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In der Anthologie 'David Hume: Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand' wird die Vielfalt und Tiefe philosophischer Erkundungen beleuchtet, die sich mit der Natur menschlicher Erkenntnis und Wahrnehmung auseinandersetzen. Die Sammlung zeichnet sich durch eine breite Palette an Essays und Analysen aus, die sowohl Humes originale Gedanken als auch deren Interpretationen und Weiterführungen durch den deutschen Philosophen Julius Heinrich von Kirchmann umfassen. Diese Zusammenstellung bietet einen umfassenden Überblick über die Entwicklung und den Einfluss von Humes Ideen und stellt sie in den Kontext der europäischen Aufklärung und des darauf folgenden philosophischen Diskurses. Die Beiträge von Hume und von Kirchmann in dieser Sammlung sind nicht nur Zeugnisse ihrer individuellen philosophischen Suche, sondern auch Spiegel der kulturellen und intellektuellen Strömungen ihrer Zeiten. David Hume, als einer der zentralen Figuren der schottischen Aufklärung, und Julius Heinrich von Kirchmann, bekannt für seine kritischen Auseinandersetzungen mit philosophischen Werken, erforschen die Grenzen des menschlichen Verstandes und bieten tiefe Einblicke in die Mechanismen unserer Wahrnehmung und Logik. Ihre Texte verknüpfen die philosophischen mit den allgemeinen menschlichen Fragestellungen und fördern ein besseres Verständnis der unterliegenden psychologischen Prozesse. Diese Anthologie ist eine unverzichtbare Ressource für jeden, der sich für die Geschichte der Philosophie, insbesondere der Erkenntnistheorie, interessiert. Sie bietet eine einzigartige Gelegenheit, die vielschichtigen Ansichten und den Dialog zwischen zwei großen Denkern der Philosophie innerhalb eines Bandes zu erkunden. Für Studierende, Akademiker und alle, die sich für die tiefgreifenden Fragen des menschlichen Verstandes interessieren, ist dieses Buch eine wertvolle und bereichernde Lektüre.
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Seitenzahl: 247
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Die meisten von den Sätzen und Ausführungen sind bereits in einem dreibändigen Werke unter dem Titel: »Eine Abhandlung über die menschliche Natur« veröffentlicht worden. Der Verfasser hatte den Plan dazu schon als Student entworfen, und bald darauf schrieb und veröffentlichte er das Werk. Es hatte keinen Erfolg; der Verfasser erkannte seinen Irrthum, zu schnell zur Veröffentlichung geschritten zu sein und arbeitete es um; viele Mängel in der Begründung und noch mehr in der Darstellung sind hoffentlich dadurch beseitigt worden. Trotzdem haben Kritiker, welche die Philosophie des Verfassers ihrer Aufmerksamkeit gewürdigt haben, alle ihre Angriffe gegen jene Jugendarbeit gerichtet, welche der Verfasser jetzt nicht mehr anerkennt. Man hat so die angeblichen über ihn errungenen Triumphe gefeiert, obgleich solches Verfahren allen Regeln der Offenheit und Redlichkeit widerspricht und einen auffallenden Beleg zu den polemischen Künsten abgiebt, welche der fromme Eifer anzuwenden sich für befugt erachtet.
Deshalb wünscht der Verfasser, dass die gegenwärtige Arbeit allein als die angesehen werde, welche seine philosophischen Ansichten und Grundsätze enthält.
Die Moral-Philosophie oder die Wissenschaft der menschlichen Natur kann auf zwei verschiedene Weisen behandelt werden, von denen jede ihren besonderen Werth hat und zur Unterhaltung, Belehrung und Verbesserung der Menschheit beitragen kann. Nach der einen ist der Mensch zum Handeln geboren und wird in seinen Massregeln durch Geschmack und Gefühl bestimmt; er verfolgt den einen Gegenstand und vermeidet den anderen nach dem Werthe, den diese Gegenstände zu haben scheinen, und nach dem Lichte, in dem sie sich darstellen. Da die Tugend anerkanntermassen das Werthvollste von Allen ist, so malen die Philosophen dieser Gattung sie in den lieblichsten Farben, entlehnen von der Dicht-und Redekunst deren Mittel und behandeln ihren Gegenstand in jener leichten und fasslichen Weise, welche die Phantasie anregt und das Interesse erweckt. Sie wählen die treffendsten Bemerkungen und Beispiele aus dem täglichen Leben und bringen die unterschiedenen Charaktere in den richtigen Gegensatz. Sie locken durch die Aussichten auf Ruhm und Glück in die Pfade der Tugend und erhalten darin durch gesunde Grundsätze und glänzende Beispiele. Sie lassen den Unterschied zwischen Tugend und Laster fühlen; sie erwecken und regeln die Empfindungen, und indem sie so in dem Herzen die Gesinnung für Rechtschaffenheit und wahre Ehre wach rufen, glauben sie den Endzweck ihrer Anstrengungen ganz erreicht zu haben.
