Das Roundpen-Praxisbuch - Freiheitsarbeit mit Pferden - Uwe Weinzierl - E-Book

Das Roundpen-Praxisbuch - Freiheitsarbeit mit Pferden E-Book

Uwe Weinzierl

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Beschreibung

Respekt und Vertrauen aufbauen und eine tiefe Bindung zwischen Pferd und Reiter schaffen: Die Freiheitsarbeit im Roundpen, einem eingezäunten runden Trainingsplatz, macht es möglich. In seinem Übungs- und Praxisbuch gibt der renommierte Natural Horsemenship-Trainer Uwe Weinzierl einen leicht verständlichen Einstieg in die Welt der Freiheitsarbeit - von den allerersten Schritten bis zum höchsten Niveau. Die aufeinander aufbauenden Übungen werden Schritt für Schritt erklärt und mit vielen Fotos und Grafiken veranschaulicht. So wird das  Nachmachen leicht gemacht und es können schnell erste Erfolge erzielt werden. Zusätzlich bietet das Handbuch Strategien zur Problemlösung, eine Bauanleitung für den eigenen Roundpen und viele praktische Tipps zur Haltung im Herdenverband.

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Seitenzahl: 162

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Impressum

© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

BLV ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Vollkommen aktualisierte Neuauflage des im Selbstverlag erschienenen Titels »In kleinen Schritten zur großen Freiheit«.

Projektleitung: Susanne Kronester-Ritter

Lektorat: Christine Weidenweber

Korrektorat: Andrea Lazarovici

Bildredaktion: Petra Ender, Natascha Klebl (Cover)

Covergestaltung: kral&kral design, Dießen a. Ammersee

eBook-Herstellung: Maria Prochaska

ISBN 978-3-96747-105-2

1. Auflage 2022

Bildnachweis

Coverabbildung: Jørdis Brunke

Illustrationen: Jørdis Brunke

Fotos: Jørdis Brunke; Uwe Beyer; Katja Münch; privat; Weinzierl Online-Lehrmaterial

Syndication: www.seasons.agency

GuU 47-105 08_2022_02

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GRÄFE UND UNZER Verlag Grillparzerstraße 12 81675 Münchenwww.graefe-und-unzer.de

Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung des Verfassers dar. Sie wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

In kleinen Schritten zur großen Freiheit

Herzlichen Glückwunsch zum Kauf dieses Buches und vielen Dank für dein Vertrauen. Ich habe die Arbeit im Roundpen über viele Jahre hinweg nahezu täglich unterrichtet. Vor einigen Jahren widmete ich dann eine meiner vier DVDs zu den »Grundlagen des Horsemanship« dem Thema Roundpenarbeit. Die große Zustimmung hat mich ermutigt, schließlich auch einen Online-Kurs zum selben Thema zu konzipieren, der gewissermaßen das Bindeglied zwischen Live-Unterricht und DVD ist. Aus dem Online-Kurs ist nun dieses Buch entstanden.

Als ich vor vielen Jahren begann, mich intensiv mit Horsemanship zu beschäftigen, habe ich – vor die Wahl gestellt, entweder die Videos einzulegen oder nach einem Buch zu greifen – zunächst die laufenden Bilder vorgezogen. Danach habe ich dann auch die Bücher zum Thema verschlungen. Die Reihenfolge ist sicher Geschmackssache und wer das eine tut, muss das andere ja nicht lassen!

In diesem Sinne wünsche ich dir viel Spaß beim Durchblättern und Studieren unseres Handbuches und wünsche mir und dir, dass dies dein Einstieg in die wunderbare Welt der Freiheitsarbeit ist und dass sie dich genauso begeistert wie uns alle, die wir an diesem gemeinsamen Projekt gearbeitet haben …

ACHTUNG: Wir haben die Übungen, die wir euch in diesem Buch vorstellen, natürlich in jahrelanger Praxis mit verschiedenen Menschen und Pferden vielfach erprobt. Dennoch übernehmen wir keine Haftung für etwaige Unfälle, die im Training beim Nachmachen auftreten.

