Dead Souls Loving (Dead Souls 3) - Izzy Maxen - E-Book

Dead Souls Loving (Dead Souls 3) E-Book

Izzy Maxen

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Beschreibung

»Ich weiß, dass er mich geradewegs in den Abgrund zerren wird – und trotzdem prickelt plötzlich eine Hitze über meine Haut, die da niemals sein dürfte.« Was passiert, wenn ein Idol fällt? Ausgerechnet in dem Club, in dem ich tanze, taucht er auf – Rome Campbell, der heiße Leadgitarrist der Rockband Dead Souls. Von seiner Familie verstoßen, von seinen Feinden verfolgt, steht Rome eines Abends vor mir. Und es knistert sofort zwischen uns. Aber er ist ein Mann, dessen Dunkelheit jeden einhüllt, der ihm zu nahekommt. Ich sollte mich auf dieses Spiel nicht einlassen, doch je öfter wir uns sehen, desto weniger bin ich in der Lage zu widerstehen. Und als ich von einem seiner Feinde angegriffen werde, kann mich nur noch einer retten. Doch würde Rome wirklich seine Unsterblichkeit für mich aufgeben? Für mich, einen Menschen? Eine düstere Opposites Attract Romantasy über eine schicksalhafte Verbindung zwischen einem untoten Rockstar und einer toughen Bar-Tänzerin – spicy, abgründig und absolut fesselnd. Leser*innenstimmen zu Band 1: »Mitreißend von Seite 1 bis zum Ende.« »Untote, heiße Rockstars … Wer kann da noch widerstehen?« »Spannend, düster und doch romantisch – die perfekte Mischung.« //Dies ist der dritte Band der mitreißenden Urban-Romantasy-Trilogie von Izzy Maxen. Er ist unabhängig von Band 1 und 2 lesbar, für ein besseres Verständnis empfiehlt es sich jedoch, in chronologischer Reihenfolge zu beginnen.  Alle Bände der »Dead Souls«-Reihe: -- Band 1: Dead Souls Burning -- Band 2: Dead Souls Falling -- Band 3: Dead Souls Loving Diese Reihe ist abgeschlossen.//

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Izzy Maxen

Dead Souls Loving (Dead Souls 3)

»Ich weiß, dass er mich geradewegs in den Abgrund zerren wird – und trotzdem prickelt plötzlich eine Hitze über meine Haut, die da niemals sein dürfte.«

Was passiert, wenn ein Idol fällt? Ausgerechnet in dem Club, in dem ich tanze, taucht er auf – Rome Campbell, der heiße Leadgitarrist der Rockband Dead Souls. Von seiner Familie verstoßen, von seinen Feinden verfolgt, steht Rome eines Abends vor mir. Und es knistert sofort zwischen uns. Aber er ist ein Mann, dessen Dunkelheit jeden einhüllt, der ihm zu nahekommt. Ich sollte mich auf dieses Spiel nicht einlassen, doch je öfter wir uns sehen, desto weniger bin ich in der Lage zu widerstehen. Und als ich von einem seiner Feinde angegriffen werde, kann mich nur noch einer retten. Doch würde Rome wirklich seine Unsterblichkeit für mich aufgeben? Für mich, einen Menschen?

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Vita

Playlist

Danksagung

© privat

Izzy Maxen ist Autorin, Lektorin, Mama, Ehefrau, Freundin, Leseratte, Fastnachter, Shoppingqueen und ganz klar schokoladensüchtig. Sie wohnt mit ihren fünf Männern im hektischen Rhein-Main-Gebiet und freut sich über jede Minute, die sie Zeit für ihre Bücher findet. Darin spielt sie gern mit Klischees und gibt direkt zu, dass sie den Bad Boys echt verfallen ist.

Playlist

Any Way You Want It – Mary J. Blidge

Harden My Heart – Mary J. Blidge

Bad Girl – Avril Lavigne

Bad Guy – Billie Eilish

War of Hearts – Ruelle

Nothing Breaks Like a Heart – Mark Ronson

Game of Survival – Ruelle

Go Solo – Tom Rosenthal

On My Own – Ashes Remain

Prolog

Scharndorf, Niederösterreich 1683

Rome

Es stank nach Tod. Pistolenschüsse hallten durch die regenfeuchte Luft, das Wiehern der Pferde, Schreie der Männer im Todeskampf. Ich biss die Zähne zusammen, schmeckte Blut auf der Zunge und drückte mich tiefer in das Innere des Haselnussstrauches. Die Schlacht tobte in der Talsenke vor mir. Würden die Soldaten mich finden, wäre ich tot. Vorsichtig spähte ich aus meinem Versteck. Ein Mann des Kaisers jagte in atemberaubendem Tempo einem Tataren hinterher und stieß ihm von der Seite seinen Säbel in den Bauch.

Stolz wallte in mir auf und ich ballte die Hände zu Fäusten. Wenn ich älter war, würde ich ebenfalls ein Pferd besitzen und mich freiwillig für die Armee des Kaisers melden. Ich wollte Soldat werden, wollte kämpfen wie diese Männer auf dem Schlachtfeld. Österreich war unser Land, die Osmanen mit ihrer roten Kleidung und den schwarzen Haaren hatten hier nichts verloren.

Gebannt verfolgte ich das Geschehen und als erste Jubelrufe über das Schlachtfeld dröhnten, kletterte ich leise aus meinem Versteck. Nur wenige Meter von mir entfernt lag ein totes Pferd auf der Wiese. Dunkles Blut quoll aus seinem Bauch, Gedärme. Entschlossen zückte ich mein Messer. Niemand würde bemerken, wenn dem Tier noch mehr Fleisch fehlte, und meine Mutter würde es mir danken.

Nahrung war seither knapp, aber seit die Osmanen in das Kaiserreich eingedrungen waren, noch viel mehr. Zumindest brachte eine Schlacht Gelegenheiten, Nahrung, Kleidung und mit etwas Glück auch ein paar Münzen zu sammeln.

Mit geübten Bewegungen schnitt ich ein großes Stück Muskelfleisch aus dem Oberschenkel heraus. Neben dem Tier befand sich ein toter Soldat. Sein Helm war verbeult, seine Muskete war ihm aus der Hand gerutscht. Ich zögerte. Es war ein Österreicher, er hatte für dieses Land gekämpft. Mein Land.

Nein, ich würde ihn nicht entweihen, indem ich ihm seine Kleidung stahl. Oder seine Schuhe. Mein Blick fiel auf meine nackten Füße, die im Morast versanken. Es war Sommer, trotz des Regens war es warm. Ich brauchte nicht zwangsläufig Schuhe, ein paar Wochen würde ich es noch ohne aushalten.

Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Ich tippte mir mit den Fingern gegen die Stirn, presste das blutige Stück Fleisch an meinen Bauch und rannte los. Die Hütte, in der Mama und ich wohnten, lag nicht weit entfernt. Deshalb hatte ich mich auch davonstehlen und die Schlacht beobachten können. Wenn Mama davon erfuhr, würde sie schimpfen, allerdings würde sie mir verzeihen, sobald sie das Fleisch sah.

Zufrieden mit mir selbst rannte ich, so schnell ich konnte, über den Hügel. Der Regen hatte nachgelassen und die Sonne schob sich zwischen den Wolken hindurch. Zunehmend roch es nach Blut, in wenigen Stunden würde es bestialisch stinken.

Steine piksten in meine nackten Fußsohlen und immer wieder fielen mir meine langen Haare in die Augen. Ich wollte sie schneiden, aber Mama war dagegen. Ihren Goldjungen nannte sie mich, weil mein Haar in der Sonne hell glänzte und mir lockig über die Schultern fiel. Zumindest wenn es sauber war und nicht wie jetzt verfilzt und schmutzig.

Kaum dass unsere Hütte hinter dem Hügel in Sicht kam, stolperte ich überrascht und fiel auf die Knie. Pferde und Soldaten lungerten vor meinem Zuhause herum, mehr als fünf. Weiter konnte ich nicht zählen. Zwei von ihnen gingen in die Hütte, sie lachten und klopften sich auf die Schulter. Es waren Savoyen-Dragoner, die eben die Tataren erfolgreich in die Flucht geschlagen hatten.

Schon wollte ich mich aufrappeln und zu ihnen rennen, als ein hoher Schrei aus der Hütte klang. Mama. Ein weiterer folgte, Schläge und Flüche drangen an meine Ohren.

Ein Schauer lief über meinen Rücken.

Das Stück Fleisch rutschte mir achtlos aus den Fingern, ich sprang auf und rannte los. Galle fraß sich meine Speiseröhre hinauf und mein Herz hämmerte wie wild. Das waren unsere Soldaten. Sie hatten uns beschützt. Was taten sie bloß mit Mama?

»He«, rief ich.

Einer drehte sich um, doch als er mich sah, erstarb sein Lachen. »Was willst du, Bursche?«

»Das ist mein Haus.« Mamas und meins, mein Vater war noch vor der Geburt verschwunden.

Der Soldat fluchte und stieß seinen Kameraden gegen die Schultern. Währenddessen gingen die Schreie aus der Hütte in ein Gurgeln über, unterbrochen von einem tiefen Stöhnen. Kälte fraß sich durch meine Adern, aber das hinderte mich nicht daran, an den Soldaten vorbei zum Eingang der Hütte zu stolpern – und zu erstarren.

Meine Mama lag auf dem Küchentisch auf dem Rücken, während ein Soldat zwischen ihren Beinen stand und ein weiterer vor ihrem Kopf. Ein dritter hielt sie fest, damit seine Kameraden sich an ihr vergehen konnten. Übelkeit explodierte in meinem Magen, meine Knie zitterten.

Nein. Das waren unsere Soldaten. Sie beschützten uns …

Der Kerl am Kopfende des Tisches stöhnte auf, packte den Kopf meiner Mama fester und stieß weiter in ihren Mund. Sie ruckte zurück, würgte, doch er hörte nicht auf.

Heiße Wut vernebelte meine Gedanken. Ich dachte nicht mehr nach. Spürte kaum, wie mich die Soldaten von draußen zurückrissen, wie jemand lachte und sagte, dass ich verschwinden solle. Ich schlug um mich. Schrie und tobte, bis ich plötzlich ein Messer in der Hand hatte. Vermutlich hatte es einer der Soldaten im Gürtel stecken gehabt. Ich stieß zu. Wirbelte zwischen den Soldaten herum, die immer noch lachten. Sie nahmen mich nicht ernst.

Ein Schlag traf mich an der Schläfe und heißes Blut lief über mein Gesicht. Doch ich beachtete es gar nicht. Hörte nur Mamas Wimmern, das immer leiser wurde.

Sterben. Sie mussten sterben.

Das Lachen verschwand. Wurde zum Fluchen, zum Röcheln, als ich einen von ihnen an der Kehle erwischte. Wenn man selbst jagt, weiß man, wie man töten muss. Ich hatte es mir selbst beigebracht und war mittlerweile einer der besten Jäger in unserem Dorf.

Ein Schlag in den Bauch nahm mir den Atem. Ich taumelte zurück und das Messer glitt aus meinen blutigen Fingern. Krachend landete ich auf dem Boden neben dem Tisch, das zerschundene Gesicht meiner Mama sah auf mich herab. Blut lief ihr aus dem Mund, Speichel tropfte auf meine Haut.

»Lauf«, flüsterte sie und das Leben in ihren Augen brach.

Ich schrie auf. Schmerz zerriss mir das Herz, zerfetzte es in unendlich viele Teile, die nie wieder eins werden würden.

Ein weiterer Tritt traf mich in den Magen, ich würgte und kotzte auf den Lehmboden.

»Wir sollten ihn töten.« Ein Soldat stand über mir, nicht mehr als ein Schatten gegen das trübe Licht.

»Ach was, lasst ihn liegen. Der stirbt sowieso.«

Stille. Sie waren fort. Ich blieb einfach liegen. So lange, bis ich nicht mehr sicher war, ob ich noch lebte.

Irgendwann kam jemand in die Hütte, eine Frau, zumindest trug sie einen Rock. Mit den Fingern glitt sie über mein Gesicht.

»Hilfe«, wollte ich sagen, doch als sie anfing, meiner Mama die Kleider auszuziehen und Decken von unserer Schlafstatt stahl, hielt ich den Mund. Weitere folgten ihr, alle nahmen, niemand scherte sich um mich.

Es wurde Nacht. Dunkel und kalt.

Ich blieb liegen. Atmete und wollte nicht mehr sein.

Tage vergingen. Der Hunger meldete sich, Durst.

Ich blieb liegen, lauschte meinem eigenen langsamen Herzschlag.

Dann kam ein Mann in die Hütte. Ich vernahm forsche Schritte; Stiefel, die dumpf auf dem Lehmboden klangen. Er sagte kein Wort. Fluchte nicht. Stattdessen kniete er sich neben mich und legte einen Finger an meinen Hals.

»Leopold.«

Niemand nannte mich so. Niemals. Selbst für Mama war ich immer Leo gewesen.

Ich bewegte mich nicht. Stellte mich tot.

»Steh auf.«

Da war etwas im Klang seiner Stimme. Unwillkürlich stellten sich meine Nackenhaare auf, als würde mein Körper schneller verstehen als mein Geist.

Vorsichtig zuckte ich mit den Fingern.

