Das Mohnblütenjahr - Corina Bomann - E-Book
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Das Mohnblütenjahr E-Book

Corina Bomann

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Beschreibung

Nicole hat ihren Vater niemals kennengelernt. Nie hat ihre Mutter von ihm oder ihrer Vergangenheit gesprochen. Jetzt ist Nicole selbst schwanger und freut sich auf ihr Kind, auch wenn sie es allein großziehen wird. Dann erfährt sie, dass das Kind vielleicht mit einer Erbkrankheit zur Welt kommen wird. Nicole ist am Boden zerstört. Als Erstes muss sie herausfinden, wer ihr Vater war, und endlich bricht ihre Mutter das Schweigen.   *** Ein altes Familiengeheimnis und eine große deutsch-französische Liebe ***   Corina Bomanns internationaler Bestseller in neuer wunderschöner Ausstattung  

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Das Buch

Nicole Schwarz ist allein bei ihrer Mutter aufgewachsen. Schon immer hat sie sich eine große Familie gewünscht. Umso mehr freut sie sich nun mit Ende dreißig über ihre Schwangerschaft – obwohl der Kindsvater sie verlassen hat. Doch dann erfährt sie, dass ihr Baby mit einem Herzfehler zur Welt kommen wird – die Folge einer Erbkrankheit. Voller Fragen fährt Nicole zu ihrer Mutter Marianne an die Mosel. Bei ihr findet sie Trost. Und endlich eine Antwort auf die Frage nach ihrem unbekannten Vater. Marianne wollte nie über ihn sprechen. Jetzt beginnt sie zu erzählen: vom Aufwachsen in der Nachkriegszeit, von einer großen Liebe zwischen Deutschland und Frankreich und von den Ressentiments, die der Krieg auf beiden Seiten hinterlassen hat. Nicole will verstehen, woher sie kommt, und macht sich auf, um ihren Vater zu finden …

Die Autorin

Corina Bomann, geboren 1974 in Parchim, ist gelernte Zahnarzthelferin. Doch ihre ausgeprägte Phantasie und ihre Liebe zum Geschichtenerzählen waren so stark, dass sie diesen Beruf aufgegeben hat und heute als Bestsellerautorin große Erfolge feiert.

Homepage der Autorin: www.corina-bomann-buecher.de

Von Corina Bomann sind in unserem Hause bereits erschienen:

Die Schmetterlingsinsel · Der Mondscheingarten · Die Jasminschwestern · Die Sturmrose · Eine wundersame Weihnachtsreise ·Ein zauberhafter Sommer

Corina Bomann

Das Mohnblütenjahr

Roman

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1191-3

Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage März 2016

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016

Umschlaggestaltung: bürosüd° GmbH, München

Titelabbildung: © bürosüd° GmbH, München (Mohn, Himmel, Wasser, Gras), © Getty Images/da-kuk (Hintergrund, Wasser, Wald, Steine)

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

1

Die Treppe erschien mir endlos. Sie hinunterzusteigen, war für mich eine der größten Anstrengungen der vergangenen Stunden. Der Weg hinauf hatte mich nicht so viel Kraft gekostet, doch da war ängstliche Erwartung meine Begleiterin gewesen. Jetzt drückte mich die schreckliche Gewissheit nieder wie ein viel zu schwerer Rucksack.

Sicher, ich hätte auch den Fahrstuhl nehmen können, aber ich brauchte noch etwas Zeit, bis ich bereit war, das Haus zu verlassen. Dumpf hallte mein Atmen von den Wänden des Treppenhauses wider. Draußen ratterte eine Straßenbahn vorbei. Schweißnass klammerten sich meine Finger an den Handlauf. In meiner Brust brannte es und mein Herz pochte. Ich blieb stehen und atmete tief durch.

Oben öffnete sich eine Tür und Lachen drang nach draußen, gefolgt von einer fröhlichen Verabschiedung. Das Glück der Frau, die hinter mir die Frauenarztpraxis verließ, war deutlich zu hören.

Ich selbst fühlte mich in diesem Augenblick wie betäubt. Ich hatte nicht mit dem Schlimmsten gerechnet, doch die Nachricht, die ich soeben erhalten hatte, hatte meine Welt vollkommen aus den Angeln gehoben.

Heute Morgen hatte mich die Sprechstundenhilfe angerufen. Die Frau Doktor würde mit mir gern über meine Schwangerschaft sprechen. Obwohl die Schwester nichts Konkretes gesagt hatte – das durfte sie am Telefon nicht –, war ich sofort beunruhigt.

Mein nächster Termin war eigentlich erst in einer Woche. Dann sollte der Ultraschall ausgewertet werden, den wir vor ein paar Tagen gemacht hatten. Da hatte es noch so ausgesehen, als sei alles in Ordnung. Jedenfalls hatte Dr. Mandelbaum nicht geäußert, dass sie etwas Verdächtiges gesehen hätte.

Doch von einer Minute auf die andere war alles anders. Kein Arzt ließ um einen Termin bitten, wenn alles okay war.

Ich war im Anfang des vierten Monats und mit achtunddreißig nicht mehr die jüngste Erstgebärende. Es konnte alles Mögliche passieren. Während der Fahrt hierher hatte ich mich regelrecht verrückt gemacht. Vielleicht hatte ich einen Diabetes ausgebildet! Oder war doch etwas mit meinem Kind?

Ich erinnerte mich, dass ich mir heimlich gewünscht hatte, David würde beim Ultraschall dabei sein. Jetzt wünschte ich mir nur noch, dass ich das, was ich erfahren hatte, rückgängig machen könnte.

Im nächsten Augenblick war die Frau hinter mir auf der Treppe. Vor einigen Minuten hatte sie noch zusammen mit mir im Wartezimmer gesessen. Rosenduft umgab sie. Sie trug einen sonnengelben Mantel und eine pinkfarbene Strickmütze auf dem Haar. Unsere Blicke begegneten sich nur kurz, aber die Art, wie ich sie ansah, ließ sie sofort innehalten.

»Ist Ihnen nicht gut?« fragte sie.

»Doch, es ist alles okay, vielen Dank« wiegelte ich ab.

Die Frau, die vor lauter Glück nur so strahlte, betrachtete mich noch einen Moment verwundert, dann ging sie weiter.

Ich beobachtete, wie sie die Treppe hinunterstieg, vollkommen unbeschwert. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war, ob sie schwanger war oder ob sie einfach nur eine Vorsorgeuntersuchung gehabt hatte, die gut ausgefallen war. Sie umgab jedenfalls nicht der kleinste Hauch von Sorge.

Wie wirkte ich auf dieser Treppe? Sah man mir an, was ich erfahren hatte?

Ich ertappte mich dabei, wie ich ängstlich in mich hineinlauschte. Ich spürte nichts, doch ich wusste nun, dass da etwas war. Etwas, das mich all meiner Träume berauben konnte.

Die Stimme von Dr. Mandelbaum hallte in mir nach: »Frau Schwarz, bei näherem Betrachten des Ultraschalls habe ich leider doch eine Unregelmäßigkeit bei Ihrem Kind entdeckt. Genau genommen eine kleine Verdickung der Nackenfalte. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher und würde gern noch einen Ultraschall und eine Nackenfaltenmessung durchführen.«

Wenig später fand ich mich auf der Untersuchungsliege wieder und betrachtete das Bild meines Kindes auf dem Monitor des Ultraschallgerätes. Für jeden anderen mochte es ein Pixelhaufen in Schwarz und Weiß sein, aber ich erkannte darin mein Kind, seinen Kopf, den wachsenden Körper. Als meine Schwangerschaft festgestellt worden war, hatte ich einige Bücher gewälzt, um alles über die kommenden Monate zu wissen. Vielleicht war mir der Begriff »Nackenfaltenmessung« untergekommen, doch ich hatte ihm in meiner Vorfreude keine Beachtung geschenkt.

Dr. Mandelbaums Gesichtszüge waren angespannt. »Es ist, wie ich es vermutet habe« sagte sie schließlich.

»Und was hat das zu bedeuten?« fragte ich, während die Angst in meinen Magen biss und Übelkeit in mir aufstieg.

»Die Nackenfalte weist eine Anomalie auf. Und auch der Herzschlag erscheint mir nicht normal.« Sie wandte sich um und sah mich an. »Unter diesen Umständen habe ich den Verdacht, dass Ihr Kind einen Herzfehler haben könnte.«

»Was bedeutet das? Was für ein Herzfehler?« Ich japste die Worte mehr, als dass ich sie sprach, denn irgendwas schien meine Lungen abzudrücken.

»Es ist noch zu früh, um es mit Gewissheit zu sagen. Deshalb würde ich Sie zur weiteren Abklärung gern an einen Kollegen mit speziellem Equipment überweisen, der nachschauen wird, ob mit dem Herzen Ihres Kindes alles in Ordnung ist. Sollte das nicht der Fall sein, kann er auch feststellen, um welchen Defekt es sich handelt. Einige, wie der Kammerseptumdefekt, können postnatal operativ behoben werden, bei anderen ist eventuell ein Eingriff im Mutterleib notwendig. Bevor wir aber über eine Therapie nachdenken, benötigen wir den Befund des Spezialisten.«

Ich kam mir vor, als wäre ein riesiger Stein auf meiner Brust gelandet. Die ängstliche Erwartung war schlagartig verschwunden, doch die Gewissheit war noch schlimmer. Angst bohrte sich in meinen Magen.