Die Philosophen der zweiten Gattung betrachten den Menschen mehr in dem Lichte eines denkenden als handelnden Wesens; sie suchen mehr seinen Verstand zu bilden, als seine Sitten zu bessern. Die menschliche Natur gilt ihnen als ein Gegenstand philosophischer Prüfung; sie untersuchen sie mit ängstlicher Sorgfalt, um die Grundsätze zu entdecken, welche unsern Verstand leiten, unsere Empfindungen erwecken und uns zum Lob oder Tadel der Dinge, der Handlungen und des Benehmens veranlassen. Sie halten es für eine Schmach der Wissenschaft, dass die Philosophie noch nicht die Grundlagen der Moral, des Denkens und Urtheilens unzweifelhaft festgestellt hat; dass sie von Wahrheit und Irrthum, von Tugend und Laster, von Schönheit und Hässlichkeit fortwährend spricht, ohne die Quelle dieser Unterschiede bezeichnen zu können. Sie unternehmen diese schwierige Aufgabe und lassen sich durch keine Hindernisse abschrecken. Von besondern Fällen gehen sie zu allgemeinen Sätzen fort und ruhen nicht, bis sie die obersten Grundsätze erreicht haben, welche in jeder Wissenschaft die Grenze der menschlichen Erkenntniss bilden. Ihre Untersuchungen erscheinen dem gewöhnlichen Leser trocken, ja unverständlich; aber ihr Streben geht auf die Beistimmung der Kenner und Weisen, und sie halten sich für die Anstrengungen eines ganzen Lebens genügend entschädigt, wenn sie einige verborgene Wahrheiten entdecken, welche zur Belehrung der kommenden Geschlechter beitragen.
Unstreitig zieht die Menge jene leichte und verständliche Philosophie dieser strengen und tiefen vor, und Viele werden sie nicht blos für angenehmer, sondern auch für nützlicher als die andere erklären. Jene fügt sich mehr dem gewöhnlichen Vorstellen; sie erregt das Herz und die Empfindung; sie behandelt die Grundsätze, welche das Handeln bestimmen, bessert so das Benehmen der Menschen und bringt sie ihrem Muster von Vollkommenheit näher. Die strenge Philosophie stützt sich dagegen auf eine Geistesrichtung, welche in das Praktische und Thätige sich nicht einlässt; sie verschwindet, wenn der Philosoph die Dämmerung verlässt und in das Tageslicht tritt, und ihre Grundsätze können nicht leicht einen Einfluss auf das Handeln und Benehmen erlangen. Die Gefühle des Herzens, die Erregungen der Leidenschaften, die Gewalt der Affekte machen alle Folgerungen solcher tiefsinnigen Philosophen zu nichte und bringen sie auf die gleiche Stufe mit jedem gewöhnlichen Menschen wieder herab.
Man muss auch anerkennen, dass jene leichte Philosophie den dauerhaftesten und gerechtesten Ruhm erworben hat, und dass jene tiefsinnigen Denker bisher nur eines vorübergehenden Rufes bei ihren eigensinnigen und unwissenden Zeitgenossen sich haben erfreuen, aber ihn bei der gerechten Nachwelt sich nicht haben erhalten können. Der tiefsinnige Philosoph begeht in seinen Schlussfolgerungen leicht ein Versehen; ein Missgriff hat beim Weiterschreiten andere nothwendig zur Folge; auch schreckt er vor keinem Ergebniss zurück, selbst wenn es sonderbar erscheint oder der Volksmeinung widerstreitet. Aber ein Philosoph, der nur das Gemeinverständliche in schönen und anziehenden Farben wiedergeben will, geht nicht weiter, wenn er zufällig in einen Irrthum geräth; er kehrt in die richtige Bahn zurück und schützt sich vor jeder gefährlichen Täuschung, indem er sich wieder auf den gesunden Verstand und die natürliche Empfindung beruft. Der Ruhm Cicero’s blüht noch heute, während der von Aristoteles verloschen ist. La Bruyère tönt über das Meer und bewahrt noch seinen Ruf, während der Ruhm von Malebranche auf seine Nation und sein Zeitalter beschränkt geblieben ist, und Addison wird vielleicht noch mit Vergnügen gelesen werden, wenn Locke ganz vergessen sein wird.
