Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Im Jahr 1837 gehören die Mimbrenos zu den größten Stämmen des Apachen-Volkes. Häuptling Mangas Coloradas und seine Krieger beobachten mit Argwohn die blühende Siedlung Santa Rita del Cobre und sehen machtlos mit zu, wie die Erträge der reichen Kupferminen die Mexikaner immer wohlhabender werden lassen. Alles, was sie noch brauchen, ist ein Grund, um sich zu wehren. Den Auftakt zu einem blutigen Spektakel bildet ein brutales Gesetz der Verwaltung von Chihuahua: Für Apachen-Skalps werden Prämien gezahlt. 100 Dollar für einen Krieger, 50 Dollar für eine Frau, und 25 Dollar für den Skalp eines Kindes. James Johnson, ein Abenteurer ohne jeden Skrupel, liest diese Proklamation und wittert ein gutes Geschäft. Mit seinem Partner Gleason überredet er eine von Ed Eames angeführte Gruppe von Missouri-Trappern, gemeinsam auf Skalpjagd zu gehen. Johnson fällt es nicht schwer, die Minenbesitzer zur Veranstaltung eines großen Festes zu überreden, das die Apachen in eine Falle locken soll.Die Fiesta beginnt, und der Tod hält reiche Ernte. Männer, Frauen und Kinder werden gnadenlos getötet. Als Mangas Coloradas von dieser Bluttat erfährt, schart er die tapfersten Krieger aller Apachen-Stämme um sich und schwört den Mördern blutige Rache. Er wird nicht ruhen, bis er die weißen Skalpjäger und die Bewohner von Santa Rita del Cobre ausgelöscht hat.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 289
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
ONLY eBook - Western
Buch 19
© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Alfred Wallon
Titelbild: Mario Heyer
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Satz: Torsten Kohlwey
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 978-3-7579-7390-2
e119v1
Vorwort
Die Augen des Falken
Die Saat des Hasses
Einladung zum Sterben
Geheime Vorbereitungen
Blutige Fiesta
Der Racheschwur
Der lautlose Tod
Die Welle der Furcht
Gesichter des Schreckens
Tage der Ungewissheit
Zeichen des Todes
Exodus
Tod in der Wüste
Nachwort
Über den Autor
Dies ist ein historischer Roman über die blutigen Anfänge der Apachenkriege. In Deutschland kann man den Namen der Apachen natürlich sofort in Verbindung mit Karl Mays fiktiver Gestalt Winnetou in Verbindung bringen. Aber ich möchte nicht über das von Karl May geprägte Bild der Apachen sprechen, das größtenteils nicht der Wirklichkeit entsprach, sondern vielmehr von den historischen Stämmen und Völkern der Apachen erzählen.
Sie waren vor sehr langer Zeit als Eroberer in dieses Land gekommen. Sie sprachen einen Dialekt der Athabasken-Sprache, die einst im ganzen Nordwesten des Kontinents verbreitet gewesen war. Historische Quellen belegen, dass diese Völker zunächst in den Gebieten gesichtet wurden, die später unter dem Namen New Mexico und Arizona bekannt werden sollten.
Das Zentrum dieser Region bildete der Mogollon Rim, eine gigantische Felsformation im heißen und wüstenähnlichen Niemandsland in der Nähe des Colorado. Von hier aus starteten sie ihre Eroberungsfeldzüge in Richtung Süden – durch die Wüstenwildnis bis hin zu den Gipfeln der Sierra Madre auf mexikanischem Gebiet.
Dieses ganze Land wurde zu ihrem Herrschaftsbereich. Die Zuni-Indianer, die in den unwegsamen Felsenregionen lebten, wurden von ihnen vertrieben. Sie kämpften auch gegen die Yuma im Westen und gegen die Comanchen im Osten. Auf diese Weise eroberten sie ein Stammesgebiet, das sich in allen Himmelsrichtungen ungefähr 800 km weit erstreckte. Hier lebten sie in baufälligen, primitiv errichteten Hütten aus Stangen und Zweigen, die sie Wickiups nannten.
Die Herkunft des Namens Apache ist nicht genau dokumentiert. Historiker vermuten, dass er von dem aus der Zuni-Sprache stammendem Wort „ápachu“ stammt, das so viel wie „Feind“ bedeutet – und das traf auch zu.
Die Apachenvölker gliederten sich auf in eine westliche und eine östliche Gruppe. Zu der westlichen Gruppierung zählten die Mescaleros, Chiricahuas, Mimbrenos und die San Carlos. Die östlichen Völker waren die Jicarillas, Lipans und Kiowa-Apachen.
Die ersten Weißen, mit denen die Apachen Kontakt hatten, waren die spanischen Konquistadoren unter der Führung von Francisco Vasquez de Coronado im Jahr 1542. Die Spanier schilderten sie zu Beginn als „edles Volk, vertrauenswürdig in ihrer Freundschaft“. Das hielt jedoch nicht lange an, denn das brutale Auftreten der spanischen Eroberer in den folgenden Jahrzehnten veranlasste die Apachen, sich zu wehren, indem sie die Siedlungen und Gehöfte der Einwanderer überfielen, die Bewohner töteten und alles niederbrannten. Dieser gegenseitige Hass sollte noch für lange Zeit die Geschichte des Südwestens prägen. Der amerikanische Autor und Historiker Don Coldsmith hat übrigens einige sehr gute Romane aus der Konquistadorenzeit geschrieben. Bekannt geworden sind diese Erzählungen unter dem Namen „Spanish Bit Saga“.
