Das schlimmste Geräusch ist die Stille - Peter Schneider - E-Book

Das schlimmste Geräusch ist die Stille E-Book

Peter Schneider

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Beschreibung

" Es war kein Gefühl, es war eher eine Wucht, die mich aus dem Leben schleuderte. An diesem Samstagabend im April 2016. Als ich von der Arbeit nach Hause kam und Grit fand. Ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen."Es war der dramatischste Tag im Leben von Peter Schneider. Die Trauer ließ ihn die Erinnerungen bündeln, seine schlimmsten Stunden, Tage, Wochen, Jahre.Viele Momente über den Tod, den Abschied, aber auch über die Liebe. Und über die Hilfe, die er von so vielen Seiten erfahren durfte.Peter Schneider beschreibt schonungslos, aber warmherzig die Gefühle und die Schmerzen, die der Tod seiner Frau hervorgerufen hat. Dies ist jedoch kein Tagebuch, sondern ein vom Leiden geführtes Schreiben, das ihm geholfen hat, den Schmerz zu ertragen. "Ich bin der beste Beweis, dass das Leben weitergeht.Mit viel Platz im Herzen für die, die gegangen ist, aber auch mit viel Platz im Herzen für die, die da sind."Peter Schneider gelingt es, Trost zu spenden und Mut zu machen für das Leben.Ein wundervolles Trauerbuch!

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PETER SCHNEIDER

 

Das schlimmste

Geräusch ist die Stille

 

Scholastika Verlag

Stuttgart

Über das Buch

»… Es war kein Gefühl, es war eher eine Wucht, die mich aus dem Leben schleuderte. An diesem Samstagabend im April 2016. Als ich von der Arbeit nach Hause kam und Grit fand. Ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen.« Es war der dramatischste Tag im Leben von Peter Schneider. Die Trauer ließ ihn die Erinnerungen bündeln, seine schlimmsten Stunden, Tage, Wochen, Jahre. Viele Momente über den Tod, den Abschied, aber auch über die Liebe. Und über die Hilfe, die er von so vielen Seiten erfahren durfte. Peter Schneider beschreibt schonungslos, aber warmherzig die Gefühle und die Schmerzen, die der Tod seiner Frau hervorgerufen hat. Dies ist jedoch kein Tagebuch, sondern ein vom Leiden geführtes Schreiben, das ihm geholfen hat, den Schmerz zu ertragen. »Ich bin der beste Beweis, dass das Leben weitergeht. Mit viel Platz im Herzen für die, die gegangen ist, aber auch mit viel Platz im Herzen für die, die da sind.«

Peter Schneider gelingt es, Trost zu spenden und Mut zu machen für das Leben. Ein wundervolles Trauerbuch!

Der Autor

 

Peter Schneider, Jahrgang 1968, ist im Hunsrück geboren und aufgewachsen, heute lebt er mit seiner Lebensgefährtin in Rheinhessen. Seit 1991 arbeitet er als Sportjournalist, zunächst für die Rhein-Zeitung, seit 1996 für die VRM in Mainz.

 

 

Über meine Trauer und meine Hoffnung

 

»Uns gehört nur die Stunde.

Und eine Stunde, wenn sie glücklich ist,

ist viel.« Theodor Fontane

 

Für Grit und Susanne

Vorwort

Draußen ist es ruhig. Ein Donnerstagabend im September 2020. Ich sitze an meinem Schreibtisch, lasse diese Wörter über meinen Laptop-Bildschirm wandern. Endlich die Erinnerungen bündeln: meine schlimmsten Stunden, Tage, Wochen, Jahre.

Ob ich dieses Gefühl beschreiben könne? Diese Frage stellte mir einst eine Freundin. Nein, ich fand keine Worte. Es war kein Gefühl, es war eher eine Wucht, die mich aus dem Leben schleuderte. An diesem Samstagabend im April 2016. Als ich von der Arbeit nach Hause kam und Grit fand. Ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen.