Der strenge Philosoph ist ein Charakter, welcher der Welt meist nicht genehm ist; man meint, dass er weder zum Nutzen noch zum Vergnügen der Gesellschaft etwas beitrage; denn er lebt fern vom Verkehr mit Menschen und ist in Regeln und Begriffe vertieft, welche dem Verständniss dieser fern liegen. Auf der andern Seite wird reine Unwissenheit noch mehr verachtet, und in einem Zeitalter und Volke, wo die Wissenschaften blühen, gilt es als ein sicheres Zeichen der Rohheit, keinen Geschmack für diese edlen Beschäftigungen zu besitzen. Man sucht meist den vollkommnen Charakter zwischen diesen beiden Extremen; ein solcher besitzt gleiches Geschick und Geschmack für Bücher, Gesellschaft und Geschäft; er bewahrt sich in der Unterhaltung die Schärfe und Feinheit, welche aus der Pflege der schönen Wissenschaften entspringen, und im Geschäft die Rechtlichkeit und Genauigkeit, welche das natürliche Ergebniss einer guten Philosophie sind. Um solche vollkommene Charaktere zu bilden und häufiger zu machen, sind Werke im leichten Stile die nützlichsten. Sie ziehen nicht zu sehr vom Leben ab, verlangen für ihr Verständniss keine tiefe Anstrengung oder Einsamkeit und geben ihren Zögling der Menschheit zurück, erfüllt mit edlen Gefühlen und weisen Vorschriften, die für alle Lagen des menschlichen Lebens anwendbar sind. Vermittelst solcher Werke wird die Tugend liebenswürdig, die Wissenschaft angenehm, die Gesellschaft belehrend und die Einsamkeit unterhaltend.
Der Mensch ist ein vernünftiges Wesen, und als solches empfängt er seine wahre Nahrung von der Wissenschaft. Aber die Schranken des menschlichen Verstandes sind so enge, dass man hier weder mit der Ausdehnung, noch mit der Gewissheit des Erwerbes zufriedengestellt wird. Der Mensch ist aber nicht blos ein vernünftiges, sondern auch ein geselliges Wesen; dennoch kann er nicht immer angenehmen und unterhaltenden Umgang geniessen und nicht immer die Empfänglichkeit dafür sich bewahren. Der Mensch ist auch ein thätiges Wesen; er muss wegen dieser Anlage und wegen der mannichfachen Bedürfnisse des menschlichen Lebens sich dem Geschäft und der Arbeit unterziehn; aber die Seele verlangt nach Erholung und kann nicht fortwährend die Last der Sorgen und Anstrengungen ertragen. Die Natur scheint daher ein gemischtes Leben als das dem Menschen angemessenste zu bezeichnen; sie warnt ihn, sich keiner dieser Neigungen zu sehr hinzugeben und dadurch die Fähigkeit für andere Beschäftigungen und Vergnügen einzubüssen. »Folge deinem Trieb nach Wissen,« spricht sie, »aber dein Wissen bleibe menschlich und in Verbindung mit dem Leben und dem Handeln; ich verbiete nutzlose Gedanken und grüblerische Untersuchungen; ihre Strafe sei das trübsinnige Grübeln, zu dem sie dich führen, die endlose Ungewissheit, in die sie dich verwickeln, und die Kälte, mit der deine angeblichen Entdeckungen bei deren Mittheilung aufgenommen werden. Sei ein Philosoph, aber bleibe mitten in all deiner Philosophie ein Mensch.«
Begnügte man sich, die leichte Philosophie der eindringendern und tiefern Philosophie nur vorzuziehn, ohne letztere zu tadeln oder zu verachten, so möchte diese allgemeine Ansicht immer zulässig sein, und Jedem frei stehen, sich nach seinem Geschmack und Sinne zu unterhalten. Aber man geht oft weiter und verwirft schlechthin jede tiefere Untersuchung oder sogenannte Metaphysik. Wir wollen daher das in Betracht ziehn, was für sie spricht.
Der nächste erhebliche Vortheil der strengen und tiefer eindringenden Philosophie ist ihre Unterstützung der leichten und gemeinfasslichen, welche ohne jene in ihren Begriffen, Grundsätzen und Beweisen niemals den erforderlichen Grad von Genauigkeit erreichen kann. Alle schönen Wissenschaften sind nur Schilderungen des menschlichen Lebens in seinen mannichfachen Zuständen und Verhältnissen; sie erfüllen uns nach der Beschaffenheit der von ihnen gebotenen Gegenstände mit mancherlei Gefühlen des Lobes oder Tadels, der Bewunderung oder des Spottes. Ein Künstler kann hier nur auf grössern Erfolg für sein Werk rechnen, wenn er nicht blos feinen Geschmack und schnelle Auffassung besitzt, sondern auch eine genaue Kenntniss der innern Werkstatt, der Thätigkeiten des Verstandes, der Wirkungen der Leidenschaften und der verschiedenen Empfindungen, durch die sich Laster und Tugend unterscheiden. Wenn auch diese innern Nachforschungen und Untersuchungen mühsam werden, so sind sie doch für denjenigen gewissermassen unentbehrlich, welcher mit Erfolg die äusserlichen und sichtbaren Erscheinungen des Lebens und der Sitte beschreiben will. Der Anatom zeigt dem Auge die hässlichsten und unangenehmsten Gegenstände, aber seine Wissenschaft nützt dem Maler selbst bei einer Venus oder Helena. Während dieser die üppigsten Farben seiner Kunst benutzt und seinen Gestalten die zierlichsten und reizendsten Stellungen giebt, muss er immer dabei den innern Bau des menschlichen Körpers beachten und die Stellung der Muskeln, die Einrichtung der Knochen und den Gebrauch und die Gestalt jedes Theils und Organs kennen. Genauigkeit hilft immer der Schönheit, und richtiges Denken der zarten Empfindung. Es ist vergeblich, das Eine durch Erniedrigung des Andern heben zu wollen.
