DAS MÄDCHEN IM BIKINI - Spencer Dean - E-Book

DAS MÄDCHEN IM BIKINI E-Book

Spencer Dean

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Beschreibung

Der Nordsturm rüttelte an den großen Fenstern der alten Villa am Ufer des Hudson und fegte wirbelnd über den verschneiten Rasen. Im Zimmer war es gemütlich warm. Die brennenden Birkenscheite im Kamin ließen rote Reflexe über die schmiedeeisernen Beschläge huschen. Die Hitze hatte die dänische Dogge in die Ecke neben der Terrassentür vertrieben. Dort hatte sie sich ausgestreckt, den Kopf auf die Vorderläufe gelegt, wachsam mit den Augen blinzelnd.

Trotz der Wärme überlief es John Maisler eiskalt...

 

Der Roman Das Mädchen im Bikini des US-amerikanischen Schriftstellers Spencer Dean (* 1895; † Februar 1978) erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1962.

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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SPENCER DEAN

 

 

Das Mädchen im Bikini

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Signum-Verlag

 

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

DAS MÄDCHEN IM BIKINI 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Das Buch

 

Der Nordsturm rüttelte an den großen Fenstern der alten Villa am Ufer des Hudson und fegte wirbelnd über den verschneiten Rasen. Im Zimmer war es gemütlich warm. Die brennenden Birkenscheite im Kamin ließen rote Reflexe über die schmiedeeisernen Beschläge huschen. Die Hitze hatte die dänische Dogge in die Ecke neben der Terrassentür vertrieben. Dort hatte sie sich ausgestreckt, den Kopf auf die Vorderläufe gelegt, wachsam mit den Augen blinzelnd.

Trotz der Wärme überlief es John Maisler eiskalt...

 

Der Roman Das Mädchen im Bikini des US-amerikanischen Schriftstellers Spencer Dean (* 1895; † Februar 1978) erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1962.

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

  DAS MÄDCHEN IM BIKINI

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Der Nordsturm rüttelte an den großen Fenstern der alten Villa am Ufer des Hudson und fegte wirbelnd über den verschneiten Rasen. Im Zimmer war es gemütlich warm. Die brennenden Birkenscheite im Kamin ließen rote Reflexe über die schmiedeeisernen Beschläge huschen. Die Hitze hatte die dänische Dogge in die Ecke neben der Terrassentür vertrieben. Dort hatte sie sich ausgestreckt, den Kopf auf die Vorderläufe gelegt, wachsam mit den Augen blinzelnd. Trotz der Wärme überlief es John Maisler eiskalt.

Dieses Gefühl war nicht neu für den jungen Mann mit dem verhärmten Gesicht und dem nachdenklichen Blick. Am Strand von Key Hondo, als er plötzlich gespürt hatte, wie sich ein schleimiger Fangarm um seine Knöchel legte, war dem damals Dreizehnjährigen ebenfalls der kalte Schweiß ausgebrochen. Panik hatte ihn erfasst, und er wäre beinahe ertrunken. Von einem Rettungsschwimmer war er an Land gebracht worden, und obwohl er sich hatte überzeugen können, dass es sich nicht um den Fangarm eines Kraken, sondern lediglich um Seetang gehandelt hatte, war ihm noch lange Zeit danach elend gewesen.

Seither hatte er manche ähnliche Situation erlebt. Am schlimmsten war es an jenem verhängnisvollen Morgen in Fort Benning gewesen. Um sein Selbstvertrauen wieder herzustellen, hatte er sich zu den Fallschirmjägern gemeldet, aber es war ihm unmöglich gewesen, den ersten, alles entscheidenden Sprung aus dem Flugzeug zu wagen. Noch heute bekam er feuchte Hände, wenn er nur an jene Zeit zurückdachte. Man hatte ihm klargemacht, dass er deshalb noch kein Versager sei und beim Heer einen durchaus guten Soldaten abgeben könne. Aber er machte sich nichts vor - er war ein Feigling. Mit dieser Tatsache musste er sich abfinden. Er konnte lediglich versuchen, seine Feigheit so gut wie möglich zu verbergen. Aber jetzt schien es ihm unmöglich, noch länger vor diesem Mädchen Theater zu spielen.

