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Dieses Buch hält Träume aus fünfundzwanzig Jahren fest, geträumt und aufgeschrieben von Martin Walser, zu Bildern gemacht, auf Bildern inszeniert von Cornelia Schleime. Und es ist wie so oft: Der Träumer kann fliegen, im Handumdrehn kommt er von einem Ort zum nächsten, er macht sich lächerlich und muss erkennen, dass er, während er sich lächerlich macht, gerade auf einer Bühne steht, vor Zuschauern ... Und so berichtet der Schriftsteller von Witz und Schrecken, Peinlichkeit und Rettung in seinen Träumen, und die Malerin folgt ihm kongenial. Natürlich taucht Unbekanntes auf, der Selbstkostenpreis Gottes zum Beispiel. Oder gefiederte Hunde. Oder Wörter wie branghementique, die es nicht gibt, oder Kinder, die mit Krawatten auf die Welt kommen. Aber auch Bekanntes und Bekannte haben ihren Auftritt, die Stadt Wasserburg vor allem, dann auch Thomas Mann und Rudolf Augstein und Pete Sampras. Oder Maria Stuart, Edgar Selge und Jürgen Habermas. Und die bekannte unbekannte Schönheit, naheliegenderweise. Immer wieder.
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Seitenzahl: 39
Martin Walser • Cornelia Schleime
Postkarten aus dem Schlaf
Dieses Buch hält Träume aus fünfundzwanzig Jahren fest, geträumt und aufgeschrieben von Martin Walser, zu Bildern gemacht, auf Bildern inszeniert von Cornelia Schleime.
Und es ist wie so oft: Der Träumer kann fliegen, im Handumdrehn kommt er von einem Ort zum nächsten, er macht sich lächerlich und muss erkennen, dass er, während er sich lächerlich macht, gerade auf einer Bühne steht, vor Zuschauern … Und so berichtet der Schriftsteller von Witz und Schrecken, Peinlichkeit und Rettung in seinen Träumen, und die Malerin folgt ihm kongenial.
Natürlich taucht Unbekanntes auf, der Selbstkostenpreis Gottes zum Beispiel. Oder gefiederte Hunde. Oder Wörter wie branghementique, die es nicht gibt, oder Kinder, die mit Krawatten auf die Welt kommen. Aber auch Bekanntes und Bekannte haben ihren Auftritt, die Stadt Wasserburg vor allem, dann auch Thomas Mann und Rudolf Augstein und Pete Sampras. Oder Maria Stuart, Edgar Selge und Jürgen Habermas. Und die bekannte unbekannte Schönheit, naheliegenderweise. Immer wieder.
Martin Walser, 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren, war einer der bedeutendsten Schrifststeller der deutschen Nachkriegsliteratur. Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche Preise, darunter 1981 den Georg-Büchner-Preis, 1998 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2015 den Internationalen Friedrich-Nietzsche-Preis. Außerdem wurde er mit dem Orden «Pour le Mérite» ausgezeichnet und zum «Officier de l’Ordre des Arts et des Lettres» ernannt. Martin Walser starb am 26. Juli 2023 in Überlingen.
Cornelia Schleime, geb.1953 in Berlin, lebt ebenda und im Ruppiner Land. Seit 1984 hatte sie über einhundert Einzelausstellungen im In- und Ausland. Für ihr Werk erhielt sie u.a. den Gabriele-Münter-Preis (2003) und den Hannah-Höch-Preis (2016). Ab Mai 2022 zeigt das Kunsthaus Apolda eine Retrospektive ihrer Werke. Zuletzt erschienen: «Ein Wimpernschlag: …» (2016, zur Ausstellung in der Berlinischen Galerie) und 2019 «Ich beiß doch nicht auf Granit!» (Selbstinszenierungen).
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, April 2022
Copyright © 2022 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.
Covergestaltung Fagott, Ffm
Coverabbildung Cornelia Schleime
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-644-01468-8
www.rowohlt.de
Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.
O ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt,
ein Bettler, wenn er nachdenkt
Friedrich Hölderlin, «Hyperion»
Ich bin ein anderer. Ich will in mein Auto, da sitz ich schon drin. Und der, der da drin sitzt, bin ich.
Aber ich sehe nicht aus, wie ich mich kenne. Ich sehe wirklich anders aus. Das wirkt auf mich zurück. Da ich ganz sicher weiß, der da, der in meinem Auto sitzt, bin ich, bin ich dem also ähnlich.
Ein bisschen anders ist der immer noch. Ganz gleich wie der kann ich mich nicht fühlen. Aber es ist sowieso keine Frage: Der da im Auto sitzt, bin ich.
Und als ich einsteigen will, fährt der weg.
Ich springe hinten auf den Kofferraumdeckel.
Der vorne fährt eine steile Einfahrt hinab, es ist, als würden wir in einen Keller fahren.
Aber ich habe das Gefühl, es könne mir nichts passieren.
Bei Thomas Mann im Arbeitszimmer. Ein Jugendstilschreibtisch mit einer übermäßig und mächtig geschnitzten Vorderseite. Durcheinanderlaufende Holzreliefbahnen.
Zuerst nur der Sohn. Ein hoffnungsloser, sofort krankhaft wirkender Sohn, ein Schwätzer.
Dann Thomas Mann mit offenem Hemdkragen, starken Schlüsselbeinen, braun gebrannt, eher ein zäher, alter Naturbursche, sehr überraschend und sofort sympathisch.
Dann kommt er nah her. Ich nehme mir vor, zu meiner Meinung über ihn zu stehen, mir aber nicht nachsagen zu lassen, ich sei sozusagen ein Thomas-Mann-Gegner. Ich weiß ihn durchaus zu schätzen. Das soll er wissen.
Aber er sagt nur einen Satz zu mir: Sie raten ab von mir, ja!
Und geht.
Es bleibt der Sohn, der Kontakt mit mir will, mich besuchen will, bei uns bleiben will.
Wir warten.
Doch Thomas Mann kommt nicht mehr.
Der Affe mit dem blutigen Geschlechtsteil, männlich, den mir Käthe in Wasserburg, neben dem Bahnhof liegend, vorführt und den ich sogleich spiele, imitiere, bis zu einem angedeuteten Sich-selbst-Befriedigen, das dann alles lösen soll.
Mühelos führt der Traum ganz verschiedene Räume durcheinander, ohne dass sie einander verletzen oder auch nur stören.
Eine Art Fußballfeld. Adolf Hitler mit zwei, drei anderen. Wir sehen und hören, wie er anfängt zu singen. Eine Art Bariton. Dann macht er ein paar Fußballspieler-Bewegungen. Er ist wie ein Spieler gekleidet, trägt aber hellgraue, dicke Wollstrumpfhosen.
Sich wirklich zurückhalten! Nicht reagieren! Das ist das einzig Mögliche.