Das Schwert der Wahrheit 2 - Terry Goodkind - E-Book
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Das Schwert der Wahrheit 2 E-Book

Terry Goodkind

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Beschreibung

Das Fantasy-Meisterwerk jetzt in moderner Neuausstattung!

Richard Cypher hat über seinen Vater triumphiert – der machtgierige Magier Darken Rahl ist tot! Doch aus dem Sieg erwächst eine neue, allumfassende Bedrohung: Im Schleier zwischen der Welt der Lebenden und dem Reich der Toten hat sich beim Kampf zwischen Vater und Sohn ein gefährlicher Riss aufgetan. Und nun droht der dunkle Hüter der Unterwelt in die Welt der Lebenden zu wechseln und alles zu vernichten …

»Das Schwert der Wahrheit« bei Blanvalet:
1. Das erste Gesetz der Magie
2. Die Schwestern des Lichts
3. Die Günstlinge der Unterwelt
4. Der Tempel der vier Winde
5. Die Seele des Feuers
6. Schwester der Finsternis
7. Die Säulen der Schöpfung
8. Das Reich des dunklen Herrschers
9. Die Magie der Erinnerung
10. Am Ende der Welten
11. Konfessor

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Seitenzahl: 2002

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Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
Copyright
1. Kapitel
Rachel drückte ihre Puppe fest an die Brust und starrte auf das dunkle Etwas, das sie aus dem Gebüsch heraus beobachtete. Zumindest glaubte sie, daß es sie beobachtete. Es war schwer zu sagen, denn die Augen waren genauso dunkel wie alles übrige - außer wenn das Licht genau richtig darauf fiel, dann leuchteten sie golden auf.
Schon früher hatte sie Tiere im Wald gesehen, Kaninchen, Waschbären, Eichhörnchen und dergleichen, aber dieses hier war größer. Es war so groß wie sie selbst, vielleicht sogar noch größer. Und dunkel wie ein Bär. Sie überlegte, ob es vielleicht ein Bär war.
Aber das hier war eigentlich gar kein richtiger Wald, denn er befand sich in einem Haus. Sie war noch nie in einem Wald gewesen, der sich in einem Haus befand. Sie überlegte, ob in Wäldern in Häusern die gleichen Tiere lebten wie in denen draußen.
Wäre Chase nicht bei ihr gewesen, hätte sie vielleicht Angst gehabt. Bei ihm war sie jedoch sicher, das wußte sie. Chase war der mutigste Mann, den sie je gesehen hatte. Trotzdem, ein bißchen Angst hatte sie dennoch. Chase hatte gesagt, sie sei das tapferste kleine Mädchen, das er kannte. Und er sollte nicht glauben, sie hätte vor einem großen Kaninchen Angst.
Vielleicht war es tatsächlich nur irgendein großes Kaninchen, das auf einem Stein oder etwas Ähnlichem hockte. Aber Kaninchen hatten lange Ohren. Oder war es vielleicht doch ein Bär? Sie steckte sich den Fuß ihrer Puppe in den Mund.
Sie drehte sich um und schaute den Weg entlang, über die hübschen Blumen, die niedrigen, efeuüberwucherten Mauern und den Rasen hinweg, auf dem Chase sich mit Zedd, dem Zauberer, unterhielt. Sie standen neben einem Tisch aus Stein, betrachteten die Kästchen und sprachen darüber, was sie mit ihnen machen sollten. Rachel war froh, daß dieser böse Darken Rahl sie nicht erwischt hatte und daß er nie wieder jemand etwas antun konnte.
Rachel drehte sich um und wollte sich vergewissern, ob das dunkle Etwas näher kam. Aber es war verschwunden. Sie sah sich um, konnte es aber nirgendwo entdecken.
»Was meinst du, Sara, wo es hingelaufen ist?« flüsterte sie.
Ihre Puppe wußte keine Antwort. Rachel biß auf Saras Fuß und wollte zu Chase hinübergehen. Am liebsten wäre sie gerannt, doch Chase sollte nicht meinen, sie wäre vielleicht nicht tapfer. Er hatte gesagt, sie sei tapfer, und sie hatte sich dabei gut gefühlt. Beim Gehen blickte sie über die Schulter - zur Sicherheit -, konnte das schwarze Etwas aber nirgendwo entdecken. Vielleicht lebte es in einem Loch und war darin verschwunden. Noch immer wäre Rachel gern gerannt, beherrschte sich jedoch.
Bei Chase angekommen, drückte Rachel sich an ihn und umschlang sein Bein. Er und Zedd unterhielten sich, und sie wußte, daß es unhöflich wäre dazwischenzureden, also wartete sie und nuckelte dabei an Saras Fuß.
»Und was könnte passieren, wenn du den Deckel einfach schließt?« fragte Chase den Zauberer gerade.
»Alles mögliche!« Zedd reckte seine dürren Arme in die Luft. Sein welliges, weißes Haar war glatt zurückgestrichen, doch an manchen Stellen bäumte es sich immer noch auf. »Woher soll ich das wissen? Daß ich weiß, was die Kästchen der Ordnung bedeuten, heißt noch lange nicht, daß ich auch weiß, was man mit ihnen tun soll, nachdem Darken Rahl eins von ihnen geöffnet hat. Die Magie der Ordnung hat ihn dafür getötet. Sie hätte auch die ganze Welt vernichten können. Sie könnte mich töten, wenn ich es schließe. Oder noch etwas Schlimmeres.«
Chase seufzte. »Nun, wir können sie nicht einfach hier herumstehen lassen, oder? Müssen wir nicht irgend etwas unternehmen?«
Der Zauberer legte die Stirn in Falten, betrachtete die Kästchen und dachte nach. Nachdem das Schweigen über eine Minute gedauert hatte, zupfte Rachel Chase am Ärmel. Er schaute zu ihr hinunter.
»Chase …?«
»›Chase‹? Ich hab’ dir die Regeln doch erklärt.« Er stemmte die Hände in die Hüften, verdrehte die Augen gen Himmel und gab sich alle Mühe, grimmig auszusehen, bis sie anfing zu kichern und sich noch fester an sein Bein klammerte.
»Du bist erst seit ein paar Tagen meine Tochter, und schon brichst du die Regeln. Ich hab’s dir schon einmal gesagt, du sollst mich ›Vater‹ nennen. Keines meiner Kinder darf mich Chase nennen. Verstanden?«
Rachel nickte und mußte grinsen. »Ja, Ch … Vater.«
Er verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Dann strich er ihr durchs Haar. »Was gibt’s denn?«
»Da ist ein großes Tier in den Bäumen. Ich glaube, es könnte vielleicht ein Bär sein oder noch was Schlimmeres. Ich glaube, du mußt dein Schwert rausholen und nachsehen gehen.«
Er lachte. »Ein Bär? Hier drinnen?« Wieder lachte er. »Das hier ist ein Garten in einem Haus, Rachel. In solchen Gärten gibt es keinen Bären. Vielleicht war es ein Schatten. Das Licht kann einen manchmal ziemlich täuschen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht, Ch … Vater. Es hat mich angesehen.«
Lächelnd strich er ihr erneut durchs Haar, dann legte er ihr seine große Hand auf die Wange und drückte ihren Kopf an sein Bein. »Dann bleibst du eben bei mir, und das Tier wird dir nichts tun.«
Sie nuckelte an Saras Fuß und nickte, derweil er ihren Kopf an sein Bein drückte. Jetzt, wo sie seine Hand spürte, hatte sie nicht mehr so viel Angst, deshalb sah sie noch einmal zu den Bäumen hinüber.
Das dunkle Etwas, größtenteils von einer der efeubewachsenen Mauern verborgen, huschte näher herbei. Rachel biß fester auf Saras Fuß und stieß ein leises Winseln aus, während sie zu Chase aufsah. Er zeigte gerade auf die Kästchen.
»Und was war dieses Ding, dieser Stein oder Schmuckstein, oder was das war? Stammte der aus dem Kästchen?«
Zedd nickte. »Allerdings. Aber solange ich mir nicht ganz sicher bin, möchte ich mich nicht dazu äußern. Jedenfalls nicht laut.«
»Vater«, jammerte Rachel. »Es kommt näher.«
Er blickte nach unten. »Gut. Behalte es für mich im Auge.« Er sah den Zauberer wieder an. »Was soll das heißen, du willst dich nicht dazu äußern? Hat es deiner Ansicht nach etwas damit zu tun, daß der Schleier vor der Unterwelt einen Riß bekommen haben könnte?«
Zedd runzelte die Stirn, rieb sich das glattrasierte Kinn mit den dürren Fingern und betrachtete den schwarzen Edelstein, der vor dem offenen Kästchen lag. »Genau das befürchte ich.«
Rachel blickte zur Mauer hinüber, um nachzusehen, wo dieses schwarze Etwas steckte. Sie zuckte zusammen, als sie sah, wie Hände über die Mauerkante griffen. Es war noch näher gekommen.
Aber das waren gar keine Hände. Es waren Krallen. Lange, gebogene Krallen.
Sie schaute hoch zu Chase, betrachtete seine Waffen, um sich zu vergewissern, ob er genug davon hatte. Er hatte Messer, eine Menge Messer rings um seine Hüfte, trug ein Schwert über seine Schulter geschnallt, in seinem Gürtel steckte eine große Axt, und ein paar andere Dinge, die wie Keulen mit spitzen Dornen aussahen, hingen zusätzlich noch daran. Und auf dem Rücken trug er eine Armbrust. Hoffentlich reichte das.