Man verfuhr mit den Apachen ohne Mitleid, denn schließlich kannten auch sie keine Gnade in ihrer Kriegsführung gegen die mexikanischen Feinde. Die wilden Kämpfer der Wüste vernichteten ihre Gegner auf nur jede erdenkliche Art und Weise, und natürlich mit dem kleinsten Risiko für sich selbst. Sie waren zwar keine guten Reiter, trotzdem waren sie imstande, im Laufe eines Tages erstaunliche Entfernungen zurückzulegen. Wenn es sich irgendwie vermeiden ließ, kämpften sie keine offenen Schlachten. Stattdessen war der Überraschungsangriff ihre beliebteste Taktik. Trafen sie auf Widerstand, so zerstreuten sie sich in alle Himmelsrichtungen und verschwanden wie Geister in der Wüste, um bald darauf an einem vorher vereinbarten Ort wieder zusammenzutreffen.
Diese typische Kampfmethode der Apachen versetzte die Mexikaner um 1800 in Angst und Schrecken, denn sie wurden einfach nicht Herr über diese gefährlichen Krieger. Deshalb versuchten die Mexikaner, die gefürchteten Wüstenkrieger zu besänftigen und einen dauerhaften Frieden mit ihnen zu vereinbaren. Sie gaben den Apachen Pferde, Vieh und weitere Geschenke, um sie ruhig zu halten.
So war die Lage auch im Jahr 1837, als der Häuptling Juan José die Mimbrenos anführte. In dieser Zeit gehörten die Mimbrenos zu den größeren Stämmen der Apachen. Ihre Heimat war das Gebiet östlich des Rio Grande in New Mexico bis hin zum Verde-Fluss in Arizona. Fünfzehn Jahre lang hatten die Mimbrenos ihrem Häuptling gehorcht und sich vom Kriegspfad ferngehalten. Gleichzeitig mussten sie aber zusehen, wie die Mexikaner in ihrem Land immer stärker Fuß fassten – und sie kochten vor Zorn. Denn die Mexikaner waren zu Hunderten ins Land gekommen und bauten ihre Städte und Ansiedlungen ohne Rücksicht auf die eigentlichen Herren dieser Region. Sie fürchteten sich auch nicht mehr vor ihnen, denn sie glaubten, dass sie niemals wieder Ärger mit ihnen bekommen würden. Denn schließlich hatten sie ja den Häuptling Juan José so sehr mit Geschenken überhäuft, dass er fett und träge geworden war.
In der Gegend um die Minenstadt Santa Rita del Cobre waren die Gegensätze und der Aufbruch in eine neue Zeit besonders spürbar. Hier herrschte ein geschäftiges Treiben, und der Handel blühte. Für die harte Arbeit in den Kupferminen brauchte man jede Menge Arbeiter, und für den Abtransport des Erzes auch sehr viele Helfer. Immer mehr Menschen zog es in diese Region, denn sie boomte – wie man heute sagen würde.
Die Apachen dagegen waren für viele ein lästiges Relikt der Vergangenheit, und die Stimmung richtete sich gegen sie. In diesem Jahr hatte die Verwaltung von Chihuahua ebenfalls ein brutales Gesetz in Kraft treten lassen, das zusätzliche Wut unter den Mimbrenos und anderen Apachenvölkern verbreitete. Skalpprämien wurden ausgeschrieben: 100 Dollar für einen erwachsenen Krieger, 50 Dollar für eine Frau, 25 Dollar für ein Kind.
Auch Mangas Coloradas lebte in Juan Josés Stamm. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits ein gefürchteter Krieger, der sich zahlreiche Kämpfe mit den Mexikanern geliefert hatte und den friedlichen Kurs des alten Häuptlings argwöhnisch verfolgte. Mangas Coloradas war über zwei Meter groß, kräftig und geschmeidig. Allein seine äußere Erscheinung erweckte Achtung und Ehrfurcht. Diese Schilderungen gehen auf historische Zeitzeugenberichte zurück. Ein authentisches Bild von Mangas Coloradas gibt es jedoch leider nicht.
Durch die starke Expansion der Mexikaner fühlten sich die Mimbrenos in ihrer Heimat bedroht. Die ausgeschriebenen Skalpprämien ließen das Feuer des Zorns noch höherschlagen, und gewissenlose Geschäftemacher sahen den Zeitpunkt nun für gekommen, ein für alle Mal durchzugreifen und die „lästigen Mimbrenos“ zu vernichten. Diese finsteren Machenschaften fanden ihren Beginn in dem blutigen Massaker von Santa Rita del Cobre und dem anschließenden Rachefeldzug, in dem Mangas Coloradas eine entscheidende Rolle spielte.