Die Freiheit beginnt im Roundpen

Oder: Mach dir die Welt, wie sie dir gefällt!

Die Freiheitsarbeit im Roundpen nach Natural-Horsemanship-Prinzipien wird in Deutschland seit etwa zwanzig Jahren praktiziert. Mit diesem Buch möchten wir dir zeigen, wie viel Spaß es macht, im Roundpen zu arbeiten, und wie du und dein Pferd schnell erste Erfolge erzielen könnt. Dabei fangen wir gemeinsam mit den allerersten Schritten an und enden auf einem sehr hohen Niveau.

In diesem Handbuch dreht sich alles um unsere drei Fundamente der Roundpenarbeit, die wir in sieben Stufen unterteilt haben. Mithilfe von Schritt-für-Schritt-Anleitungen zeigen wir dir, wie du die sieben Stufen der Roundpenarbeit mit deinem eigenen Pferd erreichen kannst. Wir haben für dich Trainingstipps aufbereitet und die einzelnen Arbeitsschritte mit vielen anschaulichen Fotos und Grafiken versehen. Außerdem bieten wir verschiedene Strategien zur Problemlösung an, wenn es im Training mal zu Schwierigkeiten kommen sollte. Wenn du und dein Pferd euch alle sieben Stufen erarbeitet habt, habt ihr eine solide Basis aus Vertrauen und Respekt aufgebaut, mit der ihr anschließend in der Freiheitsarbeit viel erreichen könnt.

Vorweg ein ernst zu nehmender Ratschlag: Wir möchten dir hiermit dringend davon abraten, nur oberflächlich durch die drei Fundamente »durchzuhuschen«. Das ist nicht empfehlenswert, da du hier die Möglichkeit bekommst, dir eine solide Basis mit deinem Pferd zu erarbeiten, auf der du später in der fortgeschrittenen Freiheitsarbeit aufbauen kannst! Das Einüben der drei Fundamente ist also keine Sache von einer Woche. Wie viel Zeit du und dein Pferd für die drei Fundamente benötigt, darüber lässt sich natürlich kein Pauschalurteil fällen. Den Rhythmus und die Geschwindigkeit der Entwicklung bestimmt vor allem dein Pferd. Wichtig ist also, dass du dir Zeit nimmst – und das bedeutet vor allem: Nimm dir die Zeit, die dein Pferd braucht! Achte darauf, dass du in jeder einzelnen Stufe das Gelernte immer auch durch Wiederholungen festigst. Es kann sein, dass du und dein Pferd die drei Fundamente schon nach einigen Wochen perfekt beherrscht – es ist aber auch sehr gut möglich, dass ihr länger braucht, vielleicht sogar mehrere Monate. Wiederhole jede Übung so lange und geduldig, bis es keine Ausfälle mehr gibt und klar ist, dass es nicht nur vom Zufall abhängt, ob eine Übung klappt oder nicht.

Noch etwas: Dieses Buch kann keinen Kompletteinstieg ins Natural Horsemanship leisten. Du solltest schon mal von »Natural Horsemanship« gehört haben und auch die »sieben Spiele« von Pat Parelli sollten dir ein Begriff sein. Ist das nicht der Fall, solltest du dir vor dem tieferen Einstieg in unsere Roundpenarbeit unbedingt etwas Vorwissen aneignen.

Wozu eigentlich der Roundpen?

Ein Roundpen ist rund, ein Picadero quadratisch. Die Form des Platzes ist aber gar nicht so wichtig, entscheidend ist vielmehr die Größe des Platzes. Er sollte so klein sein, dass du mit deinem Pferd auf Augenhöhe agieren kannst. Immerhin ist es deutlich kräftiger und schneller als du. Auf einer größeren Freifläche wirst du sehr schnell merken, wie groß deine körperlichen Defizite im Vergleich mit deinem Pferd sind – dort ist die Freiheitsarbeit mit einem oder mehreren Pferden nur für Fortgeschrittene zu empfehlen.

Eigentlich ist ein Roundpen also weniger eine Einrichtung für Pferde als vielmehr ein Platz für uns Menschen, auf dem wir die Möglichkeit haben, Pferd spielen zu können.