Anderen Männern jagten diese Waffen Angst ein, doch das dunkle Etwas, das immer näher kam, schienen sie nicht abzuschrecken. Und der Zauberer hatte nicht mal ein Messer. Er trug nur diesen einfachen, dunkelbraunen Umhang. Und war auch noch dünn. Nicht so stark wie Chase. Aber Zauberer besaßen magische Kräfte. Vielleicht konnte er das Ding mit seinen magischen Kräften verscheuchen.
Magie! Rachel fiel der magische Feuerstab ein, den ihr der Zauberer Giller geschenkt hatte. Sie griff in ihre Tasche und umfaßte ihn. Vielleicht brauchte Chase ihre Hilfe. Sie würde niemals zulassen, daß dieses Etwas ihrem neuen Vater weh tat. Sie wollte tapfer sein.
»Ist er gefährlich?«
Zedd lugte unter seinen Brauen hervor zu Chase hinauf. »Wenn er das ist, wofür ich ihn halte, und er in die falschen Hände fällt, dann wäre ›gefährlich‹ eine maßlose Untertreibung.«
»Dann sollten wir ihn in ein tiefes Loch schmeißen oder ihn zerstören.«
»Ausgeschlossen. Vielleicht brauchen wir ihn noch.«
»Und wenn wir ihn verstecken?«
»Darüber denke ich gerade nach. Die Frage ist nur: wo? Denn dabei muß man verschiedene Dinge berücksichtigen. Zuerst muß ich Adie nach Aydindril bringen und mit ihr zusammen die Prophezeiungen durchgehen, ehe ich mit Gewißheit sagen kann, was mit dem Stein zu tun ist - oder mit den Kästchen.«
»Und bis dahin? Bis du es weißt?«
Rachel sah hinüber zu dem dunklen Etwas. Das legte die Krallen auf die Oberkante der Mauer, hob den Kopf und blickte ihr genau in die Augen.
Das Etwas grinste sie an und zeigte dabei seine langen, spitzen Zähne. Ihr stockte der Atem. Seine Schultern schüttelten sich. Es lachte. Rachel riß die Augen weit auf, so weit es eben ging. Ihr Herzschlag erzeugte ein dumpfes Rauschen in ihren Ohren.
»Vater …«, jammerte sie mit leiser Stimme.
Er blickte nicht nach unten. Er brachte sie lediglich zum Schweigen. Das Wesen setzte ein Bein über die Mauer und ließ sich, noch immer lachend, vor ihr herunterfallen. Es betrachtete Chase und Zedd mit glänzenden Augen, zischte, dann lachte es und ging in die Hocke.
Rachel zupfte an Chase’ Hosenbein und hatte Mühe, daß ihr die Stimme nicht versagte. »Vater … es kommt.«
»Schon gut, Rachel. Zedd, ich weiß noch immer nicht …«
Das Wesen brach mit Geheul ins Freie. Es lief wie der Blitz, nur ein verschwommener schwarzer Fleck. Rachel kreischte. Chase wirbelte im selben Augenblick herum, als es gegen ihn stieß. Krallen blitzten auf. Chase stürzte, während das Etwas Zedd ansprang.
Der Zauberer schlug mit den Armen um sich. Lichtblitze schossen aus Zedds Fingern, prallten von dem dunklen Wesen ab und schleuderten beim Aufprall auf dem Boden Dreck und Steine in die Höhe. Das Wesen stieß Zedd nieder.
Mit lautem, heulendem Lachen sprang es zurück zu Chase, als er gerade seine Axt aus seinem Gürtel zog. Rachel kreischte erneut, als es die Krallen in Chase hineinschlug. Das Bist war schneller als jedes andere Tier, das sie je gesehen hatte. Die Krallen waren kaum zu erkennen.
Rachel hatte fürchterliche Angst, Chase könnte etwas geschehen. Das Wesen schlug Chase die Axt aus der Hand und lachte furchterregend. Es tat Chase weh. Rachel hielt den Feuerstab in der Hand.
Sie sprang nach vorn und berührte den Rücken des Wesens mit dem Feuerstab. Dann schrie sie die magischen Worte, die den Zauber des Feuerstabs auslösten. »Brenne für mich!«
Das Etwas brach in Flammen aus. Mit entsetzlichem Gebrüll wirbelte es zu ihr herum. Sein Maul klaffte auf, während überall auf seinem Körper Flammen brannten. Dann lachte es wieder, aber nicht so wie Menschen, wenn sie etwas komisch finden. Dieses Lachen rief bei ihr eine Gänsehaut hervor. Das Etwas beugte sich vor und kam, immer noch brennend, auf sie zu. Rachel wich zurück.
Mit einem Ächzen schleuderte Chase eine der Keulen, aus denen die spitzen Dornen hervorlugten. Die Keule traf das Wesen in den Rücken und blieb in seiner Schulter stecken. Es drehte sich zu Chase um, griff lachend hinter sich und riß die Keule aus seinem Rücken. Dann wollte es erneut auf Chase losgehen.
Zedd war inzwischen wieder auf den Beinen. Feuer schoß aus seinen Fingern und überzog das Wesen mit noch mehr Flammen. Das Etwas lachte Zedd aus. Sämtliche Feuer erloschen. Rauch stieg von ihm auf. Sein Körper sah immer noch so aus wie vorher von Zedds magischen Flammen. Tatsächlich hatte es schon dunkel und verbrannt ausgesehen, bevor Rachel es in Brand gesteckt hatte. Und jetzt sah es genauso aus.
Chase war aufgestanden, doch war er blutüberströmt. Rachel kamen die Tränen, als sie das sah. Chase riß die Armbrust vom Rücken und feuerte blitzschnell einen Pfeil ab. Er blieb dem Wesen in der Brust stecken. Es riß den Pfeil heraus und lachte dabei sein entsetzliches Lachen.
Chase schleuderte die Armbrust fort, riß das Schwert von seiner Schulter, rannte auf das Wesen zu, sprang darüber hinweg und stach dabei mit dem Schwert zu. Das Wesen wich so flink aus, daß Chase es verfehlte. Zedd tat irgend etwas, wodurch das Wesen über den Rasen geschleudert wurde. Chase baute sich vor Rachel auf und stieß sie mit einer Hand zurück, während er in der anderen das Schwert hielt.
Das Wesen sprang wieder auf die Beine und sah sie einen nach dem anderen an.
»Geht!« schrie Zedd sie an. »Rennt nicht, und bleibt nicht stehen!«
Chase packte Rachel am Handgelenk und fing an, rückwärts zu gehen. Auch Zedd begann, rückwärts zu gehen. Das dunkle Wesen hörte auf zu lachen und sah sie fassungslos an. Chase’ Atem ging schwer. Sein Kettenhemdpanzer und die dunkelbraune Lederbluse darunter waren von den Krallen zerfetzt. Beim Anblick des Blutes mußte Rachel noch heftiger weinen. Es lief seinen Arm hinunter bis an ihre Hand. Sie wollte nicht, daß ihm jemand weh tat. Sie liebte ihn so sehr. Sie drückte Sara und den Feuerstab noch fester an sich.
Zedd blieb stehen. »Geht weiter«, wies er Chase an.
Das dunkle Wesen starrte den stehengebliebenen Zedd an, und das große Grinsen mit den spitzen Zähnen huschte wieder über sein Gesicht. Es lachte abermals fürchterlich und wühlte den Boden mit den Füßen auf, als es sich erneut blitzschnell auf den Zauberer stürzte.
Zedd hob die Hände. Rings um das Wesen wurden Dreck und Gras aufgewirbelt. Es wurde in die Luft gehoben. Blaue Lichtblitze trafen es von allen Seiten, bevor es auf den Boden schlug. Es heulte vor Lachen, derweil es mit dumpfem Schlag rauchend landete.
Dann geschah noch etwas anderes, Rachel konnte nicht genau erkennen, was, aber das Wesen blieb mit ausgestreckten Armen stecken, so als wollte es losrennen, doch seine Füße klebten fest. Heulend wand es sich, kam allerdings nicht von der Stelle. Zedds Arme wirbelten im Kreis herum, dann reckte er sich noch einmal nach vorn. Der Boden bebte wie nach einem Donnerschlag, und Lichtblitze schlugen in das Wesen ein. Es lachte, dann gab es ein Geräusch, als würde Holz brechen, und das Etwas stürzte sich auf Zedd.
Zedd ging weiter. Das Wesen blieb stehen und legte die Stirn in Falten. Dann blieb der Zauberer stehen und streckte die Arme noch einmal nach vorn. Ein entsetzlicher Feuerball wirbelte durch die Luft auf das Wesen zu, welches auf Zedd zugerannt kam. Der Feuerball erzeugte ein lautes Kreischen und wurde auf seinem Weg zu dem dunklen Wesen immer größer.
Der Aufprall war so heftig, daß der Boden bebte, das blaugelbe Licht so grell, daß Rachel die Augen zusammenkneifen mußte. Der Feuerball verbrannte an Ort und Stelle und rief ein lautes Donnern hervor.
Qualmend trat das Wesen aus dem Feuer. Vor Lachen schüttelten sich seine Schultern. Die Flammen erloschen, als wären es nur Funken gewesen.
»Verdammt«, meinte der Zauberer und ging weiter rückwärts.
Rachel hatte keine Ahnung, was damit gemeint war, Chase hatte Zedd jedoch gebeten, es vor ›kleinen Ohren‹ nicht zu sagen. Wieso, wußte sie ebensowenig. Das wellige, weiße Haar des Zauberers war völlig zerzaust und stand büschelweise in alle möglichen Richtungen ab.
