Das zerstörte Idyll Novellen - Flesch-Brunningen, Hans von - kostenlos E-Book

Das zerstörte Idyll Novellen E-Book

Hans von, Flesch-Brunningen

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Project Gutenberg's Das zerstörte Idyll, by Hans von Flesch-BrunningenThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.orgTitle: Das zerstörte Idyll       NovellenAuthor: Hans von Flesch-BrunningenRelease Date: August 10, 2014 [EBook #46551]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS ZERSTÖRTE IDYLL ***Produced by Jens Sadowski

Das zerstörte IdyllNovellenvonHans von Flesch-Brunningen

Kurt Wolff VerlagLeipzig

Bücherei »Der jüngste Tag« Band 44/45 Gedruckt bei G. Kreysing in Leipzig

Kurt Wolff Verlag, Leipzig, Copyright 1917

Inhalt

Widmung für Karin

5

Der Satan

7

Das Lächeln des Geköpften

26

Der Junitag

35

Die Kinder des Herrn Hauptmanns

51

Idylle

62

WIDMUNG FÜR KARIN

KARIN, ich widme dir dies Buch. Du weißt so gut wie ich, wie schwer es jetzt ist, von Gefühlen zu sprechen. Oder gar sie mit Papier und Druckerschwärze zu vermählen. Man muß sich akrobatenhaft auf jene zweite Ebene hinaufarbeiten, auf der wieder die Worte herbeilaufen wie brave Hunde und sich zu Füßen legen. Wo man ruhig »Liebe« und »Sommertag« sagen kann, ohne in den schwärzesten Verdacht einer Lyrik zu kommen, die gewandt zwischen Geld und Gott zu vermitteln sucht. Ich habe es vermieden, in diesem Buche allzusehr an den Gefühlssträngen, die mit Milch und Sonnenschein geschmiert sind, zu zerren. Ich will aber gern arrogant sein und zugestehen, daß ich die zweite Ebene zum Heimatsort gewählt. Wenn auch nur für die Sekunden, in denen ich das schreibe.

Und so darf ich sagen: du warst doch das Einzige, das mich verhindert, mit Ludwig Hunner das Leben zu würgen und mit dem armen Erotomanen vor Autos zu hüpfen. Denn trotz der Jugend, die mich in ihren leichtsinnigen Armen schaukelt, hätte ich oft schon genug haben können.

Ich habe blasse Dummheit in der Schlankheit meiner Mädchen erkannt, Intrige und Ungewaschenheit in den Blicken der Intelligenz, geschäftigen Unsinn in Florenz und Amsterdam, Unnötigkeiten in der Montblanc-Gruppe und Gestank in Venedig. Und wie nun die Worte vor mir stehn, ahne ich auch den blonden Bart, wie er sich mir über die Schulter beugt und etwas von »Blasiertheit« murmelt. Doch diese bezahlte Bürgerlichkeit findet mich in Waffen. Nur Eines läßt mich wanken und weinen: Über allen Augen die Lüge. Siehst du, mein Liebling, man sollte nicht lügen. Gott hat uns schließlich — gegenüber der tausend Nachteile — einen Vorteil vor den Tieren geschenkt: wir dürfen reden. Doch das schöne Zueinander wird hin, wenn wir die Instrumente mißbrauchen, die Mauer der verschiedenen Stirnen reckt sich zwischen den Gehirnen auf, die Beweislosigkeit schreckt vor den Überzeugungen zusammen: wir sind allein und dumm. Tiere schmiegen sich — wild oder beruhigt — aneinander, wir müssen der Unehrlichkeit an die Kehle fahren und aus dem Maul der geschändeten Gottheit das Geständnis reißen, was wir für hilflose Hunde sind.

Vor diesem circulus vitiosus aller Menschlichkeiten, die sich in die müden Schwänze beißen, ist es billig und noch immer das Einfachste, gar nicht mitzutun.

Der Unhold der Hebamme hat mich hereingeschleudert, Dienerinnen haben mich genährt, Schwäche mich umzwitschert, Schmöcke und Dirnen mein Jugendlied mir vorgesummt: Da fand ich dich.

Liebe Karin, ich widme dir dies Buch.

