie sich an Veranchetti klammerte, fühlte sich gut an. Richtig. In ihren Ohren dröhnte es, während sie mit den Knien die Bewegungen des Pferdes auffing. Donnernde Hufe, wie ein Herzschlag. Ihrer. Veranchettis. Sie waren perfekt aufeinander eingespielt.

Dies hier.

Dies war es, was Adrenalin durch ihre Adern strömen ließ. Es war nicht wie Fliegen, nicht mühelos, nicht einfach. Man brauchte eiserne Entschlossenheit, Muskeln, ein Gespür für Kontrolle, Einfühlsamkeit und Intuition, um die Kraft eines solchen Pferdes zu zügeln und zu lenken. Um ein ebenbürtiger Partner zu sein, damit man gemeinsam Großes vollbringen konnte.

Mason hätte schon Stunden so reiten können, Jahre sogar, dabei waren es lediglich Sekunden. Vielleicht erst eine Minute, aber die letzten achtzehn Monate gipfelten in diesem Moment. Nichts anderes spielte mehr eine Rolle. Sie musste dieses Rennen gewinnen. Um ihres Vaters willen. Um ihretwillen. Wegen allem, was sie durchgemacht hatte, und allem, was ihr noch bevorstand.

Resolut schob sie alle Gedanken beiseite, blendete das Pferd vor sich aus, genau wie das neben und die vielen Pferde hinter sich. Wie mit Scheuklappen ritt sie, genau wie Veranchetti, als sie die letzte Kurve der Rennstrecke passierten.

Vorfreude durchzuckte sie wie ein Blitz, der in einen Fels einschlug, mit seiner Hitze das Gestein zum Schmelzen brachte und wieder erstarren ließ. In diesem Moment zeigte Veranchetti, was in ihm steckte. Als hätte auch er bis zur letzten Sekunde alles ausgeblendet.

Sie erlaubte sich ein kaum merkliches Lächeln, denn jetzt stürzte sich der Hengst mit seiner ganzen Kraft in das Rennen. All das Training, all die Rennen der Vergangenheit schienen nur den Zweck gehabt zu haben, sie heute hierher zu bringen. Mason spürte, wie Veranchetti über sich hinauswuchs und mit einer schier unglaublichen Energie vorpreschte, die jeden Beobachter außer sie selbst überraschte.

Wie nur ein Wimpernschlag zwischen Sieg und Niederlage entschied! Zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Gegenwart und Zukunft.

Nur ein einziger Moment … Ein Atemzug.

1. KAPITEL

Dezember, Gegenwart …

Danyl Nejem Al Arain musste Luft holen. Sich darauf konzentrieren, was einer seiner besten Freunde und Mitinhaber des Rennstalls Winners’ Circle gerade sagte. Fehlanzeige. Eine Million Gedanken stürmten auf ihn ein, alle mit demselben Ziel – die Gala, die in einer Woche im Königspalast stattfand. Sein Untergang.

„Antonio, ich …“

„Du bist in Eile, schon klar. Hast Wichtiges zu erledigen, Länder zu regieren … Keine Sorge, John und Veranchetti sind schon auf dem Weg.“

„Wohin?“ Normalerweise war Danyl schnell von Begriff, doch die Ahnung, die jetzt in ihm aufstieg, verstörte ihn zutiefst.

„Nach Terhren.“

„Was?“

„Auf Wunsch deiner Mutter. John sollte doch ohnehin zum Neujahrsrennen kommen. Deine Mutter möchte, dass er früher anreist, damit er auch an den vorherigen Feierlichkeiten teilnehmen kann.“

„Diese Gala gerät allmählich außer Kontrolle.“

„Nicht so sehr wie die Pläne meiner Schwiegermutter in spe. Die Frau will fünfzig Tauben in den Himmel fliegen lassen, wenn Emma und ich nach der Trauung aus der Kirche kommen. Noch nie ist mir Las Vegas so verlockend erschienen.“

„Las Vegas? Wenn du dort heiratest, bin ich sofort dabei“, versprach Danyl mit einem Eifer, den er nicht fühlte.

„Gut zu wissen. Warum ich eigentlich anrufe: Ich muss wissen, wen du zur Hochzeit mitbringst. Wer ist die nächste Kandidatin für die Rolle deiner perfekten Königin? Nach allem, was Dimitri mir über Birgitta erzählt hat …“

„Ich lasse es dich wissen, wenn ich es weiß“, schnappte Danyl.

„Es ist nämlich so, dass wir wegen des Medienrummels seit Mason McAultys Sieg besondere Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen.“

„Verstehe. Ich gebe dir noch Bescheid, wer mich begleitet. Wir sehen uns in einer Woche bei der Gala.“ Danyl legte auf. Er wusste, dass sein Freund ihm das abrupte Ende des Telefonats nachsehen würde.

Wichtiges zu erledigen, Länder zu regieren …

Statt seinem Impuls nachzugeben und das Handy durch das Zimmer zu schleudern, steckte er es in die Hosentasche. Wie um alles in der Welt kam seine Mutter auf die Idee, John, den Trainer des Rennstalls, und den preisgekrönten Vollblüter Veranchetti zur Gala einfliegen zu lassen? Obendrein hinter seinem Rücken mit Dimitri und Antonio zu sprechen? Offenbar führte sie etwas im Schilde. Dem musste er einen Riegel vorschieben. Sofort. Je weiter sie das Unterhaltungsprogramm ausbaute, desto höher das Risiko, dass etwas schiefging und der Abend nicht perfekt war. Dabei musste er perfekt sein.

Danyl rückte den Stuhl weg von dem massiven Schreibtisch, auf dem ein ziemliches Chaos herrschte. Wie anders war doch sein elegantes, mit viel Glas und der neuesten Technologie ausgestattetes Büro in Aram, der Hauptstadt von Terhren. Er vermisste die Effizienz, Ruhe und Schnörkellosigkeit seines Arbeitsplatzes. Leise verwünschte er seine Mutter. Wegen ihrer melodramatischen Ader war er widerwillig in den Palast zurückgekehrt.

Als er in den Flur trat, wichen ein paar Hausangestellte ergeben zur Seite. Sein Leibwächter folgte ihm. Um diese Zeit waren seine Eltern bestimmt im Speisesaal. Zielstrebig schritt er durch die Korridore, ohne den jahrhundertealten Kunstwerken an den Wänden und den meisterhaft gestalteten Fliesen in warmen Erdtönen, strahlendem Weiß, Blau und Grün seine Aufmerksamkeit zu schenken.

Dank seiner Ölvorkommen war Terhren reich. Wüstenklima gab es hier ebenso wie fast mediterrane Temperaturen an der Felsküste, hinter der das Arabische Meer lag. Es herrschte eine Mischung von Kulturen und Einflüssen, aus dem Omanischen Reich ebenso wie aus modernen afrikanischen und arabischen Staaten. Von den drei Palästen des Landes war dieser der größte. Er hatte fünf Jahrhunderte, drei Invasionen und einen Putschversuch überstanden. Jeder Winkel zeugte von vergangenen Generationen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, die wechselnde Allianzen geschmiedet hatten, war Terhren eins der wenigen Königreiche, die Kontinuität bewahrt hatten. Danyls Familie stellte seit Jahrhunderten die Herrscher des Landes. Nun ruhte alles auf seinen Schultern. Um sicherzustellen, dass die Linie fortgeführt wurde, musste er eine Königin finden, die ihm einen Erben schenkte. Bei dem Gedanken krampfte sich sein Magen zusammen.

Weil er so schnell ging, blieb dem Personal keine Zeit, ihn im Speisesaal anzukündigen. Ein Fehler, wie er zu spät erkannte.

Sein Vater und seine Mutter standen am Fenster – in einer mehr als eindeutigen Pose, anders konnte man es nicht nennen. Sein Vater …

Abrupt drehte Danyl sich zur Wand, als hätte man soeben ihn ertappt. Er war beileibe nicht prüde, aber hier handelte es sich immerhin um seine Eltern!

Seinem lauten Räuspern folgte ein erstickter Ausruf. Etwas raschelte. Er zählte stumm bis zehn und dann vorsichtshalber noch bis fünf, bevor er sich umwandte. Seine Eltern sahen ihn an. Kein Haar tanzte aus der Reihe, und sie wirkten nicht die Spur verlegen.