»Und was heißt das?«, fragte ich verwirrt, während Tränen in mir aufstiegen und meine Kehle sich zusetzte. »Wird … kann mein Kind … daran sterben?«

»Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit das nicht passiert«, versicherte mir Dr. Mandelbaum mitfühlend, doch das war ein schwacher Trost. In ihren Augen las ich, dass es passieren konnte. »Ich werde einen Termin für Sie vereinbaren, dann sehen wir weiter. Außerdem sollten wir uns jetzt die Krankheitsgeschichte Ihrer Familie anschauen. Gibt es in Ihrer Familie oder in der des Kindsvaters eine genetische Vorbelastung?«

»Danach haben Sie sich schon mal erkundigt.« Ich sah sie verwirrt an. »Nein, ich meine, ich weiß nicht. Bei meinem …« Ich stockte, als ich mich dabei ertappte, dass ich von David als meinem Freund sprechen wollte. Das war er ja mittlerweile nicht mehr, und eigentlich wollte ich auch nicht an ihn denken … »Beim Vater des Kindes weiß ich es nicht«, fuhr ich fort, während ich um Beherrschung kämpfte. »Er … er hat nie etwas gesagt.« Eigentlich waren wir in unserer Beziehung so weit, dass er einen Herzfehler hätte erwähnen müssen. »Und meine Mutter und deren Schwester sind kerngesund. Auch bei meinen Großeltern ist kein Herzfehler aufgetreten, soweit ich weiß. Meine Mutter redet zwar nicht viel von ihnen, aber …«

»Sie haben erwähnt, dass Ihr Vater unbekannt sei.«

»Ja, meine Mutter sagte mir, dass er vor meiner Geburt verstorben sei.«

Mama hatte nur selten über ihn gesprochen. Sein Tod musste sie hart getroffen haben. Auf jeden Fall hatte sie ihn wohl sehr geliebt, auch über den Tod hinaus, denn soweit ich mich erinnern konnte, hatte sie danach keine engere Beziehung mehr zu einem Mann gehabt. Zwar war da hin und wieder jemand gewesen, doch bis auf ein paar Besuche hatte es niemand geschafft, in unserem Weiberhaushalt, wie ihn meine Mutter nannte, Fuß zu fassen.

»Nun, vielleicht fragen Sie noch einmal beim Kindsvater nach, ob es irgendwelche Vorbelastungen in der Familie gibt. Möglicherweise ist aber auch Ihr Vater der Schlüssel«, hatte Dr. Mandelbaum gesagt. »Reden Sie bitte mit Ihrer Mutter. Es wäre wichtig zu wissen, ob er einen Herzfehler hatte oder ob dergleichen in seiner Familie aufgetreten ist. Darauf könnten wir unsere Untersuchungen ausrichten …«

Konnte es tatsächlich sein, dass mein unbekannter Vater diesen Fehler in meinem Erbgut hinterlassen hatte? Wusste meine Mutter darüber Bescheid? Und falls ja, warum hatte sie es mir nicht erzählt?

Abwesend blickte ich aus dem Fenster des Treppenhauses. Da die Praxis ziemlich weit oben lag, konnte ich auf die Kölner Altstadt und den Rhein blicken, der heute wie ein strahlend blaues Band wirkte, auf dem weiße Schiffe fuhren. Einer der ersten strahlenden Frühlingstage, perfekt für einen Spaziergang am Fluss oder eine kleine Tour außerhalb der Stadt. Vielleicht zum Drachenfels, wo die alte Nibelungenburg stand. Wie lange war ich schon nicht mehr dort gewesen!

Mit diesem Ort verband ich die schönsten Erinnerungen. Erinnerungen an David. An die Zeit, als er noch zu meinem Leben gehörte. Seit zweieinhalb Monaten war das nicht mehr der Fall. Die bittere Erkenntnis, dass ich diese Augenblicke vielleicht umsonst geopfert hatte, bohrte sich in meinen Magen und ließ mir die Tränen in die Augen steigen.

Ich griff in meine Jackentasche und zog einen Zettel hervor. Darauf stand die Adresse eines Spezialisten, der sich mit frühkindlichen Herzfehlern auskannte. Dieses Stück Papier bedeutete Hoffnung und Verzweiflung zugleich. Nach dem Echokardiogramm würde ich Gewissheit haben, ob mein Baby gesund zur Welt kommen würde oder nicht. Ob es operiert werden musste, wenn es geboren war. Oder …

Nein! Ich stoppte meinen Gedankenlauf und schob das Papier wieder in die Tasche. Ich musste erst mal nach Hause, ich musste an einem Ort sein, an dem ich nachdenken konnte.

Draußen vor der Tür kam mir die Luft mindestens zehn Grad kälter vor. Ich richtete das Tuch um meinen Hals und schaute nach oben. Der Himmel bezog sich. Der erste schöne Frühlingstag schien schlechte Laune zu bekommen. Fehlte nur noch, dass es anfing zu schneien.

Während ich zur Straßenbahnstation ging, fühlte sich mein Kopf furchtbar schwer an. Ich war vollkommen ratlos und verängstigt. Was sollte ich jetzt tun? Wie sollte ich die Wochen bis zur Echokardiographie überstehen? Und wie konnte ich mich für den schlimmsten Fall rüsten?

Meine Ärztin hatte versprochen, sich um mich zu kümmern, aber wie wollte sie mir die Angst nehmen? Es gab so viele Momente, in denen ich allein war und mit der Angst kämpfte. Wie wollte sie mir helfen, wenn ich in mich hineinhorchte, als würde ich das Kind fragen: »Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung?«

Als die Straßenbahn angedonnert kam, traten die Gedanken ein wenig zurück. Die Routine setzte ein. Ich zog meinen Fahrausweis, stieg ein und setzte mich. Unter meinem Wollmantel war mein bisher nur leicht gewölbter Bauch nicht zu erkennen. Dementsprechend interessierte sich auch niemand für mich.

Wie oft hatte ich mich dabei ertappt, dass ich früher sehnsüchtig schwangere Frauen angestarrt hatte! Wenn sie mein Interesse bemerkten, hatte ich stets peinlich berührt weggeschaut, doch der Anblick ihres Bauches hatte mich gefesselt und verfolgt. Ich wäre selbst so gern schwanger geworden!

Als es endlich geklappt hatte, war ich die glücklichste Frau der Welt gewesen! Sicher, mir war klar, was auf mich zukommen würde. Ich wusste genau, was passieren würde. Und doch war ich bereit, diesen Preis zu zahlen. Nein, vielmehr noch hatte ich die Hoffnung, dass alles anders werden würde.

Und jetzt? Jetzt fragte ich mich, ob es das wert war. Sicher, ich wollte mein Kind immer noch. Vielleicht sogar noch verzweifelter als vorher.

Doch der Verdacht war niederschmetternd. Ich fürchtete, dass ich meinem Kind damit ein Schicksal aufbürdete, das es nicht verdient hatte. Und das alles nur, weil ich zu egoistisch gewesen war und um jeden Preis ein Kind gewollt hatte.

Ich bezweifelte, dass die Mütter, die ich neidisch in der Bahn angestarrt hatte, von solchen Zweifeln geplagt wurden. Natürlich konnte ich es nicht wissen, doch irgendwas sagte mir, dass sie jetzt mit ihren gesunden Kindern herumtollten und dass ihre Ängste ganz andere waren als meine in diesem Augenblick.

Ich beschloss, nicht mehr zurück zur Arbeit zu fahren. Das Reisebüro würde auch ohne mich auskommen. Ich hatte mich eigentlich nur für die Mittagspause abgemeldet, doch kaum war ich aus der Straßenbahn heraus, zog ich mein Handy hervor und rief Gesa, meine Kollegin, an. Ich erklärte ihr, dass es mir nach dem Arztbesuch nicht so gut ginge, wofür sie auch volles Verständnis zeigte.

Zu Hause traf mich die Stille wie ein Schlag.

Selbst vor Davids Auszug war es hier nicht besonders laut gewesen; in diese Gegend von Köln zog man nur, wenn man seine Ruhe haben wollte. Ich war keine rheinische Frohnatur, ich stammte ursprünglich aus Koblenz. David und ich hatten geplant, uns in dieser Stadt ein gemeinsames Leben aufzubauen. Doch dann hatte sich alles geändert.

Und jetzt wirkte die Stille, die mich empfing, beinahe unheimlich auf mich. Früher hatte ich immerhin gewusst, dass er irgendwann nach Hause kommen würde. Jetzt wusste ich, dass ich die erste und letzte Person war, die diese Wohnung betrat.

Nach unserem großen Streit hatte ich mich damit getröstet, dass ich nicht lange allein bleiben würde. In ein paar Monaten würde hier ein Baby glucksen, ein Jahr danach würde es seine ersten Schritte machen. Ich würde alles komplett umstellen, mir ein richtiges Nest bauen. Kein Minimalismus mehr, sondern bunte Blumen, Patchworkkissen und -decken, Plüschtiere. Vielleicht würde ich ein paar neue Möbel besorgen. Nichts mehr aus dem Einheitsmöbelhaus, sondern Stücke aus dem Secondhandladen. Stücke mit Seele.