Sie hatte sich auf dem Sofa zurückgelehnt. Die flackernden Flammen übergossen ihr honigfarbenes Haar und die schlanken nylonbestrumpften Beine mit flüssigem Gold. Sie« besaß die nötigen Rundungen, um ein Männerherz höher schlagen zu lassen, aber ihr Gesicht war ein wenig plump. Die blauen Augen standen eine Idee zu weit auseinander, und ihr Mund war etwas zu klein. Seltsam, dass ihm diese winzigen Schönheitsfehler erst in den letzten zwei Tagen aufgefallen waren, nachdem er eine Menge über sie erfahren hatte. Da war es plötzlich aus gewesen mit seiner Vernarrtheit.

»Ein Penny, John.« Sie hielt eine imaginäre Münze in die Flöhe.

»Ich denke, ich steige lieber aus, bevor ich bis zum Hals drinstecke.« Er lächelte gezwungen.

»Wieso, Johnny!« Sie richtete sich steil auf. »Bis jetzt hast du dir nicht einmal die Füße nassgemacht.«

»Das möchte ich auch nicht, Doll. Ich bin allergisch gegen kalte Füße.«

Sie streckte lässig die Beine aus, als wolle sie seine Blicke darauf lenken. »Interessiert dich denn gar nicht, was du da herausholen könntest?«

»Schließlich muss ich es gegen das ab wägen, in das ich geraten würde.« Er trat an die Terrassentür und blickte hinunter zu dem schwarzen Fluss, der sich dreißig Meter weiter hinter der verschneiten Hecke erstreckte.

»Mir wäre es schon recht, Darling.« Sie zuckte lässig die nackten Schultern. »Aber den anderen vielleicht nicht.«

»Die brauchen sich wegen mir keine Sorgen zu machen.« Über dem Heulen des Windes im Kamin und dem Krachen der Birkenscheite vernahm er ein klickendes Geräusch. Es kam wohl von den vom Sturm gerüttelten Fenstern her. »Ich werde niemandem Scherereien machen. Ich steige lediglich aus, Doll.« Nebenan im Wohnzimmer begann inzwischen das Spiel um hohe Einsätze.

»Du hast dir gewiss nicht überlegt, was ich davon halte«, murmelte sie.

»Oh, doch«, erwiderte er ernsthaft. »Du würdest noch viel weniger von mir halten, wenn ich dann am Schluss doch noch schlappmachte.« Er lächelte schief. »Darum ist es für mich besser, good-bye zu sagen.«

»Du wirst nicht gehen, Johnny!« Sie sprang auf.

»Er tut mir wirklich leid, Doll.«

»Du hast mich missverstanden, Darling.« Sie durchquerte den Raum und legte die Hand auf den Messingknopf der Eichentür, die zum Wohnzimmer führte. »Ich habe dich nicht gebeten - ich habe es dir befohlen!«

Die große Dogge hob den Kopf und knurrte.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Das rote Auge der Wechselsprechanlage blinkte, und die angenehme Stimme der Sekretärin ertönte.

»Berta Woodring möchte Sie sprechen, Mr. Cadee. Sie ist vom Plattenparadies.«

»Fragen Sie sie, ob es sehr dringend sei, Becky«, erwiderte der Chefdetektiv von Amblett. »Um eins muss ich Miss Forde ablösen, und jetzt ist es fünf vor eins.«

»Ich glaube, Sie sollten mit ihr sprechen.« In Becky Kahns Stimme schwang Mitgefühl, und das war an sich schon ungewöhnlich.