„Musstest du Veranchetti unbedingt wegen einer Party um die halbe Welt schicken, Mutter? Ist es nicht ein wenig großtuerisch, ein Pferd aus meinem Rennstall vor all deinen Gästen zur Schau zu stellen?“

„Uns geht es gut, Darling, danke der Nachfrage. Es ist auch schön, dich zu sehen“, spottete seine Mutter. „Wir sind eine königliche Familie, Danyl. Die Leute halten alles, was wir machen, für großtuerisch. Also können wir ebenso gut ein bisschen Spaß haben und das Vorurteil bedienen, oder? Das hast du früher auch gern getan.“ Sie konnte den vorwurfsvollen Unterton nicht verbergen, der solche Bemerkungen oft begleitete. Eine stumme Erinnerung daran, dass er früher Spaß gehabt hatte. Vor langer Zeit. „Als ich mit den Jungs gesprochen habe, …“

„Sie sind keine Jungs, Mutter.“

„Ich kenne sie, seit ihr zusammen auf der Universität wart. Damals wart ihr Jungs, und für mich werdet ihr immer Jungs bleiben.“

„Du hast mich übergangen.“

„Oh Danyl, sei nicht so streng mit mir.“ Sie betonte ihre Verdrossenheit mit einem übertriebenen und leicht enttäuschten Seufzer. „Veranchetti sollte ohnehin nach Terhren kommen, und das weißt du. Ich habe nur gefragt, ob sie vor dem Neujahrsrennen auch schon zur Gala kommen können. Damit sollen schließlich auch deine Erfolge gefeiert werden.“

„Ich würde es kaum meine Erfolge nennen, Mutter.“

„Ach ja. Die entzückende Mason McAulty. Ihre Antwort auf unsere Einladung steht noch aus.“

„Du hast Mason eingeladen?“

Falls seiner Mutter auffiel, wie eisig er klang, zeigte sie es nicht. „Ja. Was für ein wundervoller Triumph, alle drei Rennen um den Hanley Cup zu gewinnen. In der Tat außergewöhnlich. Für eine Frau.“

Die Worte von Elizabeth Al Arain drangen durch das Summen in Danyls Ohren. Schon die Erwähnung von Mason McAultys Namen reichte, um in seinem normalerweise perfekt strukturierten Hirn einen Kurzschluss auszulösen. Bilder von dichten dunkelbraunen Locken, die über sonnengebräunte Schultern fielen, verfolgten ihn. Das Echo eines lange vergangenen Lachens, der schwache Geruch nach Leder und Heu, die unvergleichlich duftende seidenweiche Haut einer Frau … Danyl befahl sich, ärgerlich zu sein. Wütend. Irgendetwas, um die mentale Schwäche zu verjagen, die der Name bei ihm provozierte.

Mason McAulty.

Er wollte sie nicht hier haben. Weder in Terhren noch im Palast. Wäre es nach ihm gegangen, hätte sie beim Hanley Cup auch kein Pferd des Winners’ Circle geritten, aber Dimitri Kyriakou und Antonio Arcuri waren von der Idee begeistert gewesen. Zwei gegen einen. Zugegeben, hätte er abgelehnt, hätten seine beiden Freunde die Entscheidung akzeptiert, ohne sie zu hinterfragen. Aber als Mason in dem exklusiven Londoner Club auf die drei Männer zugegangen war, hatte es ihm einen Schock versetzt. Auf seine Sticheleien war Mason nicht eingestiegen. Er hatte versucht, sie wegzuschicken, aber die sture Frau hatte sich geweigert. Das hatte die Mitglieder des Winners’ Circle tief beeindruckt – genau wie Masons tollkühnes Angebot. Wer hätte sich schon vorstellen können, dass sie ihr Versprechen halten würde?

„Nun, ich will, dass sie herkommt“, fuhr seine Mutter fort. „Du weißt doch, wie sehr ich den Pferderennsport liebe. Was glaubst du, wem du dein Hobby verdankst?“

„Meine Investition in Pferde ist kein ‚Hobby‘.“

„Danyl Nejem Al Arain, rede nicht in diesem Ton mit mir. Mason hat ein Wunder vollbracht. Über dreißig Jahre konnte niemand alle drei Rennen um den Hanley Cup gewinnen, noch dazu mit Pferden ein- und desselben Rennstalls – deines Rennstalls. Du weißt es, ich weiß es, und ich will diese bemerkenswerte Siegerin feiern. Wenn ich nicht Schauspielerin geworden wäre …“

„Wärst du gern Jockey geworden. Ja, ich weiß. Aber du warst zu groß, Mutter.“

„Was mich nicht davon abgehalten hat, eine exzellente Reiterin zu werden. Ich will die junge Frau kennenlernen, Danyl, und ich will, dass du dafür sorgst. Flieg nach Australien, falls es sein muss. Wie auch immer, betrachte es als dein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk für mich.“

„Was steckt wirklich dahinter?“ Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. Woher sein Argwohn kam, wusste er nicht recht – oder er wollte es nicht wissen.

„Oh Darling, das wird die beste Party sein, die wir seit Jahren hier hatten! Dank deiner harten Arbeit sind die Beziehungen zu unseren Nachbarländern so gut, dass dein Vater und ich überlegen, weiter in den Hintergrund zu treten, damit du den Thron übernehmen kannst.“

Er sah seinen Vater an, der dem Gespräch schweigend folgte, als würde er Zwischentöne wahrnehmen, die seinem Sohn entgingen.

„Aber die Tradition schreibt vor, dass ihr damit wartet, bis ich verheiratet bin“, entgegnete Danyl. Sein Ärger wich Frust, als er an die sorgfältig arrangierten Treffen mit Prinzessinnen und Geschäftsführerinnen während der letzten Monate dachte. Er wollte sich lieber nicht damit beschäftigen, was die Worte seiner Mutter bedeuteten – dass er schließlich doch den Thron besteigen würde. Die enorme Verantwortung für eine uralte Kultur und fast drei Millionen Menschen erben würde.

„Nun, wir können nicht ewig warten, selbst wenn es dir unsagbar schwerfällt, eine Verlobte aus dem Hut zu zaubern“, neckte seine Mutter ihn freundlich. „Wir werden nicht jünger, und es ist höchste Zeit, dass ich meinen Mann zur Abwechslung mal für mich habe. Ich will, dass Mason zur Gala kommt. Und ich will, dass du tust, was auch immer dafür nötig ist.“

Die australische Morgensonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Mason wusste, dass sie sich beeilen musste. Wenn sie es bis zu dem Zaun schaffen wollte, der die Außengrenzen der Ranch markierte, musste sie sich beeilen. Also zog sie den Sattelgurt ein Loch enger, während Fool’s Fate das Gewicht leicht verlagerte. Beruhigend tätschelte sie die Flanke des Pferdes und drehte sich um. Ihr Vater stand wartend auf dem Hof und beobachtete sie.

Er sah aus, als wäre er um zehn Jahre gealtert statt nur um die achtzehn Monate, die Mason fort gewesen war. Die grauen Schläfen waren nun schlohweiß, die Schatten unter seinen Augen dunkelblau. Mason erstickte die Traurigkeit, damit sich ihre Gefühle nicht auf Fool’s Fate übertrugen. Ihr Vater nahm eine Satteltasche und reichte sie ihr.

Hinter den Ställen breiteten sich die smaragdfarbenen Felder aus, als würden sie bis zu den fernen Bergen reichen. Die Berge hatten Mason stets ein Gefühl von Frieden gegeben, doch heute kam ihr der Anblick wie eine dunkle Prophezeiung vor.

Joe McAulty hatte etwas auf dem Herzen. Er war kein Mann der voreiligen Worte. Bis er das sagte, was er sagen wollte, packte Mason ihre Sachen. Zelt, Handy, Essen, hakte sie im Geiste ab. Kaffee …

„Ich dachte nicht, dass er es so bald zurückfordern würde.“

„Wir können es nicht ändern, Pops.“ Das waren auch ihre Worte gewesen, als er ihr zum ersten Mal erzählt hatte, dass die Forderungen fällig wurden.

„Aber nach allem, was du erreicht hast, und deinem Preisgeld vom Hanley Cup …“

„Mick ist nun mal gestorben, Pops“, sagte sie über die linke Schulter und verdrängte die Trauer um den Nachbarn. Für ihren Dad waren Gefühle wie eine schwierige Fremdsprache. „Wer konnte ahnen, dass sein Sohn die Schulden so bald eintreiben würde? Hätte er es nicht getan, hätten wir uns mit den Preisgeldern noch ein paar Jahre über Wasser halten können, aber ebenso gut hätte irgendein anderes Problem auftauchen können.“

Erst jetzt drehte sie sich um. Ihr Vater trat mit der Stiefelspitze in die Erde und fixierte den Staub, der im Sonnenlicht aufwirbelte.

„Noch ist die Ranch nicht verloren, Pops.“ Mason wusste, dass er sich verantwortlich fühlte, aber sie konnte ihm keine Vorwürfe machen. Gar keine. „Unsere Arbeit, auch die mit den Kindern, bedeutet mir genauso viel wie dir. Sie ist kostspielig. All die Pferde, die Therapeuten und Physiotherapeuten … Micks Sohn verlangt den Kredit zurück, damit müssen wir uns abfinden.“ Noch eine Sache, zusätzlich zu all den anderen. „Joe.“ Sie redete ihren Vater mit dem Namen an, den sämtliche Mitarbeiter der Ranch benutzten. Endlich hatte sie seine Aufmerksamkeit. „Ich gebe das hier nicht kampflos auf. Erst recht nicht für diesen überschätzten Möchtegern-Rancher.“

Joe McAulty lächelte traurig. Trotz war eine Eigenschaft, die seine Tochter und er im Überfluss besaßen.

Sie drehte sich wieder zum Pferd um und tat so, als müsste sie noch einmal den Inhalt der Satteltaschen prüfen. „Vielleicht kann ich für einen anderen Rennstall starten. Nach dem Hanley Cup habe ich allerhand Möglichkeiten.“

„Das würde ich nie von dir verlangen“, sagte ihr Vater mit leiser rauer Stimme.