Als ich mich jetzt auf mein Sofa sinken ließ, stiegen Zweifel in mir auf. Vielleicht würde es ja nie dazu kommen. Und dabei trauerte ich nicht den Decken, Kissen und Möbeln nach. Ich fürchtete mich davor, dass mein Kind einen Herzfehler haben könnte, der nicht so einfach zu beheben war. Ich fürchtete, dass mein Kind niemals zwischen den Möbeln umherkrabbelte. Dass meine Wohnung womöglich auf ewig leer bleiben würde.

2

Schlaf fand ich in dieser Nacht keinen. Wieder und wieder geisterten die Worte der Ärztin durch meinen Verstand. Es war noch nicht sicher, ob mein Kind einen Herzfehler hatte. Doch was, wenn es so wäre? Was, wenn es eine Herzkrankheit bekam, mit der es sich sein Leben lang herumschlagen musste? Was, wenn ich es gar nicht lebend zur Welt bringen konnte? Wenn ich eine Fehlgeburt erlitt? Davon war in der Sprechstunde nicht die Rede gewesen, doch es lag im Bereich des Möglichen.

Auf einmal kam mir mein Körper wie eine tickende Zeitbombe vor. Was schlummerte in meinen Genen? War mein Vater vielleicht unbemerkt an einem Herzfehler gestorben? Vor fast vierzig Jahren war die Medizin noch eine andere gewesen. Was wusste meine Mutter? Was würde sie dazu sagen, wenn ich ihr davon erzählte?

Komischerweise war es nicht die Telefonnummer meiner Mutter, die ich um kurz vor Mitternacht mit zitternden Fingern hervorkramte. Das Gespräch mit ihr hatte ich auf morgen verschoben, denn da würde sie aus dem Urlaub zurück sein. Ich wollte ihr nicht den letzten schönen Tag verderben.

Es war Davids Nummer, die ich aus den Tiefen der »Boyfriend-Box« hervorzog. Eine solche Verflossenenkiste anzulegen, hatte mir meine Freundin geraten, inspiriert von irgendeiner ihrer Lieblingsfernsehserien. So könne man später, behauptete sie, auf die glückliche Zeit zurückblicken, die man gehabt hatte, und über den verflossenen Schmerz lachen.

Ich hatte die Kiste gehorsam mit allem gefüllt, was von David übriggeblieben war, und sie unter mein Bett geschoben, in die hinterste Ecke. Ich hatte mir geschworen, ihren Inhalt doch irgendwann mal wegzuwerfen. Jetzt war ich froh, dass ich sie mit Hilfe eines Besens hervorziehen konnte. Und ich war froh, dass seine Nummer darin war.

Mittlerweile waren mehr als zwei Monate vergangen, seit ich David zum letzten Mal gesprochen hatte. Zwei Monate lang war von ihm nicht mal die kleinste Nachfrage gekommen, wie es mir ginge. Doch jetzt brauchte ich die Information, ob es Herzfehler in seiner Familie gab. Ein guter Vorwand, endlich wieder seine Stimme zu hören.

Ich holte das Mobilteil meines Telefons, wickelte mich in eine Decke ein und wählte dann seine Nummer.

Der Rufton vermischte sich mit dem Hupen eines Wagens draußen, das beinahe wie eine Warnung klang: Leg auf, bevor es zu spät ist.

Doch woher sollte ich sonst erfahren, ob auf seiner Seite irgendwelche Vorbelastungen existierten? Das Wissen darum könnte unser Kind vielleicht retten!

»Hofer«, meldete sich eine verschlafene Stimme. Ich hatte ihn aus den Federn gerissen. Jetzt erkannte ich, was für eine Dummheit ich gerade beging. Am liebsten hätte ich wieder aufgelegt, doch ich schaffte es nicht, das Gespräch zu beenden.

»David?« Meine Stimme zitterte.

»Nicole?«, fragte er erstaunt zurück. Schlagartig schien er wach zu werden. »Was gibt es? Ist irgendwas passiert?«

Ich schluckte. Ich erinnerte mich noch zu gut daran, wie das letzte Gespräch mit meinem Exfreund geendet hatte.

Damals hatte ich ihm gesagt, dass ich schwanger sei. Gewusst hatte ich es schon seit einer Woche. Als mir morgens speiübel geworden war, hatte ich mir einen Schwangerschaftstest aus der Apotheke geholt.

Was jeden anderen Mann dazu gebracht hätte, vor Freude auszuflippen, brachte David dazu, mich entsetzt anzusehen.

»Aber du weißt doch, dass ich keine Kinder haben will!«, sagte er. »Hat deine Pille versagt? Oder … du hast doch nicht etwa …?«

Ich wollte nicht lügen. »Ich habe die Pille vor drei Monaten abgesetzt. Du weißt, wie sehr ich mir ein Kind wünsche. Und ich werde bald zu alt dafür sein.«

Davids Augen hatten vor Wut die Farbe gewechselt. Aus dem milden Kaffeebraun wurde ein kaltes Schwarz. So hatte ich ihn noch nie zuvor erlebt.

»Wie kommst du dazu, meinen Wunsch so zu ignorieren?«, fragte er eisig. »Ich will keine Kinder, das habe ich dir deutlich gesagt! Warum setzt du die Pille ab, ohne mit mir darüber zu sprechen?«

Und was ist mit meinen Wünschen?, konnte ich damals nur denken. Warum nimmst du keine Rücksicht darauf?

Wenig später schleuderte ich ihm genau das an den Kopf.

»Hätte ich lieber fremdgehen sollen, um ein Kind zu bekommen?«, schrie ich. Mein Puls war auf hundertachtzig. Ja, ich hatte einen Fehler gemacht. Doch es war auch sein Kind! Wieso wollte er nicht einsehen, dass es ein Teil von ihm war, den ich in mir trug? Dass ich sein Kind haben wollte, weil ich ihn liebte!

Das Ganze artete zu einem handfesten Streit aus. Ich versuchte noch eine Weile, ihn von meiner Liebe zu überzeugen, doch schließlich warfen wir uns gegenseitig all unsere Fehler um die Ohren.

»Ich kann nicht länger mit dir zusammen sein«, sagte er und verschwand wenig später aus der Wohnung.

Wie betäubt hatte ich danach auf dem Sofa gesessen und an die Wand gestarrt. Erst viel später hatte ich heulen können. Während die anderen Frauen, die ich neidisch beobachtet hatte, Männer hatten, die ihnen liebevoll über den Bauch streichelten, hatte ich einen Mann, der mich von nun an hasste, weil ich sein Kind bekam …

»Hallo?«, riss mich seine Stimme aus meinen Gedanken. Ich hatte mich in meiner Erinnerung verloren. »Was ist los? Warum rufst du mich mitten in der Nacht an?«

Es war ein Wunder, dass er nicht gleich wieder aufgelegt hatte. Aber David war normalerweise kein Mann, der sich kindisch verhielt.

»Mein Kind«, begann ich mit brüchiger Stimme. »Unser Kind … Ich war heute bei der Frauenärztin. Es besteht die Möglichkeit, dass es einen Herzfehler hat.«

Schweigen. Ich konnte mir schon denken, was ihm durch den Kopf ging. Ich habe dir ja gesagt, dass ich kein Kind will. Das ist alles dein Fehler.

Die Möglichkeit, dass er keine Kinder wollte, weil er von der Vorbelastung in der Familie wusste, schoss mir jetzt in den Sinn. Doch warum hat er nie mit mir darüber gesprochen?

»Und?«, fragte er vollkommen desinteressiert.

Das nahm mir den Atem.

War es ihm wirklich komplett egal? Hatte er nicht mal ein paar tröstende Worte übrig? Und das, obwohl ich ihm geschrieben hatte, dass er sich keine Sorgen um den Unterhalt machen musste. Wenn er das Kind nicht wollte, brauchte er auch nicht dafür zu bezahlen – Punkt.

Aber wir waren sieben Jahre lang zusammen gewesen. Sieben Jahre, in denen es keine größeren Streits gegeben hatte. Sieben Jahre Glück. Wenn ich nicht schwanger geworden wäre, würde er jetzt neben mir liegen. Es würde diesen Anruf nicht geben. Ich würde mich nicht von seiner Herzlosigkeit verletzen lassen müssen.

»Ich wollte fragen … gibt es … gibt es in eurer Familie vielleicht …?« Verdammt, warum stotterte ich wie ein Schulmädchen? Das hier war sehr wichtig! »Gibt es in deiner Familie Herzfehler? Ich meine, weißt du davon?«

»Nein«, antwortete er mürrisch. »In meiner Familie gibt es keine Herzfehler. Ist sonst noch was?«

Mir kamen die Tränen. Gut, die Information hatte ich nun, aber warum schien er nichts zu fühlen? Warum war es ihm egal? Wenn es in seiner Familie keine Herzfehler gab, dann bestand zumindest kein medizinischer Grund dafür, dass er keine Kinder wollte. Ging es ihm wirklich nur ums Prinzip?

»Okay, dann belästige ich dich nicht weiter«, sagte ich resigniert und wartete nicht ab, bis er noch etwas von sich gab, das mich erst noch wütender machte. Ich legte einfach auf und warf das Telefon durch den Raum.