DER SATAN

DER kleine Prinz war immer schon blaß, hemmungslos und manchmal direkt verrückt gewesen. Er — vielmehr seine hochgeborene Frau Mama — hatte ein recht stattliches Vermögen von rund vier Milliarden Dollar, als sie herüberkamen mitgebracht. Die Kindheit sollte er wo in Florida verbracht haben, als er aber knapp sechzehn war, da wäre es nicht mehr mit ihm auszuhalten gewesen. Jede Woche schlug er mindestens einen Sklaven mit seiner eigens konstruierten Peitsche zu Tode. Jede Woche brüllte er, er wolle ein Land haben, er wolle herrschen, König sein. Er wolle Menschen kneten, auf Städte seine Hand legen. Da hätte man sich gegen Europa eingeschifft — natürlich auf der eigenen Jacht — und jetzt auf einmal sauste ein scharlachrotes Auto durch die Straßen Kölns.

Also sprachen die bauchigen Stadtväter und manche munkelten noch anderes: »Ja, gewiß, die ganze Überfahrt habe er Fieber gehabt — er sei überhaupt blind — wie er in Antwerpen ans Land stieg — er habe noch nie den Namen Köln gehört — habe er plötzlich geschrien ‚Köln! Köln!‘ — er sei allein vorausgejagt — in 1½ Stunden bis Lüttich, dann mit dem Aeroplan hierher — die Mutter weint immer — er hat das ganze Domhotel nur für sich gemietet — — siebenmal war er schon beim Bürgermeister gewesen — —«. Die Uhrketten wackelten bedenklich und fast jeder strich sich unruhig-blinzelnd über das Haar, bis sich ein behaglicher Schnalzer im Munde formte: ». . . nun, und die kleine Schwester — sie ist vierzehn-einhalb — na, dort im Süden — ich bitte, man sagt . . .« Wie jetzt Adjunkt Keppel dazutrat, machte man fast eine Gasse (Der Mann konnte Two-step tanzen wie ein junger Gott): »Ich habe eben das Scharlachene über die Rheinbrücke sausen gesehen . . .« »Oh, wohin, glauben Herr Adjunkt . . .« Dieser strich sich den englischen Schnurrbart — es ist wahr, er war schon zweimal verheiratet, erst 30, ein Verhältnis soll er auch haben — der Kerl — na, der Kerl sprach jetzt: »Man redet von ganz eigenartigen Dingen. Ich mit meinen Beziehungen zum Magistrat kann aber bestimmt sagen, er hat sich nach Berlin direkt an S. M. gewandt. Deutschland braucht Geld wie ganz Europa. Die Sozial- und Militärrevolution zehrt noch immer an unserm Gebein. Nun man hat ja — Gott sei Dank — diesen blutigen Scherzen ein entsprechendes Ende bereitet . . .«

(Finanzrat Müller, »der rote Müller«, räusperte sich scharf) . . . »aber Sie wissen, unser Handel und Wandel liegen noch arg danieder. Also kurz und gut, der kleine Prinz will unsere Stadt mit Gebiet bis zum Siebengebirge und bis Elshausen samt Bonn und Gladbach als eigenes Gebiet käuflich erwerben.«

Die Münder der Großstadtvertretung blieben weit offen, daß die Rachenmandeln sichtbar wurden und nur ein kleines, scharf gepfauchtes »Unmöglich« zur Luft konnte . . . . . . . .

Das scharlachene Auto sauste unterdessen quer durch das verwüstete Deutschland mit 200 km Stundengeschwindigkeit. Der Prinz und Claire schauten etwas höhnisch über die Schlachtfelder des alten Europa. Der Prinz hatte seine mädchenhaften, dünnen Beine zu sich auf den Sitz gezogen und die rechte Hand spielte mit dem Haar seiner wundervollen Schwester, himmelblaue Augen brannten wie traurige Sterne aus dem durchsichtigen Gesicht, hinter dem noch immer das Fieber wohnte, in die Gegend, in der der Frieden mit dem Grausen rang. »Ich werde es bekommen . . . Ich muß.«

»Bedenke, eine Großstadt . . . du bist krank . . . wie kamst du auf Deutschland? Denke, Paris, London, dort ist Leben . . .«