„So schlimm war es gar nicht.“ Sie brachte es nicht fertig, ihn anzusehen. Dann wüsste er nämlich Bescheid. Seit sie zwei Jahre alt gewesen war, hatte er sie allein erzogen. Sie konnte ihm weder etwas verheimlichen noch ihn anlügen, ohne dass er sie durchschaute. Wieder bei Galopprennen anzutreten … Nein, es war tatsächlich nicht so schlimm gewesen wie befürchtet. Auf Veranchettis Rücken hatte sie sich lebendig gefühlt. Erfüllt auf eine Weise, die sie jahrelang nicht mehr gekannt hatte. Aber es war schwer gewesen. Hatte Gefühle ausgelöst, mit denen sie zurechtkommen musste. Darum wollte sie den Zaun heute auch selbst reparieren.

Ja, das Reiten war hart gewesen. Aber Danyl? Nein. Was sie für ihn empfand, hatte sie von Anfang an gewusst. Aus dem Grund musste sie sich um jeden Preis von ihm fernhalten.

Mason band die langen dunklen Locken zum Pferdeschwanz zusammen. Während ihr eine kühle Brise um den warmen Nacken strich, schaute sie zu, wie die Sonne hinter den zerklüfteten Bergen am Rand des Hunter River Valley unterging. Zum ersten Mal seit fast achtzehn Monaten konnte sie durchatmen. Der Ritt hierher, durch die vertrauten Täler und über die Anhöhen der Ranch, auf der sie hatte aufwachsen dürfen … Unglaublich. Sie kannte die Gegend genauso in- und auswendig wie die Maserung des Esstisches in der Ranch.

Wann immer sie in dieses breite grüne Tal kam, das von Bergen wie von unverrückbaren Wachtürmen umgeben war, fragte sie sich, wie ihre Mutter diesen Ort hatte verlassen können. Joe McAulty hatte versucht, das Bedürfnis seiner Ex-Frau nach Mehr zu erklären. Wenn Mason ehrlich war, hatte auch sie selbst dieses Bedürfnis gespürt, als sie vor zehn Jahren nach Amerika gezogen war, um Jockey zu werden. Sie bereute es nicht, würde es aber kein zweites Mal tun.

Sie hob den dampfenden Becher an die Lippen und atmete den Duft von gerösteten Kaffeebohnen, feuchter Erde und dem nahen Wald ein. Falls sie auch das Aroma von Schweiß, Heu, Pferdeäpfeln, Kummer und etwas Männlichem wahrnahm – das ist bloß die Erinnerung, die mir einen Streich spielt, sagte sie sich.

Vor ihr spann sich der Abendhimmel über das Tal. Bald würde er auch die Ranch in Dunkelheit hüllen, die sie mit aller Kraft hatte retten wollen. Eigentlich hätten die Preisgelder für ihre drei Siege beim Hanley Cup ausreichen sollen. Sie erstickte die leise innere Stimme, die wissen wollte, warum es nicht der Fall war. Mason hatte nie zu Selbstmitleid geneigt. Sonst wäre sie längst geliefert gewesen.

Micks Sohn wollte das Land, das seiner Familie seit fast sieben Generationen gehörte, an den Meistbietenden verkaufen. Warum lief immer alles auf Geld hinaus?

Ihr Vater und sie halfen Kindern mit Lernschwierigkeiten und Jugendlichen, die etwas Positives im Leben brauchten. Sie brachten ihnen bei, mit Pferden umzugehen, zu reiten, für ein anderes Lebewesen zu sorgen und dadurch selbst Zuwendung zu erfahren. Das konnte man mit Geld nicht aufwiegen. Nachdem seine Frau ihnen und der Ranch den Rücken gekehrt hatte, hatte Joe seine Karriere als Trainer von Jockeys aufgegeben und sich um Mason gekümmert. Hunderte von Kindern und Jugendlichen hatte er mit seiner Liebe zu Pferden angesteckt. Voller Freude mitzuerleben, wie ein Kind, das niemandem in die Augen sehen konnte, aus sich herausging, zum ersten Mal lächelte oder sogar lachte … Das war alles wert.

Sie brauchten mehr Raum für Therapeuten, Mitarbeiter und die Kinder und Jugendlichen. Verluste machten sie zwar keine, aber sie konnten nur überleben, wenn sie expandierten. Masons Preisgelder gingen jetzt für den fälligen Kredit drauf, also war sie wieder da, wo sie angefangen hatte.

Langsam trank sie ihren Kaffee und spielte mit der Idee, bei einem weiteren Rennen zu starten. Die letzten drei waren körperlich und mental extrem fordernd gewesen. Nach ihrer Rückkehr auf die Ranch hatte Joe ihr genügend Essen vorgesetzt, um eine Armee zu verköstigen. Dabei hatte sie kaum abgenommen, sondern nur Körperfett verloren und Muskulatur zugelegt, um die Kraft der beiden großartigen Pferde zu zügeln, mit denen sie beim Hanley Cup angetreten war. Achtzehn Monate mit sechs Trainingstagen pro Woche und nur einer Mahlzeit täglich lagen hinter ihr.

Nach den Ereignissen vor zehn Jahren hatte sie das Rennreiten zwar an den Nagel gehängt, doch ihr Körper hatte nicht vergessen. Kein einziger Tag war vergangen, an dem sie nicht auf einem Pferd gesessen hatte. „Du bist dafür geboren“, pflegte ihr Vater zu sagen. So stolz war er auf sie … Dieser Stolz hatte sie angetrieben, ihren Kindheitstraum zu verwirklichen und der beste Jockey Australiens zu werden. Nicht nur der beste weibliche Jockey.

Ein paar Momente lang, auf den Rücken von Veranchetti und Devil’s Advocate, hatte sie die Gewissheit gespürt, dass sie es schaffen konnte. Ein verlockender Gedanke. Ein Vorbote dessen, was vielleicht noch alles möglich war …

Aber wieder bei Galopprennen anzutreten, für einen anderen Rennstall, auf anderen Pferden? Nein, das war keine Option. Genauso wenig wie eine Rückkehr zum Winners’ Circle.

Etliche Zeitungen wollten Artikel über sie drucken. Das Honorar, das man ihr für Interviews und Fotoshootings bot, wäre glatt eine Überlegung wert gewesen – wenn dieselben Leute nicht ihre erste Karriere zerstört hätten. Plötzlich schmeckte der Kaffee bitter, und Mason wusste, dass sie es nicht fertigbrachte, selbst wenn es der letzte Strohhalm wäre. Sie respektierte den Menschen, der sie geworden war, musste aufrichtig und gütig zu sich selbst bleiben. Zwar mochte sie zehn Jahre gebraucht haben, um das zu erreichen, aber sie würde sich ganz sicher nicht an den Meistbietenden verkaufen.

Inzwischen war die Sonne hinter den Bergen untergegangen. Sterne schimmerten im Abendhimmel. Fool’s Fate, den Mason mit einem Strick an einem Baum hinter sich festgebunden hatte, stellte die Ohren auf und wieherte nervös.

Jetzt hörte Mason es auch: Zweige knackten und Blätter raschelten. Ihr Vater konnte es nicht sein. Joe wusste, dass sie allein sein wollte. Die Rancharbeiter waren im Pub in der nächsten Stadt. Von Micks Ranch kam auch niemand infrage, dafür lag die Grenze zwischen den beiden Grundstücken zu weit entfernt. Blieben nur Wilderer. Schwungvoll schüttete Mason ihren Kaffee auf die Feuerglut, sodass es zischte, und schnappte ihr Gewehr.

Danyl stieß einen Fluch aus, als das schwache Licht der Feuerstelle erlosch. Es war wie ein Leuchtturm gewesen. Jetzt roch er nur noch Kaffee und feuchte Asche. Vielleicht hätte er auf Joe McAulty hören sollen. Sein Pferd hatte er ein Stück weiter hinten angebunden, um Mason nicht zu erschrecken. Er trat auf Äste; das Geräusch glich Pistolenschüssen in der Abendstille. Ihm wurde mulmig zumute, weil er seine Männer in der Ranch zurückgelassen hatte. Sie waren nicht glücklich über seine Anweisung gewesen, aber vor Publikum hätte er das bevorstehende Gespräch nicht führen können.

Er trat aus dem Wäldchen und stockte, so schön war die Aussicht. Sein Gefühl ähnelte jener Ehrfurcht, die er empfand, wenn er über die Wüste von Terhren blickte. Der Mond verschwand hinter einer Wolke, wodurch das noch leicht rauchende Feuer und das Zelt kaum mehr zu sehen waren.

Wieder fluchte er. Wo zum Teufel war sie? Er bemühte sich nicht mehr, leise zu gehen, sondern marschierte auf die Lichtung. Nach dem langen Flug, der unangenehmen Besprechung mit dem Premierminister von Terhren und der sogar noch gereizteren Unterhaltung mit Joe McAulty hatte er die Nase voll.