»Ich weiß, dass du lebst. Steh auf. Du bist zu jung, noch kann ich dich nicht gebrauchen.«

Da war kein Bedauern in seinen Worten, nur ein Befehl.

Mühsam blinzelte ich. Helligkeit zwang sich zwischen meine Lider, bis ich schließlich den Kopf drehte, um in seine Richtung zu schauen.

Der Mann hockte vor mir. Dunkle Hosen, Stiefel, ein rotes Jackett. Und blond schimmernde Haare. Er hatte einen Bart und dunkelbraune Augen, in die sich jetzt ein goldenes Schimmern stahl.

»Du hast keine Angst vor mir«, stellte er fest und schürzte belustigt die Lippen.

Warum sollte ich Angst vor ihm haben? Es gab nichts mehr, das er mir nehmen konnte.

»Warst du das?« Er hob den Arm und deutete über mich hinweg.

Mir war übel und mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Kurzerhand packte er meine Schultern und richtete mich auf. Mir gegenüber an der Wand lagen zwei tote Soldaten. Fliegen kreisten um die Wunden an ihren Bäuchen und Beinen, leblose Augen starrten mich an.

Irgendwie brachte ich ein Nicken zustande und ein Funken Stolz glomm in mir auf.

»Hier.« Er hielt mir eine Feldflasche unter die Nase, doch ich konnte meine Arme nicht bewegen. Mit seiner Hilfe trank ich gierig ein paar Schlucke Wasser und spuckte sie sofort wieder aus.

»Langsam, mein Junge. Du liegst hier sicher schon mehrere Tage, es ist ein Wunder, dass du nicht tot bist. Auf der anderen Seite …«

Ich trank einen weiteren Schluck. Langsamer diesmal. Danach drehte ich den Kopf zu ihm. »Wer bist du?«

Er hob eine dunkle Augenbraue. »Kannst du dir das nicht denken?«

Ja, das konnte ich. Ich hatte diesen Mann noch nie gesehen, trotzdem hatte ich das Gefühl, in mein Spiegelbild zu schauen.

»Was hast du mit mir vor?«

Er musterte mich. So intensiv, dass meine Haut zu prickeln begann, aber ich wich seinem Blick nicht aus. Sein Mundwinkel zuckte, bis sich ein zufriedenes Grinsen auf seine Lippen stahl.

»Warst du schon einmal in Wien, Leopold?«

Wien. Die schimmernde Stadt am Ende des Horizonts. Ein Sehnen brandete in meiner Brust auf und mit einem Mal erwiderte ich sein Lächeln.

Kapitel1

Rome

Blut tropft von meinen Fingern auf die schwarz-weißen Marmorfliesen. Doch das kümmert mich nicht. Und so stecke ich mit einer fließenden Bewegung das Messer zurück in die Halterung an meinem Gürtel. Einem Inmorti den Kopf abzutrennen, ist eine ziemliche Sauerei. Und es ist beinahe unmöglich mit einem Dolch, außer man weiß, wie es funktioniert. Jahrelange Übung zahlt sich aus.

Der metallische Geruch nach Blut und Schweiß dringt mir immer intensiver in die Nase. Genauso wie der nach Exkrementen und Königswasser. Der einzigen Säure, die uns tatsächlich gefährlich werden kann, da sie das Selen in unserem Blut zersetzt.

Frustriert presse ich die Zähne zusammen.

Es stinkt nach Mord.

Ich bin zu spät.

Ich habe Cy so oft gesagt, dass wir vorsichtiger sein müssen. Dass wir gegen die Regeln verstoßen, gegen den Rat. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Conquista auftauchen würden. Der Rat duldet keine Verletzungen unseres Kodex und Cy wusste das. Beziehungen zu Menschen sind uns nicht erlaubt – und er hat nichts dagegen getan, als Asher und June öffentlich ihre Beziehung ausgelebt haben. Es war klar, dass irgendwann die Schlächter auftauchen. Die Conquista sorgen dafür, dass alle Inmorti dem Rat folgen. Wer das nicht tut, stirbt.

Meine Hand ballt sich zur Faust, das Blut zwischen den Fingern fühlt sich schmierig an. Ich wische es an meiner schwarzen Jeans ab und erhebe mich lautlos. Wut kommt in mir auf. Cy wollte nicht hören, hat meine Warnungen in den Wind geschlagen. Ja, der Rat sitzt in Europa, aber wir leben nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert, in dem jede Nachricht Monate gedauert hat. Unsere Obersten wissen, was in Australien vor sich geht, dass James Daily die Existenz der Inmorti verraten hat und deshalb die ganze Welt kopfsteht. Dass meine Geschwister sich in Menschen verknallt haben, ist da nur die Spitze des Eisberges. Der Rat musste handeln und das hat er getan.

Trotzdem … so hatte ich das nicht geplant. Ich hätte früher kommen müssen, ich wusste, was der Rat vorhat. Immerhin habe ich die letzten Jahrhunderte für ihn gearbeitet. Aber das hier … Ich habe die Kontrolle verloren.

Ohne ein Gefühl von Reue steige ich über den eben geköpften Inmorti hinweg. Als ich Cys Villa in Darling Point betreten habe, war er noch am Leben. Allerdings wurde seine Kehle mit Eisen durchtrennt und ihm Königswasser verabreicht. Er konnte sich nicht mehr selbst heilen. Seinen Kopf abzutrennen – die andere Möglichkeit, uns endgültig umzubringen, – hat ihm stundenlanges Leiden erspart. Conquista töten grausam, aber niemals ohne Grund. Dieser Inmorti war nicht das Ziel, er war lediglich eine Botschaft: Uns allen droht so ein Schicksal, sollten wir uns nicht fügen.

Lautlos gehe ich weiter, hinterlasse eine Spur aus schimmernden Blutstropfen am Boden. Im Haus ist es ruhig. Zu ruhig. Kein Gebrüll, kein Kampflärm hallt durch Cys Anwesen.

Durch die Fenster im Flur fällt Sonnenlicht herein, es ist später Nachmittag. Zur selben Zeit, nur wenige Meilen entfernt, haben meine Geschwister gerade einen Auftritt. Galle steigt meine Speiseröhre hoch und mein Magen verkrampft, wenn ich bloß daran denke. Sie verstoßen damit erneut wissentlich gegen das halbe Regelwerk des Rates. Und diese Regeln sind wichtig, nur deshalb konnten wir die letzten vierhundert Jahre unentdeckt unter den Menschen existieren – bis irgendein Hirnverbrannter ausgerechnet die Tochter eines Assertoren wandeln musste.

Ein Fluch löst sich von meinen Lippen, während ich langsam die Treppe hinaufsteige. Cys Schlafgemach ist dort und da ich unseren Clanchef im Erdgeschoss nicht gefunden habe, muss er oben sein.