Vielleicht hilft dir für die Freiheitsarbeit im Roundpen folgendes Bild: Der Roundpen ist die große, weite Prärie und du bist Leitstute und Leithengst in einem: Deine führende, richtungsweisende Hand verkörpert die Leitstute, die den Weg vorgibt, während deine andere Hand mithilfe des Sticks als treibender Hengst fungiert, der dafür sorgt, dass die Ansagen der Stute auch umgesetzt werden. Dein Pferd folgt dir, weil du ranghöher bist. Da wir Menschen aber physisch schwächer sind als unsere Pferde, arbeiten wir eben im Roundpen und nicht auf einer weiten Wiese, wo wir viel mehr rennen müssten – und sehr schnell den Kürzeren ziehen würden.

Bevor wir mit der Erarbeitung der drei Fundamente beginnen, stellen wir dir auf den nächsten Seiten zunächst unser Roundpenkonzept mit all seinen Stufen vor. Anschließend erhältst du noch eine einfach umzusetzende Bauanleitung für deinen eigenen mobilen und kostengünstigen Roundpen. Außerdem darf eine Einführung in das notwendige Equipment und die wichtigsten Spielregeln und Prinzipien der Roundpenarbeit natürlich nicht fehlen, damit du gut vorbereitet zur Tat schreiten kannst.

Zuerst haben wir nun aber noch ein ganz besonderes Extra für dich, das dich sicher in die richtige Stimmung bringt, um anschließend sofort mit der Roundpenarbeit loszulegen: Uwe erzählt dir, wie er selbst damals zur Roundpenarbeit gekommen ist!

Der Roundpen: Geschichten und Geschichte

Meine persönliche Geschichte mit der Roundpenarbeit beginnt, kurz nachdem ich meine ersten beiden Pferde, Samson und Java, gekauft habe. Das muss wohl 1994 gewesen sein. Davor bin ich gelegentlich auf geliehenen Pferden geritten und hatte noch nie etwas von Freiheitsarbeit gehört. Zu dieser Zeit wusste noch keiner, was ein »Picadero« war, und den Begriff »Roundpen« hatten wir alle noch nie gehört. Dabei hatten wir natürlich die Westernfilme gesehen, in denen ein paar Cowboys auf einem verwitterten Holzlattenzaun hockten, während ein mutiger Cowboy auf einem bockenden Pferd saß und versuchte, nicht herunterzusegeln.

Bei den »Weeks of the horsemen« auf Uwes Pferdehof »ArhönA« trafen sich interessierte Pferdemenschen als Zuschauende oder als Teilnehmende an den verschiedenen Horsemanship-Kursen.

Dass man den Roundpen auch als Platz für die Bodenarbeit nutzen kann, wussten wir nicht, und wenn ein Pferd im Kreis gehen sollte, so nahm man es an die Longe. Das machten aber eigentlich nur Dressur- und Sportreiter*innen mit ausgebundenen Pferden, um diese zu gymnastizieren oder sie den Dampf abbauen zu lassen, der sich durch viel zu langes Stehen in engen Boxen aufgestaut hatte. Damit hatten wir Freizeitreiter*innen nichts zu schaffen – unsere Pferde standen ja Tag und Nacht auf der Wiese und auf Gymnastik waren weder wir noch unsere Ponys scharf.