Suchend ließ er den Blick über das Gelände schweifen. Dank Joes Beschreibung hatte er zu dem Ort gefunden, an dem Mason ihr Lager aufgeschlagen hatte, aber …

In diesem Moment hörte er, wie jemand ein Gewehr durchlud. Logisches Denken hielt seinen Körper nicht davon ab, blitzartig Adrenalin auszuschütten. Sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, dass es Mason war und sie nicht auf ihn schießen würde. Trotzdem …

„Du hättest nicht herkommen sollen“, hörte er jemanden hinter sich sagen.

2. KAPITEL

Dezember, zehn Jahre zuvor …

„Ich hätte nicht herkommen sollen.“ Mason zupfte am Saum des kurzen Rocks, zu dem Francesca sie irgendwie überredet hatte.

„Es ist Silvester! Höchste Zeit für Spaß statt immer nur Training, Training, Training, Diät, Gymnastik und Alkoholverbot“, erwiderte ihre Freundin mit dem amerikanischen Akzent, an den Mason sich allmählich gewöhnte.

„Ich sehe lächerlich aus.“

„Bist du verrückt? Du siehst fa-bel-haft aus!“

„Wie soll man in diesen Folterinstrumenten bloß gehen?“

„Das sind Louboutins“, protestierte Francesca. „Hör mal, ich weiß, du bist erst vor vier Monaten vom Schiff geklettert, aber …“

„Es war ein Flugzeug.“

„Und Amerika ist nicht Australien, und New York ist nicht das Provinznest, aus dem du stammst, aber du solltest dich langsam akklimatisieren.“

Für einen Moment war Mason gekränkt, doch dann merkte sie, dass ihre Freundin sie nur aufziehen wollte. Dennoch fühlte sie sich hier völlig fehl am Platze.

Mit dem Bus waren sie vom Trainingsgelände zum The Langsford, einem der edelsten New Yorker Hotels, gefahren. Auf dem Weg durch das Foyer mit dem schwarz-weißen Marmorboden und der breitesten Wendeltreppe, die man sich denken konnte, hatte sie sich in den hohen Schuhen fast den Knöchel gebrochen. Sogar Francesca hatte anerkennend gepfiffen beim Blick in den Saal, den die reichsten Pferdebesitzer Amerikas für die heutige Veranstaltung gemietet hatten.

Chrom und Schwarz dominierten. Durch die bodenlangen Fenster konnte man auf den Washington Square Park und dessen Umgebung blicken. Violette Fahnen hingen von den Gebäuden der New York University. In den schneebedeckten Straßen riskierten ein paar tapfere Menschen Unterkühlung auf dem Weg zu irgendwelchen Partys.

Ein Kellner ging mit einem Tablett vorbei. Francesca schnappte sich zwei Champagnerflöten mit je einer kleinen Erdbeere, drückte eins davon so schnell Mason in die Hand, dass die es beinahe fallen ließ, und nahm zu deren Entsetzen noch eine dritte Flöte, bevor sie den Kellner weitergehen ließ. Das erste Glas leerte sie in einem Zug, stellte es auf einem Tisch ab und schenkte Mason ein strahlendes Lächeln, bevor sie am zweiten Glas nippte. Dann entdeckte sie jemanden und verschwand mit einer hastigen Entschuldigung. Mason drehte sich um und sah Harry, ihren Trainer, auf sie zukommen.

„Alles in Ordnung?“, fragte er.

„Ich – akklimatisiere mich.“ Sie lächelte den langjährigen Freund ihres Vaters an, bevor sie am Champagner nippte. Der war sicher teuer, aber nicht besonders lecker.

„Das schaffst du besser, als Joe es getan hätte.“

„Stimmt.“ Sie lächelte wehmütig, als sie sich ausmalte, wie ihr Vater sich in dieser Gesellschaft verhalten hätte. „Pops hätte sich in diesem Kreis nicht wohl gefühlt.“

Harry grinste. Er war ein großer Mann, der breit lächelte, herzlich lachte und seine Jockeys forderte. „Dies ist eine Gelegenheit für dich, einflussreiche Leute kennenzulernen. Wer weiß, vielleicht reitest du in einem Jahr für einen dieser Gäste?“

Auf einmal sah Mason das Geschehen im Saal mit anderen Augen. Die Menschen hier knüpften Kontakte. Sie machten nicht nur Small Talk oder flirteten, sondern investierten in die Zukunft. Ihr Blick blieb an einem Mann hängen, der am anderen Ende des Saales stand und sich mit einem Ellenbogen auf den Tresen der Bar stützte. Er war mindestens einen Kopf größer als die Leute um ihn herum.

Macht. Urwüchsige, ungezähmte Macht.

Das war ihr erster Gedanke. Obwohl der Mann lässig dastand und mit dem zur Seite geneigten Kopf fast gelangweilt wirkte, spürte sie ihm die Selbstbeherrschung an. Sein Körper strahlte eine Anspannung aus, bei der Mason sich fragte, warum die Gäste in seiner Nähe anscheinend nichts registrierten. Sie konnte es fühlen. Trotz der Distanz.

Dunkle, volle, leicht gewellte Haare rahmten ein Gesicht ein, das auch zu einer Marmorstatue mit dem Titel „Vollkommene männliche Schönheit“ gepasst hätte. Glatte sonnengebräunte Haut mit dem Farbton des dunkelsten Whiskeys – und ebenso verlockend. Wie hypnotisiert starrte Mason auf seine hohen Wangenknochen. An seinem Kinn entdeckte sie einen Bartschatten. Auf einmal prickelten ihre Handflächen. Am liebsten wäre sie zu dem Fremden gegangen, um ihn zu berühren.

Sie verfluchte den törichten Gedanken, brachte es aber nicht fertig, sich abzuwenden. Der Mann schien der Unterhaltung von ein paar Gästen neben ihm zuzuhören, doch Mason glaubte, dass er es nicht wirklich tat. Seine Augen waren nämlich nicht auf den Mann gerichtet, der gerade sprach, sondern auf einen Punkt über dessen Schulter. Jetzt drehte er den Kopf langsam, schaute sich aber nicht gemächlich, ziellos um, sondern fixierte ohne Umschweife Mason. Mit voller Absicht. Sein Blick tauchte in ihren und hielt ihn fest.

Heißes Blut schoss ihr in die Wangen. Sie senkte den Kopf, bestürzt von dem Kribbeln, das wie ein elektrischer Funke ihre Wirbelsäule hinauffuhr. Verstohlen riskierte sie noch einen Blick in die Richtung des Fremden, der so eine extreme Reaktion in ihr hervorrief – und spürte alles aufs Neue, als ihr Blick seinen zum zweiten Mal traf.

Habe ich eben tatsächlich nach Luft geschnappt?

Rasch drehte sie sich um und wollte die Unterhaltung mit Harry fortsetzen, doch ihr Trainer war fort. Ganz allein stand sie da. Jetzt brannten ihre Wangen vor Verlegenheit. Der Mann musste sie für das halten, was sie war – ein Landei.

In diesem Moment hörte sie ein ausgesprochen feminines Lachen ganz in der Nähe des Fremden, dessen Blick sie wie ein Blitz getroffen hatte. Natürlich. Francesca hatte sich zu dem Grüppchen gesellt, das den Mann ehrfürchtig umringte. Seine Augen ruhten nicht mehr auf Mason, sondern auf ihrer schönen Freundin.

„Hey.“ Eine vertraute Stimme lenkte Masons Aufmerksamkeit auf sich.

Ihr Kollege Scott kam mit ein wenig unsicheren Schritten näher. Wie hatte er es bloß fertiggebracht, in so kurzer Zeit so viel Alkohol zu trinken? „Ich hasse solche Partys“, klagte er.

„Mir liegen solche Partys auch nicht wirklich“, stimmte sie Scott zu und drehte die halb volle Champagnerflöte hin und her. Sie schnitt eine Grimasse beim Gedanken an den Alkohol, der inzwischen sicher warm war, und stellte das Glas neben Francescas auf den Tisch.

„Wollen wir verschwinden?“

„Der Bus kommt erst in dreieinhalb Stunden, Scott.“

„Dann lass uns auf der Dachterrasse frische Luft schnappen.“

Sie widerstand dem Impuls, einen letzten Blick auf den Fremden zu werfen und ließ sich von ihrem Kollegen aus dem Saal führen.

Das laute Lachen der jungen Amerikanerin strapazierte Danyls ohnehin dünnen Geduldsfaden. Dieser Abend war ein Reinfall. Gerade dachte er, dass er besser zu seinen Eltern nach Terhren hätte zurückkehren sollen – da sah er die zierliche Brünette. Obwohl sie am anderen Ende des Saales stand, hatte er ihren Blick auf sich gespürt, als würde eine Flamme über seine Wange züngeln. Während der dreieinhalb Jahre, die er in New York Wirtschaft und Internationale Beziehungen studiert hatte, war ihm so etwas nie auch nur im Entferntesten passiert.

Trotzdem wusste er, was es bedeutete. Und normalerweise kam es daher mit einem riesigen Schild, auf dem in neonfarbenen Großbuchstaben die Worte ABSTAND HALTEN standen.

