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Sibirien in naher Zukunft
Angelina Stepanowna und Anna Pawlowa führen ein beschauliches Leben in einem kleinen Dorf mitten im Nirgendwo. Sie züchten ihr eigenes Gemüse, haben Hühner und Schweine. Alles, was sie sonst noch brauchen, kaufen sie im Nachbarort. Ihre einzige Verbindung zur Außenwelt ist der einzige Fernseher des Dorfes, doch der funktioniert schon seit drei Wochen nicht mehr. Dieses seltsame Erdbeben war schuld daran, dass der Sendemast umgefallen ist. Nie kämen die beiden alten Damen auf die Idee, dass etwas anderes dafür verantwortlich sein könnte, dass ihre geliebten Seifenopern nicht mehr ausgestrahlt werden. Doch globale Katastrophen machen auch vor einem sibirischen Dorf nicht Halt …
Die Kurzgeschichte „Davor und Danach“ erscheint als exklusives E-Only bei Heyne und umfasst ca. 17 Seiten. In diesem E-Book finden Sie zusätzlich ein Interview mit Dmitry Glukhovsky, eine Leseprobe zu METRO 2034 sowie ein Werkverzeichnis.
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Seitenzahl: 52
DMITRY GLUKHOVSKY
DAVORUNDDANACH
STORY
WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN
Das Buch
Angelina Stepanowna und Anna Pawlowa führen ein beschauliches Leben in einem kleinen Dorf mitten im Nirgendwo. Sie züchten ihr eigenes Gemüse, haben Hühner und Schweine. Alles, was sie sonst noch brauchen, kaufen sie im Nachbarort. Ihre einzige Verbindung zur Außenwelt ist der einzige Fernseher des Dorfes, doch der funktioniert schon seit drei Wochen nicht mehr. Dieses seltsame Erdbeben war schuld daran, dass der Sendemast umgefallen ist. Nie kämen die beiden alten Damen auf die Idee, dass etwas anderes dafür verantwortlich sein könnte, dass ihre geliebten Seifenopern nicht mehr ausgestrahlt werden. Doch globale Katastrophen machen auch vor einem sibirischen Dorf nicht Halt …
Die Kurzgeschichte »Davor und Danach« erscheint als exklusives E-Only bei Heyne und umfasst ca. 17 Seiten. In diesem E-Book finden Sie zusätzlich ein Interview mit Dmitry Glukhovsky, eine Leseprobe zu METRO 2034 sowie ein Werkverzeichnis.
Der Autor
Dmitry Glukhovsky, geboren 1979 in Moskau, hat in Jerusalem Internationale Beziehungen studiert und arbeitete als TV-und Radio-Journalist unter anderem für den Fernsehsender Russia Today und die Deutsche Welle. Mit seinem Debütroman METRO 2033 landete er auf Anhieb einen Bestseller. Der Autor lebt in Moskau. Instagram: @glukhovsky, Twitter: @glukhovsky, Facebook: @glukhovskybooks
diezukunft.de
Titel der Originalausgabe:
До И После
Aus dem Russischen übersetzt von David Drevs
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Copyright © 2010 by Dmitry Glukhovsky
Copyright © 2019 der deutschen Ausgabe und der Übersetzungby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München
Covergestaltung: Dirk Schulz, Bielefeld
Satz: Schaber Datentechnik, Austria
ISBN: 978-3-641-23149-1V001
Davor und danach
»Ich will, dass meine Leser anfangen, nachzudenken« – Ein Gespräch mit Dmitry Glukhovsky
METRO 2034 – Eine Leseprobe
Dmitry Glukhovskys METRO-Universum
Der August war erstaunlich mild und angenehm ausgefallen. Die wilden Horden sibirischer Mücken, die üblicherweise um diese Zeit ihre letzte, entscheidende Attacke auf die Menschen flogen, waren diesmal vom Spiel der Witterungen irgendwohin abgetrieben worden.
Einige Wochen zuvor hatte es ein leichtes Erdbeben gegeben, doch nach der letztjährigen Hitzewelle und den darauffolgenden Waldbränden, die Borissowka und das benachbarte Grjasewo, ja sogar das Regionalzentrum Manturowo bedroht hatten, nahmen deren Einwohner die paar harmlosen Erdstöße fast erleichtert zur Kenntnis. Als hätte man einen »Zehner« Einzelhaft erwartet und wäre mit drei Jährchen auf Bewährung davongekommen.
Am meisten störte noch, dass der Fernseher seither keinen Empfang mehr hatte.