Aus dem Nichts tauchte dann Klaus Ferdinand Hempfling mit seinem Buch »Mit Pferden tanzen« auf. Ich weiß nicht mehr, wie ich darauf kam, dieses Buch zu kaufen, aber irgendwann lag es eben auf meinem Tisch, zusammen mit der VHS-Kassette gleichen Namens. Ich blätterte das Buch durch und verspürte prompt den Drang, die Behauptungen, die Hempfling darin aufstellte, zu überprüfen. Also baute ich auf der Wiese, die uns der Ortslandwirt überlassen hatte und die uns als Reitplatz diente, einen elektrisch verstärkten, zehn mal zehn Meter großen Platz auf. Das war unser erster Picadero. Hempfling hatte das Arbeiten im Picadero in Spanien gelernt. In seinem Buch blätterte ich nur ein wenig, aber sein Video verschlang ich mehrmals hintereinander. Beeindruckend, wie er am losen Seil erregte Hengste an rossigen Stuten vorbeiführte, ohne das Seil auch nur anspannen zu müssen. Er war ein attraktiver Bursche und als ehemaliger Tänzer bewegte er sich athletisch und elegant. Nur wenn er den Mund aufmachte, ging er mir mit seinem mystischen Gequatsche auf die Nerven. Meine Abneigung gegen esoterische Weltsichten verhinderten wohl, dass er und seine Publikationen mich so elektrisierten wie kurze Zeit darauf dann Monty Roberts.

Dem Buch und dem Video von Monty Roberts begegnete ich schließlich 1995 auf einem Winter-Wanderritt nach Wildeck. Da hatte ich bereits einen veritablen Reitbetrieb in der Rhön, »ArhönA«, ins Leben gerufen – und mein schlechtes Gewissen, das Amüsierbedürfnis unserer Bioladen-Feriengäste buchstäblich auf dem Rücken meiner Pferde zu befriedigen, nahm ständig zu. Nachdem ich das berührende Buch von Monty Roberts in einem Rutsch durchgelesen und mir danach auch das Video angeschaut hatte, kam die Probe aufs Exempel: Die Reaktion meines Pferdes Aragon auf die Roberts-Methode an diesem Vormittag in der Reithalle gehört zu den glücklichsten und richtungsweisenden Momenten in meinem Leben.

Die Arbeit an Halfter und Seil spielt zwar eine große Rolle in der Pferdeausbildung, aber für uns steht die Freiheitsarbeit an erster Stelle.

Nach der anfänglichen Begeisterung, die Aragons Reaktion bei mir ausgelöst hatte, verfolgte ich diese Art der Pferdearbeit aber nur halbherzig weiter. Zu groß war die tägliche Herausforderung durch »ArhönA«. Zwar machten wir immer wieder mal Freiheitsarbeit mit unseren Pferden, sie hatte aber noch längst nicht den Stellenwert, den sie in meiner Arbeit heute hat. Irgendwann wurde auch Pat Parelli mit seiner Methode sehr wichtig für uns. Seine Konzeption war klar: Erst wenn die »sieben Spiele« mit Halfter und Seil mit Leichtigkeit gelingen, ist es Zeit abzurüsten. Für das Level 1 des Parelli-Programms brauchten wir damals keine Roundpenarbeit, erst auf einem Level-2-Parelli-Kurs mit Silke Vallentin wurde das zum Thema. Ich hatte bei diesem Kurs meinen Criollo Peon dabei. Er lief im Roundpen Runde um Runde, aber es gelang mir nicht, ihn in die Mitte zu mir einzuladen. Als Silke Vallentin mit ihrem Elektromobil in den Roundpen fuhr, dauerte es keine fünf Minuten und Peon klebte so sehr an ihr, dass er mit seinen eisenbeschlagenen Vorderhufen Kratzer und sogar eine Delle an dem Gefährt von Silke hinterließ. Sie nahm es gelassen, ich blieb in tiefer Bewunderung zurück.

Parelli-Instruktorin Silke Vallentin bei den »Weeks of the horsemen«, 2009.

Zurückgekehrt von diesem lehrreichen Kurs unterrichteten wir unsere Urlaubsgäste auf »ArhönA« nun im Roundpen und praktizierten dabei eine wilde Mischung aus Parelli und Monty Roberts. Wir taten dies mit ein wenig schlechtem Gewissen und auch ein bisschen Angst, unsere angebeteten Vorbilder würden uns auf die Finger klopfen. Sowohl Pat Parelli mit seinem überzogenen Geschützte-Marke-Getue als auch Monty Roberts mit seiner Behauptung, die Pferdesprache »Equus« entdeckt zu haben, schüchterten uns ein.