»Na schön, schicken Sie sie herein.« Don Cadee konnte sich nicht an Berta Woodring erinnern, aber schließlich war es unmöglich, alle achtzehnhundert Angestellten des Kaufhauses Amblett zu kennen. Vielleicht gehörte sie auch zu den Aushilfskräften, die man für das Weihnachtsgeschäft eingestellt hatte. Die Verkäuferinnen wandten sich nur selten an den Chefdetektiv. Normalerweise besprachen sie ihre Probleme mit dem Abteilungsleiter. Vielleicht stand Berta Woodring im Verdacht, ein paar Schallplatten entwendet zu haben, und wollte sich nun verteidigen, bevor sie den rosa Entlassungszettel in ihrer Lohntüte fand.

Aber das Mädchen, das im nächsten Augenblick sein Büro betrat, wirkte weder reuevoll noch trotzig. Sie war klein und schlank, und ihre Pferdeschwanzfrisur hatte die Farbe einer reifen Kastanie. Sie besaß ein schmales Gesicht mit weit auseinanderliegenden Augen. In ihrer Hemdbluse und dem braunroten Kostüm machte sie einen zarten Eindruck. Ihre Augen waren dunkel und sorgenvoll, und ihre Stimme klang schüchtern.

»Es tut mir sehr leid, Sie zu stören, Mr. Cadee, aber ich wüsste nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte.«

»Schon gut. Nun setzen Sie sich und erzählen Sie mal.«

»Die Mädchen in meiner Abteilung sagten mir, dass Sie mir helfen könnten.«

»Nun, manchmal können wir wirklich helfen.« Er lehnte sich zurück und fuhr mit den Fingern durch sein vorzeitig weiß gewordenes Haar. »Aber zunächst muss ich einmal wissen, was eigentlich los ist.«

»Es handelt sich um Mr. Maisler.« Sie musterte ihn fragend, ob die Erwähnung dieses Namens irgendeine Reaktion bei ihm auslöste. »Sie kannten doch Mr. Maisler?«

»Den Einkaufsassistenten in Glas und Porzellan?« Er nickte.

»Dann wissen Sie sicher auch, dass er letzte Woche das Geschäft verließ?«

»Ja.« Es hatte keine offizielle Entlassung gegeben, aber man munkelte, dass Maisler von Lieferanten Provisionen angenommen hatte und deshalb gegangen worden war. Soviel Don Cadee wusste, hatte der frühere Einkaufsassistent nicht den geringsten Versuch unternommen, sich gegen diese Vorwürfe zu wehren.

»Johnny Das Mädchen errötete. »Ich meine - Mr. Maisler war vier Jahre bei Amblett, und nun - genau zwei Wochen vor Weihnachten - hat man ihn gehen lassen. Ohne, dass man den geringsten Beweis für eine Unregelmäßigkeit gehabt hätte.«

Seltsam, dachte Don. Ihre Stimme klingt ärgerlich, aber sie wirkt immer noch so verängstigt.

»Sie waren mit Maisler befreundet?«

»Sehr gut befreundet.« Sie starrte auf ihre Handtasche, die sie auf den Knien liegen hatte. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Mr. Cadee. Wir waren sehr gut befreundet - mehr nicht. Er liebte gute Musik und kam öfters ins Plattenparadies, um sich beispielsweise Beethovens Klavierkonzert anzuhören, wenn es in seiner Abteilung gerade einmal ruhig zuging.« Sie blickte kurz auf. »Verlobt waren wir nicht, aber viel zusammen. Außerhalb des Geschäftes natürlich. Immerhin bedeutete ich ihm so viel, dass er - nun...« Sie hob ihr schmales Handgelenk und wies auf die mit Brillanten besetzte goldene Uhr. »Er schenkte sie mir, zum Geburtstag und für Weihnachten zugleich. Ich habe am siebten Dezember Geburtstag, und an diesem Tag gab er mir die Uhr...« Sie schwieg, als bereite es ihr Schwierigkeiten, sich verständlich auszudrücken.