Es war mein Job, den Clan in Australien im Auge zu behalten, mein Job, das alles zu verhindern. Und ich habe versagt. Habe gedacht, wir hätten noch Zeit, ich könnte sie umstimmen. Aber meine Geschwister sind zu verbohrt und Cy zu naiv. Und damit haben sie das Schicksal des Clans besiegelt. Ich konnte ihnen nicht mehr helfen. Die Conquista waren vor mir da.

Dieser Krieg ist nicht mehr aufzuhalten, schon gar nicht, indem wir Loyalität zu den Menschen demonstrieren. Wir stecken viel zu tief drin. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Konflikt zwischen Assertoren und uns eskaliert. Und dass die Menschen die Leidtragenden sind … nun ja, ist nicht zu ändern.

Ein Gurgeln lässt mich innehalten. Ein Keuchen, so leise, dass es normalen Ohren entgangen wäre. Aber wir sind nicht normal. Meine Sinne sind schärfer als die von Menschen, eine Gabe, die ich niemals mehr missen möchte.

Ein hässliches Schmatzen erklingt, als ob jemand durch Fleisch schneiden würde.

Sofort renne ich los. Springe die letzten Stufen hinauf, stürme durch den Flur und folge dem intensiven Geruch nach Blut. Und dem verdammten Wimmern, das mit jedem Atemzug schwächer wird.

Zu spät. Zu langsam.

Cy liegt auf seinem Bett, hinter ihm steht ein in Schwarz gekleideter Mann, ein blutiges Messer in der Hand. Blut läuft Cys Kehle hinab, über seine nackte Brust, in die jemand ein Pentagramm geritzt hat. Sein Brustkorb hebt und senkt sich schwach. Er lebt. Noch.

Schreiend stürze ich in die Richtung des Mannes, doch dieser reagiert schnell. Mit einem heftigen Schnitt trennt er Cys Kopf vom Rumpf und lässt ihn fallen, bevor er zur Seite ausweicht, sodass mein Vorstoß ins Leere geht.

»Du warst schon immer zu langsam, Rome«, kichert er amüsiert und dreht sich in einer fließenden Bewegung zum Fenster.

Während Cys Blut warm mein Bein hinunterrinnt, wirble ich herum. Der verfluchte Teppich ist blutdurchtränkt und nimmt meinen Bewegungen die Eleganz.

Wütend schreie ich auf und setze dem Conquista nach. Er kracht gegen das Fenster, mein Messer schrammt über das Glas. Fluchend holt er aus und sticht mir in die Seite. Schnell drehe ich mich weg, doch seine Klinge schrammt über meine Haut. Ein brennender Schmerz zieht über meine gesamte Seite. Er hat die eiserne Klinge in Königswasser getränkt.

Er seufzt. »Du hattest noch nie eine Chance gegen mich. Akzeptiere das.« Mit einer schnellen Bewegung öffnet er das Fenster, springt auf den Rahmen und verschwindet.

Frustriert renne ich zum Fensterbrett und starre hinaus in den Garten. Das Sonnenlicht lässt seine blutige Kleidung schimmern. Geschmeidig landet er im Gras, erhebt sich und dreht sich zu mir herum. Langsam neigt er den Kopf. Seine schwarzen Locken glänzen, in seinen Augen tobt der Spott. Er ist kleiner als ich, schmaler, trotzdem habe ich nie den Fehler gemacht, ihn zu unterschätzen.

»Willst du mir nicht folgen, Rome?« Sein rechter Mundwinkel zuckt. Er spielt mit mir.

Meine linke Hand krallt sich um das Fensterbrett. Er ist schneller als ich, zumindest denkt er das.

Ohne zu zögern, ziehe ich mich am Fensterbrett hoch und springe durch das Fenster in den Garten. Meine Stiefel versinken in dem hohen Gras, das nicht gemäht wurde, weil Cy die Art englischer Gärten liebt. Das hat er selbst nach dreihundert Jahren nicht aus sich herausbekommen.

»Du willst also kämpfen.« Angel neigt den Kopf.

Er heißt nicht wirklich so, ebenso wenig, wie ich Rome heiße. Wir geben uns neue Namen, wenn wir zum Conquista werden.

»Ihr solltet eine Warnung aussprechen. Cy daran erinnern, dass er zu folgen hat. Und sie nicht umbringen.«

»Rome.« Wieder lacht er, sodass seine dunkelbraunen Augen aufblitzen. Trotzdem entgeht mir nicht, dass er die Klinge fester packt und sich seine Muskeln anspannen. »Du wusstest genau, was passiert, als du uns kontaktiert hast. Und selbst wenn du es nicht getan hättest – der Rat konnte nicht länger dulden, was in Sydney vor sich geht. Die Dead Souls haben wir nur toleriert, weil du ein Teil davon bist. Aber die Beziehung zwischen deinem Bruder und dem Menschenmädchen ging zu weit. Von der Geschichte, die gerade auf dem Opernplatz vor sich geht, will ich gar nicht erst sprechen. Ach ja, und dann wäre da noch die Tatsache, dass du zugelassen hast, dass uns ein Assertor verrät.« Ein leichter Akzent schwingt in seinen Worten mit, der sein Englisch weich macht und ihn verrät.

Angel stammt aus Italien und hat sich nie bemüht, sich anzupassen. Anders als ich, aber mir fiel es leicht. Ich habe mein Leben als Mensch gehasst und war froh, es hinter mir zu lassen. Daher habe so lange trainiert, bis mein österreichischer Akzent verschwunden war. Niemand soll wissen, woher ich komme – oder wer ich bin. Selbst meinen Geschwistern habe ich diesen Teil meiner Vergangenheit verschwiegen. Aus gutem Grund.

Nun breitet sich ein zynisches Lächeln auf meinen Lippen aus. »Ihr hättet mich warnen können. Ich hätte sie selbst getötet, wenn ich den Auftrag dazu bekommen hätte.«

»Hättest du das? Wirklich?« Seine Lippen kräuseln sich und ein Schmunzeln huscht über sein glatt rasiertes Gesicht.

Ich fletsche die Zähne und stürze mich mit einem Schrei auf ihn. Meine Wut ist so groß, dass meine Bewegungen unkontrolliert werden. Ich schlage fahrig zu, treffe Angel nur an der Schulter und nicht in den Brustkorb. Er dreht sich herum und stößt mich in den Rücken. Fluchend werde ich nach vorne geschleudert, rolle ab und springe auf.