Ich hatte mir nie vorstellen können, dass solche psychischen Schmerzen möglich sind. Aber ich bearbeitete die Wucht. Irgendwann las ich die Geschichte von den Eltern, deren Kind gestorben war. Und die Mutter sagte zu dem Vater: »Wir werden unser Leben lang traurig sein. Aber wir werden nicht unser Leben lang unglücklich sein.«

Eine Therapeutin half. »Es ist schmerzlich, Sie so traurig zu sehen«, sagte sie anfangs. »Es hätte heute auch anders sein können: Sie würden lachen, arbeiten, sich auf Ihren Sport freuen.« Ich stutzte, sie fuhr fort: »Wenn Sie Ihre Frau nie kennengelernt hätten, dann hätten Sie von ihrem Tod nichts mitbekommen. Wäre das eine Alternative? Hätten Sie das gewollt?« Es waren die wichtigsten Ersthelfer-Sätze. Denn damit fand meine Seelenfee sehr früh diesen entscheidenden Knopf: Dankbarkeit für das, was war, für das Geschenk der Zweisamkeit, für das Erlebte. Und für all das lohnte es sich, den Schmerz zu ertragen.

Irgendwann merkte ich, dass Schreiben beim Verarbeiten dieses Schmerzes hilft. In meinen Tiefs habe ich die Gedanken deshalb immer wieder zu Papier gebracht. So sind viele kleine Geschichten entstanden. Einige davon, um Grit zu beschreiben, gegen das Verblassen der Erinnerung.

Als ich im November 2017 in einem Text für die Zeitungen der VRM, meinem Arbeitgeber, über meine Trauerarbeit geschrieben hatte, war die Resonanz überwältigend. Viele fremde Menschen kontaktierten mich, schrieben mir, wie sehr ihnen der Text geholfen habe. Das hat mich ermutigt, weitere kleine Texte zu schreiben. Das Erlebte, die Trauer, die Hilfe, die Hoffnung zu Papier zu bringen.

Nun werde ich die einzelnen Schreibstücke zu einem großen Mosaik zusammensetzen. Weil ich zeigen möchte: Auch wenn die Wucht gnadenlos erscheint, wenn die Verzweiflung dich wie eine Flutwelle mitreißt – es gibt immer eine Zukunft. Obwohl ich nicht daran geglaubt hatte, mir immer wieder resignierend sagte: »Die schönsten zwanzig Jahre des Lebens liegen hinter mir.« Und heute? Ich habe zum zweiten Mal in meinem Leben das Glück gefunden.

Ich möchte gerne meine Geschichte erzählen. Für alle Leserinnen und Leser. Für Grit, für Susanne, für meine Freunde, für alle, die mir auf dem Weg geholfen haben. Ich hoffe so sehr, dass ich andere Trauernde auf ihrem persönlichen Weg stützen kann. Zurück ins Leben. Denn das Leben ist ein Geschenk.

 

 

Erschienen im Scholastika Verlag

Rühlestraße 2

70374 Stuttgart

Tel.: 0711 / 520 800 60

 

www.scholastika-verlag.com

E-Mail: [email protected]

 

Zu beziehen in allen Buchhandlungen,

im Scholastika Verlag und im Internet.

 

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage

© 2021 Scholastika Verlag, 70374 Stuttgart

ISBN 978-3-947233-53-3

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-947233-52-6

Coverbild: Thomas Christ

Fotos: Peter Schneider

Autorenfoto: Harald Kaster

Lektorat: Petra Seitzmayer

Druck: Druckerei Hallwich GmbH

eBook-Entwicklung:

Kapitel 1

Herzensgut

Es war ein Geschenk, dass ich Grit kennenlernen durfte. Dass sie mir mein Leben so viel wertvoller gemacht hat. Grit haderte nie, obwohl seit ihrer Geburt am 14. Juni 1972 in Neuruppin ein Herzfehler ihr großes Handikap war. Es sei nicht zu operieren, sagten die Ärzte damals. Sie kam schneller außer Atem als andere Menschen. Anstiege oder Treppen laufen waren für sie große Anstrengungen, die oft nur mit Pausen zu bewältigen waren. Ihr Bruder Jens hatte den gleichen Herzfehler. Er starb im Alter von zwölf Jahren auf der Rückbank des Trabbi neben der jüngeren Schwester, gerade als seine Eltern und sie ihn von einer Untersuchung im Krankenhaus abgeholt hatten. Grit war damals fünf Jahre alt.