Rachel und Chase befanden sich jetzt auf dem Weg zwischen den Bäumen, hatten fast die Tür erreicht. Zedd kam unter den Blicken des Wesens rückwärts auf sie zu. Als Zedd stehenblieb, griff das Wesen erneut an.
Eine Feuerwand schoß vor ihm in die Höhe. Die Luft stank nach Rauch und war von tosendem Lärm erfüllt. Das Wesen trat durch die Feuerwand hindurch. Zedd erzeugte noch eine weitere, und auch durch die trat es hindurch.
Als der Zauberer sich wieder in Bewegung setzte, blieb es bei einer niedrigen, efeubewachsenen Mauer stehen und beobachtete ihn. Dicke Schlingpflanzen lösten sich aus eigener Kraft von der Mauer und begannen plötzlich, immens schnell zu wachsen. Sie umschlangen das dunkle Wesen und wickelten es völlig ein. Zedd hatte Rachel und Chase fast erreicht.
»Wohin?« fragte ihn Chase.
Zedd drehte sich um. Er wirkte erschöpft. »Mal sehen, ob wir es hier einschließen können.«
Das Wesen zerrte an den Schlingpflanzen, die es zu Boden rissen, und während es sich damit beschäftigte, sie mit seinen Krallen zu durchtrennen, traten die drei durch das große Tor hinaus. Chase und Zedd packten jeweils eine der großen goldenen Metalltüren und knallten sie zu.
Von der anderen Seite erscholl ein Heulen, dann schepperte es laut. Eine riesige Beule drückte sich durch die Tür und stieß Zedd zu Boden. Chase stemmte sich, eine Hand auf jedem Flügel, mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür, derweil das Wesen von der anderen Seite dagegentrommelte.
Ein entsetzliches Kreischen drang durch das Metall, während das Vieh sich in der Tür verkrallte. Chase war schweiß- und blutüberströmt. Zedd war mit einem Satz auf den Beinen und half Chase, die Tür zuzuhalten.
Eine Kralle steckte in der Ritze zwischen den beiden Flügeln und glitt nach unten. Dann kam eine weitere von unten herauf. Rachel konnte das Wesen durch die Tür hindurch lachen hören. Chase stöhnte und drückte. Die Türen ächzten.
Der Zauberer trat zurück und streckte beide Arme aus, als wolle er sich gegen die Luft stemmen. Das Ächzen hörte auf. Das Geheul des Wesens wurde lauter.
Zedd packte Chase am Ärmel. »Nichts wie weg hier.«
Chase trat von der Flügeltür zurück. »Wird die Tür es zurückhalten?«
»Vermutlich nicht. Wenn es auf dich losgeht, geh langsam. Mit Laufen oder Stehenbleiben erregst du seine Aufmerksamkeit. Erzähl das jedem, den du triffst.«
»Zedd, was ist das für ein Monster?«
Dann krachte es erneut, und in der Tür zeigte sich eine weitere Riesendelle. Die Krallenspitzen durchstießen das Metall und fetzten Risse in die Tür. Der tosende Lärm ließ Rachels Ohren schmerzen.
»Verschwindet! Sofort!«
Chase legte Rachel eine Hand um die Hüfte, hob sie hoch und stürzte den Korridor entlang.
2. Kapitel
Durch den derben Stoff seines Gewandes befühlte Zedd in aller Ruhe den Stein, der dort in einer Innentasche sicher untergebracht war, und beobachtete, wie die Krallen durch die Risse im Metall zurückgezogen wurden. Er drehte sich um. Der Grenzposten schleppte Rachel durch die Halle. Sie waren erst ein paar Dutzend Schritte weit gekommen, da flog eine der Türen mit einem ungeheuren Scheppern aus den Angeln. Die starken Angeln zersplitterten, als wären sie aus Ton.
Zedd sprang zur Seite und duckte sich. Die goldbeschlagene Tür verfehlte ihn nur knapp, segelte durch die Halle und krachte gegen die Wand aus poliertem Granit. Metallsplitter flogen umher, und Steinstaub wallte durch den Gang. Zedd kam wieder auf die Beine und rannte los.
Der Screeling sprang aus dem Garten des Lebens heraus in die Halle. Sein Körper war kaum mehr als ein gedrungenes Skelett unter einer dünnen Schicht trockener, spröder, verkohlter Haut. Wie eine Leiche, die jahrelang in der Sonne vertrocknet war. Dort, wo die beim Kampf zerrissene Haut in Fetzen herunterhing, schimmerten die weißen Knochen durch, doch das schien dem Geschöpf nichts auszumachen. Es war ein Wesen aus der Unterwelt, und mit den Schwächen alles Lebendigen hatte es nichts zu schaffen. Blut war keins zu sehen.
Wenn man ihn hinreichend auseinanderreißen oder in Stücke hacken konnte, ließ er sich vielleicht aufhalten. Allerdings war er erschreckend schnell. Und Magie konnte ihm offensichtlich nicht viel anhaben. Es handelte sich um ein Geschöpf Subtraktiver Magie; Additive Magie wurde von ihm aufgesogen wie von einem Schwamm.
Vielleicht konnte man ihm mit Subtraktiver Magie beikommen; diese Hälfte der Gabe fehlte Zedd jedoch. Kein Zauberer in den letzten paar tausend Jahren hatte sie besessen. Möglicherweise fühlte sich der eine oder andere zum Subtraktiven berufen - Darken Rahl war der beste Beweis dafür -, doch die Gabe dafür war niemandem geschenkt worden.
Nein, mit Magie war dieses Wesen nicht aufzuhalten. Zumindest, überlegte der Zauberer, nicht unmittelbar. Aber vielleicht indirekt?
Zedd ging rückwärts, während der Screeling ihn verständnislosen und verwirrten Blicks beobachtete. Jetzt, dachte er, solange er sich nicht bewegt.
Zedd konzentrierte sich, ballte die Luft zusammen, verdichtete sie weit genug, um die schwere Tür in die Höhe zu heben. Er war müde; es kostete ihn einige Anstrengung. Innerlich aufstöhnend, drückte er die Luft nach vorn und rammte sie dem Screeling in den Rücken. Staub wirbelte auf und wogte durch die Halle, als die Tür das Wesen zu Boden schmetterte. Es heulte auf. Zedd fragte sich, ob es vor Schmerzen oder aus Wut heulte.
Die Tür wurde hochgehoben. Steinsplitter fielen herunter. Der Screeling hielt die schwere Tür mit einer krallenbewehrten Hand in die Höhe und lachte, eine verholzte Ranke der Pflanze, mit der Zedd ihn hatte strangulieren wollen, noch immer um den Hals geschlungen.
»Verdammt!« murmelte Zedd. »Nichts ist jemals einfach.«
Zedd bewegte sich weiter rückwärts. Die Tür polterte zu Boden, und der Screeling kam darunter zum Vorschein und verfolgte ihn. Er schien allmählich zu begreifen, daß die Menschen, die langsam gingen, dieselben waren wie die, die rannten oder stehenblieben. Für ihn war dies eine unvertraute Welt. Zedd mußte sich etwas einfallen lassen, bevor das Wesen noch mehr dazulernte. Wenn er nur nicht so müde gewesen wäre.
Chase lief eine breite Marmortreppe hinunter. Zedd folgte ihm schnellen Schritts. Wäre er sicher gewesen, daß der Screeling es nicht auf Chase oder Rachel abgesehen hatte, er hätte einen anderen Weg gewählt, um die Gefahr von ihnen abzulenken. Aber der Screeling konnte ebensogut die beiden verfolgen, und Zedd wollte Chase nicht allein mit ihm kämpfen lassen.
Ein Mann und eine Frau kamen die Treppe herauf, beide in weißen Gewändern. Chase versuchte, sie zum Umkehren zu bewegen, doch sie drückten sich an ihm vorbei.
»Geht langsam!« schrie Zedd ihnen zu. »Nicht rennen! Geht zurück, oder ihr werdet getötet!« Sie sahen ihn verwirrt und stirnrunzelnd an.
Der Screeling kam auf die Treppe zugeschlurft, seine Klauen schabten über den Marmorboden. Zedd hörte ihn mit seiner nervenaufreibenden Beinahe-Lache keuchen.
Die beiden Leute erblickten das dunkle Etwas. Sie erstarrten und rissen ihre blauen Augen auf. Zedd versetzte ihnen einen Stoß, drehte sie um und schob sie gewaltsam die Treppe hinunter. Plötzlich fingen die beiden zu rennen an und sprangen, drei Stufen zugleich nehmend, mit fliegendem Blondhaar und wehendem Gewand die Stufen hinab.
»Nicht rennen!« brüllten Chase und Zedd gleichzeitig.
Der Screeling stellte sich auf seine krallenbewehrten Zehen. Die plötzliche Bewegung hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er stieß ein keckerndes Lachen aus und schoß zur Treppe. Zedd schleuderte eine Faust voll Luft, traf ihn in die Brust und stieß ihn einen Schritt zurück. Der Screeling nahm kaum Notiz davon. Er lugte über das mit Schnitzereien verzierte Steingeländer und erspähte die rennenden Menschen.
Mit einem Keckern packte er das Geländer, setzte darüber hinweg und sprang gut zwanzig Fuß tief hinunter zu den beiden weiß gewandeten Gestalten. Sofort drückte Chase Rachels Gesicht an seine Schulter, machte kehrt und stieg die Treppe wieder nach oben. Er wußte, was jetzt kommen würde, und doch gab es nichts, was er dagegen hätte tun können.