»Was wohl mit Andrjuscha los ist …«, sagte Angelina Stepanowna. Besorgt bohrte sie mit dem Gummipuffer ihrer Krücke in der Erde herum.
Seit es von »Andrjuscha« – Andrej Malachow, dem hippen TV-Moderator – nichts mehr zu hören und zu sehen gab, hatten sie ihre abendlichen Zusammenkünfte in Nina Prokofjewnas Hof verlegt. Die Mücken ließen sie ja glücklicherweise in Ruhe.
»Was die mit seiner Frisur angestellt haben«, ergänzte Anna Pawlowna kopfschüttelnd. »Ganz zerzaust ist er zuletzt rumgelaufen, wie wenn er sich seit ’ner Woche nicht mehr den Schädel gewaschen hätte, und überhaupt ist er irgendwie speckig geworden. Früher hat er mir besser gefallen, da war er immer gepflegt, aber in letzter Zeit: pfui! Allerdings hab ich ihn jetzt auch schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.«
Nina Prokofjewna lächelte fast zärtlich. »Immerhin hatte er etwas zugenommen. Wer will schon so einen spindeldürren Kerl?«
»Aber diese Geschichte bei der letzten Show«, erregte sich Angelina Stepanowna, »von dem Jungen, der seinen Freund aus Versehen mit dem Gewehr seines Vaters erschossen hatte. Ruft der doch den Vater des toten Jungen an und sagt zu ihm: ›Na schön, verzeih mir, wenn du willst.‹ Und dann noch: ›Nächstes Mal reden wir weiter.‹ Mehr nicht!«
»Egal«, sagte Nina Prokofjewna zuversichtlich. »Anatoli ist sicher bald aus Manturowo zurück. Dann wissen wir, was bei denen los ist.«
Fernseher gab es im Dorf nur zwei.
Der eine, ein altes, sowjetisches Produkt Marke »Horizont«, stand, liebevoll mit einem weißen Spitzendeckchen bekränzt, an einem Ehrenplatz in Anna Pawlownas Wohnzimmer. Er diente jetzt als eine Art Altar unter einer Ikonostase aus den bereits vergilbten, ovalen Porträtfotos ihres verstorbenen Ehemanns und ihrer Eltern sowie den glänzenden rechteckigen Bildchen, auf denen die rosigen Physiognomien ihrer Enkel aus Manturowo zu sehen waren.
Den zweiten – mit neuester Flatscreen-Technologie »made in Indonesia« – hatte Nina Prokofjewna im letzten Sommer von ihrer Tochter aus der Stadt geschenkt bekommen.
Anna Pawlownas »Horizont« stand trüb und leer herum. Als er vor dreizehn Jahren den Geist aufgegeben hatte, hatte sie es – in einem skurrilen Anfall von Solidarität – nicht übers Herz gebracht, ihn zu entsorgen. Das Produkt des japanischen Industriekolonialismus in Südostasien dagegen funktionierte reibungslos, und Nina Prokofjewna zelebrierte täglich seine Enthüllung, indem sie zuerst feierlich das Spinnennetz aus gewaschener Spitze lüftete und dann behutsam auf den Einschaltknopf der Fernbedienung drückte.
Im Winter waren die ersten Nachbarinnen schon frühmorgens zu ihr gepilgert: Im wichtigsten TV-Kanal des Landes erläuterte da nämlich stets ein anderer, nicht minder populärer Malachow namens Gennadi, wie man mit richtig dosiertem Eigenurin Osteochondrose behandelte oder Metastasen mit rohem Fleisch zu Leibe rückte. Sommers hatte niemand Zeit, da jedermann im Morgengrauen in den Gemüsegarten eilte. Dafür seufzte man dann abends zu den unglaublichen Geschichten menschlicher Leidenschaften, die sich »Andrjuschas« Drehbuchschreiber – wahrscheinlich bei einem Joint – ausgedacht hatten.
Der Einzige, der im Dorf Nachrichten schaute, war Anatoli. Die anderen misstrauten Politikern grundsätzlich und scherten sich nicht um das abstrakte Gerede aus Moskau. Höchstens einmal pro Jahr, wenn der Präsident angeblich wieder mal eine Rentenerhöhung versprochen hatte, schaltete man die Nachrichtensendung Wremja ein, um den Wahrheitsgehalt des Gerüchts zu überprüfen. Damit man nicht ganz so belämmert dastand, wenn die zickige Postbotin alle zwei Monate auf ihrem klapprigen Fahrrad über die völlig ramponierte Straße aus Manturowo heraneierte, um ihnen die Umschläge mit den paar Scheinen abzuliefern.