»Natürlich hätte ich das. Ich habe euch keinen Grund gegeben, jemals an meiner Loyalität zu zweifeln.«

Langsam umkreise ich Angel wie ein Raubtier seine Beute. Trotzdem wissen wir beide, dass es andersherum ist. Ich bin außer Form, bin nicht schnell genug. Das Leben hier hat mich weich gemacht und es tut scheißweh, das zu merken. Ich habe mich gehen lassen, habe mich zu wohl gefühlt zwischen Asher und Bonnie. Wie ein Teil einer Familie, obwohl ich eigentlich eine andere habe. Aber bei ihnen habe ich etwas gefunden, das mir mein Leben lang gefehlt hat. Freundschaft, Zuneigung. Das Gefühl, nicht allein zu sein. Nur deshalb habe ich Fehler gemacht, nur deshalb ist Cy jetzt tot.

»Nein, das hast du nicht. Immerhin hast du Summer dem Rat gemeldet und dann dafür gesorgt, dass sich um sie gekümmert wird. Was du allerdings nicht bedacht hast, Rome, ist, was diese ganze Scheiße auslöst. Du hättest sie umbringen sollen.« Angel spuckt ins Gras. »Sie war eine Gewandelte. Seit zweihundert Jahren ist es uns verboten, Menschen zu wandeln. Und statt sie zu töten, wie es verflucht noch mal richtig gewesen wäre, bringst du sie ausgerechnet zu ihrem Vater.«

»Weil er ein verdammter Assertor war«, brülle ich ihn an. Ich kenne meine Fehler, ich muss sie kein weiteres Mal hören. »Ich wollte, dass er leidet. Dass er sieht, was mit seinem Engel passiert ist. Summer wollte zum Inmorti werden und ich wollte, dass er bricht. Und das hat auch funktioniert.«

Ohne Vorwarnung springt Angel auf mich zu. Sein Messer sticht in meinen Unterbauch und der Schmerz nimmt mir für einen Augenblick die Luft. Mir wird schwarz vor Augen, ich schlage um mich, stolpere nach vorne – ins Leere. Früher konnte ich blind kämpfen. Mir reichte es zu hören und zu riechen, wo meine Feinde sind. Allerdings waren meine Feinde niemals andere Conquista.

»Ja, nachdem, was wir gehört haben, hat er sie getötet. Allerdings haben Asher und Bonnie geholfen, ihren Tod aufzudecken. Ihr verdammter Bruder hat uns verraten, Rome. Und du hast einfach nur zugesehen.«

»Was hätte ich denn tun sollen?« Ich presse eine Hand gegen meine Leiste. Blut quillt zwischen meinen Fingern hervor, er muss eine Ader getroffen haben, so viel, wie es ist.

»Ihn töten?« Jetzt umkreist er mich.

»Das habe ich versucht.« Zumindest anfangs. Aber nachdem er Bonnie gerettet hat, nachdem ich gesehen habe, was er ihr bedeutet, konnte ich es nicht mehr. Diese verdammten Gefühle!

Zornig schmecke ich Metall auf der Zunge, das verfluchte Königswasser breitet sich in meinem Körper aus. Ich fühle, wie das Selen rebelliert, wie es zu brennen beginnt. Das Zauberzeug, das uns am Leben hält, reagiert auf die Säure. Meine Knie werden weich, mühsam ringe ich nach Luft und kämpfe darum, nicht zu fallen.

Ich falle nicht mehr, niemals.

In nächsten Moment tritt Angel dicht an mich heran und reißt mir mit einer schnellen Bewegung das Messer aus der Hand. Als ich danach schnappen will, stolpere ich und krache auf das Gras. Es riecht nach Sommer, nach Hitze und trockener Erde. Nach Sommerwind, wie Bonnies Haare, wenn sie zu dicht bei mir steht.

Mir wird übel. Das verfickte Königswasser nimmt mir die Kraft.

»Sieh mich an.« Angels Stimme klingt dumpf, als stünde er meilenweit weg und nicht direkt neben mir. »Du bist ein Conquista, Rome. Es wird Zeit, dass du dich daran erinnerst, was deine Aufgabe ist.« Er packt mich am Kinn und zwingt meine Lippen auseinander. Dann kippt er eine durchsichtige Flüssigkeit aus einer kleinen Phiole in meinen Mund, die brennend meine Kehle hinabrinnt.

Keuchend ringe ich nach Luft, fühle, wie das Teufelszeug in mir arbeitet, wie es das Königswasser vertreibt und mich rettet. Selen in seiner reinsten Form. Der Rat hat nur eine geringe Menge davon und eigentlich dürfen wir es nicht verwenden. Offenbar bin ich eine Ausnahme.

»Friedrich will dich sehen.«

Blinzelnd blicke ich Angel an, der mich abschätzend mustert. Erst als ich spöttisch lächle, lässt er mein Kinn los.

»Darauf kann er lange warten.«

»Er hat schon verflucht lange gewartet, Rome. Und normalerweise ist er niemand, der sonderlich geduldig ist.«

»Er weiß, wo er mich findet«, stoße ich hervor und stehe langsam auf. Der Schnitt an meinem Bauch schließt sich, ebenso die kleinere Wunde an der Seite, die Angel mir zugefügt hat.

»Dein Vater mag keine Spielchen. Und du solltest ihn nicht weiter reizen. Cy war erst der Anfang, das weißt du genau. Mein Befehl betraf nur ihn, zumindest vorerst. Aber willst du wirklich das Leben deiner Geschwister riskieren?«

Wütend fletsche ich die Zähne. »Hau ab«, zische ich.

Angel neigt den Kopf. »Ich werde wiederkommen. Und dann werdet ihr alle sterben, wenn ihr nicht endlich folgt.«

Mit dem nächsten Windhauch verschwindet er. So schnell, dass ihm ein menschliches Auge nicht folgen könnte.

Ein Schrei lässt mich herumfahren. Entsetzen klingt darin mit, Angst.

Meine Geschwister sind gekommen und sie haben die Warnung verstanden.

Seufzend lasse ich die Schultern sinken, greife nach dem Dolch am Boden und schiebe ihn zurück in die Halterung. Es wird Zeit, ihnen die Wahrheit zu sagen. Wir müssen fortgehen, wenn wir leben wollen – und das ohne ihre menschlichen Anhängsel. Niemals ist ein Mensch es wert, für ihn zu sterben.

Kapitel2

Rome

Angst spiegelt sich in Ashers Gesicht, dann Entschlossenheit, als ich kurz darauf im Foyer von Cys Villa auf ihn und die anderen treffe. Er hält Junipers Hand, die sich auffällig dicht an ihn drängt. Normalerweise zeigt sie nicht so offensichtlich, dass sie ihn braucht, doch anscheinend erschüttert die Situation sogar sie. Das Bad Girl, das nichts so leicht aus der Fassung bringt – nicht mal der Tod ihrer Familie. Dass ich nicht lache.