Alfred Wallon
„...Ihr seid in unser Land gekommen und freundlich aufgenommen worden. Weder eure Leute noch ihr Hab und Gut, noch ihr Vieh wurden behelligt. Ihr konntet allein, zu zweit oder zu dritt durch unser Gebiet ziehen. Ihr konntet in Frieden kommen oder gehen. Wir vertrauten darauf, dass wir Brüder seien und dass ihr so empfinden würdet wie wir empfinden...“
Mangas Coloradas (1793 – 1863)
„...Er war der größte und begabteste Apache des 19. Jahrhunderts. Seine scharfsinnigen Pläne bewiesen, dass er über mehr staatsmännische Umsicht verfügte als irgendein anderer Indianer unserer Zeit. Wie keiner seiner Vorgänger verstand er es, größere Teile seines Volkes zusammenzuhalten und sie von dieser Notwendigkeit und der gemeinsamen Stärke zu überzeugen. Er besaß sehr viele gute Eigenschaften, war aber auch rücksichtslos und grausam wie der wildeste Wilde. Mit den Namen derer, die ihm zum Opfer fielen, könnte man ein Buch füllen, doch seine kriegerischen Leistungen waren einzigartig. Durch seine gnadenlose Kriegsführung verwandelte er ein Gebiet, doppelt so groß wie Kalifornien, in eine trostlose Einöde...“
Captain John C. Cremony
Die Luft flimmerte vor Hitze. Es war die heißeste Stunde des Tages, in der jedes Leben erstarrte und nur noch darauf hoffte, dass die unbarmherzige Sonne endlich gen Westen sank und sich die Abenddämmerung allmählich auszubreiten begann. Erst dann würde die tagsüber aufgestaute Wärme abflauen und ein wohltuender Wind aufkommen. Ab diesem Zeitpunkt begannen die Stunden, in denen das Leben in der Wüste halbwegs erträglich war.
Der muskulöse, untersetzte Krieger ignorierte jedoch die grelle Sonne, die auf seinen Rücken brannte. Er lag still wie eine Gila-Echse, einer leblosen Statue gleich. Nur die wachsamen Augen kündeten noch davon, dass dieser Apache alles im Blickfeld hatte und er jederzeit auf eine Gefahr reagieren konnte.
Vor einer Stunde hatte er die Reiter am Horizont bemerkt und überlegt, ob er das Mangas Coloradas und den anderen Kriegern sagen sollte. Es waren vier Reiter. Mexikaner mit breitkrempigen Hüten, die auf eine Gruppe von Felsen zuritten, wo sie wahrscheinlich Ausschau nach einem schattigen Platz hielten.
Goyathlay lächelte verächtlich, als er bemerkte, wie eilig es die Mexikaner hatten. Als sie sich den Felsen näherten, hörte er ihre ächzenden Stimmen. Sie waren erschöpft von dem Ritt, den sie hinter sich hatten. Der Gang der Tiere wirkte erschöpft, und der Krieger erkannte daran, dass die Mexikaner keinen Blick für das Wesentliche hatten. Wenn sie ihre Pferde weiterhin so hart ritten, dann würden sie bald nicht mehr zu gebrauchen sein.
All dies registrierte der Krieger innerhalb weniger Augenblicke. Er war es gewohnt, solche, manchmal lebenswichtigen Details in kürzester Zeit zu registrieren und dann entsprechend zu handeln. Das Land war unbarmherzig und hatte sein Volk seit vielen Generationen geprägt. Entweder man lernte so zu leben und sich jederzeit auf Gefahren einzustellen, oder der Tod kam schnell ...
Hätten die Mexikaner gewusst, wer der Krieger war, der sich weiter oberhalb in den zerklüfteten Felsen verborgen hatte, dann hätten sie es sich gründlich überlegt, hier eine Ruhepause einzulegen. Denn der Name, die die Mexikaner dem Apachen gegeben hatten, war berühmt und berüchtigt zugleich. Auch wenn er noch sehr jung war – gerade einmal zwanzig Jahre. Als Goyathlay kannten ihn nur die Menschen seines eigenen Volkes, aber unter den Mexikanern lautete sein Name Geronimo – und der war ein Symbol für einen mutigen und zu allem entschlossenen Krieger, der schon Dutzende der Eindringlinge getötet hatte.
Auch wenn die Mexikaner in der Überzahl und natürlich bewaffnet waren, hätten sie für Geronimo kein Problem dargestellt. Denn einen Apachen konnte ein Feind erst sehen, wenn der es so wollte. Geronimo war ein Meister des lautlosen Kampfes, und bevor die Mexikaner begriffen hätten, was eigentlich geschah, wären schon zwei von ihnen tot gewesen, und die anderen wären ihnen Sekunden später gefolgt.
Heute aber entschied Geronimo, erst einmal nicht den Kampf zu suchen, sondern stattdessen zu beobachten, was weiter geschah. Die Tatsache, dass die Mexikaner weder Karren noch sonstige Ausrüstungsgegenstände oder Packpferde bei sich hatten, wies darauf hin, dass es sich nicht um Siedler oder Farmer handelte. Die Gewehre und Patronengurte, die jeder von ihnen besaß, standen in einem krassen Gegensatz zu der verwaschenen und teilweise geflickten Kleidung.
Wachsam schaute er weiter zu, wie die Männer von den Pferden stiegen und die Tiere schließlich in den Schatten eines überhängenden Felsens führten. Dort sattelten sie die Pferde ab, rieben sie trocken und gaben ihnen dann aus ihren Wasserflaschen zu trinken. Gerade mal so viel, dass der schlimmste Durst erst einmal gemildert werden konnte.
Geronimo hätte ihnen sagen können, dass das nächste Wasserloch gar nicht weit vom jetzigen Aufenthaltsort der Mexikaner entfernt war. Genau wie die meisten anderen Apachenkrieger kannte er das Land – und natürlich erst recht die Orte, die das Überleben sicherten. Dazu gehörte natürlich auch das Wissen um die verborgenen Tinajas, die manchmal so versteckt zwischen den Felsen lagen, dass man sie erst entdeckte, wenn man direkt davorstand.
Sollen sie ruhig dürsten, dachte Geronimo. Die Sonne wird sie ohnehin weiter schwächen. Sie sind jetzt schon so müde, dass sie am liebsten schlafen möchten, und dann ...