»Ist irgendetwas geschehen, wodurch diese Freundschaft zerstört wurde, Miss Woodring?«

»Er ist verschwunden«, erwiderte sie schnell. »Ganz einfach verschwunden, und ich weiß ganz genau, dass er nicht weggegangen wäre, ohne sich von mir zu verabschieden.«

»Haben Sie ihn noch gesehen, nachdem seine Verbindung zu Amblett gelöst war?«

»Oh, ja. An dem Abend, an dem er seine Entlassung erhielt, gingen wir zusammen essen. Das war Samstag. Am Sonntag fuhren wir hinauf zum Bear Mountain und sahen uns das Schispringen an. Und seit Sonntagabend habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ich bin sicher, dass ihm etwas zugestoßen ist.«

»Vielleicht hat er die Stadt verlassen, um sich eine neue Stellung zu suchen.«

»Das dachte ich zunächst auch. Aber als ich ihn Montag und Dienstag nicht am Telefon erreichte, ging ich gestern Abend zu seinem Appartement, und dort fand ich heraus, dass er am Montag das letzte Mal zu Hause gewesen ist. Die Dienstagzeitung steckte noch an der Tür, und im Kasten war eine Menge Post. Ich ging also zum Hausmeister und ließ aufschließen. Ich wollte mich vergewissern, ob ihm - ob ihm etwas zugestoßen ist.« Ihre Fingernägel bohrten sich in die Handtasche, aber ihre Augen blieben tränenlos.

»Und dann fanden Sie heraus, dass Ihre Befürchtungen unbegründet waren?«

»Wir stellten fest, dass sein Koffer, seine Anzüge und sein Rasierzeug noch da waren. Er hatte also offenbar nicht beabsichtigt, fortzubleiben. Vor allem, weil der Vogel fast tot war.«

»Der Vogel?«

»Sein Wellensittich - Berta nannte er. ihn. Berta hätte weder Wasser noch Futter, und der Käfig war nicht zugedeckt, so dass der arme Vogel vor Kälte beinahe umgekommen ist. Wenn Sie Johnny kennen würden, dann wüssten Sie, dass er so etwa nie getan hätte.«

»Und niemand in diesem Appartementhaus hat ihn seit Montag gesehen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich dachte natürlich daran, zur Polizei zu gehen. Aber es hätte vielleicht etwas eigenartig ausgesehen, wenn gerade ich die Nachforschungen in die Wege geleitet hätte. Außer einer verheirateten Schwester besitzt er allerdings keine Angehörigen. Sie wohnt in Kalifornien, und am Dienstag schickte ich ihm an ihre Adresse ein Telegramm, aber es kam als unzustellbar zurück. Damit ist wohl erwiesen, dass er nicht bei ihr ist.«

»Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Ihnen jetzt zumute ist, Miss Woodring.« Konnte er es sich wirklich vorstellen? Wie würde ihm zumute sein, wenn Sibyl Forde an einem Montagmorgen plötzlich spurlos verschwinden würde und er bis Donnerstagmittag nichts von ihr gehört hätte? »Aber Sie werden verstehen, dass diese Angelegenheit nichts mit Amblett zu tun hat. Soll ich für Sie die Polizei verständigen, damit die Suche nach ihm aufgenommen wird?«

»Ich weiß nicht, Mr. Cadee.« Sie packte die Handtasche so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich weiß nur, dass - falls ihm wirklich etwas zugestoßen sein sollte dies nur auf die schlechte Behandlung zurückzuführen ist, die ihm bei Amblett nach vier Jahren harter Arbeit zuteilwurde. Er hat immer wieder darüber nachgegrübelt und war im tiefsten Innern verletzt. Kein Mensch kann mich davon überzeugen, dass er sich Amblett gegenüber je inkorrekt verhalten haben sollte.«