Glücklicherweise wurde es von den zugezogenen Vorhängen vor meinem Fenster abgefangen, bevor es Schaden anrichten konnte.

Zorn und Enttäuschung wüteten in mir. Ich rollte mich unter der Decke zusammen und begann zu weinen. Um David, um die Zukunft, die wir nie haben würden, aber vor allem um mein Kind, das vielleicht gar nicht erst die Chance erhalten würde, diese Welt zu sehen.

3

Am nächsten Morgen erwachte ich erst, als Sonnenlicht direkt auf mein Gesicht fiel. Meine Augen waren verquollen. Über meinen Weinkrampf war ich auf dem Sofa eingeschlafen und hatte mich komplett verlegen. Mein Nacken und meine Schulter schmerzten, und durch meinen Rücken schoss ein Ziehen. Stöhnend richtete ich mich auf und versuchte, meine Beine vom Sofa zu schwingen.

Der gnädige Moment morgendlicher Amnesie verflog rasch, auf einmal fiel mir wieder ein, was mich auf das Sofa gebracht hatte. Ich blickte auf die Armbanduhr, die ich ausnahmsweise nicht abgenommen hatte. Vierzehn Minuten vor elf. Zum Glück war Samstag, und ich musste heute nicht ins Geschäft. Gleichzeitig war es der Tag, an dem meine Mutter von ihrer Reise zurückkehren würde. Es geschah selten, dass sie Urlaub machte. Auch diesmal hatte ich sie förmlich überreden müssen. Ihr Weingut war bei Ben, ihrem Verwalter, in den besten Händen. Sie glaubte allerdings, dass die Rebstöcke Schaden erleiden würden, sobald sie mal einen Fuß vom Gelände setzte.

Um zwölf Uhr sollte ihr Flugzeug in Frankfurt landen. Mit der Bahn brauchte sie dann noch gut anderthalb Stunden, bis sie zu Hause in Schweich an der Mosel ankommen würde. Ich hatte also noch fast drei Stunden, um zu frühstücken und mich auf den Anruf vorzubereiten.

Meine Mutter wusste nichts von dem Termin bei Dr. Mandelbaum. Als sie sich auf den Weg nach Teneriffa gemacht hatte, war die Welt für sie und für mich noch in Ordnung gewesen. Zwei Wochen hatten ausgereicht, um dem Zukunftsgebäude, das ich mir errichtet hatte, schwerwiegende Risse zuzufügen.

Seufzend erhob ich mich und schleppte mich mit schmerzendem Rücken ins Bad. Unter der Dusche würde sich die Verspannung vielleicht ein wenig lösen.

Zwei Stunden später, kurz nachdem meine Mutter mir eine Nachricht geschrieben hatte, dass sie gut zu Hause angekommen war, schnappte ich mir das Telefon und wählte ihre Nummer. Zuvor hatte ich ihr per SMS angekündigt, dass ich Neuigkeiten hätte – sie mit solch einer Nachricht überrumpeln wollte ich nicht.

Meine Hände zitterten.

In den vergangenen Stunden hatte ich mich komplett verrückt gemacht, es war wohl keine gute Idee gewesen, im Internet nach irgendwelchen Herzfehlern zu suchen. Was ich fand, war erschreckend. Natürlich wurde überall davon gesprochen, dass diese Fehler operativ behoben werden mussten. Entweder postnatal oder in manchen Fällen sogar vor der Geburt.

Der Gedanke, dass das Kind in meinem Körper operiert werden müsste, erfüllte mich mit großem Horror. Noch schlimmer waren jedoch die Foren, in denen sich Mütter von Kindern mit Herzfehlern austauschten. Einige von ihnen hatten schon lange versucht, schwanger zu werden – oder sie hatten zuvor bereits Kinder verloren, deren Namen als Signatur unter ihren Posts standen. Die Geschichten der »Sternenkinder«, die keine Chance zum Leben bekommen hatten, rührten mich derart zu Tränen, dass ich den Laptop erst einmal zuklappen musste.

Jetzt schwirrte mir der Kopf, und meine Angst saß tiefer denn je. Ich hoffte sehr, dass meine Mutter mir irgendwie helfen konnte.

»Hallo, meine Süße«, meldete sie sich nach zweimaligem Klingeln.

»Hallo, Mama, wie geht es dir?«

»Hört man das nicht? Eigentlich müsstest du die Sonne, die ich getankt habe, durch den Hörer spüren.« Meine Mutter lachte. Sie schien sich bestens erholt zu haben. In diesem Augenblick hätte ich sonst nach witzigen Urlaubsanekdoten verlangt, doch mit meiner SMS hatte ich sie neugierig gemacht.

»Na, was für aufregende Neuigkeiten gibt es denn?«, fragte sie.

Offenbar glaubte sie wirklich an etwas Gutes. Ich ließ mir einen Moment Zeit, dann antwortete ich: »Setz dich besser hin, Mama. Es … hat vielleicht positiver geklungen, als es leider ist.«

Meine Mutter seufzte. Keine Ahnung, wo sie jetzt war, aber nach einer Weile hatte ich den Eindruck, dass sie meiner Aufforderung nachgekommen war.

»Und, was ist passiert? Ist David wieder bei dir aufgetaucht?«

So gern sie ihn vor unserer Trennung gehabt hatte, so wenig mochte sie ihn jetzt. Besonders nachdem ich ihr erzählt hatte, dass er mich wegen des Kindes verlassen hatte. Ich erinnerte mich noch gut an ihre Schimpftirade, als ich ihr davon berichtet hatte. Und auch an die Sauforgie ohne Schnaps – da ich schwanger war, durfte ich nicht trinken. Dafür hatte meine Mutter für mich mitgetrunken, und ihre Beschimpfungen waren mit vorrückender Stunde immer blumiger geworden. Ich hatte stumm danebengesessen in dem Bewusstsein, dass ich es vermasselt hatte, indem ich eigenmächtig eine Entscheidung getroffen hatte. Dennoch hatte es mir geholfen, sie schimpfen zu hören. Es hatte einfach gutgetan, sie auf meiner Seite zu wissen, auch wenn ich die Schuldige war.

Genau das brauchte ich jetzt auch, noch dringender als damals.

»Ich war gestern bei Dr. Mandelbaum«, begann ich. »Sie wollte einen zweiten Ultraschall machen. Und eine Nackenfaltenmessung.«

»Und, was ist dabei herausgekommen?« Meine Mutter klang besorgt.

»Nun ja … sie meinte, dass die Nackenfalte verdickt sei. Außerdem scheint etwas mit dem Herzen meines Kindes nicht in Ordnung zu sein.«

An dem anderen Ende der Leitung wurde es still. In meinen Ohren dröhnte mein eigener Herzschlag so laut, dass ich glaubte, meine Mutter könnte es hören.

»Mama?«, fragte ich nach einer Weile. Dass meine Mutter umgekippt war, war unwahrscheinlich, dazu war sie eine viel zu robuste Natur. Aber es geschah hin und wieder, dass sie vor Angst, Schrecken oder aus anderen unangenehmen Gründen einfror. Zu erfahren, dass ihr Enkelkind krank sein könnte, gehörte eindeutig dazu.

»Ja?«, antwortete sie und klang ein wenig abwesend.

»Hast du gehört, was ich gesagt habe?«

»Ja, das habe ich, mein Schatz«, antwortete sie ruhig. Ebenfalls typisch für meine Mutter war, dass sie bei Schwierigkeiten zunächst immer ganz ruhig wurde – bevor sie dann wirklich ausflippte. »Und ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich sagen soll. Ist es denn sicher, dass etwas nicht in Ordnung ist?«

»Na ja, ich muss in vier Wochen zur Echokardiographie, da kann man mir Genaueres sagen.«

»Echokardiographie?«, fragte meine Mutter. »Aber das Kind ist doch noch nicht mal geboren!«

»Das gibt es auch für Ungeborene«, entgegnete ich und versuchte, tapfer zu sein, aber ganz gelang es mir nicht. Meine Stimme zitterte, als ich ihr erklärte, was ich im Internet herausgefunden hatte. Dabei steigerte ich mich so sehr in die Sache hinein, dass ich schließlich die Fassung verlor.

»Was soll ich machen, wenn genau das passiert, Mama?«, rief ich zitternd. »Wenn das Kleine operiert werden muss? Was soll ich dann nur machen?«

Die letzten Worte gingen halb unter in den Tränen, die mir über die Wangen kullerten.

»Ich kann dir leider nicht sagen, was du dann machen sollst, dazu fehlt mir die nötige Erfahrung«, sagte meine Mutter nach einer kurzen Denkpause. »Aber ich kann dir sagen, was du jetzt machen wirst. Du packst eine Tasche, meldest dich für ein paar Tage bei der Arbeit ab und kommst her. Und dann überlegen wir gemeinsam, was von den Informationen, die du gefunden hast, wirklich stimmt und ob es nicht vielleicht einen Weg gibt, dir die nächsten Wochen ein wenig zu erleichtern.«

»Wirklich?«, fragte ich.

»Ja, wirklich. Ich bestehe darauf. Pack deine Sachen. Notfalls rufe ich deine Chefin an, damit sie dir freigibt.« Meine Mutter klang äußerst entschlossen. Ich traute ihr zu, dass sie Christina anrief und ihr erklärte, warum ich jetzt ein paar Tage für mich brauchte.