Während die Mexikaner ebenfalls ein schattiges Plätzchen suchten und etwas Wasser tranken, schlich sich Geronimo näher an die Männer heran. Dabei ging er so lautlos ans Werk, dass niemand von den Mexikanern etwas davon bemerkte. Selbst die Pferde konnten den Bedonkohe-Apachen nicht wittern, denn er hatte natürlich sorgsam darauf geachtet, den Tieren nicht zu nahe zu kommen.
Jetzt war er nur noch einen Steinwurf von den Mexikanern entfernt. Erneut erstarrte er, als nur wenige Schritte vor ihm etwas im Gebüsch raschelte. Geronimos Blick erfasste eine kleine, aber wendige Gila-Echse, die sich im Licht der heißen Sonne geräkelt hatte. Aber das Reptil hatte die Nähe des Apachen sofort gespürt und war sofort untergetaucht.
Er wartete einen Moment und spähte von seinem jetzigen Versteck hinüber zu den Mexikanern. Aber die hatten natürlich keine verdächtigen Geräusche gehört. Ein Apache dagegen wäre gewarnt gewesen und hätte sofort reagiert. War dies womöglich ein Zeichen, das die Götter gesetzt hatten und ihn ermutigten, sich noch näher heranzuschleichen?
Geronimo zögerte nicht länger und robbte auf allen Vieren weiter. Lautlos wie eine Schlange nutzte er geschickt jede noch so geringe Deckung aus und gelangte auf diese Weise so nahe an die Mexikaner heran, dass er jedes Wort genau verstehen konnte. Wie viele seines Volkes beherrschte auch er die mexikanische Sprache, denn es war immer gut zu wissen, was ein Feind dachte und fühlte.
Gespannt lauschte er, was die stoppelbärtigen und verwegen aussehenden Männer zu besprechen hatte. Und was er dann zu hören bekam, ließ seinen Atem stocken.
„... wir werden uns eine goldene Nase verdienen, Amigos“, sagte einer der Männer, dessen buschiger Schnauzbart seine schlechten Zähne nur halb verbarg. „Die Jagd ist eröffnet, und wir werden die ersten sein, die reich werden.“
„So einfach ist das nun auch nicht, Manuel“, gab ein anderer Mexikaner zu bedenken. Er war jünger als der schnauzbärtige Anführer. „Glaubst du wirklich, dass wir uns die Skalpprämien so leicht verdienen können?“
Geronimo zuckte zusammen, als er diese Worte hörte. Gespannt und erschrocken zugleich hörte er weiter zu, und mit jedem weiteren Wort, das die Mexikaner untereinander wechselten, stieg sein Zorn ins Unermessliche.
„Die Apachen sind wie wilde Tiere“, meldete sich der dritte Mann zu Wort, während der Vierte mit einem kurzen Nicken seine Zustimmung zu dieser Behauptung gab. „Höchste Zeit, dass sie aus dieser Gegend verschwinden. Sie sind ohnehin schon längst überfällig ...“
Höhnisches Gelächter erklang bei diesen Worten, während der Anführer wieder das Wort ergriff.
„Wir können schnell reich werden, wenn wir es geschickt anstellen. Überlegt doch mal, was das für ein schnell verdientes Geld ist. 100 Dollar für jeden Apachenkrieger, 50 Dollar für jedes Weib, und 25 Dollar für jeden Skalp eines Kindes. Wisst ihr, was das bedeutet?“
„Manuel, mir gefällt der Gedanke nicht, dass wir Frauen und Kinder umbringen“, gab der vierte Mexikaner dann doch noch zu bedenken. Dafür handelte er sich zornige Blicke der anderen ein.
„Frauen gebären Kinder, die eines Tages zu Kriegern werden und gegen uns kämpfen“, belehrte ihn der Anführer. „Soweit darf es nicht kommen. Wenn wir sie jetzt mit Stumpf und Stiel ausrotten, dann ist die Sache schneller vorbei als wir glauben. Oder denkst du, wir sind die Einzigen, die scharf auf diese Skalpprämien sind? Andere Männer sind vielleicht auch schon unterwegs und gehen auf die Jagd.“
„Wahrscheinlich hast du Recht“, stimmte nun auch der zweifelnde Kumpan zu. „Lasst uns langsam weiterreiten. Wir sollten die Sache so schnell wie möglich hinter uns bringen.“
„Jetzt hast du doch Blut geleckt, was?“, grinste einer der anderen Mexikaner. „Ich wusste doch, dass man nicht ans Gewissen denkt, wenn der Preis stimmt.“
Alle lachten, während Geronimos Miene härter wurde. Seine Gedanken überschlugen sich, während er zusah, wie die Mexikaner wieder ihre Pferde sattelten und kurz darauf aufsaßen. Auch Geronimo zog sich jetzt rasch zurück. Er wusste, was er jetzt zu tun hatte. Diese Nachrichten, die er gerade vernommen hatte, mussten Mangas Coloradas und die anderen Krieger erfahren – und natürlich Juan José, der alte Häuptling, der noch immer glaubte, es gebe einen dauerhaften Frieden mit den mexikanischen Teufeln.
Dieser Frieden hatte jedoch nur im Kopf des trägen und schwach gewordenen Häuptlings existiert. Die Wirklichkeit war viel grausamer!
* * *
Seine Augen verfolgten den Flug des Falken hoch oben am stahlblauen Himmel. Mangas Coloradas lächelte, als er sah, wie der Vogel seine Schwingen ausbreitete und dann immer höher flog. Für ihn schien es so, als wenn der Falke direkt in die grelle Sonne flog – in eine Welt, die er selbst niemals zu sehen bekommen würde.