»Ich glaube Ihnen.« Don bemerkte, dass sie noch immer so furchtsam zu sein schien wie am Anfang. »Aber ich sehe nicht, was ich für Sie tun könnte, da Mr. Maisler ja nicht mehr zu uns gehört.«

»Ich muss ihn finden, Mr. Cadee, oder ich verliere den Verstand. Ich muss wissen, was los ist. Es gibt außer mir doch niemanden, der sich um ihn kümmert.« Sie war jetzt völlig verzweifelt. »Meine Kolleginnen erzählten mir, wie Sie diesen verschwundenen Lagerarbeiter fanden, als seine Familie sich an Sie um Hilfe wandte. Und deshalb dachte ich, wenn Sie... Vielleicht könnten Sie etwas in Erfahrung bringen.« Sie begann jetzt zu weinen, ohne sich dessen zu schämen. Dicke Tränen fielen auf ihre Handtasche.

Das rote Auge der Wechselsprechanlage glühte auf.

Don drückte die Sprechtaste. »Ja, Becky?«

»Notruf von Flügel B. Miss Forde, Mr. Cadee.«

»Sagen Sie ihr, dass ich schon auf dem Weg bin.« Er sprang auf und legte die Hand auf Berta Woodrings Schulter. »Sie gehen jetzt in Ihr Plattenparadies zurück. Ich werde ein paar Erkundigungen wegen Mr. Maisler einziehen.«

»Oh, vielen Dank!«

»Ich sage Ihnen dann, was ich herausfinde. Wenn Sie aber inzwischen von ihm hören, verständigen Sie mich sofort.«

Er hielt ihr die Tür auf,

»Miss Forde ist in der Schmuck Warenabteilung«, rief Becky Kahn. »Sie sollen die Raubtierkette mitbringen.«

Er nahm die Kette, mit der man viel unauffälliger und auch wirksamer als mit Handschellen einen Verdächtigen fesseln konnte, und verließ das Zimmer.

»Die vertraulichen Akten über Miss Woodring und Maisler, Becky«, sagte er noch zu seiner Sekretärin. »Bis halb zwei bin ich zurück. Ich werde das Raubtier schon sehr bald am Schwanz haben.«

»Und ich dachte, um diese Jahreszeit gäbe es nur Rentiere und keine Raubtiere«, meinte Becky. »Aber wenn Sibyl Hilfe braucht, scheint es tatsächlich ein Biest mit scharfen Zähnen und Krallen zu sein.«

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Um Zeit zu sparen, benutzte Don gleich die Treppe. Wenn Sibyl tatsächlich Hilfe brauchte, musste sie einen ganz üblen Burschen erwischt haben. Er hatte keine tüchtigere Mitarbeiterin als dieses fesche rothaarige Mädchen, dessen Foto in seiner Junggesellenwohnung im Hotel Vauclair stand. Auf diesem Bild wirkte sie eher wie ein Collegegirl und nicht wie eine erfolgreiche Kaufhausdetektivin. Ihr Aussehen hatte schon manchen getäuscht, der Übles im Schilde geführt hatte. Normalerweise wurde Sibyl mit jedem Warenhausdieb allein fertig.

Im Erdgeschoss herrschte ein so fröhliches Treiben, wie es in diesem vornehmen Kaufhaus in New Yorks Fifth Avenue normalerweise nicht üblich war. Über die Gänge hinweg zogen sich rote Bänder zu den riesigen Kränzen aus Stechpalmen an den Wänden und zu den großen goldenen Glocken an der Decke. Auf den Ladentischen standen kleine pastellfarbene Christbäume mit winzigen Glühbirnen und glitzerndem Schmuck.

Aus den Lautsprechern dröhnten Glockenklang, und Weihnachtslieder. Dazwischen summte das auf und ab brandende Stimmengewirr der Kauflustigen, die sich nur mühsam vorwärtsschieben konnten.