Doch das wollte ich lieber allein regeln.

»Danke, Mama.« Ich wischte mir die Tränen von den Wangen. »Ich mach das schon. Ich rufe nachher wieder an und sag dir, wann ich ankomme.«

»In Ordnung, mein Schatz. Ich werde derweil mal einen Blick auf die Weinstöcke werfen. Ich habe mein Handy dabei, du kannst mich jederzeit erreichen.«

Wir verabschiedeten uns voneinander, und ich klappte den Laptop wieder auf. Eigentlich nur, um ihn runterzufahren, doch da sah ich, dass unterhalb des Posts eines Forumsmitglieds ein schmales Banner stand. Vorher war es mir noch nicht aufgefallen, aber jetzt bemerkte ich es. Es zeigte den kleinen Kopf eines Kindes, der in den Händen einer Frau ruhte. Das Kind sah aus, als würde es schlafen.

Obwohl mich eine ungute Ahnung überkam, wohin dieser Link führte, klickte ich darauf.

Ich sah Bilder in Schwarzweiß, wunderschöne Aufnahmen von Kindern, die aussahen, als würden sie nur schlafen. Daneben standen ihre Geschichten. Keines dieser Kinder war mehr als einen Tag alt geworden. Ihre Eltern hatten mit den Bildern dokumentieren wollen, dass dieses Kind wirklich gelebt hatte – und wenn es nur für Stunden war.

Die Bilder waren sehr ästhetisch fotografiert, von Fotografen, die ihr Handwerk verstanden. Mich trafen sie bis ins Mark. Ich sah in den toten Kindern plötzlich mein eigenes. Würde ich die Kraft haben, so einen Fotografen mein Kind fotografieren zu lassen? Würde ich sein kurzes Leben dokumentieren wollen?

Mein Magen rebellierte. Ich hätte die Seite besser schließen sollen, immerhin wollte ich im Reisebüro Bescheid geben, dass ich Urlaub nehmen wollte. Doch ich konnte mich nicht vom Bildschirm lösen.

Tränen liefen mir über die Wangen, das, was ich sah, wühlte mich zu sehr auf.

Aber dann spürte ich etwas, das meine Hand dazu brachte, auf den Schließen-Button zu klicken.

Nein, sagte ich mir, während die Seite verschwand. Mein Kind lebt, das spüre ich. Es zwingt mich dazu, Blätterteighörnchen mit Erdbeermarmelade in mich reinzustopfen, und hat eine Abneigung gegen Spaghetti aglio e olio. Ich werde zu Mama fahren. Und dann werden wir sehen, was zu tun ist. Vielleicht wird alles gut.

Ich klappte den Laptop zu und ging dann in den Flur, um meine Jacke zu holen. Bevor ich fahren konnte, musste ich mir im Reisebüro den Urlaub genehmigen lassen.

4

Foto Nr. 1

Die achtzehnjährige Marianne steht in einem dunklen Raum, der ihre Gestalt fast vollständig verbirgt. Lediglich durch einen Spalt zwischen den Fenstervorhängen fällt etwas Licht auf ihr Gesicht und ihren Haaransatz. Durch die Dunkelheit wirkt ihr Gesicht wie eine Maske. An den Schultern ist eine kleine Rüsche eines Sommerkleides zu erkennen. Sie legt die Hand auf den Vorhang, als wollte sie ihn weiter aufziehen, doch etwas scheint sie daran zu hindern. (6. Juni 1967)

Es war Richard Schwarz gleichgültig gewesen, noch ein weiteres Kind zu bekommen. Als seine Frau Irene ihn am 15. Januar 1949 aus der Klinik anrief, um ihm mitzuteilen, dass es ein Mädchen geworden sei, hatte er diese Nachricht mit einem »In Ordnung« quittiert und aufgelegt.

Allein schon dieser Anruf aus der Klinik unterschied ihn von anderen Vätern, selbst in seiner Zeit.

Für gewöhnlich trotteten Männer, die Vaterfreuden entgegensahen, stundenlang durchs Wartezimmer, nachdem sie ihre Frau ins Krankenhaus gebracht hatten. Unruhig unterhielten sie sich mit ihren Leidensgenossen, die ebenfalls auf und ab gingen oder mit den Füßen wippend auf den Wartestühlen saßen, sie teilten Geschichten, die sie sonst keinem Fremden erzählt hätten, und warteten, dass die Schwester erschien und ihnen sagte, wie die Geburt verlaufen sei.

Richard Schwarz hatte Irene ein Taxi bestellt, als die Wehen losgegangen waren. Unruhe hatte er nicht verspürt. Seine Frau würde sicher im Krankenhaus ankommen. Dort waren Leute, die sich schon um alles kümmerten.

Als er gehört hatte, dass die Türen des Taxis zugeschlagen worden waren, hatte er sich in sein Atelier begeben und mit seinem neuen Bild begonnen. »Im Tal der Sonne« nannte er es später. Eine grandiose Aussicht auf einen Sonnenuntergang, hinter einem Tal.

Marianne hatte sich angesichts dieses Bildes später oft gefragt, was ihr Vater in dem Augenblick empfunden hatte – zumal dieses Bild ihr Geburtstagsbild war und er ihr das auch immer wieder gesagt hatte. Ja, er hatte nicht mal einen Hehl daraus gemacht, dass er nicht wie alle anderen Väter nervös durch das Krankenhaus getrottet war. Für ihn zählte nur die Kunst, und sie hatte ihm Ruhm und Reichtum eingebracht.

Doch dieses Bild setzte allem die Krone auf. Mariannes Sonnenuntergang wirkte traurig, wie das Ende von allem. Trotz des leuchtend gelben Flecks in der Mitte schien es, als würde dieser kein Licht verströmen, sondern alles Licht in sich aufsaugen. Damit seine Freude über die Geburt des eigenen Kindes zum Ausdruck zu bringen fand sie überaus bizarr. Oder hatte er sich vielleicht gar nicht gefreut? Das konnte man bei Richard Schwarz nicht genau sagen.

Genau genommen konnte sie nur selten die Regungen ihres Vaters einschätzen – und weder ihre Schwester noch ihre Mutter waren ihr dabei eine Hilfe. Wahrscheinlich kannten sie ihn selbst kaum.

Mittlerweile waren achtzehn Jahre vergangen, doch Mariannes Verhältnis zu ihrem Vater hatte sich nicht gebessert. Im Gegenteil. Nachdem sie die reine kindliche Unschuld verloren hatte – die er sehr häufig porträtiert hatte –, war sie für ihn als Modell nur bedingt von Interesse gewesen. Mit Einsetzen der Pubertät begann er, an ihr herumzunörgeln, ebenso wie er es mit Ursula, ihrer Schwester, tat. Seine Frau bekam von alldem nichts mit. Seit ihr Mann aus dem Schlafzimmer ausgezogen war, lebte sie in einer eigenen Welt, in die sie auch ihre Kinder nicht hineinließ.

So waren die besten Tage jene, an denen der Vater seine Familie vollkommen ignorierte. Dann saß er in seinem Atelier in seiner prachtvollen Villa in Mayen in der Eifel, vertieft in Farben und Formen, und ließ sich von seinen Töchtern das Essen bringen.

Für diese Tage war Marianne ihm dankbar, denn so hatte sie Gelegenheit, dem nachzugehen, was sie interessierte. Vom Vater ignoriert zu werden hatte ihr lange weh getan. Ja, es gab auch jetzt noch Momente, in denen sie sich wünschte, dass ihr Vater sie wahrnehmen und sich für die Dinge interessieren würde, die sie begeisterten.

Doch jetzt hatte sie nur ihre Prüfungen im Kopf. Da ihr eigenes Zimmer viel zu klein war, machte sie sich mit ihren Büchern am Küchentisch breit.

Wenn ihr doch die Mathematik genauso leichtfallen würde wie die französische Sprache! Seit sie zum ersten Mal mit einem französischen Text in Berührung gekommen war, war es um sie geschehen gewesen. Im Gegensatz zum Deutschen klang Französisch elegant und weich, kein Wort endete hart, und die Worte auszusprechen war mehr wie ein Gesang. Nachdem sie mit dem Französischunterricht begonnen hatte, hatte sie versucht herauszufinden, ob ihr Lehrer der Sprache wirklich gerecht wurde. Das war schwierig, denn kein Kino in ihrer Nähe zeigte französische Filme im Original. Eine Reise nach Frankreich war undenkbar. Doch dann entdeckte sie in einem kleinen Laden Schallplatten von Édith Piaf und Juliette Gréco. Da sie keinen eigenen Schallplattenspieler besaß, hörte sie die Scheiben mit ihrer Freundin Mona, die stets schwarze Rollkragenpullover trug und von sich behauptete, eine Existentialistin zu sein. Stundenlang saßen sie zusammen und lauschten den wehmütigen und manchmal kämpferischen Melodien, träumten von Frankreich und der dortigen Künstlerszene.

Als ein Kiesel die Scheibe des Küchenfensters traf, zuckte Marianne zusammen und blickte verwirrt auf. Ein zweiter Kiesel kam geflogen und prallte ebenfalls am Glas ab. Es war ein Wunder, dass er es nicht durchschlug.

Sie erhob sich und ging zum Fenster.

