Das Scheitern des grünen Kapitalismus -  - E-Book

Das Scheitern des grünen Kapitalismus E-Book

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Beschreibung

Der grüne Kapitalismus verspricht, die ökologische Krise durch technische Innovationen und marktwirtschaftliche Instrumente in den Griff zu bekommen. Doch die bisherige Bilanz dieses Versprechens ist ernüchternd: Seit die Konzepte des grünen Wachstums und ökologisch ausgerichteter Märkte vor mehr als 20 Jahren entwickelt worden sind, hat sich die Zerstörung der Ökosysteme ungebremst fortgesetzt und teils beschleunigt. Zudem vermag es der grüne Kapitalismus nicht, notwendige gesellschaftliche Voraussetzungen einer sozialökologischen Transformation zu schaffen: Während ökologische Katastrophen die Welt erschüttern, vertieft sich die soziale Ungleichheit in bisher nicht gekanntem Maße. Der Band stellt Analysen dieses bisherigen Scheiterns vor und erkundet gegenwärtige Aussichten einer ökologischen Modernisierung. Zudem fragt er nach Alternativen, die stärker auf demokratische Planung und gesellschaftliche Kooperation setzen.

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Philipp Degens, Sighard Neckel (Hg.)

Das Scheitern des grünen Kapitalismus

Analysen, Aussichten, Alternativen

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Der grüne Kapitalismus verspricht, die ökologische Krise durch technische Innovationen und marktwirtschaftliche Instrumente in den Griff zu bekommen. Doch die bisherige Bilanz dieses Versprechens ist ernüchternd: Seit die Konzepte des grünen Wachstums und ökologisch ausgerichteter Märkte vor mehr als 20 Jahren entwickelt worden sind, hat sich die Zerstörung der Ökosysteme ungebremst fortgesetzt und teils beschleunigt. Zudem vermag es der grüne Kapitalismus nicht, notwendige gesellschaftliche Voraussetzungen einer sozialökologischen Transformation zu schaffen: Während ökologische Katastrophen die Welt erschüttern, vertieft sich die soziale Ungleichheit in bisher nicht gekanntem Maße.Der Band stellt Analysen dieses bisherigen Scheiterns vor und erkundet gegenwärtige Aussichten einer ökologischen Modernisierung. Zudem fragt er nach Alternativen, die stärker auf demokratische Planung und gesellschaftliche Kooperation setzen.

Vita

Philipp Degens, Dr. rer. pol., vertritt die Professur für Soziologie, insbesondere Dynamiken und Regulierung von Wirtschaft und Gesellschaft, im Fachbereich Sozialökonomie an der Universität Hamburg.

Sighard Neckel ist Professor (em.) für Soziologie an der Universität Hamburg und Senior Permanent Fellow der dortigen DFG-Kolleg-Forschungsgruppe Zukünfte der Nachhaltigkeit, deren Sprecher er von 2019 bis 2023 war.

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

Inhalt

Impressum

Inhalt

Philipp Degens und Sighard Neckel: Einleitung: Das Scheitern des grünen Kapitalismus

Das Versprechen nachhaltiger Technologien

Vermarktlichung des Klimas

Nachhaltiges Finanzwesen

(Un)Möglichkeit der Steuerung? Zur Rückkehr des Staates und der Planung

Die Beiträge des Bandes

Literatur

Analysen

Brett Christophers: Preis und Profit in der Energiewende

Fossiles Kapital

Verlaufswege von Investitionen in erneuerbare Energien

»Fossilisiertes« Kapital

Fazit

Literatur

Adrienne Buller: Grüner Kapitalismus: Unmöglich, aber unvermeidlich?

Grüner Kapitalismus – Eine Begriffsbestimmung

Grüner Kapitalismus und die Koordination von Investitionen

Der grüne Kapitalismus und das Preissignal

Bestandsaufnahme: Der grüne Kapitalismus in Zeiten des Inflation Reduction Act

Literatur

Gregor Kungl: Der Geist des grünen Kapitalismus

Der Geist des Kapitalismus als theoretisches Konzept

Das Wirtschaftsethos des grünen Unternehmertums

Der Green Deal der Europäischen Kommission

Zusammenfassende Gegenüberstellung der beiden Fälle

Geist des grünen Kapitalismus oder grüner Geist des Kapitalismus?

Nachhaltige Entwicklung im grünen Kapitalismus

Literatur

Yannick Kalff: Mit Technologie die Welt retten? Biokunststoffe im grünen Kapitalismus

Technische Lösungen für komplexe Probleme?

Eine kurze Geschichte der Kunststoffe

Aufstieg der Biokunststoffe

Fossile Pfadabhängigkeiten gegen Biokunststoffe

Technologische Pfadabhängigkeiten

Institutionelle Pfadabhängigkeiten

Ökonomische Pfadabhängigkeiten

Kein Kunststoff ist auch keine Lösung?

Literatur

Aussichten

Melanie Pichler: Von den Verheißungen des grünen Kapitalismus – und darüber hinaus

Charakteristika eines grünen Kapitalismus – Zur Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltauswirkungen

Von ökonomischer Effizienz zu Wirksamkeit – Verbindliche Regelungen zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern

Zur politischen Ökonomie der Klimakrise

Von individuellem Konsum zu sozial-ökologischer Infrastruktur

Für Mehrheiten jenseits eines grünen Kapitalismus

Literatur

Sascha Münnich: Selbstkritischer Kapitalismus in Grün – Segmentierung und Kapitalismuskritik aus Sicht der Wirtschaftssoziologie

Die große Erzählung der grünen Transformation des Kapitalismus

Wirtschaftssoziologische Perspektiven auf das Narrativ der grünen Transformation des globalen Kapitalismus

Ausdifferenzierung des Marktwettbewerbs und soziale Distinktion im grünen Kapitalismus

Die institutionelle und soziokulturelle Diversität der Produktivität

Segmentierung oder grüne Transformation?

Soziologie der (Kapitalismus-)Kritik und die Segmentierung der grünen Transformation

Die Wechselwirkung zwischen ökonomischen Praktiken und ihrer moralischen Kritik

Soziologie der Rechtfertigung des grünen Kapitalismus

Rechtfertigungsordnungen des grünen Kapitalismus auf der Makroebene

Fazit

Literatur

Iris Hilbrich: Geoengineering in Deutschland und Südafrika: Soziotechnische Transformationsprozesse zwischen Normalisierung und (emanzipativem) Katastrophismus

Geoengineering: Einblicke in eine dynamische und polarisierte Kontroverse

»Soziotechnische Imaginationen« und der Globale Süden

Typologie der Debatte um Hochrisikotechnologien

Diskursive Trennung von Carbon Dioxide Removal und Solar Radiation Management

Vom Tabu zur Normalisierung: Die Unvermeidbarkeit von Carbon Dioxide Removal

Nichtnutzung von SRM: Kampf gegen das Abwesende

Die Undurchführbarkeit von CDR: Unerfüllte Erwartungen

Risiko-Risiko: SRM als »Notanker«

Reaktives Geoengineering: Koloniale Vermächtnisse

Divergierende »matters of concern«: Kontinuität versus Transformation

Geoengineering in einer Weltrisikogesellschaft – Braucht es mehr Ambiguitätstoleranz?