Trotz dieser Warnung war er nicht in der Lage gewesen, die Blicke von ihr abzuwenden. Verglichen mit seinen einsfünfundneunzig wirkte die junge Frau fast winzig, doch jeder Zentimeter ihres Körpers strahlte Stärke aus. Beim Anblick ihrer leicht sonnengebräunten Haut in diesem eisigen New Yorker Winter war das Blut wärmer durch seine Adern geströmt. Danyl ertappte sich bei dem Wunsch, die Finger durch ihre langen karamellfarbenen Locken gleiten zu lassen. Auf einmal spürte er einen verheißungsvollen süßen Geschmack auf der Zunge, als hätte er gerade ein Karamellbonbon im Mund schmelzen lassen.

Etwas lenkte ihn kurz ab. Als er dann wieder in ihre Richtung sah, war die junge Frau verschwunden. Vielleicht ist es besser so, überlegte Danyl, sah auf seine Armbanduhr und fragte sich, ob er zur Botschaft zurückkehren sollte. Gewiss war bei der dortigen Silvesterparty mehr los als hier. Ursprünglich hatte er die Idee, Vertreter sämtlicher Top-Rennställe in diesem Hotel zu treffen, großartig gefunden. Hier bot sich ihm die Chance, zu recherchieren. Schließlich hatte Antonio ihm und Dimitri kürzlich vorgeschlagen, zu dritt einen Weltklasse-Rennstall zu gründen, und dieses Projekt reizte sie immer mehr. Einen Namen hatten sie auch schon: Winners’ Circle.

Er kannte Antonio und Dimitri seit Beginn des Studiums. Schnell waren sie zu den Brüdern geworden, die er nie gehabt hatte. Drei Ausländer, die gemeinsam versuchten, sich an einer amerikanischen Uni zurechtzufinden. Verbunden hatte sie das Ziel, nicht nur im Studium erfolgreich zu sein, sondern sich auch zu amüsieren. Die Freundschaft, die auf ähnlichen Interessen beruhte, war mit der Zeit enger geworden. Unentbehrlich. So gute Freunde hatte Danyl noch nie gehabt, denn für ein Einzelkind – noch dazu ein königliches Einzelkind – war der Palast ein einsamer Ort.

Dieses Event hatte der krönende Abschluss sein sollen, seine letzte Silvesterparty in New York. Bald würde er nach Terhren zurückkehren, zu den Pflichten, die ihn dort erwarteten. Er hatte diesen Abend auskosten wollen. Seine letzte Chance, noch einmal frei zu sein.

Leider musste Antonio Verwandte besuchen und Dimitri seinen Halbbruder vor irgendeinem Skandal in Griechenland retten. Also war Danyl allein in diesem Hotel, wo die Gäste lieber über ihn als über Galopprennen redeten. Einen Moment lang dachte er, in den Augen einer dunkeläugigen Schönheit mit den braunen Locken etwas anderes erspäht zu haben, aber sie war verschwunden. Stattdessen baggerte ihn eine Amerikanerin an. In aller Öffentlichkeit.

Jetzt lachte sie wieder. Das Maß war voll.

Er warf die diplomatische Höflichkeit über Bord, die sich immer eher gezwungen denn selbstverständlich anfühlte, und ging, während einer der Männer um ihn herum noch redete. Sie würden ihm verzeihen. Immerhin stammte er aus einer königlichen Familie.

Auf dem Weg zum Ausgang entdeckte er die Schirmherren der Party. Wenn sie ihn sahen, würden sie ihn abfangen. Kurzentschlossen steuerte er auf eine gläserne Tür zu, die auf die Dachterrasse führte. Mit etwas Glück gab es noch einen anderen Weg, um zu verschwinden. Als er ins Freie trat, nahm ihm die eisige Winterluft fast den Atem. Das war allerdings nichts im Vergleich zu dem Schock, den ihm der Blickkontakt mit dieser Frau versetzt hatte. Schade, dass er nicht wusste, wozu dieser Blickkontakt hätte führen können. So war es allerdings sicherer. Ja, definitiv sicherer.

Durch den scharfen Wind hörte er laute Stimmen. Mit gerunzelter Stirn spähte er in die Dunkelheit und sah zwei Leute am Ende der Dachterrasse. Einen Mann und … jene Frau. Offenbar stritten sie.

„Lass mich los, Scott.“

„Tu doch nicht so.“ Seine schleppende Stimme klang gedämpft, weil er der Frau das Gesicht in die Nackenbeuge drückte, während er sie an die Wand presste.

„Du machst dich zum Narren. Hör auf“, erwiderte sie resolut und versuchte, ihn wegzuschieben.

„Ach, komm schon. Du machst mir seit fast drei Monaten schöne Augen.“

„Das tue ich nicht, Scott. Ich gehe jetzt rein.“

„Oh nein, daraus wird nichts.“

„Lass mich los!“

Mit langen Schritten ging Danyl auf die beiden zu. „Die Dame hat Ihnen gesagt, dass Sie aufhören sollen“, sagte er ebenso laut wie drohend. Er verabscheute Männer, die ein Nein nicht akzeptierten.

„Gehen Sie weg. Das hier geht Sie nichts an.“

Danyl musterte die zierliche Brünette und kam zu dem Schluss, dass sie sich bedrängt fühlte. In ihren großen tiefbraunen Augen las er Zorn und auch ein bisschen Angst. Ihr Körper war angespannt, als wolle sie von diesem Kerl auf keinen Fall berührt werden.

Scott fuhr zu Danyl herum und baute sich vor ihm auf.

„Wenn irgendjemand geht, dann …“ Weiter kam Danyl nicht. Er sah den Schlag seines angetrunkenen Kontrahenten kommen, denn der holte weit aus, mit mehr Selbstüberschätzung als Kraft. Danyl musste sich nicht anstrengen, um den Schlag mit dem Unterarm abzublocken und mit der freien Hand einen Treffer auf Scotts Nase zu landen.

Es knirschte laut. Mason schnappte nach Luft. Scott heulte auf, krümmte sich und hielt sich die Nase. Dann stolperte er zur Terrassentür, warf einen zornigen Blick zurück und verschwand fluchend im Hotel.

Danyl sah die Frau an, die inzwischen von der Mauer weggetreten war. Sie hatte eine Gänsehaut. Mit Augen, fast so dunkel wie die Nacht, schaute sie zu ihm hoch. Die Angst in ihrem Blick war fort. Zu seinem Erstaunen entdeckte Danyl Unmut. „Sind Sie …“, begann er.

„Warum zum Teufel haben Sie das getan?“ Ihre rauchige Stimme hatte einen australischen Akzent.

„Was?“

„Ich hatte alles unter Kontrolle“, zischte sie und schob sich an ihm vorbei.

Sie streifte ihn, und er versuchte, das Kribbeln zu ignorieren, das er sofort spürte. Besser, er konzentrierte sich auf die Reaktion, mit der er nicht gerechnet hatte. „Von wegen“, entgegnete er. „Der Typ war …“

„Betrunken und harmlos. Ich wäre selbst mit ihm fertiggeworden.“

„Natürlich. Sehen Sie sich an. Sie sind wahrscheinlich nicht mal einssechzig.“

„Größe ist unwichtig“, meinte sie ungehalten.

Seine Augen verengten sich, während er sich den Konter verkniff, der ihm instinktiv in den Sinn kam.

Offenbar konnte sie Gedanken lesen, denn sie fragte spöttisch: „Ernsthaft?“

Ihre Geringschätzung trieb Danyl zur Weißglut. Vielleicht hätte er sich raushalten sollen. Ein Gespräch mit den Schirmherren der Party wäre besser als das hier gewesen.

Sie schnaubte verächtlich und schlüpfte in den Saal.

Mason schüttelte beide Hände, die leicht zitterten – das einzige sichtbare Zeichen, das sie sich wegen des Vorfalls eben gestattete. Was war bloß in Scott gefahren? Bisher hatte er sie stets wie einen Kumpel behandelt. Und entgegen der Meinung dieses Fremden hatte sie die Situation tatsächlich im Griff gehabt.

Sie befahl ihrem Körper, kein Adrenalin mehr auszuschütten, und war in erster Linie nicht ängstlich, sondern ärgerlich, weil Scott sie in diese Lage gebracht hatte. So kannte sie ihn gar nicht. Sie hatte auch nichts in der Richtung über ihn gehört und wäre wirklich selbst mit ihm zurechtgekommen. Aber eine andere Frau schaffte das vielleicht nicht. Deshalb nahm sie sich vor, mit Harry über den Vorfall zu sprechen.

Gar nicht zurecht kam sie hingegen mit ihrer Reaktion auf den Mann, wegen dem sie überhaupt an die frische Luft hatte gehen müssen. Der Scott die Nase gebrochen hatte. Sie hatte sich redlich bemüht, seinem Blick auszuweichen, dieser sengenden Hitze, die sie empfand, wenn sie einander in die Augen sahen. Schon bei der Erinnerung daran überliefen sie Schauer. Sie sagte sich, die Kälte sei schuld, aber sie wusste genau, dass sie aus härterem Holz geschnitzt war. In seiner Nähe empfand sie eine ungeheure Euphorie, die sie sonst nur kannte, wenn sie über die Hügel der väterlichen Ranch galoppierte.