»Bei Gott, Rome, wo warst du? Was ist passiert?« Bonnie stürzt an Asher vorbei auf mich zu und schließt mich in die Arme.

Sofort versteife ich mich, denn ich starre vor Dreck und Blut und sie muss riechen, dass es nicht nur mein eigenes ist. Sondern auch das der anderen Inmorti … Angels …

»Was ist passiert?«, wiederholt Asher. Misstrauen schleicht sich in seine Miene.

»Rome?« Bonnie schiebt sich ein Stück von mir weg, die Augenbrauen erhoben. Ihre Nasenflügel blähen sich leicht.

Ich neige den Kopf, ein zynisches Lächeln auf meinen Lippen. Die Wahrheit wird wehtun, aber sie ist nötig. Anders werden meine Geschwister nicht verstehen, was wir tun müssen. Was ich getan habe.

»Ich bin okay, Beauty«, sage ich leise, beuge mich vor und streiche mit der Nase über ihre Wange bis zu ihrem Ohr. »Es ist nicht mein Blut. Zumindest nicht nur.«

»Das weiß ich.« Ihre Schneidezähne graben sich in ihre Unterlippe. Sie schluckt sichtbar, bevor mich ihre blauen Augen festnageln. »Hast du ihn umgebracht?«

Ihr Blick durchdringt mich. Bonnie sieht meine schwarze Seele, meine Abgründe, vor denen ich mein Leben lang davongerannt bin. Die Verbindung zwischen ihr und mir war schon immer besonders. Nicht nur, dass ich sie gewandelt habe, nein, das, was wir haben, geht weit darüber hinaus. Es ist beinahe, als hätte Bonnie einen Teil meiner Seele in sich aufgenommen. Den letzten lichten Part, den ich zu geben hatte. Zurück blieben Schatten, aus denen sie mich regelmäßig zieht – bloß heute nicht. Heute reiße ich sie alle mit hinab in die Hölle.

»Nein«, sage ich und sauge ihren Duft tief in meine Lungen. Sofort verspüre ich Ärger, weil ich nicht nur sie rieche. Sondern ebenso ihn. Mein Kopf ruckt nach oben und ich fixiere James, der weiter hinten im Flur steht, mit zusammengekniffenen Lidern. Junipers Bruder hat die Arme vor der Brust verschränkt, das Kinn herausfordernd gereckt. Er hat keine Angst vor mir, obwohl er besser welche haben sollte. Dieses Arschloch hat mir mein Mädchen gestohlen. Sein Duft haftet an Bonnie wie eine zweite Haut und ich weiß, dass er sie gefickt hat. Nicht nur ihren Körper, vor allem ihren Kopf und ihr Herz. Etwas, das ich nie geschafft habe.

Bonnie hat mir gehört, schon immer. Auf eine besondere toxische Art und Weise. Mein Licht in der Dunkelheit, auch wenn nie wirklich etwas zwischen uns gelaufen ist. Vielleicht gerade deshalb nicht.

»Es tut mir leid«, flüstere ich, weil ich weiß, dass ich sie zerstören muss. Sie alle, um uns zu retten.

Bonnie holt tief Luft. Ein Zittern läuft durch ihren Körper, dann lässt sie mich los. Sofort kommt Bewegung in James; mit schnellen Schritten ist er bei ihr und greift besitzergreifend nach ihrem Arm.

Ich blecke abfällig die Zähne. »Du kannst sie nicht beschützen«, zische ich in seine Richtung. »Niemand kann das mehr. Du hättest Abstand zu ihr halten sollen, jetzt ist es zu spät. Ihr seid schuld an diesem Debakel.« Meine Stimme wird lauter, als ich zu James, zu Juniper schaue. »Ihr alle.«

»Fick dich!«, speit sie mir entgegen, während Asher sich kopfschüttelnd vor sie schiebt.

»Was ist hier passiert?« Er deutet auf den geköpften Inmorti im Flur.

Ich richte mich auf und zucke die Schultern. »Ein Conquista war in der Villa, er hat Cy umgebracht.« Die Wahrheit, wenn auch nicht die ganze.

»Rome.« In Bonnies Stimme liegt ein Zittern. »Warum bist du hier? Du wusstest, dass wir ein Konzert geben und bist trotzdem nicht aufgetaucht. Wir haben dich angerufen, Nick hat das. Aber du bist nicht rangegangen. Stattdessen tauchst du in der Villa auf.«

Sie will es nicht sehen. Wollte sie noch nie, obwohl niemand besser als Bonnie meine dunkle Seite kennt.

Ein zynisches Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen und ich senke den Kopf.

»Hast du sie umgebracht?« Bonnie flüstert, als wäre die Wahrheit viel zu schwer zu ertragen. Wie recht sie doch hat.

»Er hat doch eben gesagt, dass es ein Conquista war«, fährt Asher dazwischen.

Ich hebe den Kopf. Bonnie fixiert mich und in ihren blauen Augen erkenne ich die Wahrheit. Sie weiß es. Wusste es vielleicht schon immer, aber hat es verdrängt.

»Bist du einer von ihnen?«

»Was?« Asher schnappt nach Luft. Mein Bruder war seit jeher zu gutgläubig. »Warum sollte er, Rome würde nie … er würde …« Er bricht ab, ich höre, wie er nach Luft schnappt, als ich nicht reagiere.

»Du bist so oft weg gewesen und hast mir nie erklärt, wo du warst oder was du getan hast. Und ich erinnere mich an dieses Treffen in dem Pub vor über hundert Jahren. An den Conquista, der mich damals gewarnt hat. Ich habe das immer für einen Zufall gehalten, aber nun … Du riechst nach ihm.« Sie leckt sich über die Lippen und drängt sich dichter an James. »Wo warst du die letzten Tage? Und warum tauchst du genau jetzt wieder auf? Mit seinem Blut an deiner Kleidung?«

»Ich habe getan, was nötig war«, sage ich und kann die Wut nicht länger zurückdrängen. Meine Stimme zittert, meine Arme spannen sich an. »Ich habe versucht euch zu retten, habe mit dem Rat gesprochen, habe ihm versprochen, dass ich auf euch achte. Aber ihr wolltet ja nicht hören. Ihr kennt die Regeln und trotzdem habt ihr dagegen verstoßen«, brülle ich sie an. »Was denkt ihr denn, was ich getan habe?«

»Du hast versucht, Cy zu retten.« Ich höre Asher an, dass er seine eigenen Worte nicht glaubt.

»Ich habe getan, was ich musste, um uns alle zu retten. Und das werde ich auch jetzt tun.« Meine Gedanken überschlagen sich, die Wut lässt meinen Magen zu einem harten Klumpen werden.