Damit war es spätestens vorbei, als ich Monty Roberts persönlich kennenlernte – und das kam so: Schon in Berlin als Theatermann hatte ich gelernt, dass es zum Handwerk gehört, sein Publikum auf sich aufmerksam zu machen und sich immer wieder in Erinnerung zu rufen. Nicht selten bin ich also nach meiner eigenen Vorstellung durch die noch leeren Freien Theater Kreuzbergs gezogen und habe unsere Handzettel, die Werbung für unser Kabarett machten, auf den Sitzplätzen verteilt. Die Zuschauenden kamen ja meist rechtzeitig und langweilten sich dann – so hatten sie wenigstens etwas zu lesen!

Nun, da Monty Roberts seine großen Deutschlandtourneen machte und in den Großstädten Hallen mit bis zu 5.000 Zuschauer*innen füllte, dachte ich, es könne keine bessere Zielgruppenwerbung geben, als vor diesen Hallen unsere Handzettel an das Publikum zu verteilen und so auf »ArhönA« aufmerksam zu machen. Als wir dies probehalber in Hannover praktizierten, bekamen wir am nächsten Tag einen Anruf seiner Agentur: Wenn wir diese Frechheit nicht ab sofort unterließen, würden wir es mit Monty Roberts Anwältin zu tun bekommen! Ich rief zwei befreundete Anwälte an, die mir versicherten, dass ich vor den Toren so viele Handzettel verteilen könne, wie ich wollte. Mit dieser Information meldete ich mich bei der Agentur und sagte, ich wolle mit Monty Roberts persönlich telefonieren. Zu meiner Überraschung nannte man mir eine Handynummer. Ich rief an und hatte Andrea Kutsch, seinerzeit seine »First Lady« in Germany, am Apparat. Nachdem ich mein Anliegen geschildert hatte, gab sie ihr Handy an Monty Roberts weiter, ich konnte hören, wie sie sagte: »It’s the guy with the flyers.« Monty beschimpfte mich mindestens fünf Minuten lang, und als ich zu Wort kam, endete unser Gespräch schließlich mit seinen Worten: »Okay, come to Bremen.«

Ich setzte mich in den Intercity und vom Bahnhof bis zum Veranstaltungssaal waren es nur ein paar Hundert Meter, die ich zu Fuß zurücklegte. Ich hatte schon Angst, ich müsste auf dem großen Messegelände ewig suchen, aber eine Versammlung von Pferden und Wachsmantelträgern vor einer Säulenhalle ließ keinen Zweifel: Ich hatte ihn gefunden. Die nächsten drei Stunden verbrachte der sympathische amerikanische Cowboy damit, den Pferdeleuten, die angeritten gekommen waren, weil sie ihre Pferde nicht verladen konnten, den Ablauf der Veranstaltung zu erklären, mit den Veranstalter*innen die letzten Details zu klären und gleichzeitig mir seine Philosophie, seine Vorgehensweise und seine Wut auf mich zu erklären. Er lud mich ein, nicht nur einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, sondern auch die Abendveranstaltung zu besuchen. Er versprach mir, bei seiner nächsten Tour bei uns in der Rhön vorbeizuschauen, um sich davon zu überzeugen, dass auch wir Pferdearbeit im Sinne des Natural Horsemanship machten.

Monty Roberts hat diese Art der Pferdearbeit sicherlich nicht erfunden, wie er es gerne behauptet, aber für eine bessere Pferdearbeit in Europa hat er sehr viel getan! Ich jedenfalls bin ihm dankbar für seine Anregungen, auch wenn er sein Versprechen, bei uns vorbeizukommen, bisher nicht eingelöst hat und das wohl auch niemals tun wird. Wir hingegen hielten das Versprechen, das wir auf den Flugblättern vor den Veranstaltungshallen gegeben hatten: Monty Roberts ist heute für euch da, wir sind immer für euch da!

Uwe und Veloz, das neue Dreamteam, 2008.

Thomas Günther von pro ride Horsemanship bei den »Helden der ArhönA«, 2008.