In den Saal mochte sie nicht zurückkehren. Also holte sie ihren dicken Mantel aus der Garderobe, tauschte die hohen Schuhe gegen bequeme Stiefel ein und schlüpfte in den Aufzug, bevor jemandem auffallen konnte, dass sie vorzeitig ging.

Während der Fahrt dreißig Stockwerke abwärts überschlug sie, wie viel Zeit ihr blieb, bis der Bus kam. Zwei, vielleicht drei Stunden.

„Ich hatte es unter Kontrolle“, flüsterte sie verärgert.

Die Aufzugtüren öffneten sich. Mit gesenktem Kopf ging Mason durch das Foyer. Natürlich hatte ich alles unter Kontrolle, sagte sie sich streng, als sie zu fest gegen die Drehtür stieß, sodass sie auf den Bürgersteig katapultiert wurde, direkt gegen den Rücken von …

Uff.

Ihr blieb die Luft weg, weil sie mit dem Oberkörper gegen einen bemerkenswert muskulösen Rücken stieß. Es tat ein bisschen weh. Sie streckte einen Arm aus, um sich zu fangen, und klammerte sich instinktiv an einen Unterarm, der ebenfalls geradezu verstörend muskulös war.

„Entschuldigen Sie bitte …“ Mason brach ab, als sich der Fremde vom Balkon umdrehte. Prompt verlor sie das Gleichgewicht und wäre gestürzt, hätte er nicht den Arm zurückgezogen, an den sie sich noch immer klammerte. Jetzt fand sie sich Oberkörper an Oberkörper mit ihrem Retter wieder.

„Beim nächsten Mal gebe ich einen aus“, meinte er.

„Lassen Sie bloß die Klischees.“

„Sind Sie immer so mürrisch?“ Halb amüsiert, halb neugierig sah er sie an.

„Nein, nur …“ Sie schüttelte den Kopf, so aufgewühlt, dass sie beim Anblick dieses Mannes keinen klaren Gedanken fassen konnte. „Normalerweise rede ich in zusammenhängen Sätzen“, sagte sie bedauernd und erwiderte sein Lächeln schwach.

Sie wich zurück, weg von seinem warmen Körper, seinem Duft … Obwohl sie nur zu gern verharren wollte, um herauszufinden, wonach genau ihr Gegenüber duftete. Dass er Macht ausstrahlte, hatte sie ja schon im Hotelsaal gedacht. Doch ihm so nahe zu sein und von ihm gehalten zu werden, fühlte sich einfach überwältigend an. Als sie zu ihm hochschaute, entdeckte sie goldfarbene Sprenkel in seinen wunderschönen dunklen, übermütig glitzernden Augen. Er lächelte schier unwiderstehlich. Seine Lippen waren voll und verboten sinnlich. Mason ertappte ihren Körper dabei, wie er auf eine völlig unangemessene Weise reagierte.

Abrupt drehte sie sich zur Seite, um der Anziehungskraft dieses Mannes zu entrinnen, und blickte rechts und links die Straße entlang. Es war erstaunlich ruhig. Entweder sind die New Yorker auf Partys oder auf dem Times Square, dachte sie, während ihrer beider Atem wie Rauch in die Nachtluft aufstieg.

Albern. Sie musste über den Fremden hinwegkommen. Über sich selbst hinwegkommen. „Danke“, sagte sie also und fixierte die weißen Wölkchen, die sich beim Sprechen vor ihrem Mund bildeten. Offenbar wollte er sie genauso wenig ansehen wie umgekehrt. „Für …“ Mit einer Hand zeigte sie auf das Hotel hinter sich.

Aus den Augenwinkeln registrierte sie, wie er die breiten Schultern zuckte. Dass er ironisch lächelte, sah sie zwar nicht, aber sie spürte es. „Sie hatten die Situation unter Kontrolle“, sagte er. Und einen Herzschlag später: „Sie wollen gehen?“

Mason konnte seinen Akzent nicht einordnen. Der Mann war Araber, so viel stand fest. Sie zog die Stirn kraus. „Nein.“ Wieder schaute sie die leere Straße entlang. „Der Bus, der uns zu unserer Unterkunft bringt, kommt erst um eins.“

„Unsere Unterkunft“, wiederholte er langsam. „Uns, das sind Sie und …?“

„Die anderen Jockey-Lehrlinge.“ Bewusst ignorierte sie, worauf er hinauswollte.

„Und einer von denen ist vermutlich …“

„Scott. Ja.“

„Und Sie wollen nicht zur Party zurückkehren.“ Es war sowohl eine Feststellung als auch eine Warnung.

Sie machte einen Schmollmund und schüttelte den Kopf, fixierte noch immer lieber die Straße, als Danyls Blick auf sich zu sehen – oder zu fühlen.

„Ich habe Hunger“, sagte er, als würde sie das irgendwie einbeziehen. „Ohne Hintergedanken: Hätten Sie Lust, mit mir essen zu gehen?“

Mason wünschte sich inständig, dass er ihr Magenknurren nicht hörte. „Warten Sie denn nicht auf Francesca?“, entschlüpfte es ihr, obwohl sie wusste, dass sie dadurch ein mehr als flüchtiges Interesse an diesem Mann offenbarte.

„Auf wen?“

„Die junge Frau, mit der Sie sich unterhalten haben.“

„Die draufgängerische Amerikanerin?“

„Ja.“ Sie musste über die zutreffende Beschreibung lachen.

„Nein. Als ihr klar wurde, dass ich nicht interessiert bin, hat sie sich einem Herzog zugewandt.“

Unauffällig hatte Danyl sich bewegt, bis er direkt vor Mason stand. Sein Blick wanderte ein bisschen zu lange über ihr Gesicht – allerdings nicht so, dass sie es als unangenehm empfunden hätte. Es kam ihr vor, als würden Funken über ihre Haut stieben, hinein in ihren Magen, der sich nicht nur leer, sondern auch ungemein flau anfühlte.

„Essen wäre gut, aber wir werden wohl kein Lokal mehr finden. Es ist Silvester und obendrein fast Mitternacht.“

„Für mich wird man schon zwei Plätze finden“, meinte er zuversichtlich.

„Warum? Was ist so außergewöhnlich an Ihnen?“

„Ich bin ein Prinz“, antwortete er mit all der Arroganz, die der Titel implizierte.

Ihr Lachen klang Danyl noch in den Ohren, als sie durch die stillen schneebedeckten Straßen gingen. Sein Leibwächter folgte mit gebührendem Abstand. Nun war es nicht so, dass man ihn noch nie ausgelacht hätte. Jedenfalls nicht, seit er Antonio und Dimitri kannte. Aber das Lachen seiner Begleiterin war anders. Es klang so rein, so ungebändigt … Wie die Freude, die sein Herz weit machte, als er es hörte. Diese temperamentvolle junge Frau hatte etwas Besonderes an sich. Sie glich einem Geschenk, das er auspacken wollte. Langsam.

Sogar im dicken Wintermantel wirkte sie ungemein zierlich. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, wie sie einen starken Vollblüter zügeln sollte, aber er sehnte sich nach der Gelegenheit, es herauszufinden. Dieser Gedanke ließ das Blut heißer durch seine Adern pulsieren. Du solltest es besser wissen, mahnte er sich. Trotzdem wollte er ihr am liebsten die karamellfarbene Locke aus dem Gesicht streichen, die sich aus dem hohen Mantelkragen gelöst hatte. Nur um zu fühlen, wie seidenweich sie war.

An einer Kreuzung schaute Mason sich um und bog spontan nach links ab.

„Aus welchem Teil Australiens kommen Sie denn?“

„Ah, gut gemacht. Amerikaner halten meinen Akzent oft für Englisch. Ich komme aus Hunter River Valley. Das liegt in New South Wales.“

Die Sehnsucht in ihrer Stimme animierte ihn zu seiner nächsten Frage: „Vermissen Sie es?“

Mason sah ihn mit einem verwunderten, etwas traurigen Lächeln an. „Ja. Hier ist es … eigenartig und fremd, aber auch merkwürdig vertraut. Wahrscheinlich habe ich zu viele amerikanische Fernsehshows gesehen.“

Danyl beobachtete, wie sie die Nase kräuselte, wenn sie nach Worten suchte. Es gefiel ihm. Niedlich war es. Obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, dass ihm Niedlich schon einmal gefallen hatte.

„New South Wales ist wunderschön. Weit und offen. Nicht wie …“ Sie zeigte mit beiden Händen auf die Wolkenkratzer.

„Man braucht eine Weile, um sich daran zu gewöhnen.“

„Ist es hier auch anders als in Ihrer Heimat?“

„Ja, ganz anders als in Terhren.“

„Und Terhren liegt …?“

„In Afrika. Am Meer, deshalb gibt es dort sowohl Wüste als auch Berge und Küste.“

„Was könnte man mehr wollen?“

Ihr Lächeln ließ ein warmes Gefühl in seinem Bauch aufkeimen.

Ich könnte nicht zurückkehren wollen. Nicht König werden wollen.

Er sprach es nicht aus. So etwas sprach er nie aus.

„Und warum sind Sie in New York?“, wechselte er das Thema, weil er befürchtete, diese Frau könnte seine geheimen Gedanken aus dem Verlies ziehen, in das er sie gesperrt hatte.