Ueberdem zeigt sich, dass in jeder Kunst und jedem Geschäft, selbst in solchen, die dem Leben und Handeln am nächsten stehen, der Geist der Genauigkeit, wie er auch erworben sei, sie alle der Vollkommenheit näher bringt und den Interessen der Gesellschaft dienlicher macht. Mag daher der Philosoph auch den Geschäften fern bleiben, so muss doch der Geist der Philosophie, wenn er von Einzelnen sorgsam gepflegt wird, sich allmählich durch die ganze Gesellschaft verbreiten und in jede Kunst und jeden Beruf eine ähnliche Genauigkeit einführen. Der Staatsmann wird in Theilung und Ausgleichung der politischen Mächte vorsichtiger und scharfsichtiger werden; der Rechtsgelehrte wird für seine Ausführungen mehr Methode und schärfere Gründe gewinnen, und der Feldherr mehr Regelmässigkeit für seinen Dienst und mehr Vorsicht in seinen Plänen und Unternehmungen. Die Festigkeit der modernen Staaten in Vergleich zu den alten, und die Schärfe der modernen Philosophie sind in gleichem Grade gewachsen, und dies wird auch in der Zukunft stattfinden.
Selbst wenn keine andere Frucht aus diesen Studien reifte, als die Befriedigung einer unschuldigen Wissbegierde, so wäre auch dies nicht zu verachten; denn sie vermehrt jene wenigen heilsamen und harmlosen Freuden, welche dem Menschengeschlecht zugetheilt sind. Der sanfteste und unschädlichste Gang dieses Lebens führt durch die Pfade der Wissenschaft und Erkenntniss; Jeder, der ein Hinderniss von diesen Pfaden wegräumt oder eine neue Aussicht eröffnet, muss als ein Wohlthäter der Menschen gelten. Diese Untersuchungen mögen peinlich und ermüdend sein; aber es verhält sich hier mit der Seele, wie mit dem Körper; sind sie mit Kraft und üppiger Gesundheit ausgerüstet, so verlangen sie nach anstrengenden Uebungen und finden ihr Vergnügen in dem, was den meisten Menschen schwer und mühevoll erscheint. Die Dunkelheit ist für den Geist so schmerzlich wie für das Auge; Licht aus der Dunkelheit zu entnehmen, sei diese Arbeit auch noch so schwer, muss nothwendig erfreulich und ergötzend sein.
Man hat indess diese Dunkelheit der tiefern und eindringendern Philosophie nicht blos als peinlich und ermüdend getadelt, sondern auch als eine Quelle unvermeidlichen Schwankens und Irrthums dargestellt. Dies ist allerdings der gerechteste und annehmbarste Vorwurf gegen einen grossen Theil der metaphysischen Untersuchungen; man sagt, sie seien keine wahre Wissenschaft, sondern nur das Ergebniss nutzloser Anstrengungen menschlicher Eitelkeit, welche in Gegenstände eindringen will, die entweder dem Verstand unzugänglich oder das Werk eines listigen Aberglaubens sind, welcher auf ebenem Boden sich nicht vertheigen kann, und deshalb in dieses verworrene Gestrüpp sich verkriecht, um seine Blösse zu decken und zu schützen. Verjagt vom freien Felde, fliehen diese Räuber in den Wald und liegen auf der Lauer, um durch jeden unbewachten Zugang in den Geist einzubrechen und ihn durch religiöse Furcht und Vorurtheile zu überwältigen. Der stärkste Gegner wird besiegt, wenn er einen Augenblick in seiner Wachsamkeit nachlässt, und Viele öffnen aus Feigheit und Thorheit den Feinden die Thore und empfangen sie freiwillig mit Ehrfurcht und Unterwürfigkeit als ihre legitimen Herrscher.