Die Freiheitsarbeit im Roundpen wurde zur täglichen Selbstverständlichkeit für uns und unsere Feriengäste und ich habe viele Menschen weinen sehen, als ihnen eines unserer Pferde ohne Halfter und Seil willig folgte. Natürlich werden auch die außerordentlichen Ereignisse und Erlebnisse zu einer langweiligen Routine, wenn man sie täglich praktiziert, und so strebten wir nach Höherem: Es reichte nicht mehr, dass uns die Pferde folgten, sie sollten es auch im Trab und im Galopp tun. Sie sollten nicht nur einfach um uns herumlaufen, sondern in kleineren und größeren Kreisen, ganz wie wir es vorgaben. All das sollten sie nicht nur im Roundpen tun, sondern auch auf dem großen Reitplatz und auch, wenn andere Pferde dabei waren. Und schließlich wollten wir auch auf der Wiese und im freien Gelände darauf verzichten, am Kopf der Pferde Druck auszuüben. Wir suchten und strebten eine mentale Verbindung an, die stärker ist als jedes Seil.

Ian Benson, Neuseeland, im Unterricht auf »ArhönA«, 2008.

Mit meinem zunehmenden Erfolg gab es auch immer mehr Kontakt und Austausch unter Kolleg*innen. Alles, was in der Horsemanship-Szene Rang und Namen hatte, gab sich auf meinem Pferdehof »ArhönA« die Klinke in die Hand und so blieb es nicht aus, dass ich unterschiedlichste Nuancen der Roundpenarbeit kennenlernte und wir uns gegenseitig inspirierten. Besonders mit Heinz Welz und Thomas Günther habe ich mich angefreundet.

Der Zirkustrainer Gino Edwards, 2008.

Als ich im Jahr 2011 nach dem Gewinn des Verladewettbewerbs schließlich die ersten Menschen zu Pferdetrainer*innen ausbildete, lud ich zunächst Heinz Welz ein, mir und meinen Schüler*innen seine Methode zu demonstrieren. »Ich habe es auch jahrelang so gemacht: rein in den Roundpen und erst mal die Pferde herumscheuchen, so haben wir es bei Monty Roberts gelernt.« – So begann er seinen Vortrag. »Aber was hat uns das Pferd im Roundpen getan, warum probieren wir es nicht erst mal mit Freundlichkeit? Rumschicken können wir das Pferd dann immer noch.« Er zeigte uns, wie er seine Arbeit im Roundpen beginnt und von da an machte ich es genauso.

Uwe mit seinem ersten Showpferd Peon, ein argentinischer Criollo.

Ein Jahr später bat ich dann auch Thomas Günther, meine Schüler*innen in einem Wochenendkurs zu unterrichten. Thomas ist ein Perfektionist und ein sehr systematischer Arbeiter. Seine Struktur und sein System gefielen mir. Er hatte sich bei Honza Blaha, Clinton Anderson, Ian Benson und anderen Horsemanship-Koryphäen einzelne Elemente herausgepickt und daraus sein eigenes Ding gemacht.

Ich saß auf der Tribüne, schaute Thomas zu, wie er die Pferde und meine Schüler*innen unterrichtete, und da bekam ich die Idee, die ich in den nächsten Tagen und Wochen zu einem Konzept ausformte: Der Roundpen ist ein Fließbandbetrieb, in dem gearbeitet wird, in dem man gemeinsam Pause macht, in dem man auch mal spazieren geht. Ein Betrieb, der einen Chef hat und einen Mitarbeiter.

Seit vielen Jahren unterrichte ich nun schon mit dieser Terminologie. Einige Beobachter*innen finden es albern (ich bin gern albern), aber die meisten Schüler*innen berichten, dass ihnen die Bilder gefallen, dass sie sich die Ausbildungsschritte im Roundpen so besser einprägen können und dass es ihnen beim Erreichen ihres Ziels geholfen hat: nämlich ein freundlicher und fairer Chef für ihr Pferd zu sein. Ich wünsche mir und hoffe für dich, dass dir das mit diesem Buch auch gelingt.

Von der »Betriebsführung« zur »linken und rechten Hand des Chefs«