Unten holte Christoph gerade zu einem weiteren Wurf aus, den er allerdings noch rechtzeitig stoppte, als er sie sah.

»He, Marianne, kommst du mit zum See?«, fragte er und deutete auf sein Motorrad, das er auf dem Gehweg aufgebockt hatte.

»Kann nicht, ich muss lernen.«

»Die Prüfung ist doch erst in einer Woche.«

»Mag sein, aber ich habe vor, in Mathe eine gute Zensur zu bekommen. Sonst ist es Essig mit dem Studienplatz.«

Mathematik war ihr Schwachpunkt. Das hieß nicht, dass sie nicht rechnen konnte, doch die höhere Mathematik ergab für sie keinen Sinn. Man sagte zwar, dass Mathematik die universale Sprache war, aber für sie war es eine Sprache von einem anderen Planeten. Sie hatte keine Probleme mit den richtigen Sprachen – besonders nicht mit den romanischen –, doch die Zahlen waren ein Code, der sich ihr nicht erschloss. Eher hätte sie Arabisch oder Chinesisch lernen können.

»Du hast immer nur deine Uni im Kopf. Aber okay, wenn du runterkommst, helfe ich dir beim Lernen. Das kannst du am See auch.«

Marianne wusste genau, dass sie alles andere am See tun würden, aber nicht lernen. Für einen Moment war sie versucht, die Bücher Bücher sein zu lassen und hinunterzugehen. Christoph und sie waren zwar kein richtiges Paar, aber sie knutschten miteinander, wenn sie sich trafen. Marianne war fasziniert von dem schwarzhaarigen Jungen, dem die Locken zu allen Seiten abstanden und der auf der Nase stets eine getönte John-Lennon-Brille trug. Obwohl er sonst überhaupt gar keine Ähnlichkeit mit dem Beatle hatte und auch bestritt, auf die Band zu stehen.

»Du weißt ganz genau, dass am See nichts aus dem Lernen werden würde.« Marianne wurde schwer ums Herz. Christoph abzuweisen fiel ihr nicht leicht. Sie wusste, dass auch andere Mädchen ein Auge auf ihn geworfen hatten. Wenn sie ihn ständig abwies, würde er sich eine andere suchen. Eine, mit der er etwas Festes haben wollte, eine, die den ganzen Sommer mit ihm am See verbrachte.

Doch dann fiel ihr wieder das Studium ein, das sie anstrebte. Die langersehnte Freiheit und ein neues Leben, in dem sie tun konnte, was sie wollte.

»Morgen vielleicht«, rief sie Christoph zu. »Morgen ist das Wetter sicher noch besser. Schau, da hinten sehe ich dunkle Wolken aufziehen. Wenn es regnet, haben wir auch nichts vom See.«

Christoph senkte enttäuscht den Kopf und kickte einen Stein weg.

»Ich dachte, wir wollten mehr Zeit miteinander verbringen«, murrte er dann. »In letzter Zeit hängst du nur über deinen Büchern.«

»Aber nach dieser Zeit kommt eine andere. Ich habe dir doch gesagt, dass ich in den Ferien so viel Zeit für dich habe, wie du magst.«

Christoph nickte, aber er wirkte nicht überzeugt.

Angst überkam Marianne. Vielleicht sollte sie doch mitfahren. Lernen konnte sie doch auch morgen …

»Okay, dann morgen«, sagte Christoph. »Und wehe, du redest dich dann auch mit den Büchern und dem Lernen raus. Dann gehe ich rein und entführe dich!«

»Das brauchst du nicht, ich komme ganz freiwillig«, entgegnete sie, froh darüber, dass Christoph ihr eine Entführung androhte. Dann schien sie ihm doch noch nicht egal zu sein. »Also, wir sehen uns morgen!«

»Wenn’s nach mir geht, schon!« Christoph warf ihr eine Kusshand zu und schwang sich wieder auf sein Motorrad. Marianne blickte ihm sehnsuchtsvoll hinterher, dann schloss sie das Fenster wieder.

»Marianne.« Der strenge Ton ihres Vaters brachte sie dazu, herumzuwirbeln. Wie lange mochte er schon dagestanden und sie beobachtet haben? Hatte er mitbekommen, dass sie sich mit Christoph unterhalten hatte?

»Ja?«, fragte sie ein wenig eingeschüchtert. Wenn sich der Vater für sie interessierte, bedeutete es meist Arbeit. Dann sollte sie etwas holen oder bei etwas helfen. Manchmal ließ er auch einfach nur die Wut an ihr aus, wenn er wieder einmal vergessen hatte, einen seiner kostbaren Pinsel ins Terpentin zu stecken.

»Komm mit. Du musst mir Modell sitzen.«

Modell sitzen war das Schlimmste, was er verlangen konnte. Es war nicht so, dass sie sich dabei ausziehen musste. Marianne witzelte manchmal darüber, dass ein Aktbild von ihr doch mal etwas anderes wäre. Aber so etwas verlangte ihr Vater gar nicht. Er wollte ganz einfach nur, dass sie dasaß. Dass er sehen konnte, wie das Licht an ihr vorbeifiel. Manchmal porträtierte er auch ihr Gesicht. Das konnte jederzeit geschehen, wenn es ihm in den Sinn kam. Bisweilen setzte er sich mit seinem Zeichenblock neben sie, während sie Hausaufgaben machte, und zeichnete sie einfach. Die Bilder wurden meist verkauft oder landeten in Ausstellungen, die sie nie besuchte. Dass man sie aufgrund dieser Bilder auf der Straße erkennen würde, war bestimmt nur eine Frage der Zeit.

Früher war das auch Ursula, ihrer Schwester, passiert. Doch die war mittlerweile ausgezogen und studierte in Freiburg Jura. Marianne war furchtbar neidisch auf sie und konnte es kaum noch erwarten, endlich das Abi in der Tasche zu haben. Sie hatte sich an den Unis von Freiburg und Trier beworben, manchmal träumte sie auch davon, nach Berlin zu gehen, in die Zone, wie ihr Vater die geteilte Stadt nannte. Dort sollte es nicht nur eine gute Uni, sondern auch eine Szene von Künstlern aller Art geben. Und gutaussehende Franzosen. Doch dazu musste sie die Prüfungen schaffen, und die schaffte sie nicht, wenn sie mit Christoph am See knutschte.

Und ebenso wenig schaffte sie sie, wenn sie nur im Atelier ihres Vaters herumsaß.

»Darf ich meine Bücher mitnehmen?«, fragte sie deshalb, denn sie wusste, dass es Stunden dauern würde, bis er sie wieder entließ.

»Was willst du damit?«, fragte ihr Vater verständnislos.

»Na ja, wir haben bald Prüfungen, und ich muss für Mathematik lernen.«

Marianne bemerkte, dass sein Blick über ihre Papiere glitt. Marianne hatte sämtliche Hefte der vergangenen zwei Jahre auf dem Küchentisch ausgebreitet, dazu noch etwas Material von Mona, die eine strahlende Eins auf dem Abschlusszeugnis haben würde.

»Und was soll das da?«, fragte er und deutete auf das Buch, das zwischen den Schulbüchern hervorlugte. »Dieses Franzosenzeug?«

Marianne durchfuhr es siedend heiß. Wenn ihr Kopf von all den Formeln, die sie in ihn hineinstopfte, zu brennen schien, kühlte Marianne ihn mit einer Portion Sartre. Sie liebte französische Bücher – und wusste gleichzeitig, dass ihr Vater davon alles andere als begeistert war. Dass sie das Fach belegte, duldete er noch, aber sonst war von französischer Kultur nichts in seinem Haus zu finden.

Richard Schwarz war im Zweiten Weltkrieg an der Westfront gewesen. Von dort hatte er aus irgendeinem Grund einen tiefsitzenden Hass auf Frankreich mitgebracht, der sich auch zweiundzwanzig Jahre nach Kriegsende nicht verflüchtigt hatte. Das war auch der Grund, warum sie nicht nach Frankreich reisen konnte. Ihr Vater würde es nie erlauben.

»Das brauche ich für die Schule«, log sie schnell, denn ihrem Vater war zuzutrauen, dass er das Buch sofort in den Ofen warf.

»Ich denke, du wirst in Französisch nicht geprüft«, fragte Richard argwöhnisch.

Marianne starrte ihn überrascht an. Sie hätte nicht erwartet, dass er zugehört hatte, als sie davon berichtete.

»Das nicht, aber Herr Rosenheim hat mich gebeten, einen Text für die Übersetzung rauszusuchen. Abschlussklausur in der Elften.«

Das stimmte natürlich nicht, ihrem Französischlehrer wäre es nicht im Traum eingefallen, um Hilfe zu bitten, schon gar nicht bei einer Schülerin.

Die Hand ihres Vaters zuckte. Offenbar fragte er sich, ob er das Buch nicht doch ergreifen und ins Feuer werfen sollte. Doch dann schien ihm wieder der Grund einzufallen, aus dem er hier aufgetaucht war.

»Gut, nimm dein Mathematikbuch mit«, sagte er, wobei die Betonung eindeutig auf »Mathematik« lag. Ansonsten klang seine Stimme sanft, selbst wenn er ärgerlich war, wurde sie nie hart.