Literatur

Alternativen

Nina Treu: Sozial-ökologische Transformation statt grünem Kapitalismus

Zum Stand der Klimakrise

Ungleiche Verantwortlichkeiten

Überschreiten der planetaren Grenzen

Erreichen der 17 Nachhaltigkeitsziele nicht auf Kurs

Falscher Fokus auf die Konsumseite

Das Märchen des grünen Wachstums

Zu geringe Fortschritte in Deutschland

Die Weichen für die Transformation sind gestellt

Wege aus dem Kapitalismus

Von der Utopie zur Praxis: Beispiele aus der Zivilgesellschaft

Den Übergang organisieren

Fazit: Eine wissenschaftsbasierte und gerechtigkeitsorientierte Politik ist nötig

Literatur

Christa Wichterich: (Re)Produktivität, Care und Commons – Feministische Perspektiven auf Paradigmenkämpfe, Transformationspotentiale und Alternativen zum Grünen Kapitalismus

Gelebte Alternativen im Globalen Süden

Die Chipko-Bewegung und die Verteidigung der Lebensgrundlagen

WoMin und das Recht auf »Nein« als Paradigmenkampf

La Via Campesina, Souveränität und Agroökologie – Kämpfe für Alternativen

Gelebte Alternativen im Globalen Norden

Community-Landwirtschaft in den USA für gute Ernährung

Urban Gardening in Deutschland als kommerzfreie kollektive Räume

Gemeinschaftsgärten in Wien/Österreich und ein neues gesellschaftliches Naturverhältnis

Unterwegs in die Zukunft

Dynamiken von Care, Commons und (Re)Produktivität

Perspektiven der Zukunftsfähigkeit

Literatur

Christoph Sorg: Ökologische Planung oder geplante Obsoleszenz – Sozial-ökologische Transformation als Einbettung des sozialen Metabolismus

Socialist Calculation Debate 4.0

Ökologische Marktgestaltung

Ökologische Zentralplanung

Demokratische Planung als sozio-ökologische Einbettung

Ausblick

Literatur

Autorinnen und Autoren

Einleitung: Das Scheitern des grünen Kapitalismus

Philipp Degens und Sighard Neckel

Schaut man sich das Kernprogramm eines grünen Kapitalismus an, so verspricht es, die ökologische Krise durch technische Innovationen und marktwirtschaftliche Instrumente in den Griff zu bekommen. Weiteres Wachstum und die globale Expansion von Märkten, Produktion und Konsum, so die Idee, seien durch eine ökologische Modernisierung mit den Anforderungen des Klimaschutzes in Einklang zu bringen. Drei Elemente sind es, die es einem grünen Kapitalismus erlauben sollen, die desaströsen ökologischen Auswirkungen seiner Produktionsweisen, Wertschöpfungsketten und Konsummuster zu überwinden. Zum einen sollen ökologische Kosten eingepreist und nicht länger externalisiert, also auf die Allgemeinheit und die Natur abgewälzt werden. Zweitens würden die Innovationskraft des Kapitalismus und seine Tendenz zur »schöpferischen Zerstörung« (Joseph Schumpeter) für die Erfindung und den Ausbau von Technologien sorgen, mit denen ökologische Schäden entweder von vornherein verringert oder im Nachhinein wieder korrigiert werden könnten. Drittens schließlich könne das Finanzsystem derart umgestellt werden, dass es statt der fossilen Ökonomie Investitionen in Nachhaltigkeit unterstütze. Marktmechanismen, neue Technologien und Sustainable Finance sind die zentralen Bausteine des grünen Kapitalismus, zu dem sich ein kultureller Wandel gesellen soll, durch den sich am Ende auch die Konsumentinnen und das Unternehmertum der Nachhaltigkeit verschreiben.

Seit rund 20 Jahren beherrschen diese Vorstellungen eines grünen Wachstums und ökologisch ausgerichteter Märkte insbesondere die westliche Welt. Zahlreiche politische Programme sind darauf ausgerichtet, vom Green Deal der EU und dem europäischen Emissionshandel über den Inflation Reduction Act der amerikanischen Biden-Administration bis zur Klimapolitik der deutschen Ampel-Regierung, die sich – wenn sie sich denn überhaupt auf irgendetwas einigen kann – wahrscheinlich am ehesten auf das Konzept einer ökologischen Marktwirtschaft verständigen könnte.

Die bisherige Bilanz dieses Konzepts sieht jedoch mehr als ernüchternd aus. Der weltweite Treibhausgasausstoß hat mit 36,8 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten 2023 den höchsten Stand aller Zeiten erreicht.1 Weiterhin wird global jedes Jahr mehr Erdöl verbraucht als jeweils im Jahr zuvor. 2022 wurde überdies so viel Kohle verbrannt wie niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte (Friedlingstein et al. 2022). Aus der öffentlichen Aufmerksamkeit für den Klimawandel könnte man den Eindruck gewinnen, dass das fossile Zeitalter seinen Höhepunkt mittlerweile überschritten hätte – ein Irrtum, wie alle aktuellen Zahlen belegen.

Auch der grüne Kapitalismus hat daran nichts ändern können. In den Vereinigten Staaten stiegen die Treibhausgasemissionen auch 2022 weiterhin um 1,3 Prozent (Rivera et al. 2023). In der Europäischen Union sanken sie zwar um zwei Prozent, aber viel zu wenig, als dass man die selbstgesetzten Klimaziele tatsächlich erreichen könnte (EEA 2023). Und so besagen jüngste Berechnungen aus der Klimaforschung, dass das globale CO2-Budget, das verbleibt, will man das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichen, mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit bereits in acht Jahren aufgebraucht sein wird, wenn sich nichts Gravierendes ändert.2 Stand heute müsste für 1,5 Grad die Weltökonomie bis 2031 komplett klimaneutral sein – was eine völlig unrealistische Annahme ist.

Die typischen Instrumente des grünen Kapitalismus wie nachhaltige Innovationen oder der Emissionshandel haben sich vielfach als Fehlschläge erwiesen oder den Klimawandel zumindest nicht wirklich aufhalten können. Was nachhaltige Innovationen betrifft, halten sich die entsprechenden Finanzmittel bislang in Grenzen. Der Global Biodiversity Outlook der Vereinten Nationen berichtet, dass im Jahr 2020 den 500 Milliarden US-Dollar für fossile Energieträger und andere umweltschädliche Maßnahmen ganze 80 Milliarden für klima- und artenschützende Technologien gegenüberstanden, also nur knapp 16 Prozent der Summe für fossile Technologien (Secretariat of the Convention on Biological Diversity 2020). Das hartnäckige Festhalten an fossilen Technologien wird dabei staatlicherseits weiterhin großzügig gefördert. Und so hat das Umweltbundesamt anlässlich der jüngsten Haushaltsdebatten im Deutschen Bundestag berechnet, dass sich hierzulande umwelt- und klimaschädliche Subventionen auf jährlich 65 Milliarden Euro belaufen.3

Auch kann man den Wirtschaftsnachrichten entnehmen, dass die großen Öl- und Gaskonzerne wie Qatar Energy, Saudi Aramco, ExxonMobil, Gazprom, Shell und BP weltweit Milliarden in neue Plattformen, Pipelines, Terminals und Bohrinseln fließen lassen, um bis 2030 die Förderung von weiteren 192 Milliarden Barrel Rohöl zu realisieren (Carrington/Taylor 2022). Nur sieben Prozent der Gewinne flossen bisher in erneuerbare Energien. Die großen Konzerne des fossilen Zeitalters scheinen vom Klimawandel weiterhin völlig unbeeindruckt zu sein und gewillt, den Planeten buchstäblich verbrennen zu lassen, solange noch große Gewinne realisiert werden können. Der wichtigste Grund hierfür ist, dass die Profitabilität der Investitionen in fossile Energie ihrer Ersetzung durch Erneuerbare entgegensteht, da die Profitraten bei Sonne und Wind trotz stark gesunkener Kosten gering bleiben. Auch sind Investitionen in nachhaltige Energieträger vergleichsweise riskant: Da hier die Hürden für einen Markteintritt niedrig sind, werfen die Erneuerbaren keine monopol- oder oligopolartigen Renditen ab, wie dies bei den Fossilen der Fall ist (vgl. Christophers 2024).

Das Versprechen nachhaltiger Technologien

Aber auch dann, wenn nachhaltige Technologien tatsächlich zur Anwendung kommen, tragen sie vielfach nicht zum Klimaschutz bei. Ressourceneffizienz läuft ins Leere, sobald Einsparungen von Ressourcen und Emissionen von steigenden Gütermengen wieder aufgefressen werden. Rebound-Effekte verwandeln aufgrund relativer Kostensenkungen Effizienzsteigerungen in gestiegenen Output. Solche gegenläufigen Entwicklungen kennen wir etwa aus der Automobilbranche. Zwar haben Verbrenner heute eine höhere Energieeffizienz als in früheren Jahren und auch der Anteil der Elektromobilität ist gestiegen – zugleich nehmen jedoch die Neuzulassungen von PKWs unaufhörlich zu, und unter diesen Neuzulassungen liegt der dauernd ansteigende Anteil von SUVs und Geländewagen aktuell in Deutschland bei 30 Prozent (KBA 2023). Ein Autotyp, der weltweit jährlich fast eine Milliarde CO2 ausstößt und bis zu drei Tonnen schwer ist, um durchschnittlich 1,3 Insassen zu transportieren, macht in seinem Ressourcenverbrauch alle Innovationen einer grünen Technologie zunichte. Und selbst im unwahrscheinlichen Fall einer vollständig dekarbonisierten Automobilität wäre der Ressourcenverbrauch für die Erzeugung des Stroms und die Herstellung der Autos enorm.