Das Verkaufspersonal indessen war wenig von dieser Weihnachtsstimmung berührt, die ja vor allem als Anreiz für die Käufer gedacht war. Auch für die Hausdetektive war die Weihnachtswoche die schlimmste des ganzen Jahres. So mancher konnte der Versuchung nicht widerstehen und riskierte einen schnellen Griff, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Es gab natürlich auch die professionellen Kaufhausdiebe, die nur auf den günstigen Moment lauerten, wenn eine Verkäuferin durch einen schwierigen Kunden abgelenkt wurde. Außerdem zog Ambletts zahlungskräftige Käuferschicht stets ein ganzes Heer von Handtaschenräubern und Taschendieben an.

Der junge Mann indessen, der sich in der Nische beim Durchgang zur Boutique Monaco verzweifelt gegen Sibyls Griff wehrte, schien keiner dieser Kategorien anzugehören.

Sein rundes, windgerötetes Gesicht ließ darauf schließen, dass er den größten Teil seiner Zeit im Freien zubrachte.

Seine breiten Schultern ließen kräftige Muskeln vermuten, die er sich nur durch harte Arbeit oder sportliche Betätigung erworben haben konnte. Und schließlich war sein rehbrauner, modischer Kaschmirmantel kein Kleidungsstück, das normalerweise ein Kaufhausdieb trägt, dessen Hauptanliegen es ist, nicht aufzufallen.

Dass er jetzt im Mittelpunkt des Interesses stand, dürfte nicht allein seine Schuld sein. Er lehnte gegen einen Verkaufstisch. Der Filzhut war ihm bis auf die Nase heruntergezogen, so dass er wohl kaum mehr als die Spitzen seiner englischen Schnallenschuhe sehen konnte. Seine Hände konnte er ebenfalls nicht gebrauchen, denn der geöffnete Mantel war ihm über die Schultern herabgezogen worden. Auf diese Weise saßen seine Arme wie in einer Zwangsjacke. Mit der rechten Hand hielt er sich mit gespreizten Fingern am Gürtelschloss fest.

Sibyl Forde stand breitbeinig vor ihm. In ihrer Keilhose, dem feschen weißen Pulli und der Schimütze sah sie aus, als käme sie geradewegs aus Squaw Valley. An ihrer rechten Seite drückte sich Matt Olds, der Leiter der Abteilung Herrenschmuck, herum. Er machte ein besorgtes Gesicht. Zu ihrer Linken stand Anne Bjorkman, eine hagere Verkäuferin in mittleren Jahren, die schon seit zwanzig Jahren bei Amblett arbeitete. Olds bemerkte Don als erster.

»Bringen Sie die Sache endlich zum Abschluss, Mr. Ca- dee«, sagte er eindringlich. »Schaffen Sie ihn hier fort. Wir können uns derartige Szenen nicht leisten

»Ebenso wenig können-Sie sich leisten, einen Saphir im Werte von sechshundert Dollar zu verlieren, Mr. Olds«, sagte Sibyl, ohne sich umzudrehen.

Don trat dicht an sie heran. »Hast du das gestohlene Gut wiederbekommen, Sib?«

»Von mir hat niemand etwas wiederbekommen«, fauchte der junge Mann. »Weil ich nämlich Ihren verdammten Saphir gar nicht gestohlen habe. Aber von Ihnen werde ich eine Menge bekommen, wenn ich Sie wegen dieser ungerechtfertigten Festnahme belangen lasse. Darauf können Sie sich verlassen!«

»Er hat ihn irgendwo bei sich versteckt, Mr. Cadee«, rief Miss Bjorkman. »Ich habe genau gesehen, wie er ihn an sich nahm. Ich kann es beschwören.«

»Wir wollen nicht gleich so schwerwiegende Vorwürfe erheben«, protestierte Matt Olds nervös. »Wir wollen lediglich den Manschettenknopf zurück. Immerhin wäre es möglich, dass es sich um einen Irrtum handelt.«

»Was ist denn nun eigentlich los?«, wandte sich Don an Sibyl.