Marianne dachte bedauernd daran, dass sie jetzt mit Christoph am See knutschen könnte. Sie hätte sich nur einen Moment früher dafür entscheiden sollen. Aber dazu war es zu spät. Mit dem Mathebuch unter dem Arm folgte sie ihrem Vater ins Atelier.

Das Atelier wirkte wie ein Ort aus einer vollkommen anderen Welt. Durch die hohen Fenster fiel sehr viel Licht, hier konnte man beinahe den ganzen Tag arbeiten. Allerdings war das Licht Richard Schwarz nicht immer willkommen. Heute hatte er den Großteil der Fenster verdunkelt. Vor dem kleinen Spalt, der dadurch entstanden war, stand ein Stuhl.

Durch die Verdunkelung wirkte im Raum alles, als hätte man ihm die Farbe entzogen. Mariannes Vater war dafür bekannt, dass seine Bilder immer etwas Trübsinniges ausstrahlten. Doch jetzt schien er endgültig in seiner schwarzen Phase angelangt zu sein.

Von den Bildern im Hintergrund, den Leinwänden, den Kästen mit Farben und Pinseln war nicht viel zu erkennen. Bei diesen Lichtverhältnissen würde es unmöglich sein, einen Blick ins Mathebuch zu werfen. Erneut keimte Bedauern in ihr auf. Da sie allerdings wusste, dass der Versuch, ihren Vater von dem Porträt abzubringen oder vielleicht auch um etwas mehr Helligkeit zu bitten, fehlschlagen würde, nahm sie Platz.

Zunächst blendete sie das Licht ein wenig, irgendwie schien es durch die umliegende Verdunklung heller zu werden. Doch dann erkannte Marianne die gegenüberliegenden Häuser und den Himmel, der sich immer mehr zuzog.

Ihr Vater verschwand in den Schatten, um wenig später zu ihr zu kommen und ihre Haltung zu korrigieren. Dabei berührte er sie kaum, seine Hände glitten unter ihr Kinn, und Marianne änderte die Haltung automatisch, geleitet von der Wärme, die von seinen Fingerspitzen ausging. Sie war es mittlerweile gewohnt und wusste instinktiv, wohin sie sich wenden sollte.

Als er mit ihrer Kopfhaltung zufrieden war, ließ sich ihr Vater wieder von den Schatten des Raumes verschlingen. Selbst wenn sie den Kopf hätte drehen dürfen, hätte sie ihn in der Dunkelheit nicht erkennen können.

So würde sie jetzt wahrscheinlich stundenlang sitzen müssen – ohne Hoffnung, einen Blick in das Buch werfen zu können, denn auch ihre Haltung machte das nun unmöglich.

»Hast du eigentlich eine Ahnung, wie es damals war?«, fragte er plötzlich.

Marianne war darüber so erstaunt, dass sie beinahe den Kopf gedreht hätte. Glücklicherweise fiel ihr sofort wieder ein, dass sie erstarren musste.

»Was meinst du?«, fragte sie. Eine ungute Ahnung beschlich sie. Wenn ihr Vater so begann, folgten meist Geschichten aus dem Krieg. Geschichten, die einen verwirrt und verstört zurückließen.

Er erzählte nicht häufig davon, aber mit dem Sartre-Buch musste sie etwas in ihm aufgeschreckt haben.

»Diese Bastarde haben uns pausenlos beschossen. Noch Monate zuvor hatten sie sich feige in ihren Löchern verkrochen. Unsere Armee hatte sie in Windeseile zurückgedrängt und die Regierung kapituliert. Doch dann sind uns die verdammten Engländer in den Rücken gefallen. Da haben diese feigen Franzmänner wieder Oberwasser gekriegt.«

Ein Schauder überlief Marianne. Diese Geschichten hasste sie so sehr. Geschichten voller falschem Stolz, Verachtung und Ansichten, die mittlerweile überholt sein sollten. Der Krieg lag inzwischen zweiundzwanzig Jahre zurück, nicht mal ihre ältere Schwester hatte etwas davon mitbekommen. Auch hatten sie nie irgendwelche Not verspürt. Auf Bildern hatte sie gesehen, dass dieses Haus auch in die Schusslinie geraten war. Es hatte bei einem Straßenkampf einige Einschusslöcher abbekommen, außerdem waren französische Soldaten hier einquartiert worden. Doch das war lange vorüber.

Als ihr Vater aus dem Krieg zurückkehrte, erhielt er sein Elternhaus zurück und konnte hier eine Familie und ein neues Leben aufbauen. Dennoch war ein unerklärlicher Groll geblieben – gegen Menschen, die eigentlich die Überfallenen gewesen waren und allen Grund hatten, die Deutschen nicht zu mögen. Und jeder, der ihm widersprach, wurde mit kalter Verachtung abgestraft – oder mit einer Wutrede, die ihn aus dem Haus trieb.

Während ihr Vater weitersprach und sich in Hasstiraden gegen Frankreich erging – er redete sich förmlich in Rage –, musste sich Marianne beherrschen, ihm nicht etwas zu erwidern, das ihm nicht passte und womöglich dazu führte, dass er ihr eine Ohrfeige versetzte. Das war einmal geschehen, als sie Partei für Frankreich ergriffen hatte, danach hatte sie gelernt, den Mund zu halten.

Also verlegte sie sich darauf, aus dem Fenster zu schauen und an Christoph zu denken. Vielleicht würde er morgen tatsächlich noch mal auftauchen. Dann würde sie mit ihm gehen. Möglicherweise ließ er sich dazu überreden, mit ihr zu lernen – jedenfalls würde das eher der Fall sein als bei ihrem Vater.

5

Von weitem sah das Weingut aus wie ein ganz normaler Bauernhof. Doch die kleine Weinranke, die am Haupttor angebracht worden war, verriet den wahren Zweck dieses Betriebes.

Es gab in dieser Gegend viele Weingüter. Einige waren sehr imposant. Nicht wenige der Weingüter trugen klangvolle Namen und eigene Wappen. Die älteren Güter auf den Hängen und neben dem Fluss wirkten wie kleine Burgen. Auf unglaublich steilen Berghängen erstreckten sich lange Reihen von Rebstöcken.

Schon beim ersten Besuch hier hatte ich mich gefragt, wie man diese Weinberge bearbeiten konnte. Ich bewunderte die Leute für ihre Hartnäckigkeit, ihnen wunderbaren Wein abzutrotzen.

Das Weingut meiner Mutter war nicht alt, ein solches zu kaufen hätte sie sich nicht leisten können. Ihr Weinberg lag außerhalb von Schweich, nicht direkt am Wasser, aber dennoch in einer sehr guten und steilen Lage. Das Gut war zwei Kilometer davon entfernt – direkt auf dem Hang zu bauen wäre unmöglich gewesen. Es lag auf einer kleinen Anhöhe, die man auch zu Fuß erklimmen konnte. Doch mit dem Taxi war es um einiges bequemer.

Das Anwesen, zu dem ein Wohnhaus mit Fachwerk und rotem Ziegeldach, eine große Scheune und ein weiteres Wirtschaftsgebäude gehörten, war von einer Steinmauer umgeben. Unter einem hohen Vordach stand die hochmoderne Weinbergraupe, mit der die Reben aus steilen Lagen eingebracht wurden. Außerdem zwei Traktoren, mit denen man die gesammelten Reben auf den Hof transportierte.

Als das Taxi davongefahren war, drückte ich den Klingelknopf, über dem der Name »Schwarz« stand. Meine Mutter hatte nie geheiratet, auch nicht, als ich längst erwachsen und ausgezogen war. Manchmal wünschte ich mir, dass sie jemanden hätte, bei dem sie sich anlehnen konnte, der sie umarmte und ihr Wärme spendete.

Meinem leiblichen Vater musste das für eine Weile gelungen sein, doch leider war er aus ihrem und damit auch aus meinem Leben verschwunden. Ich fragte mich, ob sie bereit war, über ihn zu reden. Immerhin schien er der Schlüssel zu meiner Erbanlage zu sein.

Zwar gab es eine Gegensprechanlage, doch kurz nach meinem Klingeln ertönte schon ein Summen – Mama erwartete mich.

Ich trat ein und folgte dem Pflasterweg zum Haus. Hier war das Frühlingsgrün nicht mehr so zögerlich wie in Köln. An den Büschen vor der Mauer prangten bereits dicke Blattknospen. An den beiden großen Kirschbäumen, die das Wohnhaus wie Wächter flankierten, brachen die ersten Blüten auf.

Durch die offen stehende blaugestrichene Tür trat meine Mutter. Sie trug ein buntgemustertes Baumwollkleid, darunter einen dünnen türkisfarbenen Rollkragenpullover, der ihre blaugrünen Augen wunderbar betonte und auch ihr beinahe weißes Haar gut zur Geltung brachte. Überhaupt war ihre Garderobe für eine Frau Mitte sechzig ziemlich farbenfroh. Die meisten ihrer Altersgenossinnen verschwanden bereits hinter steingrauen Klamotten, als wollten sie mit ihrer Umgebung verschmelzen.

Das würde Marianne Schwarz nicht im Traum einfallen. Sie legte es nicht darauf an zu verschwinden. Sie war modern und präsent. Und sie verhielt sich meist auch nicht wie eine Mittsechzigerin. Dennoch verfügte sie über einen breiten Erfahrungsschatz – und sicher auch einige Geschichten, die sie mir noch nie erzählt hatte.