Der grüne Kapitalismus ist auf nachhaltige Technologien angewiesen, die teilweise zwar bereits erkundet und erprobt werden, vielfach aber noch gar nicht erfunden worden sind. Er lebt von der Erwartung, dass technologische Lösungen es ermöglichen werden, Märkte, Wachstum und konsumorientierte Lebensstile im Wesentlichen unangetastet zu lassen. Geoengineering soll den nachträglichen Entzug von CO2 aus der Atmosphäre ermöglichen oder gar die proaktive Absenkung der Erderwärmung durch die Verringerung der Sonneneinstrahlung. Längst ist man auf solch technologische Lösungen risikoreiche Wetten eingegangen. So weisen in den Szenarien des Weltklimarats lediglich diejenigen Pfade zur langfristigen Begrenzung des Klimawandels auf 1,5 Grad keine vorübergehenden Überschreitungen der Emissionsgrenzen (»overshoot«) auf, bei denen bereits bis zum Jahr 2025 ein Höhepunkt der Gesamtemissionen vorgesehen ist. Mit anderen Worten: Szenarien, in denen nicht ab dem kommenden Jahr die Emissionen extrem zurückgehen, setzen auf zwischenzeitliche Grenzwertüberschreitungen, die in der Zukunft dann kompensiert werden müssen (IPCC 2022). Somit wird ein großer Teil der Last der Dekarbonisierung auf die Zukunft verschoben – dies erhöhe (bei Ausblendung der Risiken) die Kosteneffizienz der Maßnahmen gegen den Klimawandel, weil künftige Technologien wirksamer und kostengünstiger seien.

Bisher zumindest gelingt es technologischen Lösungen nicht, den Ressourcenverbrauch absolut zu senken. Ein weiteres Problem des grünen Kapitalismus liegt daher im fortdauernden und steigenden Ressourcenbedarf. Dekarbonisierung bedeutet eine Substitution fossiler durch erneuerbare Energie, wofür der Bedarf an entsprechenden Rohstoffen und seltenen Erden wächst. Hierbei ist beispielsweise an die E-Mobilität, aber auch an die Digitalisierung zu denken, die mit dem Voranschreiten der ressourcenintensiven Künstlichen Intelligenz einen weiteren Schub erhält (vgl. Lenz 2022). Auch der grüne Kapitalismus weist einen strukturnotwendigen Extraktivismus (vgl. Brand/Wissen 2024) auf, der wie sein fossiler Vorgänger die Kosten hierfür bei den rohstoffexportierenden Ländern des Globalen Südens anfallen lässt, insbesondere bei deren ärmeren Bevölkerungsschichten und der Natur, während privatisierte Gewinne bei den Unternehmen verbleiben und die dekarbonisierte Wirtschaft des Globalen Nordens sich als »nachhaltig« preist.

Vermarktlichung des Klimas

Ähnlich enttäuschend wie beim technologischen Fortschritt sieht die Bilanz beim Paradeprojekt eines grünen Kapitalismus aus: dem Vorhaben nämlich, durch CO2-Bepreisung und einen gedeckelten Emissionshandel die Kosten ökologischer Schäden in die Preisbildung des Marktes zu integrieren (vgl. Degens 2022). An den weltweiten Börsen liegt der globale CO2-Durchschnittspreis bei gerade einmal vier Dollar pro Tonne, in Deutschland sind hierfür gegenwärtig 45 Euro zu zahlen. Über 60 Prozent der europäischen Treibhausgasemissionen unterliegen überhaupt nicht dem Emissionshandel, dessen EU-Zertifikate sich erst kürzlich dem Preis von 100 Euro pro Tonne CO2 angenähert haben (Buhl 2023). Laut Umweltbundesamt müsste dieser Preis allerdings bei mindestens 240 Euro liegen, um die Folgekosten der klimaschädlichen Emissionen tatsächlich zu kompensieren (UBA 2024). Andere Berechnungen gehen von 640 Euro pro Tonne aus, wenn man auch die zukünftigen Schäden der Treibhausgasemissionen einrechnen würde (Rueter 2018). Für wirtschaftliche Gewinne sind solche Preise zu hoch, für den Klimaschutz sind die heutigen Preise bei weitem zu niedrig. Da die Klimaschäden von Treibhausgasen so enorm sind, müssten die Preise für CO2 extrem ansteigen, was ganze Wirtschaftszweige in den Ruin treiben könnte und ebenso große Bevölkerungsgruppen, die sich solche Preise nicht leisten können. Sozial verträglich würde die Bepreisung von CO2 nur funktionieren, wenn sie mit einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Umverteilung einherginge, und dies ist so ungefähr das Letzte, was sich die liberalen Befürworter des Emissionshandels dabei gedacht haben.

Am Emissionshandel wird aus gegensätzlichen Richtungen Kritik geübt, welche entweder für eine Ausweitung dieses Instruments oder aber für alternative, zumindest flankierende weitere Maßnahmen eintreten. Für die einen liegt seine Schwäche gerade darin, dass er den Marktmechanismus nutzen möchte, um Einsparungen effizient zu gestalten – dabei aber die Effektivität aus dem Blick gerät. Danach erbrachte der Emissionshandel bisher keine ausreichenden Einsparungen von CO2, weil er praktisch mindestens ebenso der Ermöglichung von Emissionen wie ihrer Vermeidung diente und Emissionsrechte profitabel übertragen werden können. Experten sprechen hier von einem sogenannten »Wasserbetteffekt« – werden die Emissionen an einer Stelle gedrückt, steigen sie an anderen Stellen an, weil es weiterhin ein dauerhaftes Überangebot an Emissionszertifikaten gibt, um den Interessen der Wirtschaft nicht zu schaden.

Für andere ist der Markt nicht das Problem, sondern weiterhin die Lösung – doch ist aus dieser Sicht zu bemängeln, dass nicht alle Sektoren am Handelssystem teilnehmen und die Politik zu großzügig Mengen vorgibt. Ein wirklich durchgesetztes und die Emissionen in geeigneter Höhe limitierendes System – so heißt es – würde andere klimapolitische Maßnahmen überflüssig machen. So wirke der beschleunigte Kohleausstieg, den Deutschland beschlossen hat, nur als unnötige Verteuerung: Auf Kohle werde zwar schneller verzichtet, aber insgesamt ändere sich an der Menge von CO2-Emissionen nichts, weil letztere ja allgemein durch die Obergrenzen im Handelssystem bestimmt seien. In dieser Sichtweise offenbart der Kohleausstieg vor allem die Widersprüchlichkeit und Ineffizienz sich überlappender klimapolitischer Maßnahmen, er sei daher kein Element einer gelingenden und kohärenten Klimapolitik (Perino/Ritz/van Benthem 2019).

In der Ökonomik ist schon länger umstritten, ob Emissionshandel oder die Besteuerung von Emissionen tatsächlich effiziente Instrumente einer Dekarbonisierung sind (Kemfert/Schmalz/Wägner 2019). Jüngst wird, angesichts des Preisschocks seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, insbesondere eine Debatte über inflationäre Folgen des Emissionshandels geführt, was Zweifel an der Funktionsfähigkeit marktlicher Preissetzung bei der Dekarbonisierung laut werden lässt. Eine Modellierung für Deutschland nährt die Vermutung, dass sechs systemrelevante Sektoren zusammengenommen für fast vier Fünftel einer potenziellen »Carbonflation« – einer durch Klimapolitik induzierten Inflation – verantwortlich wären: Öl, Gas, Elektrizität, Heizen und Kühlen; Nahrungsmittel, Getränke und Tabak; Landwirtschaft sowie Kohle, Erdölprodukte und Gebäudedienstleistungen (Weber et al. 2024). Künftige Entwicklungen bei den Emissionspreisen haben mutmaßlich das Potenzial, die Geldstabilität zu beeinträchtigen, weshalb Forderungen nach einer aktiveren grünen Industriepolitik erhoben werden, anstatt die Klimapolitik allein Instrumenten zu überlassen, die auf die Selbstregulierung durch Märkte setzen (ebd.).