Ist dies indess ein hinreichender Grund für den Philosophen, um von solchen Untersuchungen abzustehen und den Aberglauben in den Besitz seiner Schlupfwinkel zu lassen? Folgt daraus nicht umgekehrt die Nothwendigkeit, dass man den Kampf in die geheimsten Schlupfwinkel des Feindes übertragen muss? Vergeblich ist die Hoffnung, dass der Mensch durch häufige Täuschungen endlich zum Verlassen dieser luftigen Forschungen bestimmt werden und das wahre Reich der menschlichen Vernunft entdecken werde. Viele sind bei der steten Wiederaufnahme solcher Forschungen sichtlich interessirt, und blinde Verzweiflung darf vernünftiger Weise in den Wissenschaften nie Platz greifen; da trotz der Erfolglosigkeit früherer Versuche immer Raum für die Hoffnung bleibt, dass die Anstrengung, das gute Glück und der gesteigerte Scharfblick der folgenden Generationen zu Entdeckungen gelangen werde, die der Vorzeit unerreichbar waren. Jeder kühne Geist wird den schwierigen Preis zu gewinnen suchen, und die Fehlschläge seiner Vorgänger werden ihn eher reizen als entmuthigen; er hofft, dass ihm allein der Ruhm aufbewahrt sei, eine so schwere Aufgabe zu lösen. Das einzige Mittel, um die Wissenschaft mit einem Male von diesen nutzlosen Versuchen zu befreien, ist die Natur des menschlichen Verstandes streng zu untersuchen, und durch eine genaue Erforschung seiner Kräfte und Fähigkeiten zu zeigen, dass er für solche entlegene und verborgene Gegenstände durchaus nicht geeignet ist. Man muss sich dieser Arbeit unterziehn, um nachher in Ruhe zu leben, und man muss die wahre Metaphysik mit Sorgfalt treiben, um die unwahre und verfälschte zu zerstören. Die Trägheit, welche Manchen vor dieser trügerischen Philosophie bewahrt, wird sammt Anderem durch die Wissbegierde überwogen; und die Verzweiflung, die zu manchen Zeiten hervorbricht, weicht später übertriebenen Hoffnungen und Erwartungen. Genaue und richtige Untersuchungen sind hier die einzigen und allgemein gültigen Heilmittel für Jedermann und jede Frage; sie allein können jene unverständliche Sprache aus der Philosophie und Metaphysik entfernen, welche sie, in Verbindung mit dem Aberglauben, für unbefangene Forscher undurchdringlich macht und ihr den Schein von Wissenschaft und Weisheit verleiht.
Neben dem Vortheile, dass man nach sorgfältiger Untersuchung sich des unsichersten und lästigsten Theiles der Gelehrsamkeit entledigt, gehn aus einer sorgfältigen Untersuchung der Kräfte und Fähigkeiten der menschlichen Natur auch viele positive Vortheile hervor. Die geistigen Thätigkeiten haben das Merkwürdige, dass sie, obgleich am innigsten uns gegenwärtig, doch in Dunkelheit gehüllt scheinen, wenn das Nachdenken sich auf sie richtet. Das Auge kann nicht leicht die Linien und Grenzen erkennen, welche sie sondern und unterscheiden. Diese Gegenstände sind zu fein, um immer denselben Anblick und dieselbe Lage zu bieten; sie müssen augenblicklich erfasst werden, mittelst einer höhern Einsicht, welche Naturgabe ist und durch Uebung und Nachdenken sich steigert. Es ist deshalb schon eine beträchtliche Aufgabe der Wissenschaft, die verschiedenen Thätigkeiten der Seele kennen zu lernen, die einen von den andern zu sondern, sie in die passenden Abtheilungen zu bringen und die anscheinende Verwirrung zu lösen, in welcher sie sich befinden, wenn sie zum Gegenstande der Untersuchung und des Nachdenkens gemacht werden. Dieses Ordnen und Unterscheiden, was in Bezug auf äussere Dinge und Gegenstände der Sinne kein Verdienst ist, steigt im Werthe, wenn es sich auf diese Thätigkeiten der Seele richtet, und zwar im Verhältniss zur Schwierigkeit und Mühe, welche der Ausführung anhaftet. Sollte man auch nicht über diese geistige Geographie und Abgrenzung der verschiedenen Theile und Kräfte der Seele hinauskommen, so gewährt schon dies Genugthuung. Je selbstverständlicher solche Wissenschaft erscheinen mag (aber sie ist es durchaus nicht), desto grössere Schande trifft die, welche sie nicht kennen, und doch auf Gelehrsamkeit und Philosophie Anspruch machen.
Auch bleibt kein Raum für den Vorwurf, dass diese Wissenschaft unsicher und chimärisch sei; man müsste denn an einer Zweifelsucht festhalten, welche alles Nachdenken und selbst alles Handeln zerstört. Man kann nicht bestreiten, dass die Seele mit gewissen Kräften und Fähigkeiten ausgestattet ist; dass diese Kräfte sich von einander unterscheiden; dass das für die unmittelbare Wahrnehmung wirklich Verschiedene durch Nachdenken gesondert werden kann, und dass daher Wahrheit und Irrthum an allen Fragen dieses Gebietes haftet, und zwar eine solche Wahrheit und ein solcher Irrthum, die nicht jenseit des Bereichs des menschlichen Verstandes liegen. Es giebt viele naheliegende Unterscheidungen dieser Art, wie zwischen Wollen und Verstand, Phantasie und Leidenschaften, welche von jedem menschlichen Wesen begriffen werden. Die feinen und philosophischen Unterscheidungen sind nicht weniger wirklich und gewiss, wenn sie auch schwerer zu fassen sind. Einzelne, namentlich neuerliche Erfolge bei diesen Untersuchungen können einen bessern Begriff von der Gewissheit und Festigkeit in diesem Gebiet der Erkenntniss gewähren. Sollte es denn die allein würdige Aufgabe für einen Philosophen sein, das wahre System der Planeten festzustellen und die Ordnung und die Stellung dieser fernen Körper zu ermitteln? Sollte man die Männer nicht beachten, welche mit so viel Erfolg die Gebiete der Seele erforschen, wobei doch Jedermann so innig betheiligt ist?