„Deine Welt ist noch ruhig“, murmelte Mangas Coloradas seufzend. „Wo du fliegst, da gibt es noch keinen Krieg und keinen Hass ...“
Die Gedanken des großen Kriegers schweiften ab – in eine Zeit, in der die Mimbrenos und die übrigen Apachenvölker noch allein in diesem Land gelebt hatten. Es war eine gute Zeit gewesen. Sie hatten gejagt und gegen Eindringlinge gekämpft. Aber es war ihnen jedes Mal gelungen, ihre Feinde aus dem Land zu verjagen, das ihnen seit vielen Generationen gehörte.
Mit der Ankunft der ersten Mexikaner hatte sich jedoch viel verändert. Mehr, als Mangas Coloradas und viele andere Krieger zunächst geglaubt hatten. Und als sie erkannt hatten, in welche Richtung das Ganze ging, war es schon zu spät. Da waren die ersten größeren Städte und Ansiedlungen schon errichtet worden, und es kamen noch immer weitere Siedler in dieses Land. Zu viele, um es einfach zu dulden!
Einige der jüngeren Krieger hatten sich dagegen gewehrt und viele der Mexikaner getötet. Aber es hatte nichts geholfen. Stattdessen hatte Juan José entschieden, das Friedensangebot der Mexikaner anzunehmen und nicht mehr zu kämpfen. Seit einigen Jahren war das so. Aber tief in seinem Herzen spürte Mangas Coloradas immer noch, dass dieser Frieden nicht ehrlich war. Es brodelte unter der Oberfläche, und der Zeitpunkt war nicht mehr fern, an dem sich alles verändern würde.
Er war so in Gedanken versunken, dass er die Schritte zunächst gar nicht hörte, die sich ihm näherten. Mangas Coloradas drehte sich um und sah Ponce vor sich stehen. Ponce war ein junger Mimbreno-Krieger, der genau so dachte wie er und viele andere.
„Geronimo ist zurückgekommen“, riss ihn Ponces Stimme aus seinen Gedanken. „Er bringt schlechte Nachrichten. Du solltest sie dir anhören.“
Mangas Coloradas verlor keine weiteren Worte, sondern folgte sofort dem jüngeren Krieger. Es waren insgesamt zehn Mimbrenos, die sich weiter oben zwischen den Sandsteinfelsen verborgen und dort Schutz vor der grellen Sonne gesucht hatten. Von hier oben aus hatten sie einen guten Blick über die weite karge Ebene und konnten so natürlich einen Feind frühzeitig erkennen.
Juan José hatte ihnen zwar immer wieder gesagt, dass die Zeit des Kriegspfades vorbei war und eine neue Zeit begonnen hatte, aber der alte und tief in seinem Herzen völlig verweichlichte Häuptling besaß kein großes Vertrauen mehr bei den Kriegern. Sie alle hatten nicht gewollt, dass er sich auf einen Frieden mit den Mexikanern eingelassen und dafür in Kauf genommen hatte, dass mit jedem weiteren Jahr noch mehr Mexikaner hierherkamen.
Sie hatten Löcher in die Erde gegraben und Felsen gesprengt. Wie Ameisen wühlten sie darin, um ein Metall herauszuholen, das sie Kupfer nannten und für sie von unschätzbarem Wert war. Mangas Coloradas hatte nie begriffen, warum das die Mexikaner taten. Denn dieses Kupfer konnte man nicht essen, und man konnte auch keine vernünftigen Waffen daraus herstellen. Aber die Welt der mexikanischen Teufel war eine ganz andere als die seines Volkes, und die unterschiedlichen Kulturen drifteten immer weiter auseinander anstatt aufeinander zuzugehen.
Mangas Coloradas sah den jüngeren Geronimo inmitten der anderen Krieger stehen. Er gestikulierte wild mit den Händen und gab sich sehr aufgeregt. Das war kein gutes Zeichen.
Der jüngere Krieger hielt für einen kurzen Augenblick inne, als er den hünenhaften Mimbreno-Apachen sah.
„Skalpe!“, fuhr er dann mit wütender Stimme fort. „Sie wollen unsere Skalpe und zahlen noch Geld dafür!“
„Was meinst du damit?“, fragte Mangas Coloradas.
„Die Häuptlinge der Mexikaner wollen unseren Tod“, fuhr Geronimo fort. „Ich habe vier Männer gesehen, die in die Berge geritten sind. Sie haben viele Gewehre und Kugeln bei sich. Ich habe sie belauscht und erfahren, welche Gefahr uns droht...“
In kurzen Sätzen schilderte er Mangas Coloradas, was er erfahren hatte. Dieser blickte sehr nachdenklich drein, als er das hörte.
„Skalpprämien?“, wiederholte er noch einmal Geronimos Worte. „Selbst für Frauen und Kinder?“
„Ich habe es gehört“, bekräftigte Geronimo noch einmal seine Worte. „Weißt du, was das bedeutet, Mangas Coloradas? Sie werden uns jagen wie wilde Tiere und nicht eher Ruhe geben, bis wir alle tot sind.“
„Tötet die Mexikaner!“, ereiferte sich jetzt Ponce und reckte drohend die rechte Faust empor. „Wir hätten es schon längst tun sollen!“
Auch die anderen Krieger stimmten Ponce zu und machten ihrem Zorn Luft. Mangas Coloradas dagegen blieb ruhig, obwohl auch er das gleiche dachte. Aber Wut und Zorn waren nicht immer gute Ratgeber. Stattdessen überlegte er fieberhaft nach einer Lösung. Aber so sehr er auch grübelte - die Fakten blieben die gleichen.