Nachhaltiges Finanzwesen

Zum grünen Kapitalismus gehört eine nachhaltige Umgestaltung des Finanzsystems, das die notwendigen Investitionen in die Dekarbonisierung ermöglichen soll. Die Hoffnungen auf Green Finance mit Sustainable Investments setzen darauf, dass es nicht schlicht zu einer Finanzialisierung von Nachhaltigkeit kommt, bei welcher von Beginn an die Bedürfnisse der Finanzmärkte und nicht etwa der Klimaschutz im Mittelpunkt stehen (vgl. Besedovsky 2018). Vielmehr sollen nachhaltige Anlage- und Investitionsmöglichkeiten den Privatsektor dazu anregen, wirtschaftliche Tätigkeiten zu verfolgen, die im Einklang mit ökologischen Zielen stehen. Ein Kerninstrument, um für Europa Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, ist dabei die EU-Taxonomie aus dem Jahr 2020, welche die Klassifikation nachhaltiger Finanzanlagen durch entsprechende Standards vereinfachen und verbindlich machen soll (Knoll 2022). Die Idee ist, dass Investorinnen aufgrund klarer Kriterien direkt erkennen können, ob ein Unternehmen nachhaltig ist, und dadurch befähigt werden, ihr Kapital für ökologisch nachhaltiges Wirtschaften einzusetzen.

Sustainable-Finance-Strategien setzen aber nicht nur auf verbesserte Informationsflüsse und Transparenz. Um privates Kapital zu mobilisieren, sollen Staaten »de-risking«-Strategien verfolgen, also mit öffentlichen Geldern Risiken für private Investitionen übernehmen (Gabor 2021). Hier zeichnen sich einerseits öffentliche Subventionen für private Renditen ab, andererseits entstehen neue Handlungsspielräume für Staaten, nach Dekaden der Austerität nun vermehrt nachhaltigen Investitionen nachzugehen (Knoll 2022: 178). Diese Spielräume könnten noch erweitert werden, sofern die tragende Rolle des Staates für Innovation und Investition erkannt wird (vgl. Mazzucato 2021). Zunehmend wird etwa gefordert, dass die Öffentliche Hand selbst als nachhaltiger Finanzier auftritt und direkt Investitionen in nachhaltigen Bereichen tätigt, etwa durch Klima- und Transformationsfonds (Golka/Murau/Thie 2024).

Bisher allerdings ist die Strategie der öffentlichen Förderung und finanziellen Unterstützung profitabler Privatinvestitionen für die Nachhaltigkeit nicht erfolgreich verlaufen. Bei den Investitionen scheint keine ökologische Trendwende in Sicht zu sein. Seit dem Pariser Abkommen haben die 60 größten Privatbanken der Welt fossile Brennstoffe mit 6,9 Billionen US-Dollar finanziert, wie der jüngste Fossil Fuel Finance Report berichtet (Rainforest Action Network et al. 2024). Davon flossen fast die Hälfte in die Ausweitung fossiler Energie, was im Gegensatz zu den Versprechungen der Industrie steht, bis Mitte des Jahrhunderts die Nettoemissionen auf null zu bringen. Im Gegenteil verabschiedeten sich gleich mehrere Großbanken von ihrer an sich schon bescheidenen Geschäftspolitik, auf eine Dekarbonisierung der Wirtschaft hinzuwirken. Die Bank of America, Nummer drei der größten Geldgeber für fossile Brennstoffe im Jahr 2023, sticht hier besonders hervor, wie der Fossil Fuel Finance Report darlegt. Ihre vormaligen Ausschlussregelungen für Kohlekraftwerke und Bohrungen in der Arktis hat sie fallen gelassen, so dass sie keine kurzfristig wirksamen absoluten Emissionsminderungsziele mehr vorweisen kann. Die Bank of America steht hier exemplarisch auch für andere Finanziers der fossilen Industrie. Viele Banken haben in den letzten Jahren Selbstverpflichtungen abgegeben, Netto-Null im Jahr 2050 zu erreichen. Doch gleichwohl lassen sich kaum nennenswerte Geschäftspolitiken identifizieren, die Netto-Null tatsächlich realisierbar machten. Hierfür dürften weder neue Öl- und Gasfelder erschlossen noch neue Kohlekraftwerke geplant werden. Es überrascht deshalb nicht, dass sich dem Fossil Fuel Finance Report zufolge kein einziges Unternehmen der Öl- und Gasindustrie innerhalb eines 1,5-Grad-Pfades befindet.

(Un)Möglichkeit der Steuerung? Zur Rückkehr des Staates und der Planung

Zieht man all diese Aspekte zusammen, verstärkt sich der Eindruck eines gravierenden Dilemmas, dem der grüne Kapitalismus nicht entgehen kann: Geschieht der Umbau der Wirtschaft unter der Prämisse, ein grünes Wachstum in Gang setzen zu wollen, werden Ressourcenverbrauch, Emissionen und Naturschädigung viel weniger zurückgehen können als es zur Abbremsung der Klimakrise notwendig wäre. Setzte man den Klimaschutz aber prioritär und verteuerte man die Energiepreise massiv, um fossile Brennstoffe aus dem Markt zu verdrängen, wird sich dagegen sofort Unmut bei großen Bevölkerungsgruppen regen, die dadurch erheblich an Einkommen verlieren, so dass die soziale Ungleichheit zunehmen würde. Strebte man hingegen eine ökonomische Umverteilung an, die vor allem die Wohlhabenden und Reichen belastet, um Klimaschutz zu finanzieren, werden die wirtschaftlich stärksten Interessen ihre ökonomische und politische Vetomacht einsetzen, um genau dies zu verhindern. Eine Konsequenz könnte sein, dass sich Märkte und wirtschaftliche Sektoren stärker segregieren, mit nachhaltigen Produkten für diejenigen, die sie sich leisten können, und »nicht-nachhaltigen« für den Rest (Neckel 2020), so dass sich gesellschaftliche Ungleichheiten nunmehr auch in einer ökologischen Dimension verhärten. Daher spricht vieles dafür, dass der grüne Kapitalismus in soziologischer Hinsicht so etwas sein könnte wie »Schrödingers Katze« in der Physik: nämlich ein Zustand, in dem er zwar lebendig, aber gleichzeitig tot ist.

All dies sind unserer Auffassung nach hinreichend Gründe dafür, um hinter den Titel dieses Bandes »Das Scheitern des grünen Kapitalismus« kein Fragezeichen zu setzen, sondern ihn als Feststellung zu formulieren. Allerdings haben wir unseren Buchtitel auch nicht »exklamativ« aufgesetzt, also als frohe Kunde mit einem Ausrufezeichen. »Das Scheitern des grünen Kapitalismus« versteht sich weder selbstgewiss noch triumphal. Die Aussicht, den Kapitalismus durch ein sozial-ökologisches Wirtschaftssystem ersetzen zu können, könnte noch unrealistischer sein als die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Große Transformation des ökologischen Umbaus mit der Notwendigkeit, alle Systeme und Sektoren in kurzer Frist gleichzeitig zu verändern, ist ein derart komplexer und wohl auch unwahrscheinlicher Fall gesellschaftlichen Wandels (vgl. Neckel 2023), dass sich jeder Hochmut des Bescheidwissens verbietet. Gerade die Gleichzeitigkeit notwendiger Veränderungen in Produktion und Konsum, bei Mobilität, Wohnen, Energie und Infrastruktur erfordert ein hohes Maß an Steuerungsfähigkeit, welches, so eine verbreitete soziologische These, in komplexen Gesellschaften schlicht nicht vorhanden sei (vgl. Beckert 2024 sowie Nassehi 2024). Aus der Notwendigkeit der sozial-ökologischen Transformation folgt daher nicht ihre politische Durchsetzungsfähigkeit.

Welche Transformationspfade moderne Gesellschaften auch einschlagen mögen – ohne wesentlich stärkere regulatorische und direkte staatliche Eingriffe werden sie kaum zu betreten sein. Fluchtpunkte hierfür könnten etwa die Ausweitung der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Ausbau gemeinwohlorientierter fundamentalökonomischer Leistungen sein (Foundational Economy Collective 2019). Ziel wäre eine Umwertung ökonomischer Werte, bei der nicht die Steigerung individueller Einkommenschancen und Konsummöglichkeiten im Zentrum steht, sondern der kollektive Nutzen nachhaltiger Güter und Versorgungseinrichtungen. Ein derartiger »Infrastruktursozialismus« (Neckel 2022) könnte eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz für Klimapolitik erbringen, da ökologische Ziele nicht zu Lasten unterer Schichten gingen.