Juniper schüttelt den Kopf und flüstert Asher etwas zu, was ich natürlich trotzdem höre. Sofort stellen sich meine Nackenhaare auf. Sie ist gegen mich, will, dass sie gehen. Juniper kann das hier überhaupt nicht verstehen. Einundzwanzig Jahre gegen dreihundert. Ihr fehlt der Blick für das große Ganze.

»Du bist ein Conquista«, murmelt Bonnie. Sie starrt mich an. Unglaube spiegelt sich in ihren Augen, Verzweiflung. »Du warst es schon, als du mich gewandelt hast. Deine Fluchten waren Aufträge, habe ich recht? Warum hast du es uns nie erzählt? Du hast immer so darauf gepocht, dass wir uns an die Regeln halten und – du hasst die Menschen. Jetzt erklärt sich mir auch, warum.«

Nein. Sie hat keine Ahnung, warum ich die Menschen hasse. Nicht einmal Bonnie weiß davon. Und ich werde sie auch nicht aufklären. Stattdessen neige ich nur den Kopf und sehe sie abwartend an. »Es war besser, dass ihr es nicht wusstet. Ihr hättet mir niemals vertraut. Und es ist kein Verbrechen, die Menschen zu hassen«, sage ich schließlich. »Allerdings ist es eines, mit ihnen eine Verbindung einzugehen.« Ich spucke ihr die Worte entgegen. Es ist widerlich, was meine Geschwister da tun. Widernatürlich und abartig. »Wir nähren uns von ihnen, wir stehen über ihnen. Und ihr habt nichts Besseres zu tun, als euch zu verlieben.«

»Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst.«

Doch, das habe ich. Aber auch das habe ich niemals erzählt.

»Der Clan muss geschützt werden. Und es gab eine Zeit, in der hätte mir Cy recht gegeben. Nur in der letzten Zeit war er nachlässig. Also musste ich einschreiten.«

Juniper zuckt zusammen. Ihr Gesichtsausdruck verändert sich, die Wut verschwindet, weicht unbändigem Hass. Dieses Mädchen ist viel zu clever für Asher, ihre Schwester hätte besser zu ihm gepasst.

Mit einem Brüllen rennt sie los. So schnell, dass Asher sie nicht mehr einfangen kann. Ihre Faustschläge prasseln auf mich ein, allerdings kostet es mich nur eine schnelle Drehung und Juniper stolpert nach vorne, bis sie durch ihren eigenen Schwung auf den Boden kracht.

»Du hast Summer umgebracht!«, schreit sie und springt auf.

Erneut holt sie aus, doch jetzt reicht es mir. Mit einer geschickten Bewegung fange ich ihre Hände ein und verdrehe ihr die Arme auf dem Rücken.

»Nein, verdammt, dein Vater hat Summer umgebracht. Das hast du selbst herausgefunden.«

»Ja«, schnauft sie und windet sich. Aber ich lasse sie nicht los.

Asher läuft auf uns zu und schiebt mich grob zur Seite. »Finger weg von ihr«, fährt er mich an und reißt Juniper zu sich.

»Du wusstest, dass unser Dad das tun wird«, stößt Juniper hervor und schiebt Ashers Hände weg. Stattdessen ballt sie erneut die Fäuste, ihr Oberkörper bebt vor Wut. »Du wusstest, was er mit einer Inmorti tun würde. Du hast Summer nicht gewandelt, das hättest du niemals getan. Aber du hast dafür gesorgt, dass sie stirbt, habe ich recht? Du wolltest, dass Summer leidet. Du wolltest, dass meine Familie leidet. Summer hat gegen deine verfickten Regeln verstoßen. Und du hasst uns.« Sie keucht, zittert, verkrampft sich, weil die Wahrheit wehtut. Nicht nur ihr.

James brüllt ebenfalls auf, lässt Bonnie los und stürzt auf mich zu. Anders als seine Schwester komme ich nicht so leicht gegen ihn an. Seine Faust trifft mich am Kinn und mein Kopf fliegt zur Seite. Mein Unterkiefer knackt verdächtig, ich schmecke Blut auf der Zunge.

»Du verfluchter Mörder!«, schreit James.

Weitere Schläge treffen mich und wir krachen gemeinsam auf den Boden. Der verfluchte Assertor über mir. Blind spucke ich aus, spanne meine Muskeln an. Blitzschnell werfe ich uns herum, drehe mich und schließe meine Hand um seine Kehle.

»Monster«, röchelt er, während sich seine Finger in meinen Arm krallen. Blut tropft aus meiner Nase, das Selen beginnt allerdings bereits, den gebrochenen Knochen zu richten.

»Ich bin nicht schuld daran, dass sie tot ist«, sage ich bemüht ruhig und spucke erneut einen Schwall Blut aus.

James bäumt sich auf und ringt röchelnd nach Luft. Asher zerrt an meinem Arm, flucht und zetert, doch ich lasse nicht los. Ich blende seine Drohungen aus, Junipers Geschrei, Bonnies Schluchzen.

Er hat mir mein Mädchen genommen. Und jetzt will mich dieser Bastard für den Tod seiner Schwester verantwortlich machen.

»Du hast nicht hingesehen«, brülle ich ihn an. »Dein Vater hat Summer missbraucht, vor deinen Augen, und du hast nichts getan. Ich habe die Ordnung nicht zerstört, die jahrhundertelang gehalten hat und die immer noch da wäre, wenn du nicht aller Welt von uns erzählt hättest. Binnen fünf Minuten hast du alles zerstört, was wir geschützt haben. Menschen sterben, Inmorti sterben. Und das alles nur, weil du deine Klappe nicht halten konntest.« Die Wut macht mich blind. Meine Welt ist mit diesem verdammten Video auseinandergebrochen und bis heute nicht geheilt. »Du bist das Monster, nicht ich.«

Ein Schlag trifft mich gegen die Schläfe. Asher. Ich taumle und für den Bruchteil einer Sekunde lockert sich mein Griff. Sofort ist mein Bruder über mir und reißt mich von James weg. Mit aller Kraft drückt er mich auf den Boden und schlägt meinen Kopf gegen die Fliesen. Schmerz zuckt durch meinen Schädel, ich brülle auf, schlage nach Asher, doch dann legt sich eine warme Hand an meine Wange und ich gebe nach. Mein Brustkorb hebt und senkt sich viel zu schnell, mir ist übel und ich habe das Gefühl, nichts mehr zu verstehen.

Ich habe das Richtige getan. Ich habe das einzig Sinnvolle getan. Ich musste uns schützen, muss es immer noch. Warum sehen sie das nicht?

»Warum, Rome?« Bonnies Flüstern durchdringt Junipers Gebrüll. Sie hockt vor mir, Tränen laufen ihr über die Wangen. Da liegt so viel Abscheu in ihrem Blick, so viel bodenloser Verrat.