„Wo sind diese Hunde jetzt, Geronimo?“, wollte Ponce wissen.
„Ich habe gesehen, wie sie nach Westen geritten sind. Dort liegt auch unser Lager.“
„Wir werden sie töten, bevor sie dort sind“, sagte Delshay, ein anderer Krieger. „Was sagst du dazu, Mangas Coloradas?“
Der Angesprochene spürte, dass man jetzt eine Antwort von ihm erwartete – und zwar eine, die die anderen Krieger zufrieden stellte. Deshalb zögerte Mangas Coloradas keine weitere Sekunde mehr, und was er zu sagen hatte, war eindeutig.
„Wir werden nicht zulassen, dass unsere Frauen und Kinder bedroht werden“, entschied er. „Die Mexikaner sind in die Berge gekommen, um menschliches Wild zu jagen. Aber alles, was sie dort erwartet, wird nur der Tod sein...“
Die Krieger jubelten, als sie diese Worte vernahmen. Sie sprachen das aus, was jeder dachte.
* * *
Die Sonne war schon ein gutes Stück weiter nach Westen gewandert, aber die Hitze, die schon seit den frühen Morgenstunden das Land geknechtet hatte, war nun so stark, dass die vier mexikanischen Skalpjäger fast am Ende ihrer Kräfte waren. Selbst die Hoffnung, schon bald eine Menge Geld verdienen zu können, machte es ihnen nicht leichter, als Ziel zu kommen.
„Mein Gott, was für eine Gluthitze“, murmelte der Anführer Manuel Armijo und wischte sich zum wiederholten Mal einige dicke Schweißtropfen von der Stirn. „Wisst ihr, was ich zuerst mache, wenn wir diese Sache hinter uns haben?“
Er blickte abwartend zu seinen Kumpanen, die neben ihm ritten, bemerkte deren fragende Blicke und fasste dies als Zeichen auf, seinen Monolog fortzusetzen.
„Ich werde in die nächste Stadt reiten und mich betrinken“, klärte er seine Männer auf. „Und dann suche ich mir eine Chiquita mit ordentlich Feuer im Hintern, die mich vergessen lässt, welche Strapazen ich erdulden musste...“
„Keine schlechte Idee, Manuel“, nickte der vierzigjährige Elfego Sanchez. „100 Dollar habe ich noch nie im Leben besessen. Und die gibt´s schon für einen einzigen Apachenskalp. Kaum vorstellbar, wenn man sich mal genau darüber den Kopf zerbricht, oder?“
„Der Gouverneur von Chihuahua weiß genau, was er tut“, meldete sich Hermosino zu Wort, ein Mischling, der Yaquiblut in den Adern hatte und im Moment von seinen Kumpanen wegen seiner pechschwarzen Haare aufgezogen wurde. Er wusste warum das so war und war wütend darüber. Auch wenn ihm die anderen mehrfach versichert hatten, dass sie es nicht ernst gemeint hatten.
„Und weil das so ist, werden wir uns ein ordentliches Stück von diesem Kuchen abschneiden, bevor es andere tun“, meinte Manuel Armijo abschließend. „Was glaubt ihr, was passiert, wenn sich diese Nachricht erst in Santa Rita del Cobre verbreitet? Da werden einige ihre Hacken und Schaufeln fallen lassen und lieber auf Apachenjagd gehen. An die Arbeit in den Minen denken sie dann nicht mehr.“
„Würde ich auch tun“, stimmte ihm Sanchez zu. „So schnell an gutes Geld zu kommen, ist schon eine einmalige Gelegenheit. Manuel, du warst doch schon mal in den Bergen. Wie weit ist es denn noch, bis wir auf die ersten Apachen stoßen? Wir müssen vorsichtig sein, denn ich möchte nicht gleich mit einer ganzen Kriegerhorde Bekanntschaft machen.“
„Der alte Trottel Juan José hat seine Leute im Griff“, beruhigte Armijo seinen Kumpan. „Er hat ihnen verboten, auf den Kriegspfad zu gehen, weil ihn die Behörden mit Geschenken und Warenlieferungen überschüttet haben. Ein dicker Bauch denkt nicht an Tod und Krieg, Elfego.“
„Mir ist egal, wie fett dieser Apache ist“, winkte Sanchez ab. „Hauptsache, wir kriegen unser Geld, wenn wir den Job getan haben ...“
Armijo erwiderte nichts darauf, sondern beobachtete stattdessen das Gelände, das sie durchquerten. Die weite Ebene hatte sich jetzt in eine felsige Landschaft verwandelt. Bizarre Steine und aufgetürmte Kamine reckten sich in den stahlblauen Nachmittagshimmel empor, und das intensive Licht der gleißenden Sonne sorgte für ein zusätzliches Farbenspektakel auf dem rostroten Gestein.
Der Anführer der mexikanischen Skalpjäger fühlte sich auf einmal unwohl und konnte sich nicht erklären, warum das so war. Das mulmige Gefühl in seinem Magen verstärkte sich noch, als der Weg weiter vorn auf einen Einschnitt im Gesteinsmassiv zuführte. Seine Blicke richteten sich auf die Felsen links und rechts des Weges, aber dort blieb alles still.