Doch keine Transformation kommt ohne Steuerung aus, umso mehr, da die Kräfte des Marktes ihre ökologische Unzulänglichkeit hinreichend unter Beweis stellen konnten. Damit rückt auch Planung wieder in den Blick, die – nicht ohne Grund – aus dem Arsenal der Gesellschaftsveränderung schon einmal verabschiedet wurde. Zuletzt hat Ulrike Herrmann (2022) den viel diskutierten Vorschlag gemacht, den ökologischen Umbau der Wirtschaft durch strikte staatliche Planung anzugehen. Nur so könne eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs erreicht werden, die – dem Mantra des grünen Wachstums zum Trotz – unverzichtbar sei, wolle man nicht alle Klimaziele verfehlen. Als Vorbild dient Herrmann die britische Kriegswirtschaft, die in Zeiten schrumpfender Gesamtwirtschaftsleistung durch staatliche Vorgaben eine erfolgreiche Wirtschaftsplanung ermöglichte, ohne Privateigentum und Unternehmertum hierfür zu opfern. Der Staat erscheint hier als ein Äußeres der kapitalistischen Wirtschaft, dem es gleichwohl gelingen kann, einen ökologischen Wandel einzuleiten, der aus der Wachstumsabhängigkeit des Kapitalismus herauszuführen vermag. Auch wenn man das Beispiel der britischen Kriegswirtschaft anzweifeln kann – der ökologische Umbau hat keinen Feind wie Nazideutschland es für das Vereinigte Königreich war –, scheint ökologische Planung unumgänglich zu sein. Umso mehr stellt sich die Frage, wie sie gelingen kann, ohne zugleich ein techno-bürokratisches hierarchisches System zu schaffen, dessen Eigenlogiken gravierende Nebenfolgen zumindest für die Demokratien dieser Welt mit sich bringen.

Die Beiträge des Bandes

Die Beiträge dieses Bandes thematisieren den grünen Kapitalismus aus unterschiedlichen Perspektiven und mit Blick auf jeweils ausgewählte Aspekte der hier angesprochenen Elemente der Markt-Instrumentalisierung, der Technikabhängigkeit, der nachhaltigen Finanzierung und des anhaltenden Wachstumszwangs. Sie sind von großer Skepsis getragen, was das Vermögen des Kapitalismus betrifft, auf seine Weise die ökologischen Krisen tatsächlich lösen zu können. Gleichwohl zeigt sich, dass der grüne Kapitalismus sich dennoch entfaltet, punktuell Probleme löst und dabei neue Widersprüche und krisenhafte Nebenfolgen schafft.

Die Beiträge reflektieren zudem Ansätze eines funktionsfähigen grünen Wandels, für den allerdings Verschiebungen von Effizienz zu Effektivität, von Märkten zu starken öffentlichen Investitionen, von Technikfixierung zu institutionellem Wandel, von Wachstum zu Reproduktivität und Sorge notwendig sind. Die titelgebende Trias der Analysen, Aussichten und Alternativen findet sich hierbei in nahezu allen Beiträgen, schließlich ist keine Aussicht oder Alternative ohne Analyse zu haben, und jede Analyse impliziert Aussagen zu künftigen Aussichten oder möglichen Alternativen. Dennoch lassen sich die Beiträge nach ihren Schwerpunkten einteilen in solche, die primär die bisherigen Entwicklungen, Annahmen und Funktionsweisen des grünen Kapitalismus analysieren, solche, die stärker nach seinen künftigen Entwicklungspfaden und deren Aussichten auf Verwirklichung fragen, und schließlich jene, die dezidiert alternative Modelle nachhaltiger Zukünfte entwerfen.

Der erste Abschnitt des Bandes enthält vier Aufsätze, die eine Analyse des grünen Kapitalismus bzw. einzelner seiner Aspekte vorlegen und nach den Gründen für die polit-ökonomischen Beharrungskräfte der Fossilindustrie (Christophers), der relativen Erfolglosigkeit marktbasierter und preislicher Instrumente (Buller), nach der kulturellen Herausbildung eines grünen Geistes des Kapitalismus (Kungl) und schließlich nach den vorausgesetzten Annahmen technologischer Lösungen der ökologischen Krise (Kalff) fragen.

Brett Christophers erörtert, weshalb sich die Energiewende nur zögerlich und langsam entfaltet, obwohl die Kosten für erneuerbare Energien drastisch gesunken sind. Die Politik habe lange als zentrale Herausforderung angesehen, erneuerbare Energien in preisliche Konkurrenz zu fossilen Brennstoffen zu bringen. Weniger diskutiert, aber für Investitionen von größerer Bedeutung ist allerdings die jeweilige Rentabilität fossiler und erneuerbarer Energien. Christophers untersucht anhand der drei europäischen Öl- und Gaskonzerne BP, Shell und Total, wie sich diese Unternehmen zwischen zwei Energiewelten mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Dynamiken bewegen, nachdem sie sich darauf verpflichtet haben, die Förderung fossiler Rohstoffe in den nächsten Jahrzehnten zu verringern und die Erzeugung erneuerbarer Energien zu steigern. Christophers legt eine Bestandsaufnahme der Ankündigungen der Unternehmen sowie ihrer Investitions- und Gewinnsituation vor, auf deren Basis er die Aussichten einer unternehmerischen Energiewende insgesamt kritisch bewertet. Unter den aktuellen regulatorischen Bedingungen werden die Öl- und Gaskonzerne von der Förderung profitabler fossiler Energie nicht absehen.

Adrienne Buller argumentiert, dass das Projekt des grünen Kapitalismus an seinen eigenen Bedingungen scheitert, wenn es anstrebt, die sich beschleunigende Klima- und Umweltkrise durch Marktmechanismen zu bewältigen, d.h. qua Preissignale und auf Basis des Profitinteresses, das den privaten Sektor leitet. Weiterhin stiegen die Emissionen, während einzelne Fortschritte nicht auf den privaten Sektor, sondern auf staatliche Investitionen und Anreize zurückzuführen seien. Die Agenda des grünen Kapitalismus werde dennoch weiter vorangetrieben, weil einerseits kaum Alternativen in Sicht seien und andererseits die verbleibende Zeit, die aktuellen Emissionspfade zu verlassen und den ökologischen Zusammenbruch aufzuhalten, immer knapper werde. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme des Inflation Reduction Act der US-amerikanischen Biden-Regierung erörtert Buller, inwiefern ein grüner Kapitalismus rundheraus abzulehnen oder in seinen politischen Programmen vielleicht doch der Keim für eine radikale Alternative zu finden sei.

Gregor Kungl nutzt in seinem Beitrag das soziologische Konzept des »kapitalistischen Geistes«, um der Frage nachzugehen, auf welche Weise sich nachhaltige Entwicklung unter den Bedingungen des globalen Kapitalismus entfaltet. Auf Basis von zwei empirischen Fallbeispielen – dem Wirtschaftsethos grüner Unternehmer und der Ausgestaltung des europäischen Green Deal – zeichnet er die Konturen einer entstehenden grünen Wirtschaftsgesinnung nach. In beiden Fallbeispielen zeigt sich eine kapitalistische Anverwandlung von Nachhaltigkeit: Ökologische Motive werden kapitalistischen Prinzipien untergeordnet und in diese integriert. Kungl argumentiert, dass der grüne Kapitalismus zwar mitnichten das geeignete Rahmenwerk für die Eindämmung des Klimawandels bereitstelle, aufgrund seiner Anschlussfähigkeit im Feld der Wirtschaft und seiner Verankerung in zentralen politischen Leitlinien aber dennoch der wahrscheinlichste Modus in der Auseinandersetzung mit den voranschreitenden ökologischen Krisen sein werde. Die Verbindung von Kapitalismus und Nachhaltigkeit resultiere in einem Legitimitätsgewinn sowohl für die bestehende Wirtschaftsordnung als auch für das Projekt der nachhaltigen Entwicklung.

Yannick Kalff betrachtet Biokunststoffe als einen technological fix des grünen Kapitalismus, der die ökologischen Folgeschäden konventioneller Kunststoffe beheben soll. Ausgehend von der Beobachtung, dass die Umweltbelastung durch Kunststoffe in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend zu einem offenkundigen Problem geworden ist, erörtert er, wie Technologien als einfache Lösungen von komplexen Problemen imaginiert werden. Biokunststoffe versprächen, Erdölverbrauch und Umweltverschmutzung durch Plastikmüll zu vermeiden, während die Gesellschaft weiterhin die Vorteile leichter und vielseitiger Materialien genießen könne. Allerdings entstünden dabei Folgeprobleme, begleitet von einer Reihe wirtschaftlicher, institutioneller und technologischer Pfadabhängigkeiten, die die Verbreitung von Biokunststoffen erheblich erschweren. Der Beitrag beleuchtet anhand seines konkreten Beispiels, wie technische Lösungen die komplexen ökologischen und gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit zu lösen versprechen, dabei jedoch allzu oft lediglich Symptome statt Ursachen bekämpfen. Technological fixes entlasten von Fragen des Verzichts und von der notwendigen Zumutung, ressourcenintensive Produktion und Konsumtion reduzieren zu müssen.