Zedd wartete auf dem oberen Absatz. »Beeilt euch, solange er abgelenkt ist.«
Es entstand ein kurzes Gerangel, und man hörte ebenso kurze Schreie. Heulendes Gelächter hallte durch das Treppenhaus. Blut spritzte in hohem Bogen auf den weißen Marmor, fast bis zu Chase hin, der die Stufen hochsprang. Rachel vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter und klammerte sich an seinem Hals fest, gab sonst aber nicht den geringsten Laut von sich.
Zedd war beeindruckt. Noch nie hatte er ein so kleines Mädchen gesehen, das den Kopf so gut zu gebrauchen wußte. Sie war klug. Klug und voller Mumm. Jetzt verstand er, warum Giller sie ausgesucht hatte, um zu verhindern, daß das letzte Kästchen der Ordnung Darken Rahl in die Hände fiel. Darauf konnte auch nur ein Zauberer kommen, überlegte Zedd - die Menschen für das Notwendige einzuspannen.
Die drei rannten durch die Halle, bis der Screeling am oberen Treppenabsatz auftauchte. Dann verlangsamten sie ihr Tempo und gingen rückwärts weiter. Der Screeling grinste mit blutroten Zähnen, und für einen Augenblick spiegelte sich das Sonnenlicht, das durch ein hohes, schmales Fenster hereinfiel, golden in seinen unsterblichen Augen. Im Licht zuckte er zusammen, schleckte das Blut von seinen Krallen, dann setzte er ihnen hinterher. Die drei gingen die nächste Treppe hinunter. Das Geschöpf folgte ihnen, hielt manchmal verwirrt inne und schien nicht mehr recht zu wissen, ob es tatsächlich sie waren, auf die es es abgesehen hatte.
Chase hielt Rachel in dem einen Arm und sein Schwert in der anderen Hand. Zedd blieb zwischen ihnen und dem Screeling, während sie durch einen schmalen Gang zurückwichen. Der Screeling stieg die Wand hinauf, zerkratzte den glatten Stein, hangelte sich über die Wandteppiche und zerfetzte sie mit seinen Krallen, während er den dreien folgte.
Kleine Tische aus poliertem Nußbaumholz, jeder mit drei zu gewundenen Pflanzen geschnitzten und mit vergoldeten Blüten besetzten Zierbeinen, wurden durch die Halle gewirbelt, wenn der Screeling sie mit einer Klaue anstieß. Dann amüsierte er sich grinsend und lachend über das Klirren der Kristallvasen, die scheppernd auf dem Steinfußboden zerbrachen. Der Screeling hüpfte auf und ab und riß einen unbezahlbaren blau-gelben tanimurischen Teppich in Fetzen, dann flitzte er unter heulendem Gelächter die Wand hinauf zur Decke.
Mit herabhängendem Kopf hangelte er sich an der Decke entlang wie eine Spinne und beobachtete sie.
»Wie macht er das?« flüsterte Chase.
Zedd schüttelte bloß den Kopf, derweil sie rückwärts die gewaltige Haupthalle des Volkspalastes betraten. Die Decke war hier über fünfzig Fuß hoch und bestand aus mehreren vierrippigen Kreuzgewölben, die in einer jeden Ecke von einer Säule getragen wurden.
Plötzlich schnellte der Screeling herbei und sprang sie an.
Zedd setzte einen Feuerstoß frei, als das Wesen durch die Luft geflogen kam. Er verfehlte es, und das Feuer brachte die Granitwand zum Kochen und hinterließ einen schwarzen Rußfleck.
Doch Chase verfehlte sein Ziel nicht. Mit einem kräftigen Hieb seines Schwertes trennte er dem Screeling einen seiner Arme ab. Gequält heulte der Screeling auf. Er torkelte auf dem Boden herum und sprang hinter eine grüngemaserte Marmorsäule. Der abgetrennte Arm zuckte auf dem Steinboden herum.
Soldaten mit gezückten Schwertern kamen durch die riesige Halle herbeigerannt. Das Klirren ihrer Rüstungen und Waffen hallte vom hohen Deckengewölbe wider und ihre Stiefeltritte von den gefliesten Böden rings um das Andachtsbecken, als sie es umrundeten. Die Soldaten von D’Hara waren eine wilde Truppe, und das war ihnen um so deutlicher anzusehen, sobald sie einen Eindringling im Palast entdeckten.
Bei ihrem Anblick ergriff Zedd eine eigenartige Anspannung. Vor ein paar Tagen noch hätten sie ihn ohne Frage zum früheren Meister Rahl davongeschleppt, wo er getötet worden wäre. Jetzt waren sie getreue Gefolgsleute des neuen Meister Rahl, Zedds Enkel Richard.
Als Zedd die Soldaten kommen sah, bemerkte er, daß die Hallen mit Menschen gefüllt waren. Die Nachmittagsandacht war gerade zu Ende. Auch wenn der Screeling nur noch einen Arm besaß, konnte es leicht ein Blutbad geben. Der Screeling würde womöglich ein Dutzend von ihnen töten, bevor sie nur auf den Gedanken kamen wegzulaufen. Und wenn sie es dann taten, würde er noch mehr umbringen. Die Leute mußten alle fort von hier.
Die Soldaten umringten den Zauberer. Mit harten, wachsamen Blicken suchten sie nach der Ursache für die Aufregung. Zedd wandte sich an den Kommandanten, einen muskelbepackten Kerl in Leder und poliertem Brustpanzer, in den der Buchstabe R getrieben war: das Zeichen des Hauses Rahl. Die Narben seines Rangs waren in die Oberarme geritzt, nun unter derben Kettenhemdärmeln verborgen. Aus den Schlitzen seines blitzblanken Helms funkelten stechend blaue Augen.
»Was ist hier los?« verlangte er zu wissen. »Was gibt’s?«
»Schafft die Leute aus der Halle. Sie sind in Gefahr.«
Unter dem Helm verfärbte sich das Gesicht des Kommandanten rot. »Ich bin Soldat, kein Schaftreiber!«
Zedd biß die Zähne zusammen. »Es ist die Pflicht eines jeden Soldaten, Menschen zu beschützen. Wenn Ihr die Leute nicht aus dieser Halle schafft, Kommandant, dann werde ich dafür sorgen, daß man Euch zum Schaftreiber macht!«
Der Kommandant schlug sich zum Salut zackig mit der Faust ans Herz und beherrschte sich, als ihm klar wurde, mit wem er hier stritt. »Auf Euern Befehl, Zauberer Zorander.« Seine Wut ließ er statt dessen an seinen Leuten aus. »Drängt alle zurück! Und zwar sofort, verdammt noch mal! Verteilt euch! Räumt die Halle!«
Die Soldaten schwärmten aus und schoben eine Woge verwirrter Menschen vor sich her. Zedd hoffte, daß alle hinausgebracht werden könnten und es dann vielleicht mit Hilfe der Soldaten gelänge, den Screeling einzuschließen und in Stücke zu hacken.
In diesem Augenblick jedoch stürzte der Screeling hinter der Säule hervor. Er fiel über eine Gruppe dichtgedrängter Schaulustiger her, die von den Soldaten zurückgeschoben wurde, wobei etliche Leute übereinander und zu Boden gestoßen wurden. Schreien und Jammern hallten zusammen mit der widerlichen Lache des Screelings von der anderen Seite des Saales herüber.
Soldaten fielen über das Geschöpf her und wurden blutüberströmt zurückgeschleudert, während ihnen weitere zu Hilfe eilten. In dem dichten Gedränge der panischen Menschenmasse konnten die Soldaten weder Schwert noch Axt mit irgendeiner Wirkung einsetzen, während der Screeling sich gleichzeitig einen blutigen Pfad durch die Leiber pflügte. Er ließ bei den bewaffneten Soldaten ebensowenig Vorsicht walten wie bei den unbewaffneten Unschuldigen. Er fiel einfach über jeden her, der ihm zu nahe kam.
»Verdammt!« fluchte Zedd. Er wandte sich an Chase. »Bleib dicht bei mir. Wir müssen ihn ablenken.« Er sah sich um. »Dort drüben. Das Andachtsbecken.«
Sie rannten zu dem quadratischen Wasserbecken, das unter einer Deckenöffnung lag. Sonnenlicht fiel herab und wurde vom Wasser als gekräuseltes Muster auf eine der Ecksäulen zurückgeworfen. Auf einem dunklen, narbigen Stein ein Stück seitlich der Beckenmitte stand eine Glocke. Orangefarbene Fische glitten, unberührt von dem Gemetzel über ihnen, durch das flache Wasser.
In Zedds Kopf formte sich eine Idee. Feuer machte dem Screeling sicherlich nichts aus, er rauchte bestenfalls ein wenig, wenn er damit in Berührung kam. Zedd achtete nicht länger auf die Geräusche von Schmerz und Tod und streckte die Hände übers Wasser, sammelte seine Wärme und bereitete es auf das vor, was er im Sinn hatte. Er sah die flirrenden Hitzewellen dicht über der Wasseroberfläche. An dieser Stelle fixierte er die steigende Hitze genau unterhalb des Zündpunktes.
»Wenn er kommt«, erklärte er Chase, »müssen wir ihn ins Wasser jagen.«
Chase nickte. Zedd war froh, daß der Grenzposten nicht zu jenen Menschen gehörte, denen man ständig alles erklären mußte und die so töricht waren, wertvolle Sekunden mit dummen Fragen zu vergeuden. Chase setzte Rachel ab. »Bleib hinter mir«, erklärte er ihr.