Der Tod des Bruders ließ die Eltern natürlich auch um sie bangen. Grit selbst sagte mal, sie habe irgendwann gedacht, sie werde doppelt so alt wie Jens, dann müsse sie wohl auch sterben. Vierundzwanzig Jahre also. Es war ihr 24. Geburtstag, an dem wir uns zum ersten Mal trafen. Damals hatte sie immer einen Piepser dabei, der sie alarmieren sollte, wenn ein Spenderherz eintreffen würde. Sie stand auf der Transplantationsliste. Wer sie sah, konnte nicht glauben, dass sie einen Herzfehler hatte. Es war ihr nicht anzumerken.

Diese Frau strahlte. Sie besuchte Konzerte, sie ging in Ausstellungen, sie traf Freunde, sie ging ehrgeizig ihre Ausbildung an, arbeitete später gewissenhaft und zuverlässig in ihrem Beruf als Versicherungskauffrau.

Sie lebte. Und ich erlebte sie: ihren Optimismus, ihre Freude. Beides umarmte mich auf wundersame Weise auf unserem Spaziergang in Maria Laach an Ostern 2016.

 

Kapitel 2

Hand in Hand und Arm in Arm

Schon in der Abtei Maria Laach wird mir an diesem Ostersonntag 2016 bewusst, dass dies ein besonderer Tag werden würde. Als wir durch die schwere Tür in die Klosterkirche schreiten, steigt uns der Duft von Weihrauch in die Nase, Spuren der Messe am Morgen, nur wenige Stunden zuvor. Als wir uns umsehen, scheint plötzlich die Sonne durch die riesigen Kirchenfenster. Sie scheint nicht nur, sie lässt ihre Strahlen sichtbar werden. Durch den Weihrauch wirkt es, als hätte uns Gott direkt einen Ostergruß in die Kirche geschickt.

Und das durch alle Fenster, obwohl doch für den gesamten Tag fürchterlicher Regen vorhergesagt war. Fasziniert versuche ich, das kleine Kirchenwunder mit der Kamera einzufangen. Es gelingt – Grit und ich schauen uns begeistert im Display das Ergebnis an. Ich setze mich in eine der hinteren Kirchenbänke, um diesen grandiosen Anblick aufzusaugen. Grit sitzt in einer anderen Bank. Sie dreht sich um, sieht mich. Und zeigt ihr wunderschönes Lächeln. Mit ihren Augen sagt sie: »Warum sitzt du alleine da hinten? Ich möchte bei dir sein.« Sie steht auf, geht die sieben Schritte zu mir, setzt sich neben mich, nimmt meine Hand. Ich umarme sie. Viele Wochen später erst sollte mir klar werden: Gott schickte uns dieses Zeichen. Die Zeit war gekommen. Aber dieser Lichtstrahl an Ostern sollte uns auch sagen: Mit dem Sterben ist nicht alles vorbei – dann kommt das Licht. Es ist sechs Tage vor Grits Tod.

Grit hatte sich so sehr diesen Ausflug nach Maria Laach gewünscht. »Oh, du musst an Ostern nur Samstag arbeiten. Dann buche ich uns ab Sonntag ein Hotel, ich bezahle es auch, Vati hat mir Geld überwiesen.« Sie hatte – wie so oft – mein Zögern besiegt. Mit ihrem Entdeckergeist begeisterte sie mich. Aus meinem »Sollen wir Ostern nicht lieber zu Hause verbringen?« wurde Vorfreude.

Jetzt sind wir hier. Nach dem Licht-Moment im Inneren versuche ich, auch von außen die Basilika mit der Kamera einzufangen. »Ich gehe gerade mal auf diese Erhöhung im Wald, dann habe ich eine bessere Perspektive«, sage ich, worauf Grit schnell antwortet: »Ich komme mit.« Sie steigt den steilen Waldweg langsam hinauf. Während ich fotografiere, stellt sie fest: »Was für ein schöner Wald. Lass uns noch ein paar Schritte gehen.« – »Ja, gerne. Aber hier geht es bergauf. Ständig.« Das kann nicht gut gehen, wir werden schon bald abbrechen müssen. »Nur bis zur nächsten Kurve«, sagt Grit. Kein Problem, wir haben Zeit, wir können langsam gehen. An der nächsten Kurve angekommen, sieht sie voraus: »Da hinten ist ein Aussichtspunkt, lass uns da noch hingehen.« Wir wandern langsam weiter und genießen, am Aussichtspunkt angekommen, den Blick auf den Laacher See.