„Was ist denn, Manuel?“, wollte Hermosino wissen. „Warum zögerst du? Glaubst du etwa, dass ...?“
Er konnte seinen Satz nicht mehr zu Ende sprechen, denn in diesem Augenblick schlug plötzlich etwas mit einem dumpfen Laut in seine Brust ein und stieß ihn nach hinten vom Pferd. Hermosino schrie, als er den gefiederten Pfeil sah, der sich tief in seine Brust gebohrt hatte. Aber als er auf dem harten steinigen Boden aufschlug, war dieser heftige Schmerz bereits einer lähmenden Taubheit gewichen, die sich Bruchteile von Sekunden später in eine alles verschlingende Schwärze verwandelte. Das war der Moment, als der Atem des Skalpjägers erlosch.
Das Ganze hatte nur wenige Sekunden gedauert, und erst jetzt begriffen Armijo und seine zwei Kumpane, welche Gefahr ihnen drohte. In diesem Moment tauchten wie aus dem Nichts plötzlich drei weitere halbnackte sehnige Gestalten hinter den Felsen auf und stürzten sich todesmutig auf die Männer.
Ehe sich die Mexikaner zur Wehr setzen konnten, waren zwei von ihnen auch schon von den wendigen Kriegern gepackt und aus den Sätteln gerissen worden. Einem von ihnen – Elfego Sanchez – war es noch gelungen, seine alte Pistole aus dem Halfter zu reißen, aber abdrücken konnte er nicht mehr. Einer der Apachen versetzte ihm einen harten Schlag ins Gesicht und stieß mit der linken Faust, in der sich ein scharfes Messer befand, nach.
Etwas Heißes bohrte sich in Sanchez Gedärme und ließ ihn schreien. Eine entsetzliche Hitze breitete sich in seinem Magen aus, die schließlich den gesamten Körper erfasste. Tränen rannen ihm die Wangen herunter, während er in ein grell bemaltes Gesicht blickte, dessen Züge voller Hass waren. Das waren die letzten Eindrücke in seinem Leben, bevor ihm der Apache die Kehle durchschnitt.
Armijo hatte Sanchez sterben sehen und bemerkte, wie der dritte Kumpan sich verzweifelt gegen die Feinde wehrte. Da wusste er, dass es ein Fehler gewesen war, in die Berge zu reiten. Geistesgegenwärtig riss er sein Pferd herum und drückte ihm die Sporen in die Seite. Das Tier wieherte gequält auf und preschte sofort los, während er hinter sich einen gurgelnden Schrei vernahm.
Der Anführer der mexikanischen Skalpjäger kam jedoch nicht weit. Urplötzlich sah er einen Schatten über sich. Einer der Apachen hatte hinter einem höher liegenden Felsen gekauert und gesehen, dass Armijo hatte fliehen wollen. Als er direkt an dem Felsen vorbeiritt, verließ der hünenhafte Krieger seine Deckung, sprang Armijo an und gab ihm einen Stoß, der ihm aus dem Sattel schleuderte, während der Apache auf dem Rücken sitzen blieb, das erschrockene Pferd hart an den Zügeln riss und es schließlich zum Stehen brachte.
Armijos Gedanken überschlugen sich, als er den hünenhaften Krieger sah, der auf seinem Pferd saß. Er hatte lange schwarze Haare, die nur von einem Stirntuch gebändigt wurden. Zwei gelbe Streifen unter seinen dunklen Augen verstärkten den Furcht erregenden Eindruck noch. Ganz zu schweigen von dem kalten Blick, der Armijo galt.
Voller Panik wollte der Mexikaner seine Pistole greifen, aber die steckte schon längst nicht mehr in seinem Halfter. Er musste sie beim Sturz verloren haben. Er fluchte, als er sah, wo sie lag. Aber das war so weit entfernt, dass er keine Chance hatte, sie jemals in die Hände zu bekommen.
Hastige Schritte erklangen hinter ihm. Sofort wandte er den Kopf und sah drei der Apachen auf sich zukommen. Abwehrend hob er beide Hände, als er die mitleidlosen Blicke bemerkte und die blitzenden Messerklingen in ihren Händen sah.
„Dios mios“, murmelte er, als ihm bewusst wurde, was das bedeutete. In diesem Moment waren die Krieger auch schon bei ihm, packten ihn an den Armen und rissen ihn nieder. Eins der Messer war so nahe an seiner Kehle, dass er kaum zu atmen wagte.
Jetzt ist es gleich soweit, dachte er voller Verzweiflung und schloss die Augen, weil er nicht sehen wollte, was mit ihm geschah. Er hatte solche Angst, dass er die Kontrolle über seinen Darm verlor.
Einer der Apachen sagte etwas in einer gutturalen Sprache, die Armijo nicht verstand, und ein anderer lachte verächtlich. Verwirrt öffnete Armijo die Augen, als ihm klar wurde, dass er immer noch lebte. Seine Blicke richteten sich auf den hünenhaften Krieger, der alle anderen an Größe deutlich überragte. Er war zwischenzeitlich vom Pferd gestiegen und führte es am Zügel mit sich.
„Lasst mich am Leben, bitte ...“
Armijos Stimme klang so hilflos, dass die Verachtung der anderen Krieger noch deutlicher wurde.