Weshalb sollte man nicht hoffen, dass die Philosophie bei sorgfältiger Pflege, und ermuthigt durch die öffentliche Aufmerksamkeit, in ihren Untersuchungen immer weiter kommen und endlich gleichsam die verborgenen Springfedern und Kräfte entdecken werde, welche die menschliche Seele in ihrer Thätigkeit stützen und leiten? Die Astronomen hatten sich lange begnügt, aus den sichtbaren Erscheinungen die wahre Bewegung, Ordnung und Grösse der Himmelskörper zu beweisen, bis sich endlich ein Philosoph erhob, welcher durch ein glückliches Nachdenken auch die Gesetze und Kräfte bestimmte, durch welche der Lauf der Planeten geleitet und in Ordnung gehalten wird. Das Gleiche ist in andern Gebieten der Natur vollbracht worden. Und man hat keinen Grund, an einen gleichen Erfolg bei den Untersuchungen der Kräfte und der Einrichtung der Seele zu verzweifeln, wenn mit gleicher Fähigkeit und Vorsicht vorgegangen wird. Es ist wahrscheinlich, dass die eine Kraft und der eine Vorgang in der Seele von dem andern abhängt, welche wieder auf allgemeinere zurückgeführt werden können, und vor, ja selbst nach einem sorgfältigen Versuch wird es schwer sein, genau zu bestimmen, wie weit man mit solchen Untersuchungen gelangen könne. Sicherlich werden solche Versuche tagtäglich, selbst von denen gemacht, welche am nachlässigsten philosophiren, und nichts ist nothwendiger für den Eintritt in ein solches unternehmen, als die höchste Sorgfalt und Aufmerksamkeit, damit, wenn das Ziel im Bereich des menschlichen Verstandes liegt, es endlich erreicht werde, und wo nicht, mit Zuversicht und Sicherheit aufgegeben werden könne.
Diese letzte Ansicht ist sicherlich nicht wünschenswerth und darf nicht zu voreilig angenommen werden. Denn wie viel müsste von der Schönheit und dem Werthe dieser Art der Philosophie nachgelassen werden, wenn man dies zugeben wollte. In der Moral suchte man bisher gegenüber der grossen Mannichfaltigkeit und Verschiedenheit der Handlungen, welche Billigung oder Missbilligung hervorrufen, nach irgend einem allgemeinen Grundsatz, von dem dieser Unterschied der Urtheile sich ableitete. Und obgleich man aus Liebhaberei für Prinzipien dies oft zu weit getrieben hat, so verdient es doch sicherlich Entschuldigung, wenn gewisse allgemeine Regeln gesucht werden, auf die sich alle Laster und Tugenden mit Grund zurückführen lassen. Aehnliches hat man in der Kunst, in der Logik, in der Staatswissenschaft versucht, und zwar nicht ohne Erfolg, obgleich vielleicht nur längere Zeit, grössere Sorgfalt und ausharrenderer Fleiss diese Wissenschaften ihrer Vollkommenheit näher bringen kann. Wollte man mit einem Male all diese Unternehmen zurückstellen, so wäre dies sicherlich voreiliger, unüberlegter und eigenwilliger, als die dreisteste und absprechendste Philosophie, welche je ihre rohen Gebote und Grundsätze den Menschen aufzudringen versucht hat.
Wenn aber diese Untersuchungen der menschlichen Natur zu hoch und unverständlich erscheinen, so darf man dies doch nicht als einen Grund für ihre Unwahrheit geltend machen. Es scheint vielmehr natürlich, dass das nicht so augenfällig und leicht sein kann, was bisher so vielen weisen und gründlichen Philosophen entschlüpft ist. Trotz aller Mühe, welche diese Untersuchungen uns kosten sollten, werden wir uns sowohl in Bezug auf Nutzen, wie Annehmlichkeit, für hinreichend belohnt halten, wenn wir damit den Vorrath von Kenntnissen über Gegenstände von so unsäglicher Wichtigkeit etwas vermehren könnten.