Und nun? Zurück? »Nein, lass uns noch ein Stück gehen, bis zur nächsten Kurve.« Grit ist fasziniert von dem Wald, von den Bäumen. Sie geht in dem ihr üblichen Tempo. Sie lässt sich von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen. Schritt für Schritt. Langsam, aber stetig voran. Manchmal bleibt sie stehen, schaut einen Baum hinauf und sagt: »Schön.«

Die nächste Kurve ist erreicht, aber die Frage der Umkehr stellt sich nicht mehr. Längst haben wir beide viel Spaß an diesem Spaziergang gefunden. Wir stapfen weiter. Ich mache Fotos: von Wurzeln, Abhängen, dem See, den Stämmen, von Grit. Sie erzählt mir aus dem Buch, das sie sich von mir zu Weihnachten gewünscht hatte. »Das geheime Leben der Bäume« von Förster Peter Wohlleben. Begeistert und fasziniert berichtet sie. »Wusstest du, dass die Bäume in den Kronen zusammenwachsen? So können sie sich Halt geben, wenn ein Sturm kommt.« Und als plötzlich ein etwas kräftiger Wind um uns zieht, packt sie mich am Arm, zeigt auf die Wipfel und ruft aufgeregt:

»Schau, jetzt, da!« Ich ahne zu dem Zeitpunkt nicht, wie viel Trost mir diese Szene nur eine Woche später geben wird. Das Bild mit dem Halt, wie meine Freunde mich stützen – so wie die Bäume es gegenseitig tun.

Wir gehen weiter. Schritt für Schritt. Die Langsamkeit hat uns im Griff. Und das fühlt sich gut an. Irgendwie haben wir alles um uns herum vergessen. Keine Uhrzeit, keine anderen Menschen. Nicht mal einen Schirm haben wir auf diesem ungeplanten Gang dabei – obwohl die Wetterpropheten im Radio es empfohlen hatten. Ich bin auf diesem Spaziergang entspannt wie lange nicht. Und wir sind uns sehr nah. In unseren Gedanken, in unseren Schritten. Hand in Hand. Arm in Arm.

An einer Weggabelung schaue ich nach oben. »Das sieht aus, als sei da hinten schon der obere Punkt.« Grit lächelt und sagt: »Meinst du wirklich? Dann schaffen wir das auch noch.« Na klar, wir schlendern weiter. Kurz vor oben: Ich »muss mal«, schlage mich in den Wald, suche mir einen Baum. Grit setzt ihren Weg fort. Und dann höre ich sie: »Oh, wie schön, wir sind oben.« Ich laufe zu ihr. Der Waldweg ist zu Ende. Wir blicken unendlich weit. Bis ins Siebengebirge. Etwas näher ist die A61. Wir versuchen, uns zu orientieren.

Grit strahlt. Ihr ist der Stolz anzusehen: Ich habe es geschafft, ich bin oben, was für ein wunderschöner Spaziergang, Peter ist auch entspannt, hat Spaß – was wünsche ich mir mehr. Sie sagt es nicht, aber das alles strahlen ihre Augen aus. Dabei lacht sie: »Auf dem Rückweg schaltest du bitte deine Lauf-App ein. Damit ich mal sehen kann, wie weit wir gelaufen sind. Wie viele Höhenmeter es waren.« Das mache ich gerne. Später wird uns die App sagen, dass wir zweieinhalb Kilometer nach oben gelaufen sind, dabei hundert Höhenmeter bewältigt haben.

Den kompletten Weg hinab ist Grit diese Zufriedenheit, dieser Stolz anzumerken. Sie erzählt wieder von den Bäumen, macht Pläne für unsere nächsten beiden Tage: Vulkanmuseum in Mendig und Geysir von Andernach.

»Ich will viel mit dir sehen.« Ja, das will sie immer. Die Neugier, das Hinterfragen, das Entdecken. »Aber wenn wir unten sind, gönnen wir uns erst mal ein Stück Kuchen und einen Kaffee«, sagt sie und greift wieder nach meiner Hand.