Sie stellte ebenfalls keine Fragen. Sie nickte nur und umklammerte ihre Puppe noch fester. Zedd sah, daß sie den Feuerstab in der anderen Hand hielt. Sie hatte wirklich Mumm. Er wandte sich dem Getöse auf der anderen Seite der Halle zu, hob eine Hand und jagte leckende Feuerzungen auf das um sich schlagende dunkle Wesen in seiner Mitte. Die Soldaten wichen zurück.
Der Screeling richtete sich auf, drehte sich um und ließ dabei einen abgetrennten Arm aus dem Maul fallen. Rauch stieg in die Höhe, wo die Flammen an ihm gezüngelt hatten. Er lachte keckernd in Richtung des Zauberers, der reglos in der Sonne neben dem Becken stand.
Die Soldaten drängten die Überlebenden durch die Halle, wenngleich diese mittlerweile der Aufforderung nicht mehr bedurften. Zedd rollte Feuerbälle über den Boden. Der Screeling schlug sie beiseite, wobei sie funkenstiebend erloschen. Zedd wußte, daß ihm das Feuer nichts anhaben konnte, doch er wollte nur seine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Und das funktionierte.
»Vergiß nicht«, sagte er zu Chase, »ins Wasser.«
»Es macht dir doch nichts, wenn er beim Hereinfallen schon tot ist, oder?«
»Um so besser.«
Der Screeling kam durch die Halle gesprungen, seine Krallen klackerten laut über den Stein. Die Spitzen seiner Krallen gruben sich in den Boden und wirbelten Staub und Steinbröckchen auf. Zedd traf ihn mit verdichteten Luftknoten, nagelte ihn fest, lenkte ständig seine Aufmerksamkeit auf sich und versuchte, ihn so langsam wie möglich zu machen, damit sie eine Chance hätten, mit ihm fertig zu werden. Doch jedesmal war er augenblicklich wieder auf den Beinen und jagte weiter. Chase hielt sich bereit und ging ein wenig tiefer in die Hocke. Statt des Schwertes lag jetzt eine mit sechs Klingen bestückte Kriegskeule in seiner Hand.
Der Screeling setzte zu einem unglaublichen Sprung auf den Zauberer an und landete mit Geheul auf ihm. Noch während er zu Boden ging, spann Zedd Luftnetze, um die Krallen in Schach zu halten. Reißzähne schnappten wild nach seiner Kehle.
Mann und Bestie wälzten sich herum, und als der Screeling nach oben kam, schwang Chase die Keule gegen seinen Kopf und landete einen Treffer. Die Bestie fuhr zu ihm herum, und Chase rammte ihr die Keule mitten in die Brust, was sie von Zedd herunterwarf. Zedd hörte, wie unter dem Schlag Knochen zu Bruch gingen. Der Screeling schien kaum Notiz davon zu nehmen.
Er holte mit seinem einen Arm schwungvoll aus, riß Chase die Beine unter seinem Körper weg und sprang ihm auf die Brust, als dieser mit lautem Ächzen zu Boden ging. Zedd hatte Mühe, wieder zu Sinnen zu kommen. Rachel legte dem Screeling den Feuerstab auf den Rücken, und Flammen schossen in die Höhe. Zedd schob ihn mit einem Luftpolster fort, versuchte, ihn ins Wasser zu stoßen, doch der Screeling klammerte sich mit seiner verbliebenen Kralle an Chase, um genau das zu verhindern. Seine schwarzen Augen funkelten wütend hinter dem Feuer hervor. Knurrend fletschte er die Zähne.
Chase riß die Keule mit beiden Händen nach oben und erwischte die unnachgiebige Bestie mitten im Kreuz. Durch den Aufprall wurde der Screeling ins Becken gestoßen. Zischend schoß Dampf in die Höhe, als die Flammen mit dem Wasser in Berührung kamen.
Sofort entzündete Zedd die Luft über dem Wasser und speiste das Feuer mit der Wärmeenergie des Wassers. Das Zaubererfeuer entzog dem Wasser alle Energie. Das gesamte Becken gefror zu einem riesigen Eisklotz. Der Screeling war eingeschlossen. Das Feuer erlosch flackernd, als die Wärme, die es speiste, sich erschöpft hatte. Ganz plötzlich wurde es, abgesehen vom Stöhnen der Verletzten auf der anderen Seite der Halle, still.
Rachel stürzte sich mit tränenerstickter Stimme auf Chase. »Chase, Chase, ist dir etwas passiert?«
Er legte einen Arm um sie und hievte sich in eine sitzende Position. »Nein, nein, Kleines.«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, wie Zedd erkannte. »Chase, setz dich sofort auf die Bank da. Ich muß den Menschen helfen und möchte nicht, daß die kleinen Augen sehen, was dort drüben vor sich geht.«
Dieser Appell hatte sicher mehr Erfolg, als Chase zu sagen, er solle nicht mit seinen Verletzungen herumlaufen, bevor sich jemand darum kümmern konnte. Trotzdem war Zedd ein wenig überrascht, als Chase nickte und nicht widersprach.
Der Kommandant und acht seiner Leute eilten herbei. Einige von ihnen bluteten, einem hatte eine Kralle glatt den Brustpanzer aufgerissen. Alle warfen einen Blick auf den im Becken eingefrorenen Screeling. »Gute Arbeit, Zauberer Zorander.« Der Kommandant nickte knapp und lächelte zum Zeichen seiner Hochachtung. »Ein paar dort drüben haben überlebt. Vielleicht könnt Ihr etwas für sie tun?«
»Ich werde sie mir ansehen. Kommandant, laßt dieses Monster von Euern Männern mit der Streitaxt in Stücke hacken, bevor es dahinterkommt, wie es das Eis zum Schmelzen bringen kann.«
Der Mann riß die Augen auf. »Wollt Ihr damit sagen, es lebt noch?«
Zedd gab ihm brummend zu verstehen, daß dem so sei. »Je eher, desto besser, Kommandant.«
Die Männer hatten ihre Sicheläxte bereits vom Gürtel losgehakt. Der Kommandant nickte ihnen zu, und sie stürzten sich auf das Eis.
Der Kommandant senkte die Stimme. »Zauberer Zorander, was ist das für ein Ungeheuer?«
Zedd blickte vom Gesicht des Mannes zu Chase hinüber, der aufmerksam zuhörte. Er hielt dem Blick des Grenzpostens stand. »Es ist ein Screeling.« Chase zeigte keinerlei Reaktion, was der Grenzposten allerdings sowieso so gut wie nie tat. Zedd wandte sich wieder dem Kommandanten zu.
Der große Kerl hatte seine blauen Augen weit aufgerissen. »Die Screelings sind los?« flüsterte er tonlos. »Zauberer Zorander … das könnt Ihr unmöglich ernst meinen.«
Zedd betrachtete das Gesicht des Mannes. Er entdeckte Narben, die er zuvor nicht bemerkt hatte, Narben, die von Kämpfen um Leben und Tod zeugten. Die Soldaten D’Haras kannten kaum eine andere Art des Kampfes. Dieser Mann ließ sich gewöhnlich keine Angst in den Augen anmerken. Nicht einmal angesichts des Todes.
Zedd seufzte. Er hatte seit Tagen nicht geschlafen. Nachdem die Quadrone versucht hatte, Kahlan gefangenzunehmen, und sie geglaubt hatte, Richard sei getötet worden, hatte sie sich in den Con Dar, den Blutrausch, versetzt und ihre Angreifer getötet. Sie, Chase und Zedd waren drei Tage und drei Nächte lang zu Fuß unterwegs gewesen, um den Palast zu erreichen, damit sie Rache üben konnte. Es war unmöglich, einen Konfessor aufzuhalten, der sich in den Fängen des Con Dar, jener uralten Mischung magischer Kräfte, befand. Dann hatte man sie gefangengenommen, und sie hatten herausgefunden, daß Richard lebte. Das war erst gestern gewesen, und doch schien es ewig her zu sein.
Darken Rahl hatte die ganze Nacht daran gearbeitet, den drei Kästchen die Magie der Ordnung zu entlocken, während sie machtlos zugesehen hatten, und erst heute morgen war Rahl durch das Öffnen des falschen Kästchens getötet worden. Getötet worden durch das Erste Gesetz der Magie, so wie es Richard angewandt hatte. Das war der Beweis, daß Richard über die Gabe verfügte, auch wenn er es selbst nicht glaubte. Denn nur jemand, der die Gabe besaß, konnte das Erste Gesetz der Magie gegen einen Zauberer von Darken Rahls Fähigkeiten anwenden.
Zedd warf einen kurzen Blick hinüber zu den Männern, die auf den im Eis eingeschlossenen Screeling einhackten. »Wie lautet Euer Name, Kommandant?«
Der Mann warf sich vor Stolz in die Brust. »Kommandant General Trimack, Erste Rotte der Palastwache.«
»Erste Rotte? Was sind das für Leute?«
Vor Stolz reckte der Mann sein Kinn noch weiter vor. »Wir sind der Ring aus Stahl, der den Lord Rahl umgibt, Zauberer Zorander. Zweitausend Mann stark. Wir sind stets zur Stelle, ehe das Unheil auch nur einen flüchtigen Blick auf Lord Rahl werfen kann.«
Zedd nickte. »Kommandant General Trimack, ein Mann in Eurer Stellung weiß, daß es zu den Pflichten der oberen Dienstgrade gehört, die Last des Wissens einsam und verschwiegen zu ertragen.«
»So ist es.«
»Euer Wissen um den Screeling gehört zu diesen Lasten. Zumindest vorerst.«
Trimack stieß einen tiefen Seufzer aus und nickte. »Verstehe.« Er blickte zu den Menschen auf dem Boden der Halle hinüber. »Und die Verletzten, Zauberer Zorander?«
Zedd hatte Achtung vor einem Soldaten, der sich um unschuldige Verwundete sorgte. Seine Gleichgültigkeit zuvor war Pflicht gewesen, nicht Herzlosigkeit. Instinktiv hatte er sich zunächst dem Feind entgegengestellt.