»Weil er es verdient hatte«, stoße ich hervor. »Summer durfte nicht existieren. Sie war längst verloren. Aber ihr Vater musste leiden. Diese Menschen haben uns missbraucht, sie haben dich benutzt, Bonnie. Und du … fickst ausgerechnet ihn.«

Sie presst die Lippen zusammen, ihre Miene wird starr. »Ich liebe ihn.«

Ihre Worte sind ein Schlag ins Gesicht. »Nein, Beauty. Er ist der Feind. Du weißt, was sie mit dir getan haben.«

Ihr Daumen streicht über meine Schläfe. Durch das Blut, das meine Haare verklebt. »Du hast nie wirklich gesehen, Rome. Für dich gibt es nur schwarz oder weiß. Aber so funktioniert diese Welt nicht. So einfach ist das Leben nicht.« Zögerlich hebt sie ihren linken Mundwinkel. »Du hättest Summer helfen müssen.«

Vehement schüttle ich den Kopf, schiebe Asher von mir, der sich nicht länger wehrt. »Dafür war es zu spät. Ich konnte sie nicht mehr retten.«

»Das glaubst du wirklich, oder?« Asher fährt sich mit der Hand durch die Haare und hinterlässt blutige Spuren in seinem Gesicht.

»Ja.« Langsam setze ich mich auf. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Juniper sich an James klammert. Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich festhält oder ob sie ihn davon abhält, erneut auf mich loszugehen. Oder er sie.

»Töte ihn«, fordert sie Asher auf. »Ohne ihn wäre Summer noch am Leben.«

Asher reagiert nicht.

»Wenn du es nicht tust, werde ich es tun«, brüllt sie los.

»Verschwinde«, stößt mein Bruder hervor. »Ich werde dich nicht töten, weil wir gerade größere Probleme haben als dich. Aber wenn ich dich noch einmal treffe, werde ich dich umbringen.«

Panik überrollt mich. Echte Angst. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Und es fühlt sich verdammt beschissen an.

»Du bist mein Bruder«, sage ich mit zitternder Stimme. »Du. Bist. Mein. Verdammter. Bruder.«

»Das bin ich.« Asher neigt den Kopf. »Und deshalb gebe ich dir diese eine Chance. Ich glaube dir, dass du Cy nicht getötet hast, dass du ihn retten wolltest. Nur deshalb töte ich dich nicht gleich.«

Ungläubig schaue ich zu Bonnie. »Sie werden euch jagen. Ihr habt keine Chance gegen die Conquista. Ihr müsst verschwinden. Bitte …«

Ich bitte nicht. Niemals. Aber diesmal geht es nicht um mein Leben, es geht um ihres. »Ihr seid meine Familie.«

Fuck, ich bettle. Rome bettelt nicht. Für niemanden.

Bonnie schließt die Augen, aus denen nach wie vor Tränen fließen. Dann schlägt sie sich die Hand vor den Mund und dreht sich weg. Geht zu dem verdammten Assertoren und drückt sich an ihn, als wäre er ihre Welt. Als hätte er sie gerettet in diesem Winter in Boston, als sie im Straßengraben lag und gestorben ist, und nicht ich.

»Beauty …«

»Nein, Rome«, murmelt sie, ohne sich zu mir zu drehen. »Geh. Du bist zu weit gegangen.«

»Das könnt ihr nicht tun. Ihr seid allein, Cy ist tot. Da ist niemand mehr, der auf euch achtet.« Langsam erhebe ich mich. Das Selen hat meine Wunden geheilt, trotzdem klebt überall Blut an meiner Kleidung und in meinem Gesicht.

»Wir sind nicht länger dein Problem, Rome. Verschwinde.« Asher ist anzusehen, dass er mit sich kämpft. Dass er kurz davor steht, erneut auf mich loszugehen.

Ich will ihm nicht wehtun. Daher atme ich einmal tief durch, dann gehe ich zur offenen Eingangstür. »Das ist ein Fehler«, sage ich und drehe mich ein letztes Mal um. Schaue zu meinen Geschwistern, zu den Menschen, an die ich alles verloren habe. Sie sind schuld. Sie haben uns alle verraten. Wie können Asher und Bonnie das nicht sehen?

»Nein, Rome, du warst der Fehler. Wir hätten dir niemals trauen dürfen«, entgegnet Asher.

Bonnie hebt den Kopf. »Geh«, flüstert sie tonlos.

Und ich gehe. Lasse meine Familie hinter mir, ein Teil meines Lebens, der sich viel mehr mit meiner Seele verwoben hat, als ich bisher geahnt habe.

Nur dass ich keine Seele mehr habe und es nichts gibt, das in diesem Augenblick brechen könnte.

Kapitel3

Dead Souls geben Pause bekannt

Sydney. Die australische Rockband Dead Souls, die aus sogenannten Inmorti besteht, hat eine Pause bekannt gegeben. Sämtliche geplanten Konzerte wurden abgesagt, auch das nächste Album ist auf unbestimmte Zeit verschoben.

Zu den Gründen wollte sich Bandmanager Nick Totem nicht äußern. Gerüchten zufolge gab es jedoch interne Streitigkeiten unter den Geschwistern. Rome Campell, der Leadgitarrist der Band, soll die Gruppe verlassen haben. Ob er eine Solokarriere plant oder ganz aus der Musikbranche aussteigen will, ist nicht bekannt.

Asher und Bonnie Campbell haben sich nach den neusten Tumulten rund um die Inmorti zurückgezogen und stehen auch für weitere Pressetermine nicht zur Verfügung.

Kapitel4

Zwei Monate später

Fallon

»Bitte, Jeff, ich brauche die Schicht heute Abend. Meine Mum muss eine neue Heizung kaufen, weil die alte den Geist aufgegeben hat, und du weißt selbst, wie teuer die Scheißdinger sind.«

»Fallon, es tut mir echt leid.« Mein Boss streicht sich durch die schütteren Haare, was nahezu lächerlich wirkt, bei den paar Fransen, die seine Glatze bedecken. »Seit sie die Clubs geschlossen haben, ist es schwierig geworden. Es könnten jederzeit die Bullen auftauchen. Das, was ich hier riskiere, ist illegal. Und du hast gestern erst getanzt. Mandy dreht mir den Hals um, wenn ich sie heute nicht einteile.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Mandy ist eine arrogante Zicke, die allerdings weiß, wie sie ihren Körper in Szene setzen muss, um möglichst viel Trinkgeld zu bekommen. Oder den Boss glücklich zu machen.

»Du fickst sie, nur deshalb darf sie heute tanzen«, stoße ich hervor und könnte mich sofort ohrfeigen. Erst denken, dann reden, Fallon. Normalerweise kann ich das, aber gerade liegen meine Nerven blank.