»Ich habe dir doch oft von der Nacht erzählt, wo unsere Inga starb. Ich bin nicht mehr der dumme Prinz . . . ich bin . . .« Sein Mund wurde gelangweilt und er zog die Vorhänge herunter. »Noch eine Stunde bis zur Haupt- und Residenzstadt.« Das Schwesterlein öffnete den Pelz, unter dem sie nackt war, und gab ihrem Körper die hingebende Linie. Sie legte sich sanft zu dem Bruder, dessen Augen für Momente unfiebrig und ein wenig glücklich wurden. Eine Zwerg-Angorakatze, die sich schläfrig-schnurrend erhob, vervollständigte die Familienszene . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Der Prinz überfuhr drei Personen, bevor er zum Hotel Adlon gelangte. Nichtsdestoweniger wurden noch drei Leute im Gedränge »Unter den Linden« erdrückt und die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Aufregung in der ganzen Stadt stieg noch, als man erfuhr, der Kaiser habe sich entschlossen, seine Hoheit den Prinzen Alvio di Santa Rocco noch heute zu empfangen. Der Prinz selbst war heute nichts weniger als erregt, er ging oben im Salon des Hotel Adlon, eine Zigarette nach der andern rauchend, etwas träumerisch auf und ab, streichelte bald Claire, die kandierte Früchte essend am Sofa lag, bald das Katerchen, er pfiff den Gassenhauer der Saison und schüttelte mit kindlicher Gebärde seine schwarzen Haare. Dann fuhr er fabelhaft elegant und liebenswürdig durch die Menschenmenge zum königlichen Schloß. Hinter ihm ritt ein livrierter Affe, der 10-Markstücke in das heulende Gedränge warf. Im königlichen Schloß blieb Alvio nicht lange. Er war direkt in die Privatgemächer geführt worden und niemand hatte gehört, was dort verhandelt wurde. Nach zehn Minuten verließ er zu Fuß das Schloß. Der Kammerdiener fand über dem Schreibtisch den alten Kaiser mit Tränen in den Augen, noch die Feder in der Hand, verstört und doch wieder begeistert wie von einem ganz unbegreiflichen Ding. Dies erfuhr aber niemand. Ganz Berlin, ganz Deutschland, die ganze Welt wurden aber nach einer halben Stunde von der Kunde in Erstaunen und Bestürzung versetzt, daß die Stadt Köln samt Gebiet mit Bonn und Gladbach um eine Milliarde Dollar in den Besitz und die Herrschaft des Prinzen Alvio di Santa Rocco gelangt sei. Da hatte damals kein Parlament drein zu reden, denn das war seit den Junikämpfen 1925 endgültig abgeschafft. Nur den Zeitungen konnte man es nicht verbieten, über den Stammbaum der Santa Roccas zu schreiben, ihre Beziehungen zu den europäischen Höfen. »Wie die Santa Roccas zu ihrem Gelde kamen,« von Ignotus, »Alvio der einzige Erbe?« usw. Und Rechtsgelehrte schossen vereint mit gewöhnlichen Historikern wie Pilze aus der Erde, um die staatliche Stellung von »Libertia« von vornherein festzunageln . . . . . . .

In Köln wollte man, als die ersten Nachrichten eintrafen, das Domhotel anzünden. Die ganze Stadt drehte sich wie ein blödsinniger Gärungsstoff um und um, strömte auf die Gassen. Die Studentenschaft von Bonn zog, Fackeln in den Händen, vor das Bürgermeisteramt, Aufklärung heischend. »Die Wacht am Rhein«, »Deutschland, Deutschland über alles« scholl aus allen Straßenecken zum blutigen Abendhimmel, der Dom ließ seine Glocken erklingen, von dem Gürzenichbalkon sprach ein roter Fleischhauer und Patriot schnarrend auf den Rathausplatz hinunter. Nur das Militär und die Polizei waren nirgends zu sehen. Es wurde langsam Nacht. Um zehn Uhr versuchten fanatische Arbeiter, Studenten, Bürger, schwarz-rot-gold im Herzen und Antlitz ins Domhotel einzudringen. Die Pforten waren verschlossen, man begann dagegen