Zedd machte sich, Trimack an seiner Seite, auf den Weg durch die Halle. »Ihr wißt, daß Darken Rahl tot ist?«
»Ja. Ich war heute morgen im Großen Hof. Ich habe gesehen, wie der neue Lord Rahl auf dem Roten Drachen davongeflogen ist.«
»Und Ihr werdet Richard ebenso treu dienen, wie Ihr seinem Vorgänger gedient habt?«
»Er ist ein Rahl, oder etwa nicht?«
»Er ist ein Rahl.«
»Und er besitzt die Gabe?«
»Zweifellos.«
Trimack nickte. »Bis zum allerletzten Mann. Ehe das Unheil auch nur einen flüchtigen Blick auf ihn werfen kann.«
Zedd sah zu ihm herüber. »Es wird nicht einfach sein, unter ihm zu dienen. Er ist sehr eigensinnig.«
»Er ist ein Rahl. Das sagt dasselbe.«
Zedd mußte gegen seinen Willen lächeln. »Er ist auch mein Enkel, wenn er es auch noch nicht weiß. Tatsächlich weiß er nicht einmal, daß er ein Rahl ist. Oder gar der Lord Rahl. Möglicherweise findet er nicht einmal Gefallen an der Stellung, in der er sich wiederfinden wird. Eines Tages jedoch wird er Euch brauchen. Ihr würdet mir einen persönlichen Gefallen tun, Kommandant General Trimack, wenn Ihr ihm ein wenig Verständnis entgegenbringen könntet.«
Trimack ließ den Blick prüfend über das Gelände schweifen, allzeit gewappnet gegen jedwede neue Gefahr. »Ich würde mein Leben für ihn opfern.«
»Ich glaube, anfangs wäre ihm Verständnis dienlicher. Er hält sich für einen Waldführer. Er ist von Natur aus ein geborener Führer, bloß nicht seiner eigenen Einschätzung nach. Er wird nichts damit zu schaffen haben wollen, trotzdem ist es über ihn gekommen.«
Endlich erschien ein Lächeln auf Trimacks Gesicht. »Euer Wunsch ist mir Befehl.« Er blieb stehen und drehte sich zum Zauberer um. »Ich bin ein Soldat D’Haras. Ich diene Lord Rahl. Lord Rahl muß aber auch uns dienen. Ich bin der Stahl gegen den Stahl. Er muß die Magie sein gegen die Magie. Vielleicht kann er ohne den Stahl überleben, aber wir können nicht ohne Magie überleben. Und nun verratet mir, was ein Screeling aus der Unterwelt hier zu suchen hat.«
Zedd nickte und stieß einen Seufzer aus. »Euer früherer Lord Rahl hat sich in gefährliche Zaubereien eingemischt. Zaubereien aus der Unterwelt. Er hat den Schleier zwischen dieser und der Unterwelt zerrissen.«
»Verdammter Narr. Er soll uns dienen, nicht in die ewige Nacht führen. Jemand hätte ihn umbringen sollen.«
»Jemand hat es getan. Richard.«
Trimack knurrte. »Dann dient uns Lord Rahl bereits.«
»Vor ein paar Tagen noch hätten manche das als Verrat betrachtet.«
»Es ist ein größerer Verrat, die Lebenden den Toten auszuliefern.«
»Gestern noch hättet Ihr Richard getötet, um ihn daran zu hindern, Darken Rahl ein Haar zu krümmen.«
»Und gestern hätte er mich getötet, um an sein Opfer zu gelangen. Doch nun dienen wir einander. Nur ein Narr schreitet rückwärts gewandt in die Zukunft.«
Zedd nickte und erbot ihm ein zögerndes, dabei warmes Lächeln des Respekts. Doch dann kniff er die Augen zusammen und beugte sich zu ihm vor. »Kommandant, wenn der Schleier nicht geschlossen und der Hüter auf die Welt losgelassen wird, werden alle dasselbe Schicksal teilen. Nicht nur D’Hara, sondern die Welt in ihrer Gesamtheit wird vernichtet werden. Nach dem, was ich den Prophezeiungen entnommen habe, könnte Richard der einzige sein, der in der Lage ist, den Riß im Schleier zu schließen. Denkt daran, wenn das Unheil versucht, einen Blick auf Richard zu werfen.«
Trimacks Augen waren wie aus Eis. »Stahl gegen Stahl, auf daß er Magie gegen die Magie sein kann.«
»Ihr habt mich ganz richtig verstanden.«
3. Kapitel
Im Näherkommen ließ Zedd den Blick über die Toten und die Sterbenden schweifen. Überall war Blut, es war unmöglich, nicht hineinzutreten. Es tat ihm im Herzen weh, als er die Verletzten sah. Ein einziger Screeling? Was, wenn noch mehr kamen?
»Kommandant! Laßt ein paar Heilerinnen holen. Hier gibt es mehr Verletzte, als ich versorgen kann!«
»Schon geschehen, Zauberer Zorander.«
Zedd nickte und machte sich daran, die Verwundeten zu untersuchen. Soldaten der Ersten Rotte schafften die Toten, von denen viele zu ihren eigenen Leuten gehörten, aus dem Weg und spendeten den Verletzten Trost. Zedd legte ihnen die Hand an die Schläfe, um die Verletzungen zu erspüren und zu erfühlen, was ein Heiler erledigen konnte und was mehr Zuwendung erforderte.
Er berührte einen jungen Soldaten, dessen Atem rasselnd ging, während er Blut spuckte. Zedd stöhnte auf, als er seine Verletzung erfühlte. Ein kurzer Blick nach unten zeigte ihm die Rippenknochen, die durch ein faustgroßes Loch im Brustpanzer nach außen gerissen worden waren. Zedd drehte sich der Magen um. Trimack kniete auf der anderen Seite des Jungen. Der Zauberer blickte kurz hoch zum Kommandanten, der nickte zum Zeichen, daß er verstanden hatte. Der junge Mann hatte nur noch wenige Dutzend Atemzüge zu machen.
»Fahrt fort«, meinte der Kommandant mit leiser Stimme, »ich werde bei dem Jungen bleiben.«
Zedd zog weiter, indes Trimack die Hand des jungen Mannes ergriff und versuchte, ihm ein wenig Trost zu spenden. Drei Frauen mit langen, braunen Röcken, auf die Reihen von Taschen aufgenäht waren, kamen herbeigeeilt. Ihre wissenden Blicke erfaßten die Lage, ohne mit der Wimper zu zucken.
Die drei Frauen zogen Bandagen und Verbände aus den großen Taschen und machten sich augenblicklich daran, Wunden zu vernähen und Arzneien zu verabreichen. Bei den meisten Verwundungen reichte das Geschick der Frauen, und wo nicht, wußte auch der Zauberer nicht mehr zu helfen. Zedd bat eine der drei Frauen, jene, die am wenigsten danach aussah, als würde sie sich Protest gefallen lassen, nach Chase zu sehen. Zedd sah ihn mit auf die Brust gesacktem Kinn hinten in der Halle auf der Bank hocken, auf dem Boden neben ihm Rachel, die die Arme um sein Bein geschlungen hatte.
Zedd und die beiden anderen Heilerinnen gingen zwischen den auf dem Boden liegenden Menschen umher, halfen, wo sie konnten, machten sich weiter auf, wo es für sie nichts mehr zu tun gab. Eine der Heilerinnen rief nach ihm. Sie stand über eine Frau in mittleren Jahren gebeugt, die versuchte, sie fortzuwinken.
»Bitte«, meinte sie mit schwacher Stimme, »helft den anderen. Mir geht es gut. Ich brauche nur ein wenig Ruhe. Bitte. Helft den anderen.«
Zedd spürte sein feuchtes, blutgetränktes Gewand an den Knien, als er neben ihr in die Hocke ging. Sie stieß seine Hände fort. Mit der anderen Hand hielt sie sich den Bauch, um zu verhindern, daß ihre Eingeweide aus einer Rißwunde in ihrem Unterleib heraustraten.
»Bitte. Es gibt noch andere, die Hilfe brauchen.«
Zedd hob eine Braue und blickte in ihr aschfahles Gesicht. An einer feinen Goldkette in ihrem Haar hing ein blauer Stein, der auf ihrer Stirn lag. Der blaue Stein paßte so genau zu ihren Augen, daß man meinen mochte, sie hätte deren drei. Der Zauberer glaubte, den Stein wiederzuerkennen, und fragte sich, ob das möglich war oder ob es nur ein aus einer Laune heraus gekauftes Geschmeide war. Sehr lange hatte er niemanden mehr gesehen, der einen solchen Stein als Zeichen seiner Berufung trug. Gewiß hatte diese junge Frau keine Ahnung, was er bedeutete.
»Ich bin Zauberer Zeddicus Zu’l Zorander. Und wer bist du, mein Kind, daß du mir Befehle gibst?«
Ihr Gesicht wurde noch blasser. »Vergebt mir, Zauberer …«
Sie beruhigte sich, als Zedd ihr die Fingerspitzen auf die Stirn legte. Der Schmerz raubte ihm mit einer Plötzlichkeit den Atem, daß er seine Finger zurückriß. Nur mit Mühe konnte er die Tränen unterdrücken.