„Um zu trainieren und zu lernen. Ich werde nämlich Jockey“, antwortete sie stolz. Aufrichtig stolz, nicht verlegen oder kokett. „Mein Vater hat einige der besten Reiter der Welt ausgebildet.“

„Hat er auch Sie trainiert?“

„Oh nein.“ Wieder lachte sie. „Er wollte mir das professionelle Reiten ausreden, aber ich war infiziert. Das bin ich noch immer. Er … hat viel für mich aufgegeben. Und obwohl er nicht wollte, dass ich Jockey werde, sehe ich, wie stolz er ist, wenn ich gewinne. Es ist ein Erbe, und ich will ihm gerecht werden.“

Dany fragte sich, ob jemand aus dem Palast sie angestiftet hatte, das zu sagen. Allerdings konnte er in ihren Augen keine Unehrlichkeit erkennen. Plötzlich war er ein bisschen neidisch. Er hätte fast alles gegeben, um sich bei der Aussicht, Regent von Terhren zu sein, so zu fühlen wie seine Begleiterin bei der Aussicht, Jockey zu werden. Es gern und gut machen zu wollen. Würde er das je schaffen?

Sie bogen um eine Ecke und kamen zum Washington Square Park. Nur ein paar ganz Hartgesottene vertrieben sich hier ihre Zeit.

„Wie soll ich Sie eigentlich nennen?“ Mason rieb sich die kalten Hände. „Herr? Eure Hoheit? Oh Mächtiger?“

„Danyl reicht völlig“, antwortete er lachend. „Und selbst?“

„Mason.“ Sie ging durch den eisernen Zaun in den Park und war so flott unterwegs, dass Danyl fast gegen sie prallte, als sie unvermittelt stoppte, um ein paar Schachspielern zuzuschauen. „Schach!“, rief sie entzückt. „Das wollte ich schon immer lernen, aber auf einer Ranch ist so viel zu tun.“

„Glückspilz. Mein Vater hat mich fast jeden Abend genötigt, Schach zu spielen. Er konnte sich stundenlang über die Rolle jeder Figur auslassen. Darüber, dass der Springer am wichtigsten ist und wie diese Figur mir helfen kann, ein besserer Regent zu sein.“

Sie drehte sich zu ihm um und kniff die Augen leicht zusammen. Spürte sie die Bitterkeit, die er aus seinen Worten hatte verbannen wollen?

Jetzt wandte sie sich wieder den Spielern zu. Die älteren Herren saßen an kleinen Tischen, in deren Oberflächen Schachbretter geätzt waren. Sie hatten sich dick angezogen und hielten dampfende Becher in ihren Händen.

Der Anblick machte ihn nostalgisch. „Mein Vater hat mir ein Schachspiel geschenkt, bevor ich nach New York geflogen bin.“

„Wie nett“, sagte Mason anerkennend.

„Den schwarzen Springer hat er behalten“, fuhr Danyl fort.

Sie lachte leise und stellte sich wieder neben ihm. „Ich finde das süß.“

„Und ich albern.“ Er trat einen Schritt näher, spürte ihre Körperwärme und roch den schwachen Duft von Limone und Lorbeer.

Mason betrachtete den Prinzen, der vor ihr stand, und wunderte sich über die ungezwungene Stimmung. Darüber, dass er sie zum Lachen brachte und Erinnerungen weckte. Normalerweise war sie viel reservierter. Verschlossen, hatte Francesca mal geklagt. Aber mit diesem Mann spazieren zu gehen und mit ihm zu reden … Sie kam sich vor wie ein anderer Mensch. Als wäre sie sie selbst, nur besser. Ein seltsames Gefühl.

Auf den Straßen und in den umliegenden Häusern ertönten heitere Stimmen. Der Countdown für das neue Jahr begann und durchbrach die Stille, die Mason so gern bis in alle Ewigkeit ausgedehnt hätte. Sie konnte die Hitze spüren, die Danyls Körper ausstrahlte, so nah standen sie voreinander.

„Zehn, neun, acht …!“, erklang es vielstimmig.

Er war viel größer als sie. Wenn sie ihm in die Augen sehen wollte, musste sie den Kopf in den Nacken legen. Sie fühlte sich beschützt, eingehüllt von seiner Stärke.

„Wäre es unangemessen von mir, dich um Mitternacht zu küssen?“ Seine Stimme klang plötzlich tiefer und rauer.

Mason zuckte eine Schulter, während die Spannung, die zwischen ihnen schwelte, seit sie das Hotel verlassen hatten, beinahe unerträglich wurde. Masons Herz hämmerte dumpf. So, wie es das schon die ganze Zeit tat. Und je näher Mitternacht rückte, desto heftiger wurde es. Lasse ich mich wirklich von einem Prinzen küssen?

„Sieben, sechs, fünf …!“

„Ich schätze, du hast nicht gerade die Qual der Wahl“, meinte sie und blickte kurz zu den kleinen Grüppchen, die auf den Straßen um den Park herum standen. Dann sah sie wieder ihren Begleiter an, der den Blick nicht von ihr genommen hatte.

„Man hat immer eine Wahl, Mason.“

„Vier, drei, zwei …!“

Damit bot er ihr ein Schlupfloch, das wusste er ebenso gut wie sie. Sie schaute ihm in die dunklen Augen und glaubte zu ertrinken, nicht mehr atmen zu können, wenn sie diese Chance nicht beim Schopf packte … Die Chance, dem betörenden Knistern zwischen ihnen nachzugeben.

Statt zu antworten, hob sie eine Hand zu Danyls Krawatte und zog behutsam daran, damit er den Kopf senkte.

„Eins!“

Er presste seine Lippen auf ihre, bis es sich anfühlte, als würden tausend winzige Explosionen auf ihrer Haut gezündet. Als er mit der Zungenspitze sanft ihre Unterlippe streifte, schienen Flammen ihre Wirbelsäule emporzulodern und sich über ihren gesamten Körper auszubreiten. Mit einem weiteren Zungenschlag bat er, mit dem dritten forderte er, bis Mason die Lippen öffnete und ihre Zunge um seine schlang. Unwillkürlich packte sie mit beiden Händen das Revers seines Mantels, zog ihn an sich und klammerte sich an ihn, als würden die Beine sie nicht länger tragen. Sehnsucht und Verlangen machten sie ganz benommen. Adrenalin flutete durch ihre Adern, während sie einen leidenschaftlichen Kuss erlebte, den sie nie vergessen würde.

3. KAPITEL

Dezember, Gegenwart …

„Du hast mir kaum eine Wahl gelassen“, meinte Danyl.

„Man hat immer eine Wahl“, widersprach Mason. „Das hast du selbst gesagt, weißt du noch?“

„Nimmst du jetzt das Gewehr runter? Oder willst du mich erschießen?“

„Der Gedanke ist verlockend. Was machst du hier?“, fragte sie, ohne das Gewehr zu senken.

„Darf ich mich umdrehen?“

„Langsam.“

„Um Himmels willen, nimm das Ding runter, bevor du dich verletzt. Oder, schlimmer noch, mich“, meinte er und drehte sich im Zeitlupentempo um.

„Ich weiß sehr wohl, wie man mit einem Gewehr umgehen …“

Blitzschnell stieß er den Gewehrlauf von ihnen beiden weg, packte den Kolben und riss ihn hoch, sodass Mason fast einen Knoten in die Arme bekam und den Griff lockern musste. In der nächsten Sekunde zog er das Gewehr an sich und ließ es zu Boden fallen, so schwungvoll, dass sie gegen ihn taumelte und sich an seinem Oberkörper wiederfand.

Danyl wusste nicht, was ihn mehr ärgerte – dass Mason sich hätte verletzen können, oder dass sein Körper die Botschaft nicht begriff, die sein Hirn ihm seit fast zehn Jahren sendete. Ersteres, entschied er stumm.

„Bist du verrückt?“ Seine laute Stimme hallte durch die Abendstille. „Wenn das Gewehr zufällig losgegangen wäre, hättest du einen Prinzen erschossen!“

Sie wich vor ihm zurück, als hätte er eine ansteckende Krankheit, und murmelte etwas, was sich verdächtig nach „Das wäre es wert gewesen“ anhörte.

Er brachte die innere Stimme zum Schweigen, die ihn daran erinnerte, dass er Machthabern der einflussreichsten Länder erfolgreich die Stirn geboten und internationale Konflikte gelöst hatte, die in Krieg hätten münden können. Da sollte er ja wohl mit einem widerspenstigen Jockey fertigwerden. Selbst wenn die Frau ihm einst das Herz gebrochen hatte.

„Ist noch Kaffee da?“, erkundigte er sich. „Ich bin seit Stunden unterwegs.“

„Nein.“ In ihrer Stimme lag kein Hauch von Mitgefühl. „Noch einmal: Was machst du hier?“ Der Seufzer, der ihr entschlüpfte, klang viel zu emotional.

„Du hast nicht auf die Einladung meiner Eltern zur Gala geantwortet.“ Im Mondlicht, das zwischen den Wolken hindurchlugte, sah er, wie Mason eine Braue hochzog.