Im zweiten Abschnitt des Bandes versammeln sich drei Beiträge, die sich mit zentralen Aspekten des grünen Kapitalismus analytisch auseinandersetzen, um daraufhin Aussichten künftiger Entwicklungen zu identifizieren. Dabei geht es konkret um Möglichkeiten einer Ökologisierung ressourcenintensiver Sektoren wie der Automobilindustrie (Pichler), um eine erwartbare Segmentierung in nachhaltige und nicht-nachhaltige Produkt- und Konsumwelten (Münnich) sowie um die Diskurse über die Aussichten verschiedener Varianten des Geoengineering als technologische Lösung der Klimakrise (Hilbrich).

Melanie Pichler setzt sich in ihrem Beitrag kritisch mit der Idee des grünen Wachstums auseinander und argumentiert, dass eine der zentralen Annahmen, die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch, nicht ausreicht, um CO2-Emissionen substanziell und ausreichend schnell zu senken. Zwar deutet das rasante Wachstum bei erneuerbaren Energien, insbesondere von Solar- und Windenergie, auf Fortschritte bei der Erreichung ehrgeiziger Klimaziele hin, doch trotz dieser Dynamik bleibt die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern weiterhin hoch. Auf der Grundlage aktueller Forschungsergebnisse zum Mobilitätssektor und zur Automobilindustrie zeigt Pichler die Grenzen eines grünen Kapitalismus auf und plädiert für zwei zentrale Verschiebungen auf dem Weg zu einer tiefgreifenden sozial-ökologischen Transformation. Erstens, eine Verlagerung von wirtschaftlicher Effizienz hin zu Effektivität, um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu beschleunigen. Dies erfordere neben Förderungen und Anreizen auch verbindliche Ausstiegspläne und Verbote von klimaschädlichen Technologien. Zweitens, eine Verschiebung von individuellen Anreizen für den Konsum nachhaltiger Produkte hin zur Bereitstellung sozial-ökologischer Infrastruktur. Investitionen in kollektive Versorgungssysteme ermöglichten einen strukturellen Umbau klimaschädlicher Infrastrukturen und Dienstleistungen; zugleich würden sie dazu verhelfen, dass Menschen unabhängig von ihrem Einkommen klimafreundlich leben könnten.

Sascha Münnich untersucht den Zusammenhang zwischen der sich langsam abzeichnenden Expansion eines ökologisch nachhaltigen Wirtschaftssegments und den Strukturen der öffentlich-politischen Diskurse darüber, und fragt nach den Perspektiven einer Kapitalismuskritik, welche die Ausdehnung bisheriger ökologischer Nischen im Blick hat. Dabei geht er von der Überlegung aus, dass es sich beim dynamischen Anwachsen des noch immer relativ kleinen Nachhaltigkeitssektors nicht um den ersten Schritt einer ökologischen Transformation des Kapitalismus insgesamt handelt, sondern um die transnationale Formierung eines Hoch-Qualitäts-Segments des ethischen Konsums, das an die hohe Kaufkraft begüterter Konsumentinnen und die hohe Produktivität einiger Gruppen von Beschäftigten gebunden ist. Vor dem Hintergrund sozialtheoretischer Überlegungen der Soziologie der Kritik und der Rechtfertigung beleuchtet Münnich die Folgen einer solchen Segmentierung in einen nachhaltigen und einen nicht-nachhaltigen Kapitalismus für die Themen der politischen Kapitalismuskritik. Er entwickelt die These, dass mit der Segmentierung der Produktionsweisen und Konsummuster auch ein Formwandel der öffentlichen Diskurse um die Kritik des globalen Kapitalismus verbunden sein könnte, durch den sich Machtunterschiede bei der öffentlichen Auseinandersetzung um den Kapitalismus verschärfen und die Herausbildung klassenübergreifender Koalitionen erschweren. Bestimmte Fraktionen im globalen Kapitalismus präsentierten sich als selbstkritisch und böten neue ökologische Legitimationsmuster für einige der ökonomisch und symbolisch mächtigsten Gruppen an, deren politischer Einfluss für eine grundlegendere Transformation der Ökonomie aber dringend gebraucht würde.

Iris Hilbrichs Beitrag analysiert naturwissenschaftliche Diskurse um das Geoengineering, das vielfach als notwendiger Bestandteil ökologischer Krisenlösungen adressiert wird. Dabei zeichnet sie einerseits divergierende Einschätzungen zu den verschiedenen Hochrisikotechnologien nach, insbesondere zu den Technologien des Carbon Dioxide Removals (CDR) und des Solar Radiation Managements (SRM). Auf der Grundlage einer empirischen Interviewforschung identifiziert Hilbrich vier Diskurspositionen, von denen je zwei auf CDR und SRM gerichtet sind. CDR werde dabei als entweder unvermeidbar oder undurchführbar angesehen, während SRM – einhellig als hochriskant eingeschätzt – als nicht nutzbar betrachtet wird, gleichwohl aber als letzter Rettungsanker in der Klimakrise erscheint. Zum anderen richtet sich Hilbrichs Blick auf epistemische globale Ungleichheiten, die Zugangsbeschränkungen und Ausschlüsse bei der Gestaltung von Klimapolitik mit sich brächten, insbesondere auch hinsichtlich des Einsatzes von Geoengineering. Hilbrich zeigt, wie Wissenschaftler aus dem Globalen Süden sowohl eine stärker regionenspezifische Forschung zu diesen Technologien fordern als auch mehr Mitspracherechte bei Entscheidungen über deren Einsatz.

Der abschließende dritte Teil des Bandes versammelt Beiträge, die dezidiert Alternativen zum grünen Kapitalismus diskutieren und vor dem Hintergrund ungleicher globaler Verantwortlichkeiten für die ökologische Krise die Möglichkeiten einer grundlegenden sozial-ökologischen Transformation erörtern. Dabei stehen zum einen zivilgesellschaftliche Initiativen und breite soziale Bündnisse im Zentrum, die ökonomische Alternativen jenseits des Wachstumszwangs erproben (Treu) und die – im Globalen Süden wie im Norden – Sorge und Reproduktivität als Gegenpole zur kapitalistischen Inwertsetzung einfordern (Wichterich). Zum anderen werden Möglichkeiten demokratischer Planung für eine sozial-ökologische Transformation diskutiert (Sorg) und dabei Probleme gesellschaftlicher Steuerung erwogen.

Nina Treu geht in ihrem Beitrag Möglichkeiten nach, soziale, ökologische und demokratische Politik zu verbinden, um den multiplen Krisen der Gegenwart Herr werden zu können. Mittels eines Ländervergleiches von Emissionen geht sie auf die global ungleichen Verantwortlichkeiten für die Klimakrise ein und weist dabei die Vorstellung zurück, dass grünes Wachstum den Ressourcenverbrauch nennenswert reduzieren könne. Sie kritisiert individualisierende und konsumorientierte Lösungsansätze und fordert eine Ordnungspolitik mit strikteren Vorgaben und auch mit Verboten ein. Trotz ihrer insgesamt ernüchternden Bestandsaufnahme der klimapolitischen Fortschritte in Deutschland erkennt sie erste Konturen einer umfassenden sozial-ökologischen Transformation: Unter Rückgriff auf Erik Olin Wrights Konzept der »realen Utopien« stellt sie zivilgesellschaftliche Initiativen vor und argumentiert, dass diese auch bei ihrem Heraustreten aus Nischen lokal verankert bleiben müssten. Insbesondere Allianzen aus sozialen Bewegungen, Umweltorganisationen und Gewerkschaften könnten klassen- und themenübergreifende Anschübe zur Transformation in Gang setzen.