Augenblicklich stand für ihn zweifelsfrei fest: sie trug den Stein tatsächlich als Zeichen ihrer Berufung. Der Stein, der zur Augenfarbe passen mußte und wie ein drittes Auge auf der Stirn getragen wurde, galt als Talisman, der ihre innere Vision kundtat.
Eine Hand packte ihn hinten am Gewand und zerrte daran.
»Zauberer!« kam eine quengelnde Stimme von hinten. »Du wirst dich zuerst um mich kümmern!« Zedd drehte sich um und sah sich einem Gesicht gegenüber, das zu der Stimme paßte, sie vielleicht sogar noch ein wenig übertraf. »Ich bin Lady Ordith Condatith de Dackidvich aus dem Hause von Burgalass. Dieses Frauenzimmer ist nur meine Leibdienerin. Wäre sie so schnell gewesen, wie sie hätte sein sollen, würde ich nicht so leiden! Ich hätte getötet werden können, so sehr hat sie getrödelt! Du wirst erst mich versorgen! Ich kann jeden Augenblick mein Leben aushauchen!«
Zedd brauchte sie nicht einmal zu berühren, um zu wissen, wie geringfügig ihre Verletzungen waren. »Vergebt mir, Mylady.« Er tat, als legte er ihr die Finger an die Stirn. Wie er sich gedacht hatte: eine schwere Prellung der Rippen, ein paar kleinere an den Beinen, eine kleine Schnittwunde am Arm, die schlimmstenfalls mit ein, zwei Stichen vernäht werden mußte.
»Nun?« Sie griff nach der silbernen Krause um ihren Hals. »Zauberer«, murmelte sie. »Nutzloses Pack, wenn du die Wahrheit wissen willst. Und diese Wachen! Haben doch wieder auf ihrem Posten geschlafen! Das wird Lord Rahl erfahren! Nun? Was ist mit meinen Verletzungen?«
»Mylady, ich bin nicht sicher, ob ich noch etwas für Euch tun kann.«
»Was!« Sie packte ihn am Kragen seines Gewandes und zerrte heftig daran. »Du solltest dein Bestes geben, sonst gebe ich mein Bestes, damit Lord Rahl deinen Kopf auf eine Lanze spießt! Dann wollen wir doch mal sehen, was dir deine Zauberei nützt!«
»Gewiß, Mylady. Ich werde bestrebt sein, mein Bestes zu geben.«
Er riß den kastanienbraunen Samtstoff des Ärmels an dem kleinen Einschnitt auseinander, verwandelte ihn in einen riesigen, herunterhängenden Lappen, dann legte er seine Hand wieder der Frau mit dem blauen Stein auf die Schulter. Die Verwundete stöhnte auf, als er einen Teil ihrer Schmerzen blockierte und ihre Kräfte stärkte. Ihr stockender Atem wurde gleichmäßiger. Er ließ seine Hand auf ihrer Schulter liegen und verströmte zur Beruhigung und zum Trost ein wenig Magie in ihrem Körper.
Lady Ordith stieß einen schrillen Schrei aus. »Mein Kleid! Du hast mein Kleid ruiniert!«
»Tut mir leid, Mylady, aber wir dürfen nicht riskieren, daß die Wunde brandig wird. An Eurer Stelle würde ich eher auf das Kleid verzichten als auf einen Arm, was denkt Ihr?«
»Nun ja, ich denke …«
»Zehn bis fünfzehn Stiche sollten genügen«, sagte er zu der stämmig gebauten Heilerin, die vornübergebeugt zwischen den beiden auf dem Boden liegenden Frauen stand. Der Blick aus deren harten, graublauen Augen wanderte kurz zu der winzigen Wunde, dann zurück zum Zauberer.
»Sicherlich wißt Ihr das am besten, Zauberer Zorander«, sagte sie mit ruhiger Stimme, und nur ihr Blick verriet, daß sie seine wahre Absicht verstanden hatte.
»Was! Du läßt diese Kuh von einer Hebamme deine Arbeit tun?«
»Mylady, ich bin ein alter Mann. Nähen hat noch nie zu meinen Stärken gehört, und meine Hände zittern fürchterlich. Ich fürchte, ich würde mehr Schaden anrichten, als ich gutmachen kann, aber wenn Ihr darauf besteht, werde ich natürlich versuchen, mein Bestes zu geben …«
»Nein«, meinte sie verschnupft. »Soll die Kuh es eben tun.«
»Sehr wohl.« Er blickte zu der Heilerin hinauf. Ihr Gesicht verriet keinerlei Regung, nur ihre Wangen hatten sich ein wenig rot gefärbt. »Ich fürchte, gegen ihre anderen Verletzungen gibt es nur ein erfolgversprechendes Mittel, bedenkt man die Qualen, die sie erleiden muß. Hast du ein wenig Flechtwurz in deinen großen Taschen?«
Sie runzelte leicht verwirrt die Stirn. »Ja, aber …«
»Gut«, unterbrach er sie. »Ich denke, zwei Würfel dürften genügen.«
Sie zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Zwei?«
»Wagt ja nicht, mir knauserig zu kommen!« kreischte Lady Ordith. »Wenn es nicht für alle reicht, wird jemand von geringerer Bedeutung eben verzichten müssen! Ich verlange jedenfalls die volle Dosis!«
»Sehr wohl.« Zedd schaute kurz zur Heilerin hinauf. »Verabreiche ihr die volle Dosis. Drei Würfel, zerkleinert, nicht am Stück.«
Die Heilerin riß die Augen noch ein Stück weiter auf und fragte tonlos flüsternd: »Zerkleinert?« Zedd zwinkerte und nickte beharrlich. Seine Mundwinkel kräuselten sich zu einem Schmunzeln nach oben, das er nicht mehr bändigen konnte.
Flechtwurz betäubte bei kleineren Verletzungen den Schmerz, doch sie konnte im Stück geschluckt werden. Ein kleiner Würfel war mehr als genug. Zerkleinert und in dieser Menge würde sie Lady Ordiths Innerstes nach außen kehren. Die gute Frau würde den größten Teil der nächsten Woche auf ihrem Abtritt verbringen.
»Wie heißt du, Liebes?« fragte er die Heilerin.
»Kelly Hallick.«
Zedd entfuhr ein müder Seufzer. »Kelly, gibt es noch andere, die deine beträchtlichen Fähigkeiten überfordern?«
»Nein, Sir. Middea und Annalee sind gerade dabei, die letzten zu verarzten.«
»Dann bring Lady Ordith bitte an einen Ort, wo sie nicht … wo es bequemer für sie ist, während du dich um sie kümmerst.«
Kelly betrachtete die Frau, der Zedd zum Trost die Hand aufgelegt hatte, und den Riß in ihrem Unterleib, dann sah sie ihm wieder in die Augen. »Natürlich, Zauberer Zorander. Ihr seht sehr müde aus. Wenn Ihr später zu mir kommen wollt, bereite ich Euch einen Stenadine-Tee.« Wieder umspielte das dünne Lächeln ihre Mundwinkel.
Auch Zedd konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Neben seiner anregenden Wirkung wurde Stenadine auch benutzt, um Liebhabern neue Kraft und Ausdauer zu verleihen. Aus dem Funkeln in ihren Augen schloß er, daß sie sehr guten Stenadine-Tee bereitete.
Er zwinkerte Kelly zu. »Vielleicht werde ich tatsächlich kommen.« Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte er es ernsthaft in Erwägung gezogen - Kelly war eine hübsche Frau -, doch im Augenblick war es das letzte, an das er jetzt denken konnte.
»Lady Ordith, wie lautet der Name Eurer Leibdienerin?«
»Jebra Bevinvier. Ein vollkommen nutzloses Mädchen. Faul und unverschämt.«
»Nun, Ihr werdet Euch nicht mehr mit ihrer Unzulänglichkeit belasten müssen. Sie wird lange brauchen, bis sie sich wieder erholt hat, und Ihr werdet schon in Kürze den Palast verlassen.«
»Verlassen? Wovon redest du?« Sie reckte ihre Nase in die Luft. »Ich habe nicht die Absicht, von hier fortzugehen.«
»Der Palast ist für eine Lady von Eurer Wichtigkeit nicht mehr sicher. Ihr werdet zu Euerm eigenen Schutz abreisen müssen. Wie Ihr selbst gesagt habt, schlafen die Wachen die Hälfte der Zeit. Ihr müßt fort von hier.«
»Nun, ich habe ganz einfach nicht die Absicht …«
»Kelly« - er warf ihr einen strengen Blick zu - »bitte begleite Lady Ordith an einen Ort, wo du dich um sie kümmern kannst.«
Kelly schleppte Lady Ordith wie eine Ladung Wäsche von dannen, bevor diese Gelegenheit hatte, weiteren Ärger zu machen. Zedd wandte sich freundlich lächelnd an Jebra und strich ihr einige Strähnen ihres kurzen, sandfarbenen Haares aus dem Gesicht. Sie hielt einen Arm über ihre schwere Wunde. Es war Zedd gelungen, die Blutung größtenteils zum Stillstand zu bringen, doch das allein würde sie noch nicht retten. Was draußen lag, mußte wieder zurück an seinen Platz.
»Danke, Sir. Ich fühle mich schon viel besser. Wenn Ihr mir aufhelfen könntet, werde ich Euch nicht länger behelligen.«
»Lieg still, mein Kind«, sagte er leise. »Wir müssen uns unterhalten.«
Mit einem strengen Blick scheuchte er die Schaulustigen zurück. Den Soldaten der Ersten Rotte genügte dieser eine kurze Blick, und sofort drängten sie die Menschen auseinander.