»Er hat eine Pistole«, erwiderte sie leise.

»So...?« Es war noch nie vorgekommen, dass ein Kaufhausdieb bewaffnet war. »Hat er sie noch bei sich?«

Sibyl nickte. »Er wollte sie ziehen, aber mein Manteltrick hinderte ihn daran.«

Don klopfte blitzschnell die Taschen des Mannes ab.

Sibyl bewegte verneinend den Kopf. »Ich glaube, sie steckt im Gürtel.«

»Dieser Trick hat schon manchem Polizisten das Leben gekostet.« Don trat dicht hinter den Festgenommenen und presste ihm mit dem linken Unterarm den Kopf zurück, während er mit der Rechten die Pistole herauszog. »Machen Sie keine Scherereien, junger Mann.«

»Ich werde Ihnen... noch genug Scherereien machen«, keuchte der Gefangene. Er packte Don mit beiden Händen am Handgelenk, aber der entwand ihm die Pistole und schob sie in seine Jackentasche.

Sibyl atmete erleichtert auf und trat zum Verkaufstisch, wo sie mit einem Finger unter der Messingkante entlangfuhr.

»Hier hat er ihn nicht mit Kaugummi festgeklebt. Wenn er den Manschettenknopf nicht mehr bei sich haben sollte, dann hat er ihn dieser Blondine zugespielt.«

»Vielleicht ist er ja auch lediglich vom Ladentisch gerollt«, warf Matt Olds ein.

»Nein«, widersprach Miss Bjorkman energisch. »Ich sah doch genau, wie er ihn an sich nahm. Ich beobachtete ihn schon eine ganze Weile, weil Sie uns ausdrücklich gesagt haben, Mr. Cadee, wir sollten besonders auf Kunden achten, die dauernd nach dem Verkaufspersonal blicken. Er hat immer wieder zu mir und Mr. Olds hinübergesehen. Diese Blondine mit dem Babygesicht hat er allerdings gar nicht beachtet, und das machte mich besonders stutzig, weil sie genau der Typ war, nach dem sich die Männer umdrehen. Zumal, wo sie Tuchfühlung mit ihm hielt.«

Don schob den Gefangenen vom Ladentisch weg und stellte sich hinter ihn.

»Und dieses süße Baby ist erst verschwunden, nachdem Sie gesehen hatten, wie unser junger Mann den Manschettenknopf an sich nahm?«, fragte er Miss Bjorkman.

»Ja - ich glaube schon.« Sie schien nicht ganz sicher. »Sehen Sie, ich habe sie ja nicht ständig im Auge gehabt, und es kam mir auch nicht in den Sinn, dass die beiden Komplizen sein könnten, weil er sie ja gar nicht beachtete. Ich habe nicht bemerkt, wie sie wegging. Ich winkte ja Miss Forde herbei.«

»Ich sah sie gehen.« Olds war stark verärgert. »Und ich hörte auch, was sie sagte. Sie interessierte sich für einen Saphirring im Wert von sechzehnhundert Dollar, den sie mit der Bemerkung zurückreichte, bei dem Trubel könne man sich ja nicht in Ruhe ein Geschenk aussuchen. Dann ging sie. In den letzten fünfzehn Minuten ist uns vielleicht mehr Umsatz entgangen, als dieser dumme Manschettenknopf wert ist.«

»Ich glaube nicht, dass Sie etwas eingebüßt haben«, meinte Don und rückte den Hut seines Gefangenen zurecht. »Genauso gut können nämlich durch diese Galavorstellung neue Kunden angezogen worden sein. Und jetzt gehen wir nach oben und stellen fest, ob sich dieser vermisste Manschettenknopf wieder auf treiben lässt.«