Christa Wichterich betrachtet in ihrem Beitrag Care und (Re)Produktivität als Zentrum eines feministisch-intersektionalen Gegenentwurfs zum grünen Kapitalismus und weist die technischen Krisenlösungen verschiedener Green Deals zurück, die weiterhin auf Wachstum und Produktivismus beruhten. Ausgehend von der indischen Chipko-Bewegung in den 1970er Jahren lotet sie aus, wie soziale Bewegungen im Globalen Süden und deren Konzept der Agroökologie Widerstand gegen neokoloniale und neoliberale Politiken des grünen Kapitalismus und seinen Ressourcenextraktivismus leisten und dabei Praktiken alternativer Naturbearbeitung, Ressourcennutzung und Wissenssysteme hervorbringen. Zudem untersucht Wichterich die Logik der Sorge in drei Projekten solidarischer Landwirtschaft in den USA, Deutschland und Österreich und zeigt auf, in welcher Weise diese Projekte Kritik an Wachstum und Produktivismus mit dem Ziel sozialer und ökologischer Gerechtigkeit verknüpfen. Solche herrschaftskritischen Projekte seien auch Paradigmenkämpfe um Wirtschaftsformen und gesellschaftliche Naturverhältnisse. Trotz aller Beschränkungen hätten sie Wichterich zufolge transformatorisches Potenzial, um die Ökonomie insgesamt von den Gebrauchswerten, den Bedarfen und dem Gemeinwohl her zu denken.

Christoph Sorg schließlich beobachtet in seinem Beitrag, dass Kritiken des grünen Kapitalismus oft wirtschaftliche Planung fordern, ohne genauer auszuführen, wie solche Planung eigentlich funktionieren könnte. Weiterführende Modelle hierzu findet er in der neuen Planungsdebatte, die nach der Möglichkeit demokratischer und gemeinwohlorientierter Planung innerhalb planetarer Grenzen fragt. Sorg stellt drei Idealtypen ökologischer Planung vor: ökologische Marktgestaltung, ökologische Zentralplanung und sozial-ökologische Einbettung. Bei einem Scheitern der ökologischen Gestaltung von Märkten befürchtet er eine kommende »grüne Kriegsplanung«, die Betriebe in Privatbesitz mit weitgehender Zentralplanung verbindet. Als Lösung diskutiert er eine Form demokratischer Planung, welche die Wirtschaft in gesellschaftliche Zusammenhänge und die nicht-menschliche Natur einbettet und mit der zentrale Inputs und Investitionen politisch ausgehandelt werden.

Dieser Band entstand im Rahmen der Hamburger DFG-Kolleg-Forschungsgruppe Zukünfte der Nachhaltigkeit. Seinen Ausgangspunkt fand er in den Vorträgen der Jahrestagung 2023 des Kollegs, die dem »Scheitern des grünen Kapitalismus« gewidmet war. Ergänzt wird er durch Beiträge von Fellows des Kollegs und anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, mit denen wir in einem regen Austausch stehen. Wir danken der Kolleg-Forschungsgruppe und aus deren Team insbesondere Eva von Staden und Peter Wibbeling sowie für ihre Hilfe bei der Gestaltung und Fertigstellung des Bandes Janna Koop und Luis Poscharsky. Leonie Stumpfögger danken wir für ihr umsichtiges Lektorat, das jeden einzelnen Text verbessert hat, Andreas Bredenfeld für die Übersetzungen der Beiträge von Adrienne Buller und Brett Christophers.

Literatur

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Analysen

Preis und Profit in der Energiewende

Brett Christophers

»Die Vision einer komplett emissionsfreien Welt rückt in den Fokus«, verkündete die Internationale Energieagentur (IEA) in der 2020er-Ausgabe ihres Hauptgutachtens World Energy Outlook (IEA 2020).4 Der Outlook wird von Regierungen für politische Festlegungen und von Unternehmen zur Justierung ihrer Strategien genutzt und wirft einen Blick in die Kristallkugel der IEA, um mögliche Zukunftsentwicklungen im Energiebereich aufzuzeigen. Der Outlook von 2020 bildet vier Szenarien ab, die sich unter anderem dadurch unterscheiden, wie schnell die Corona-Pandemie unter Kontrolle gebracht wird und wie schnell die Welt die Transition zur CO2-Neutralität vollzieht. Zwei zentrale Aspekte haben aber alle vier Szenarien gemeinsam. Erstens übernimmt beim Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen der Energiesektor die »Führungsrolle«; in Sektoren wie der Stahl- und Zementindustrie und dem Langstreckenverkehr, in denen die Elektrifizierung auf Widerstände stößt, vollzieht sich der Übergang langsamer. Zweitens ist innerhalb des Bereichs der Stromerzeugung die Photovoltaik (PV) der »wichtigste Motor für das Wachstum [der erneuerbaren Energieträger]«. Warum? In erster Linie wegen der Preise. Die PV ist, so die IEA, »in den meisten Ländern durchweg billiger als neue Kohle- oder Gaskraftwerke, und Solarprojekte liefern inzwischen den preisgünstigsten Strom, den es je gab«.

Zwar mögen es neue Zahlen gewesen sein (in der Vergangenheit hatte die IEA beharrlich behauptet, die preisgünstigste Stromquelle sei die Kohle) – aber das Wesen des Transitionsnarrativs ist nicht neu. Die Szenariengestaltung der IEA fügt sich seit Langem in ein weit umfassenderes, hegemoniales Deutungsmuster, das sie wohl sogar selbst geprägt hat. Dieses Deutungsmuster geht davon aus, die entscheidende ökonomische Determinante des notwendigen Umstiegs auf ein kohlenstofffreies Energiesystem werde die relative Erschwinglichkeit der verschiedenen Energiequellen sein. »Wenn über die Frage ›Fossile Brennstoffe versus erneuerbare Energieträger‹ gestritten wird«, so brachte James Purtill (2020) es in einem Kommentar zum IEA-Bericht von 2020 auf den Punkt, »geht es oft letztlich um den Preis«. Das trifft zu. Anfang 2020 lieferte Martin Wolf, Chefkommentator für Wirtschaftsfragen bei der Financial Times, ein paradigmatisches Beispiel: »Selbst wenn man annimmt, dass der Umstieg auf eine emissionsfreie Weltwirtschaft bis 2050 technisch wirklich machbar ist, wird dieser Umstieg wahrscheinlich nicht aus rein wirtschaftlichen Kräften resultieren.« (Wolf 2020) Wolf führte dafür zwei Gründe an: Als ersten Grund nannte er die »immense Trägheit beim Umstieg auf neue Technologien«. Der Hauptgrund war aus seiner Sicht jedoch der Preis: »Die Kostenvorteile der CO2-freien Alternativen sind in vielen Bereichen bestenfalls bescheiden.«

Der vorliegende Beitrag geht von der Prämisse aus, dass dieses Deutungsmuster den Kapitalismus substanziell – wenn auch nicht vollständig – missversteht und in dem Maß, in dem die Abkehr von den fossilen Brennstoffen ein im Grundsatz kapitalistisches Unterfangen ist und bleiben wird, mithin auch die Antriebskräfte dieses Umstiegs grundlegend verkennt. Bei der Transition und bei der Frage »Fossile Brennstoffe versus Erneuerbare« geht es im Kern um Investitionen und nicht um den Preis. Zwar werden Investitionsentscheidungen ihrerseits durch Preise beeinflusst, so wie sie auch durch staatliche Politik und Regulierung beeinflusst werden – die natürlich in einem gewissen Ausmaß die »rein wirtschaftlichen Kräfte«, die Martin Wolf als Wirkungsfaktoren für Technologiewechsel benennt, verändern können und auch tatsächlich verändern und die, wenn sie stark interventionistisch eingesetzt werden, dazu führen würden, dass die Energietransition potenziell nicht mehr im strengen Sinne »kapitalistisch« (das heißt: marktgesteuert) ist. Aber Investitionsentscheidungen werden nicht durch den Preis bestimmt. Der springende Punkt bei Investitionen ist der Profit.

Ausgehend von dieser Perspektive, nimmt der vorliegende Beitrag eine andere Bestandsaufnahme der Transitionsaussichten vor als die IEA. Wenn wir nicht den Preis, sondern Investitionen und Gewinne in den Fokus rücken (diese Prämisse soll in dem vorliegenden Beitrag begründet werden), was können wir dann über die aktuellen Aussichten sagen? Der Beitrag bietet einen spezifischen Zugang zu dieser Frage, indem er den Fokus auf die Aktivitäten und Investitionen großer westlicher fossiler Energieunternehmen richtet – konkret der Öl- und Gasproduzenten.