„Du wirst leben“, ergriff der große Apache nun das Wort in Armijos Sprache, was dieser überrascht registrierte. „Aber nur, damit du deinen Leuten sagen kannst, dass der Tod auf sie wartet, wenn sie in die Berge kommen, um unsere Skalpe zu nehmen.“
„Woher … woher weißt du, dass ...“
Armijos Gedanken überschlugen sich, und das konnte man ihm ansehen. Der große Krieger blieb weiterhin ruhig und gelassen und zeigte auf einen jüngeren Apachen, der das Messer an Armijos Kehle gesetzt hatte und nur darauf wartete, das zu tun, was er von Anfang an hatte tun wollen. Aber der große Krieger gab ihm mit einer eindeutigen Geste zu verstehen, dass der Mexikaner nicht sterben würde.
„Wenn ihr in unser Land kommt, dann wissen wir es“, fuhr der Anführer der Apachen fort. „Und wir wissen auch, dass ihr unsere Frauen und Kinder töten wollt, um unsere Skalpe zu nehmen. Deine Freunde haben das mit ihrem Leben bezahlt. Reite zurück und sag allen, dass wir uns wehren werden. Jeder von euch wird sterben, wenn er uns angreift. Juan Josés Friede gilt für mich und die meisten anderen Krieger nicht.“
„Wer bist du?“
„Ich bin Mangas Coloradas“, kam die Antwort des Hünen. „Ich habe nie an Frieden geglaubt. Und jetzt steh auf und verschwinde von hier!“
Die letzten Worte klangen so drohend, dass Armijo am ganzen Leib zitterte. Er stolperte zu seinem Pferd, zog sich hastig in den Sattel und schaute nicht zu der Stelle, wo seine toten Kumpane lagen. Das interessierte ihn nicht mehr. Stattdessen war er froh, selbst mit dem Leben davongekommen zu sein. Kein einziges Mal blickte er zurück, als er los ritt. Denn sonst hätte er das wütende Funkeln in den Augen des jungen Kriegers bemerkt, der ihn fast getötet hätte.
„Warum hast du ihn gehen lassen?“, wollte der aufbrausende Geronimo von Mangas Coloradas wissen.
„Damit er und alle anderen, die unsere Skalpe wollen, gewarnt sind“, antwortete dieser. „Die Mexikaner sind nur stark, wenn es viele sind. Allein oder in kleinen Gruppen brauchen wir sie nicht zu fürchten. Diese Warnung wird sich herumsprechen, und wir werden Zeit gewinnen. Lasst uns zurück zu unseren Leuten gehen. Juan José muss wissen, was hier geschehen ist ...“
„Nur die Hölle ist noch heißer“, murmelte Ed Eames und wischte sich zum wiederholten Mal die Schweißtropfen von der Stirn. „Wann sind wir denn endlich am Ziel, James?“
Der untersetzte Mann mit der ausgeprägten Stirnglatze war von den Strapazen des langen Rittes gezeichnet – genau wie die anderen Reiter. Aber ihm sah man es am deutlichsten an.
„Jetzt mach ja nicht schlapp, Ed“, erwiderte der bärtige James Johnson und musterte seinen Partner abfällig. „Du hast doch die größte Klappe von allen gehabt, als es darum ging, schnelles Geld zu machen.“
„Ed will alles vom Schreibtisch aus erledigen“, grinste Burt Gleason. „Wenn das möglich gewesen wäre, dann hätte er das auch getan, James.“
„Halt den Mund!“, fuhr ihn der erboste Eames an. „Das muss ausgerechnet einer wie du sagen. Du bist doch nur mutig, wenn dein Gegner dir den Rücken zuwendet!“
„Also das ist doch ...“, entfuhr es Gleason und wurde bleich, als er die Worte seines Kumpans vernahm. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn sich jetzt nicht Johnson in den hitzigen Dialog eingemischt hätte!
„Jetzt bleibt mal locker“, riet er den beiden Streithähnen. „Ich glaube, ihr solltet euch besser auf das konzentrieren, was wir vorhaben, anstatt euch gegenseitig an die Gurgel zu gehen.“
Eames murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, beruhigte sich aber schließlich wieder. Auch Gleason behielt jeden weiteren Kommentar für sich und war sehr erleichtert, als am Ende des Felsenmassivs sich eine weite Ebene ausbreitete, in deren Zentrum die kleine Stadt Santa Rita del Cobre lag.
„Endlich“, murmelte ein weiterer der zehn amerikanischen Abenteurer, die vor etlichen Tagen den Rio Grande überquert hatten. „Sieht so aus, als hätten wir es endlich hinter uns. Leute, ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich nach einem kühlen Bier sehne ...“
„Das werden die wahrscheinlich gar nicht haben“, winkte der pessimistische Eames ab. „Du kannst froh sein, wenn du einen Tequila bekommst. Schau dich doch mal um. Diese angeblich wohlhabende Minenstadt ist nichts als eine Ansammlung von baufälligen Holzhütten, verwitterten Lehmgebäuden und alten Schuppen, die beim nächsten Wüstensturm in sich zusammenfallen. Hier ist doch der Hund begraben ...“
Während die Männer sich von Norden her der Minenstadt näherten, ließen sie ihre Blicke in die Runde schweifen und stellten fest, dass Eames mit seiner Behauptung Recht gehabt hatte. Santa Rita del Cobre war der äußerste Zipfel der Zivilisation in diesem einsamen Landstrich. Janos, die nächste Ansiedlung, lag sieben Tagesreisen weiter südlich. Trotzdem lebten und arbeiteten hier Menschen – aber nur wegen der Minen weiter oberhalb in den Felsen. Dort hatte man vor einigen Jahren große Kupfervorkommen entdeckt, und das hatte die Abenteuerlustigen und Glücksritter angezogen wie das Licht die Motten.