Sibyl ging ein paar Schnitte neben Don her und beugte sich dicht zu seinem Ohr. »Die Blondine sah eigentlich nicht wie eine Ladendiebin aus.«

»He!« fiel Don ihr ins Wort. »Du hinkst ja!«

»Ja, er trat mir auf den Spann, als ich ihm den Mantel herunterzerrte.«

Don ergriff ihren Arm. »Der Doktor soll sich das gleich mal ansehen. Du könntest dir etwas gebrochen haben.«

»Es geht schon noch, bis du mir eine Ablösung schickst, Don.«

»Du hast Schmerzen, das sehe ich dir an.«

»Na ja, nach Sambatanzen ist mir jetzt nicht zumute.« Sie lächelte gezwungen. »Upi noch einmal auf diese gutdurchwachsene blonde Schöne zurückzukommen - für eine professionelle Kaufhausdiebin war sie zu sehr mit Nerz und Juwelen behängt und auch viel zu gut ernährt. Sie könnte allerdings einen gewissen anderen Beruf ausüben«, fügte sie nachdenklich hinzu.

Der junge Mann rief ihr ein hässliches Schimpfwort zu.

Don schob ihn unsanft in den Personalaufzug.

»Du lässt dir jetzt sofort deinen Fuß anschauen, Sibyl«, wandte er sich an seine Assistentin. »Ich halte unseren Freund hier so lange fest, bis ich weiß, was er mit dir angestellt hat. Der Doktor soll mich sofort anrufen, ja?«

 

 

 

 

  Viertes Kapitel

 

 

In dem neben Dons Büro liegenden Vernehmungszimmer standen zu beiden Seiten des etwas ramponierten Eichentisches zwei harte Stühle, aber Ambletts Chefdetektiv lud den jungen Mann nicht zum Sitzen ein.

»Ziehen Sie den Mantel aus«, sagte er barsch.

Die Augen des jungen Mannes blickten zwar misstrauisch, aber er zeigte keinerlei Besorgnis, wie es sonst bei festgenommenen Ladendieben der Fall war.

»Sie haben kein Recht, mich zu durchsuchen«, schnaubte er.

»Sie wurden ertappt, als Sie Ware an sich nahmen, ohne dafür zu bezahlen, und wir unternehmen nun die gesetzlichen Schritte, diese Ware zurückzubekommen. Also - ziehen Sie den Mantel aus.«

Don nahm von einem der beiden auf dem Tisch stehenden Telefone den Hörer ab. Der Hörer war violett, der Apparat zitronengelb: die Farben des Kaufhauses Amblett.

»Ich möchte nur im äußersten Notfall gestört werden, Becky, ja?« Er legte wieder auf.

»Wenn Sie bei mir gestohlene Ware finden, dann will ich sie aufessen, mit Blausäure garniert.« Der junge Mann schlüpfte aus seinem schweren Kaschmirmantel.

Don trat rasch hinter ihn und tat so, als wolle er ihm behilflich sein, zog ihm aber stattdessen mit einem schnellen Griff die Brieftasche aus der Hüfttasche.

»Werfen Sie den Mantel auf den Tisch.« Don sah die Brieftasche durch. Ein Prachtexemplar aus Florentiner Leder.

»Ich weiß genau, wieviel drin ist, Cadee. Also klauen Sie keinen Hunderter, um dann hinterher zu behaupten, ich hätte Sie bestechen wollen. Diesen Polente-Trick kenne ich.«

»Sie können auch gleich Jackett und Hose ausziehen. Nun mal los, Taybrough.« Auf der gravierten Karte hinter dem Zelluloidfenster der Brieftasche stand lediglich: Mr. Garret Taybrough. »Und wie werden Sie gerufen? Garry?«

»Fahren Sie zum Teufel!«

»Schön, dann werde ich Sie Garry nennen, bis ich einen besseren Namen für Sie finde.«