Unter Analysegesichtspunkten mag diese Entscheidung merkwürdig anmuten, sie hat aber durchaus ihre Logik. Erstens haben die in Europa ansässigen Großkonzerne – BP, Royal Dutch Shell (im Folgenden »Shell«) und Total – in jüngster Zeit allesamt die strategische Absicht signalisiert, mehr erneuerbare Energien zu produzieren und sich damit letztlich, wie BP es formuliert, von Ölunternehmen zu Energieunternehmen zu wandeln. Diese drei Unternehmen stehen im Folgenden empirisch im Fokus. Zweitens – und das ist noch wichtiger – spielt für Tempo und Ausmaß der Energietransition sowohl die Reduzierung der fossilen Brennstoffe als auch der Ausbau der erneuerbaren Energien eine Rolle. In diesem Zusammenhang sind die Wege, die die großen Öl- und Gaskonzerne einschlagen, von zentraler Bedeutung. Es gibt natürlich noch andere wichtige Öl- und Gasproduzenten, nicht zuletzt die nationalen Ölgesellschaften der Petro-Staaten; doch eine Betrachtung der drei führenden westlichen Großkonzerne kann auf jeden Fall relevante Investitionsüberlegungen beleuchten.

Die zentrale Erkenntnis des Beitrags ist, dass trotz der sinkenden Preise für erneuerbare Energien, wie die Solarenergie, die Investitionslogik aus der Sicht von Unternehmen wie BP, Shell und Total allem Anschein nach weiterhin schwach ist.

Im Folgenden gehe ich in drei Schritten vor. Als Orientierung zum besseren Verständnis der ökonomischen Triebkräfte kapitalistischer Energietransitionen blickt der erste Teil vor allem in die Geschichte zurück. Dass der Profit der entscheidende Faktor ist und nicht der Preis, lehren die bahnbrechenden neueren Forschungen zum Aufstieg der fossilen Brennstoffe während der prägenden Etappen der Industriellen Revolution. Ferner wird im ersten Teil verdeutlicht, wie der Beitrag sich zur bisherigen Literatur zur Energietransition positioniert. Der zweite Teil liefert als Basis für die Analyse der heutigen Strategien großer Ölkonzerne einen kompakten Überblick über die Ökonomie der regenerativen Stromerzeugung und nimmt wichtige neuere Marktentwicklungen in den Blick, die sich auf diese Ökonomie auswirken. Der Schlussteil untersucht, was BP, Shell und Total in jüngster Zeit5 über ihre jeweiligen Transitionspläne verlauten ließen, und kommt zu dem Ergebnis, dass selbst gegenüber den in Wahrheit relativ bescheidenen Ambitionen für die Transition und somit auch für die Emissionsreduzierung Skepsis angebracht ist. Ein aufmerksamer Blick auf das, was die Protagonisten selbst über ihre Investitionsprioritäten sagen, lässt deutlich werden, warum diese Skepsis angebracht ist.

Fossiles Kapital

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Dringlichkeit der Klimakrise immer offensichtlicher geworden, und die Erzeugung sauberer und erneuerbarer Energien begann in bedeutendem Umfang in die Infrastrukturen der Energieversorgung vorzudringen. Parallel dazu entstand eine Vielzahl an Publikationen über die weltweit in Gang gesetzte Energietransition. Diese Veröffentlichungen widmen sich vor allem der Beschreibung, wie diese Energietransition sich gestaltet – wie schnell sie abläuft, welche Formen sie annimmt und welche geografischen Unterschiede es dabei gibt –, um die entscheidenden Determinanten dieser Transitionspfade zu verstehen.

Diese Literatur über die Transition ist nicht primär »ökonomischer« Natur, sondern begreift die Transition in der Regel eher unter dem Aspekt verschiedener »sozio-technischer« Regime. Der auf jenem Gebiet einflussreiche Forscher Frank Geels führt in diesem Zusammenhang (a) Akteurnetzwerke, (b) formale, normative und kognitive Regeln sowie (c) materielle und technische Elemente an. Eine erfolgreiche Transition, so wird argumentiert (zum Beispiel Verbong/Geels 2007), setze positive und sich wechselseitig verstärkende Entwicklungen in allen drei Bereichen voraus. Ökonomische Faktoren sind – neben politischen, kulturellen und technischen Faktoren – nur eine der vielen Dimensionen, in denen Innovationen für eine saubere Energieversorgung mit den vorherrschenden Energieinfrastrukturen in Konkurrenz treten können.

Wenn sich die Transitionsliteratur doch auf die Ökonomie bezieht, liegt der Fokus – wie beim oben angesprochenen umfassenderen, öffentlichkeitsorientierten Diskursstil der IEA – voll und ganz auf dem Preis. Um sich durchzusetzen, müssen erneuerbare Energieträger billiger sein. Dieser Standpunkt offenbart sich in Beurteilungen der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit spezifischer Technologien (zum Beispiel Breyer et al. 2017, zur PV) ebenso wie bei der Evaluierung der Transitionsfortschritte in bestimmten Gebieten (zum Beispiel Ouyang/Lin 2014, über China). Sofern Debatten geführt werden, wird weniger hinterfragt, ob die Kosten überhaupt die relevante ökonomische Antriebskraft sind, als vielmehr diskutiert, welches Maß der Kosten am zweckmäßigsten ist (zum Beispiel Aldersey-Williams/Rubert 2019).

Dass weithin davon ausgegangen wird, erneuerbare Energien müssten billiger sein als fossile Brennstoffe, damit sie diese im großen Stil verdrängen können, ist vielleicht nicht überraschend, denn seit Langem hält sich die vorherrschende Meinung, auch die fossilen Brennstoffe seien ursprünglich aus solchen ökonomischen Gründen zur Hauptenergiequelle des Kapitalismus geworden. Der entscheidende Umstieg von Wasser und Wasserrad auf Dampf und Dampfmaschine – und damit zur Kohle – vollzog sich im England der 1820er und 1830er Jahre und spielte sich vor allem in der Baumwollindustrie ab. In der Historiografie dieser Energietransition kursieren traditionell zahlreiche Theorien. Eine davon lautet, Wasserkraft sei nicht mehr in ausreichendem Überfluss vorhanden gewesen, um den fabrikbasierten Baumwollkapitalismus mit Energie zu versorgen. Einer anderen Theorie zufolge war die kohlegetriebene Dampfkraft ergiebiger als die Wasserkraft. Das dominierende Narrativ jedoch lautete, wie Andreas Malm (2016) aufgezeigt hat, Kohle – und Dampf – seien billiger gewesen:

»Die fossilen Brennstoffe entschieden das erste Rennen für sich, weil sie am billigsten waren, und der gleiche Vorsprung muss nun für die erneuerbaren Alternativen sichergestellt werden, wenn sie eine Chance haben sollen […]. Kapitalisten, die Technologien mit niedrigeren Preisen allmählich zur Entfaltung bringen: Das ist die Betriebsanleitung, der es zu folgen gilt.« (ebd.: 14)6

Malms Buch Fossil Capital (2016) räumt mit dieser tradierten Meinung auf – auf zweierlei Weise. Erstens weist Malm akribisch nach, dass die bestehende Orthodoxie durch die Fakten widerlegt wird. Es trifft schlicht nicht zu, dass Wasser absolut betrachtet oder in Relation zu den neu entstehenden industriellen Erfordernissen knapp war. Es trifft auch nicht zu, dass Wasserräder nicht so viel Energie erzeugen konnten wie Dampf. Vor allem aber stimmt es nicht, dass Dampf billiger war. Im Gegenteil: Wasser war und blieb billiger – hauptsächlich deswegen, weil keine menschliche Arbeitskraft gebraucht wurde, um seine Kraft zur Entfaltung zu bringen, während die Umwandlung von Kohle in eine Energiequelle nur durch den »massiven« Einsatz kostspieliger menschlicher Arbeitskraft möglich war (ebd.: 91). Zweitens führt Malm eine Reihe überzeugender Gegenbehauptungen an. Zu diesem Zweck behandelt er Energietransitionen als das, was sie im Kapitalismus selbstverständlich sind: als Phänomene, die sich herauskristallisieren aus einer Reihe aktiver »Investitionsentscheidungen, mitunter mit entscheidenden Impulsen vonseiten bestimmter Regierungen, selten aber durch demokratische Beratung« (ebd.: 268). Was, fragt Malm, bewog englische Baumwoll-Kapitalisten und in der Folge Kapitalisten in anderen Industriezweigen dazu, aktiv in Dampfkraft zu investieren?