Trotz alledem bleibt das tiefere Denken, in welchem solche Untersuchungen sich bewegen, keine Empfehlung, sondern eher ein Nachtheil für sie. Viel leicht kann diese Schwierigkeit durch Sorgfalt und Geschick und durch Vermeidung aller überflüssigen Ausführlichkeit überwunden werden. Und so habe ich in der folgenden Untersuchung einiges Licht über Dinge zu verbreiten gesucht, deren Unsicherheit den Weisen, und deren Dunkelheit den Unwissenden bisher zurückgeschreckt hat. Wohl mir, wenn es mir gelingt, die Trennung der beiden Arten zu philosophiren dadurch zu beseitigen, dass ich die Gründlichkeit mit der Klarheit, und die Wahrheit mit der Neuheit versöhne.
Noch glücklicher würde es mich machen, wenn ich durch solche leichtere Weise der Behandlung die Grundlagen jener dunklen Philosophie erschüttern könnte, welche bisher nur dem Aberglauben als Schutz und dem Unsinn und Irrthum als Deckmantel gedient hat.
Jedermann wird einräumen, dass ein erheblicher Unterschied zwischen den Vorstellungen der Seele besteht, je nachdem man den Schmerz einer ausserordentlichen Hitze oder das Vergnügen einer mässigen Wärme fühlt, oder je nachdem man diese Empfindung nur nachher in das Gedächtniss zurückruft oder im Voraus sich vorstellt. Diese Vermögen können die Wahrnehmungen der Sinne nachahmen oder abbilden, aber sie können niemals die ganze Kraft und Lebhaftigkeit der ursprünglichen Empfindung erreichen. Das Höchste, was selbst bei ihrer stärksten Aeusserung man von ihnen sagen kann, ist, dass sie ihren Gegenstand in so lebhafter Weise darbieten, dass man beinahe meint, ihn zu fühlen oder zu sehen. Aber niemals können sie, Fälle der Geistesstörung durch Krankheit oder Irrsinn abgerechnet, einen solchen Grad von Lebhaftigkeit annehmen, dass man diese Vorstellungen nicht von einander zu unterscheiden vermöchte. Der Dichter kann selbst mit den glänzendsten Farben seiner Kunst einen Naturgegenstand nicht so ausmalen, dass man seine Beschreibung für eine wirkliche Landschaft hält. Der lebhafteste Gedanke erreicht hier die dunkelste Empfindung nicht.
Ein gleicher Unterschied zieht sich durch alle anderen Vorstellungen der Seele. Ein Mensch, der von Zorn ergriffen ist, benimmt sich ganz anders, als der, welcher nur an einen solchen Affekt denkt. Wenn man mir sagt, dass Jemand verliebt ist, so verstehe ich es leicht und bilde mir eine richtige Vorstellung von seinem Zustande; aber ich kann niemals diese Vorstellung mit den wirklichen Neigungen und Aufregungen dieser Leidenschaft verwechseln. Denkt man an vergangene Empfindungen und Erregungen, so ist das Denken ein treuer Spiegel, der seinen Gegenstand genau wiedergiebt; aber die benutzten Farben sind blass und matt in Vergleich zu denen, in welche die ursprünglichen Empfindungen gekleidet waren. Es bedarf keines Scharfsinns und keines metaphysischen Geistes, um den Unterschied zwischen beiden anzugeben.
Man kann deshalb alle Vorstellungen der Seele in zwei Klassen oder Arten theilen, die sich durch den verschiedenen Grad von Stärke und Lebhaftigkeit unterscheiden. Die wenigst starken und lebhaften nennt man gewöhnlich Gedanken oder Vorstellungen. Für die andere Art hat die englische wie die meisten anderen Sprachen kein Wort; wahrscheinlich, weil, von philosophischen Zwecken abgesehen, das Bedürfniss fehlte, sie unter einem allgemeinen Ausdruck oder Namen zu befassen. Ich nehme mir die Freiheit, sie Eindrücke zu nennen, indem ich dies Wort in einem von dem gewöhnlichen etwas abweichenden Sinne gebrauche. Mit dem Worte Eindruck meine ich also alle unsere lebhaften Zustände, wenn wir hören oder sehen oder fühlen, oder hassen oder wünschen oder wollen. Die Eindrücke bilden den Gegensatz zu den Vorstellungen, welche jene weniger lebhaften Zustände bezeichnen, deren man sich bewusst ist, wenn man an eines jener obigen Gefühle oder Erregungen zurückdenkt.
Nichts erscheint auf den ersten Blick so schrankenlos, als das menschliche Denken; es entzieht sich nicht allein aller menschlichen Macht und Autorität, sondern überschreitet auch die Grenzen der Natur und der Wirklichkeit. Ungeheuer zu bilden und widerstreitende Gestalten und Erscheinungen zu verbinden, kostet der Einbildungskraft nicht mehr Mühe, als die Vorstellung des natürlichsten und bekanntesten Gegenstandes. Während der Körper auf einem Planeten beschränkt ist, auf dem er mühsam und schwerfällig herumkriecht, kann das Denken uns in einem Augenblick in die entferntesten Gegenden des Weltalls tragen; ja selbst darüber hinaus in das grenzenlose Chaos, wo die Natur in gänzlicher Verwirrung liegen soll. Was man nie gesehen oder gehört, kann man sich doch vorstellen; kein Ding ist der Macht der Gedanken entzogen, mit Ausnahme dessen, was einen unbedingten Widerspruch einschliesst.