Ihre Lippen bebten, als ihre Brust sich schneller hob und senkte. Sie nickte ihm kurz zu. Ihre Lider flatterten. »Ich werde sterben, nicht wahr?«
»Ich will dich nicht anlügen, Kind. Bereits im ausgeruhten Zustand würde die Behandlung der Wunde die Grenze meiner Fähigkeiten erreichen. Aber dir bleibt nicht mehr genug Zeit, daß ich mich ausruhen könnte. Wenn ich nichts unternehme, wirst du sterben. Und wenn ich es versuche, könnte dies dein Ende gar beschleunigen.«
»Wie lange noch?«
»Wenn ich nichts unternehme, vielleicht noch Stunden. Möglicherweise noch die Nacht. Ich könnte deine Schmerzen lindern, damit das Ende wenigstens erträglich wird.«
Sie schloß die Augen, als ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Ich hätte nie gedacht, daß ich so am Leben hänge.«
»Wegen des Steins der Seher, den du trägst?«
Sie riß die Augen auf. »Ihr wißt Bescheid? Ihr habt den Stein erkannt? Ihr wißt, was ich bin?«
»Ja, das tue ich. Die Zeiten sind längst vorbei, als die Menschen einen Seher noch am Stein erkannten, aber ich bin alt. Ich habe so etwas früher schon gesehen. Sollte ich dir deshalb nicht helfen? Hattest du Angst davor, was die Berührung mit mir machen könnte?«
Sie nickte schwach. »Aber plötzlich spüre ich, daß ich weiterleben möchte.«
Zedd tätschelte ihr die Schulter. »Genau das wollte ich hören, Kind. Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin ein Zauberer Erster Ordnung, nicht irgendein Grünschnabel.«
»Erster Ordnung?« flüsterte sie mit großen Augen. »Ich wußte nicht, daß es noch einen davon gibt. Bitte, Sir, riskiert Euer Leben nicht für jemanden wie mich.«
Zedd lächelte. »Es ist kein großes Risiko, nur ein wenig schmerzhaft. Ich heiße übrigens Zedd.«
Sie dachte einen Augenblick lang nach, dann legte sie ihm die freie Hand auf den Arm. »Zedd … wenn ich die Wahl hätte … ich möchte weiterleben.«
Zedd lächelte ein wenig und strich ihr über die kalte, schweißbedeckte Stirn. »Dann verspreche ich dir, mir allergrößte Mühe zu geben.« Sie nickte. »Kannst du irgend etwas tun, Jebra, um die Schmerzen deiner Visionen zurückzuhalten?«
Sie biß sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf, während sie erneut in Tränen ausbrach. »Tut mir leid«, sagte sie leise, kaum hörbar. »Vielleicht solltet Ihr nicht …«
»Still, Kind«, tröstete er sie.
Zedd schöpfte tief Luft und legte eine Hand auf den Arm, der ihre Gedärme zurückhielt. Die andere legte er mit der Handfläche nach unten sachte über ihre Augen. Diese Wunde war keine, die er von außen hätte richten können. Es mußte von innen geheilt werden, mit Hilfe ihres eigenen Willens. Es konnte sie töten. Und ihn genauso.
Er wappnete sich und löste die Sperre in seinem Kopf. Der Aufprall der Schmerzen sog ihm die Luft aus den Lungen. Er wagte nicht, Kraft für einen Atemzug zu vergeuden. Er biß die Zähne zusammen und kämpfte mit vor Anstrengung zu Stein verhärteten Muskeln dagegen an. Dabei hatte er den Schmerz der Wunde noch nicht einmal angetastet. Er mußte sich um die Schmerzen ihrer Visionen kümmern und sie passieren, bevor er sich diesem Problem widmen konnte.
Unerträgliche Schmerzen sogen seinen Verstand in einen schwarzen Strom. Gespinste aus ihren Visionen wirbelten vorbei. Ihre Bedeutung konnte er nur erraten, doch die Schmerzen ihrer Existenz waren nur zu lebendig. Tränen schossen aus seinen fest geschlossenen Augen; er zitterte am ganzen Körper, während er sich unter größter Mühe durch den reißenden Strom der Ängste kämpfte. Auf keinen Fall durfte er sich von ihm fortschwemmen lassen, das wäre sein Ende und würde ihn verschlingen.
Die Gefühle ihrer Visionen schüttelten ihn durch, während er immer tiefer in ihren Verstand gesogen wurde. Düstere Gedanken dicht unter der Oberfläche der Wahrnehmung griffen nach seinem Willen und versuchten, ihn in die Tiefen der Hoffnungslosigkeit zu zerren. Seine eigenen schmerzhaften Erinnerungen drängten sich an die Oberfläche seines Bewußtseins und gesellten sich als entsetzliche Qualen und Wahnvorstellungen zu Jebras lebenslangem Kummer. Nur seiner Erfahrung und seiner Entschlossenheit war es zu verdanken, daß er weder Verstand noch seinen Willen verlor und nicht in die bodenlosen Wasser der Verbitterung und des Leids gesogen wurde.
Schließlich erreichte er das ruhige, weiße Licht im Zentrum ihres Seins. Zedd genoß die vergleichsweise milden Qualen ihrer lebensbedrohlichen Wunde in vollen Zügen. Die Wirklichkeit entsprach nur selten der Phantasie, und in der Phantasie war der Schmerz Wirklichkeit.
Voller Gier sog die kalte Finsternis ewiger Nacht rings um das ruhige Zentrum die schwindende Wärme und das Licht ihres Lebens in sich auf, um Jebras Geist für immer zu umnachten. Zedd riß diesen Schleier zurück, damit das Licht seiner Gabe ihren Geist mit Leben und Vitalität erfüllen konnte. Die Schatten wichen vor der Kraft seiner Additiven Magie zurück.
Die Kraft dieser Magie, ihr Verlangen nach Leben und nach Wohlergehen, sog die freigelegten Organe an die Stelle zurück, die der Schöpfer für sie vorgesehen hatte. Zedd wagte es noch immer nicht, Kraft darauf zu verschwenden, ihr Leiden abzublocken. Jebra krümmte sich und winselte vor Schmerzen. Auch er spürte ihre Pein. Sein Unterleib war von der gleichen Qual entflammt, die auch sie verspürte. Er erbebte unter ihrer brennenden Schärfe.
Als das Schlimmste, das, was jede Vorstellungskraft überstieg, vollbracht war, erübrigte er endlich einen Teil seiner Magie, um ihre Qualen abzublocken. Jebra sackte mit erleichtertem Stöhnen zusammen. Er spürte die Erleichterung am eigenen Leib.
Zedd benutzte seine Energie, um ihre Wunde zusammenzuziehen, damit sich Gewebe mit Gewebe, Fleisch mit Fleisch Schicht um Schicht wieder miteinander verbanden, bis hin zur Hautoberfläche, die sich zusammenfügte, als wäre sie nie aufgerissen gewesen.
Als er endlich fertig war, brauchte Zedd nur Jebras Gedanken zu entkommen. Das war ebenso gefährlich wie der Einstieg, und Zedds Kraft war beinahe verzehrt - er hatte sie ihr überlassen. Um nicht noch mehr Zeit mit unnützen Überlegungen zu verschwenden, überließ er sich dem Fluß der Schmerzen.
Fast eine Stunde nach Beginn fand er sich vornübergebeugt auf den Knien und unbeherrscht weinend wieder. Jebra saß aufrecht vor ihm, hatte die Arme um ihn geschlungen und drückte seinen Kopf an ihre Schulter. Als er merkte, daß er wieder zurück war, riß er sich sofort zusammen und richtete sich auf. Er sah sich in der Halle um. Die Leute waren ein gutes Stück zurückgedrängt worden, außer Hörweite. Niemand war erpicht darauf, sich in der Nähe eines Zauberers aufzuhalten, der eine Magie ausübte, bei der die Menschen derart schrien, wie Jebra das gerade getan hatte.
»Na also«, sagte er schließlich, nachdem er ein gewisses Maß an Haltung wiedergewonnen hatte, »das war doch gar nicht so schlimm. Ich glaube, jetzt ist alles wieder in Ordnung.«
Jebra lachte leise und benommen und drückte ihn fest an sich. »Ich wurde gelehrt, ein Zauberer könnte keinen Seher heilen.«
Es gelang Zedd, einen seiner dürren Finger zu erheben. »Ein gewöhnlicher Zauberer kann das auch nicht, meine Liebe. Aber ich bin Zeddicus Z’ul Zorander, ein Zauberer der Ersten Ordnung.«
Jebra wischte sich eine Träne von der Wange. »Ich besitze nichts von Wert, mit dem ich Euch bezahlen könnte, nur das hier.« Sie löste das goldene Kettchen aus ihrem Haar und legte es ihm in die Hand. »Bitte, nehmt meine bescheidene Gabe an.«
Zedd betrachtete die Kette mit dem blauen Stein. »Das ist sehr freundlich von dir, Jebra Bevinvier. Ich bin gerührt.« Zedd verspürte ein leichtes Gefühl der Schuld, schließlich hatte er ihr den Impuls eingegeben. »Es ist eine hübsche Kette, und ich werde sie in Demut
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Stone of Tears« bei Tor Books, New York.
Der vorliegende Roman ist bei Blanvalet bereits in zwei Bänden unter den Titeln »Die Schwestern des Lichts« und »Der Palast der Propheten« erschienen.
1. Auflage Taschenbuchausgabe Juli 2008 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House Gmbh, München.
Copyright © der Originalausgabe 1995 by Terry Goodkind
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 1997