„Du bist den ganzen Weg hierhergekommen, um herauszufinden, ob ich an einer Party teilnehme?“

„Ja“, stieß er zwischen zusammengepressten Lippen hervor, wohl wissend, wie töricht die Antwort klang.

„Natürlich! Ich Dummerchen! Ich steige einfach in meinen Privatjet, fliege um die halbe Welt, werfe mir ein hübsches Kleid über, lächle in die Kameras und gehe wieder. Kleinigkeit.“

Mason merkte, dass ihr Sarkasmus ihn überraschte. Möglicherweise auch ihr scharfer Unterton. Bei der ersten Begegnung hatte Danyl sie von ihrer jugendlichen, fröhlichen, optimistischen Seite kennengelernt. Den Sarkasmus hatte sie erst in den folgenden Jahren entwickelt, um sich zu schützen.

Sie drehte sich zum erloschenen Feuer um. Neben der noch leicht dampfenden Asche lag ein Baumstamm, auf den sie sich würdevoll setzte. Es ärgerte sie, dass Danyl stehen blieb. Gewöhn dich daran, schalt sie sich. Sie hatte längst das Recht verloren, an seiner Seite zu stehen.

„Diese Gala ist meinen Eltern sehr wichtig. Es ist wahrscheinlich die letzte, die sie als Regenten von Terhren ausrichten.“

„Sie treten zurück?“

„Sie ziehen es in Erwägung. Deshalb muss die Gala unbedingt perfekt sein.“ Sein entschlossener Blick passte zu dem mächtigen Mann, den die Presse einen der zukünftig „mächtigsten Herrscher der Welt“ nannte. Schon vor zehn Jahren hatte er nach Perfektion gestrebt und ein Vorbild für sein Land sein wollen.

„Veranchetti ist bereits im Palast in Terhren. Sogar John kommt“, fuhr er fort.

Mason runzelte die Stirn. „Willst du, dass ich teilnehme, oder wollen deine Eltern es?“

„Spielt das eine Rolle?“

Sie erstickte den Impuls, Ja zu sagen. „Also muss sich sogar ein Prinz einer Königin fügen?“

Danyl straffte die Schultern und sah Mason von oben herab an. „Nein. Aber ich füge mich meiner Mutter“, räumte er ein.

„Damit kenne ich mich nicht aus“, hörte sie sich sagen.

„Nein, tut mir leid. Ich meinte nicht …“

„Schon okay. Ich verstehe. Für Pops würde ich auch alles tun. Das ist der Grund, warum ich nicht nach Terhren fliegen kann.“

Er setzte sich auf die andere Seite der Feuerstelle.

„Im Moment ist auf der Ranch zu viel los“, versuchte sie es mit einer Erklärung, die er vielleicht nicht hinterfragte.

„Es geht doch nur um ein paar Tage.“

„Und deine Zeit ist wertvoller als meine?“, fragte sie zornig.

„So ist es!“

Fast hätte sie ihn geohrfeigt. „Ich sage nicht einfach Nein, sondern, dass ich nicht kommen kann.“ Sie mochte nicht zugeben, dass sie sich den Flug nicht leisten konnte. Aber abgesehen von den Kosten und der Machbarkeit … Es verlangte ihr ja schon alles ab, bloß in der Nähe dieses Mannes zu sein.

Mason roch den einzigartigen, überaus maskulinen Duft, der ihr einmal so vertraut gewesen war und ihr jetzt so urwüchsig und neu vorkam. Sie wollte die Erinnerungen wegschieben, den Kummer … das Unglück. Denn all das drohte ihr Herz ein zweites Mal zu brechen.

Schweigend betrachtete Danyl ein paar Holzscheite im Feuer, die kurz aufglommen, um gleich danach zu erlöschen. Als ob sie genau wie ich den Kampf verlieren, schoss es ihm durch den Kopf.

„Was machst du hier draußen?“, erkundigte er sich.

„Ein Sturm hat mehrere Zaunpfähle aus dem Boden gerissen. Die will ich wieder einsetzen.“

Er wusste, dass mehr hinter ihrem Ausflug hierher steckte, aber er wollte sie nicht bedrängen. Nicht jetzt. „Ein wunderschöner Ort. Genau, wie du ihn beschrieben hast.“

„Danke“, meinte sie mit einem schwachen Lächeln. „Du solltest ihn erst mal tagsüber sehen.“

„Und du solltest die Wüste sehen.“

Sie blickte ihn derart vorwurfsvoll und gekränkt an, dass er zur Seite schaute. „Es ist spät.“ Mason erhob sich vom Baumstamm. „Ich muss früh aufstehen, um die Pfähle einzusetzen und noch im Hellen zurückzureiten.“ Sie musterte Danyls Pferd. „Falls du bleiben willst, rate ich dir, dein Zelt aufzuschlagen.“

Der Blick, mit dem er sie bedachte, hätte zehn gestandene Männer verunsichert.

„Was denn?“, fragte sie.

Ob sie wirklich ahnungslos war oder nur so tat, konnte er nicht erkennen. Sein Schweigen war Antwort genug.

„Ah.“ Zum ersten Mal wurde ihr winziges Lächeln breiter – sie sah so wundervoll aus, dass ihm die Luft wegblieb. „Kann es sein, dass Pops dir ein Zelt mitgeben wollte und du abgelehnt hast, weil du dachtest, ich würde einfach zusammenpacken und dich begleiten?“

Danyl biss die Zähne zusammen.

„Na, du hast ja eine Pferdedecke. Wenigstens etwas.“

„Wieso?“

„Weil du etwas Weiches zum Landen brauchst, wenn du von deinem hohen Ross fällst. Da drüben liegen Holzscheite und Anzündhölzer, wenn du ein Feuer machen möchtest. Ich gehe jetzt schlafen. In meinem Zelt. Allein.“

Beunruhigt sah er zu, wie sie den Reißverschluss ihres Einmannzeltes aufzog und hindurchschlüpfte. Das Übernachten unter freiem Himmel bereitete ihm keine Sorgen; in Terhren hatte er es unzählige Male getan. Es war Dezember, fast Hochsommer in Australien, also kein Problem. Nein, er war beunruhigt wegen der Dinge, die Mason gesagt hatte – und auch wegen der Dinge, die sie nicht gesagt hatte.

Sie begriff nicht. Es ging nicht nur um die Gala, sondern um alles. Alles musste perfekt sein. Er konnte es sich nicht leisten, noch einmal zu versagen. Denn als er das letzte Mal versagt hatte, hatte er fast alles verloren, was ihm am Herzen lag.

Danyl zog sein Satellitentelefon aus der Tasche. Er würde seine Männer anweisen, alles über Mason herauszufinden, was sie konnten. Jeder Mensch brauchte irgendetwas. Obwohl es manchmal nicht das war, was man wollte.

Schweiß rann zwischen Masons Schulterblättern hinunter. Ihre Rückenmuskeln brannten. Sie kam sich vor wie eine Schülerin, die etwas ausgefressen hatte, denn sie hatte sich zum Zaun geschlichen, während Danyl noch schlief.

Gestern Abend war es schon schwierig genug gewesen, mit ihm umzugehen. Und nun sollte sie es auch noch bei Tageslicht tun? Wie viel konnte man einer Frau bitte schön zumuten? Ihr Magen knurrte vorwurfsvoll, als wollte er sie feige nennen und noch dazu verantwortungslos, weil sie körperlich arbeitete, ohne richtig gefrühstückt zu haben. Der Energieriegel, den sie vor einer Stunde verschlungen hatte, reichte nicht. Wuchtig schlug sie den Holzpfahl mit dem großen Hammer in den Boden und trat dagegen. Der Pfahl rührte sich nicht. Fertig.

Mason drehte sich um und sah keinen Meter entfernt Danyl stehen. Geradezu beängstigend gut sah er aus, trotz der Nacht, die hinter ihm lag. Schlimmer noch – er lächelte und hielt einen Becher Kaffee in der Hand.

Bei dem Duft lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Wegen des Kaffees, sagte sie sich. Nicht wegen des Mannes.

„Kann ich helfen?“, bot er an.

Sie lachte entgeistert und hörte selbst, wie herausfordernd es klang. „Ein Prinz verrichtet körperliche Arbeit?“, spottete sie.

„Die kriege ich hin“, meinte er mit einem Schulterzucken.

„Klar. Da vorne ist noch ein Hammer.“ Sie zeigte erst auf die große Werkzeugtasche und anschließend auf die nächste Lücke im Zaun.

Er hielt ihr den Becher hin. Misstrauisch musterte sie den dunklen Inhalt, nippte und lachte überrascht. „Der ist ja gar nicht verbrannt.“

„Natürlich nicht“, meinte Danyl beleidigt.

„Es gab Zeiten, da dachtest du, Kaffee wird im Laden gemacht, nicht angebaut und gemahlen.“

„Das ist lange her.“

Mason nahm einen zu großen Schluck und verbrühte sich fast die Zunge. Sie beobachtete, wie Danyl den Hammer nahm und sich dem Pfahl ebenso argwöhnisch näherte wie sie sich eben dem Kaffee. Fast hätte sie sich verschluckt, als er sein T-Shirt auszog.