Obgleich indess unsere Gedanken diese unbegrenzte Freiheit zu besitzen scheinen, zeigen sie sich doch bei näherer Untersuchung in Wahrheit in sehr enge Grenzen eingeschlossen. All die schöpferische Kraft der Seele ist nichts weiter, als die Fähigkeit, den durch die Sinne und die Erfahrung gewonnenen Stoff zu verbinden, zu umstellen, zu vermehren oder zu vermindern. Wenn wir uns ein goldenes Gebirge vorstellen, so verbinden wir nur zwei bereits vorhandene Vorstellungen, Gold und Gebirge, die uns von früher bekannt sind. Ein tugendhaftes Pferd kann man sich denken, weil man die Tugend aus seinen eigenen Gefühlen kennt; man verbindet sie mit der Gestalt und dem Aussehen eines Pferdes, was ein bekanntes Thier ist. Kurz, aller Stoff des Denkens ist von äusseren oder inneren Wahrnehmungen abgeleitet; nur die Mischung und Verbindung gehört dem Geist und dem Willen; oder, um mich philosophisch auszudrücken, alle unsere Vorstellungen oder früheren Empfindungen sind Nachbilder unserer Eindrücke oder lebhafteren Empfindungen.
Zum Beweise dessen werden hoffentlich die zwei nachstehenden Gründe ausreichen. Erstlich finden wir bei der Trennung unserer Gedanken und Vorstellungen, wenn sie auch noch so verwickelt und erhaben sind, immer, dass sie sich in solche einfache Vorstellungen auflösen, welche das Abbild eines früheren Gefühls oder Empfindens sind. Selbst die Vorstellungen, welche bei dem ersten Blick am weitesten von diesem Ursprung entfernt scheinen, zeigen sich bei näherer Untersuchung als daraus abgeleitet. Die Vorstellung von Gott, welche ein allwissendes, weises und gutes Wesen bezeichnet, bildet sich aus den Vorstellungen von unseren geistigen Thätigkeiten und aus der Steigerung dieser Eigenschaften der Güte und Weisheit ins Grenzenlose. Man mag diese Untersuchung noch so weit fortführen; immer wird man finden, dass jede Vorstellung bei ihrer Prüfung sich als das Abbild einer gleichen Empfindung darstellt. Die Gegner, welche diesen Satz nicht allgemein und ohne Ausnahme zulassen wollen, haben eine, und zwar leichte Art, ihn zu widerlegen; sie mögen eine Vorstellung beibringen, welche nach ihrer Meinung nicht aus dieser Quelle geschöpft ist. Dann wird es mir zur Vertheidigung meiner Ansicht obliegen, den Eindruck oder die lebhaftere Erregung darzulegen, welche ihr zu Grunde liegt.
Wenn zweitens ein Mensch wegen eines Fehlers im Organe für eine Art von Empfindung nicht empfänglich ist, so ergiebt sich, dass er dann auch ebenso wenig die Vorstellung davon fassen kann. Ein Blinder kann keine Vorstellung von Farben, ein Tauber kann keine von Tönen sich bilden. Wenn Jeder den ihm fehlenden Sinn zurück erhält, so ist mit der Oeffnung dieses neuen Kanals für seine Empfindungen auch ein Kanal für seine Vorstellungen eröffnet, und es ist ihm leicht, die betreffenden Bestimmungen sich vorzustellen.
Ebenso verhält es sich, wenn der Gegenstand der Empfindung noch niemals an das Organ gebracht worden ist. Ein Lappländer oder Neger hat keinen Begriff von dem Weingeschmack. Dasselbe gilt, wenn auch in geringerem Grade, wenn Jemand eine seiner Gattung eigenthümliche Empfindung oder Leidenschaft nie gefühlt hat oder deren unfähig ist; obgleich solche Fälle geistiger Gebrechen selten oder niemals vorkommen. Ein gutmüthiger Mensch kann sich keine Vorstellung von eingewurzelter Grausamkeit und Rache machen, und ein selbstsüchtiges Herz kann sich nicht leicht die höchsten Opfer der Freundschaft und des Edelmuths vorstellen. Man giebt zu, dass andere Wesen Empfindungen von Dingen haben mögen, von denen wir keine Vorstellung haben, weil uns diese nie auf dem Wege zugeführt worden sind, durch den allein eine Vorstellung in die Seele eintreten kann, d.h. durch wirkliches Fühlen und Empfinden.