Als sie mich sah, breitete sie die Arme aus und kam mir entgegen. Auf ihrem Gesicht erschien ein wunderschönes Lächeln, ein Lächeln, das sie schon als junge Frau besessen hatte. Auf den Bildern, die ihr Vater von ihr gemalt und gezeichnet hatte, war es oft zu sehen.

»Nicole, meine Kleine«, sagte sie sanft und drückte mich an sich, als wäre ich noch zehn oder elf. »Wie schön, dass du da bist.«

In dem Augenblick, als ich ihr zartes Parfüm einatmete, eine Sorte, die sie schon seit Jahren verwendete, fühlte ich mich wieder zu Hause. Aufgewachsen war ich zwar nicht hier, meine Mutter besaß das Gut erst seit zehn Jahren, aber ihre Anwesenheit und ihr Duft gehörten für mich zu meinem Zuhause, schon solange ich denken konnte. Da konnte sie auch an den Nordpol ziehen oder in die Wüste.

»Es ist schön, mal wieder hier zu sein. Danke, dass du Zeit für mich hast.«

»Du bist meine einzige Tochter. Wenn ich für dich keine Zeit habe, für wen dann?«

Meine Mutter zog mich mit sich ins Haus. Es war sehr geräumig, hatte große Zimmer und ein wunderschönes Entree mit einer schlichten weißen Holztreppe, Marmorfliesen, hohen Fenstern und moderner Kunst an den Wänden.

Ich fragte mich immer, ob es in ihrem Elternhaus auch so ausgesehen hatte. Das Wohnhaus des Weingutes war keine Villa, aber nicht weit davon entfernt. Vom Elternhaus meiner Mutter hatte ich nie ein Foto gesehen, auch waren wir nie dort gewesen. Als ich geboren wurde, hatte meine Mutter bereits mit ihren Eltern und auch mit ihrer Schwester gebrochen, so dass sie nie eine Rolle in meinem Leben gespielt hatten.

Ich hatte mich immer gefragt, was geschehen war – und ob ich die Ursache für diesen Bruch gewesen war. In den Siebzigern war eine uneheliche Schwangerschaft eigentlich kein Grund mehr, von der Familie verstoßen zu werden. Aber wer weiß … Bei den wenigen Malen, die meine Mutter über ihre Eltern gesprochen hatte, hatte sie durchblicken lassen, dass sie sehr konservativ waren. Und ich wusste, dass ihr Vater in den Sechzigern und Siebzigern ein gefragter Maler gewesen war.

Der einzige Berührungspunkt zu ihm war der einmalige Besuch einer Galerie, in der seine Werke gezeigt wurden. Ich sah wunderschöne Porträts meiner Mutter, die sie als Kind und sehr junge Frau zeigten. Komischerweise schien sie niemand außer mir darauf zu erkennen. Die anderen Leute gingen einfach an ihr vorbei, ohne sie anzuschauen oder sich zu fragen, ob sie das hübsche Mädchen auf der Leinwand sein könnte.

»Und, wie geht es dir?«, fragte meine Mutter, nachdem sie mir die Jacke abgenommen hatte. Meinen Koffer schob sie resolut in die Ecke unter der Treppe und führte mich dann ins Wohnzimmer. »Deine Chefin ist ja wirklich ein Engel, dass sie es dir erlaubt, einfach mal so zwei Wochen freizunehmen.«

»Ja, Christina ist schon toll«, entgegnete ich und stellte mich an den Kamin, in dem die Flammen loderten und eine wohlige Wärme verbreiteten. »Ehrlich gesagt hatte ich nicht erwartet, dass sie mir so lange Urlaub gibt, doch als ich ihr erzählt hatte, was los ist, war sie das Verständnis in Person.«

»Ich glaube, jede Frau kann sich vorstellen, was du durchmachst. Ein krankes Kind ist die schlimmste Nachricht, die man erhalten kann. Wenngleich in deinem Fall nicht sicher ist, dass dein Kind krank ist. Ich gehe immer noch davon aus, dass alles in Ordnung ist.«

Instinktiv griff ich an meinen Bauch. »Wollen wir hoffen, dass du recht behältst.«

Wieder war mir nach Heulen zumute. Die Hand meiner Mutter, die sich sanft auf meinen Arm legte, brachte die Flut dazu, sich wieder zurückzuziehen.

»Die Natur ist manchmal unberechenbar. Und es ist nicht gesagt, dass sie in deinem Fall nicht doch etwas Gutes entstehen lässt. Selbst, wenn dein Kind einen Herzfehler hat, heißt es noch nicht, dass die heutige Medizin ihn nicht beheben kann.«

Meine Mutter lächelte, doch hinter ihren Augen sah ich einen Schatten. Dachte sie an meinen Vater? Warum hatte sie mir eigentlich nie etwas von ihm erzählt? Diese und andere Fragen brannten mir auf der Seele. Doch ich entschied, sie jetzt noch nicht zu stellen. Dazu hatten wir später noch Gelegenheit. Nun wollte ich erst einmal die Geborgenheit dieses Ortes genießen.

Meine Mutter schwieg einen Moment, dann fragte sie: »Hast du David Bescheid gesagt? Auch wenn er das Kind nicht will, er sollte wissen, dass möglicherweise etwas nicht in Ordnung ist.«

»Das interessiert ihn nicht«, entgegnete ich und senkte meinen Blick.

»Wie kannst du dir da so sicher sein?«

»Ich habe ihn angerufen. Vorgestern. Ich habe ihn gefragt, ob es Herzfehler in seiner Familie gibt – und alles war wieder wie vorher. Er ist immer noch der Meinung, dass ich nicht hätte schwanger werden dürfen. Jetzt erst recht, wo er doch zu dem Schluss kommen muss, dass ich einen Gendefekt mit mir herumtrage, der sich auf mein Kind auswirkt. Tja, und so muss ich allein mit der Sache fertigwerden.«

In meinem Magen ballte sich der Zorn zusammen. Diesmal aber nicht auf mich, sondern auf David. Okay, ich hatte Scheiße gebaut. Aber es war auch sein Kind. Verdammt, warum interessierte es ihn nicht? Und – hätte er sich auch von mir getrennt, wenn die Zeugung ein Unfall gewesen wäre? Wenn etwa durch ein Antibiotikum die Wirkung der Pille herabgesetzt worden wäre?

»Ich glaube nicht, dass es ihn kaltlässt«, entgegnete meine Mutter. »Du hast ihn mit deinem Anruf einfach überrumpelt.«

»Genauso wie mit meiner Schwangerschaft.«

Ich blickte meine Mutter an. Es wunderte mich, dass sie auf einmal Verständnis für ihn zu haben schien. Dabei hatte sie nach der Trennung ganz anders geklungen. Sie hatte nicht verstehen wollen, warum sich ein Vater nicht zu seinem Kind bekannte. Dass ihre Tochter gegen seine Wünsche gehandelt hatte, war für sie natürlich auch nicht in Ordnung gewesen, aber mir verzieh sie das eher als ihm die Trennung. Jedenfalls hatte ich das bisher geglaubt.

»Deine Schwangerschaft steht nicht zur Debatte«, sagte Mama entschlossen. »Du erwartest ein Kind, und dieses Kind wird die Sonne sehen und durch meinen Weinberg toben. Und von David solltest du selbstverständlich Unterhalt verlangen.«

»Das werde ich nicht«, entgegnete ich und schlang die Arme um meine Schultern. »Ich habe ihn als Samenspender missbraucht. Genau das würde ein Anwalt sagen, falls er auf die Idee käme, mich zu verklagen, weil ich Unterhalt von ihm fordere. Ich werde das Kind allein großziehen. Immerhin hast du das auch geschafft.«

Mama sah mich ein wenig seltsam an. Der Schatten in ihrem Blick wurde tiefer.

»Es war damals ein bisschen anders, ich hatte keine andere Wahl«, gab sie zu bedenken.

»Möglicherweise«, entgegnete ich, und es tat mir leid, dass unser Gespräch diese Wendung genommen hatte. Aber hätte ich etwas anderes erwarten sollen? Wenn das Thema »alleinerziehende Mutter« aufkam, dann tauchte unweigerlich das Gespenst meines Vaters hinter uns auf. Der Vater, dem keine Wahl gelassen worden war, sich um mich zu kümmern. Der Vater, von dem ich praktisch nichts wusste, weil meine Mutter es nicht über sich brachte, von ihm zu sprechen.

»Aber ich werde es schaffen«, setzte ich hinzu, denn meine Mutter sollte nicht denken, dass ich bei David auch nur um einen Euro betteln würde. »Ich werde das Kind allein großziehen. Das ist es, was ich immer wollte. Ein Kind haben. Und sofern … sofern es gesund ist und überlebt, wird alles andere kein Problem mehr sein.«

Probleme gibt es immer, schien ihr Blick zu sagen, doch sie sprach es nicht laut aus.

»Gut, vielleicht solltest du dich erst mal einen Moment lang ausruhen«, wechselte meine Mutter elegant das Thema und hakte mich unter. »Ich habe das Gästezimmer fertiggemacht und ein paar Sachen eingekauft. Wenn du noch was brauchst, besorge ich es morgen. Im Moment ist auf dem Weingut ja nicht so viel zu tun.«