Death, Kill, Love - Elbi Onest - E-Book

Death, Kill, Love E-Book

Elbi Onest

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Um zu erfahren, wer ihr Vater ist, nimmt Marie Kontakte zur Münchener Halbwelt auf. Dort lernt sie den smarten, aber undurchschaubaren Geschäftsmann Xin Baihu Zhang kennen und lieben. Doch ihre Mutter nimmt ihr Geheimnis mit ins Grab. Mit Zhangs Hilfe findet Marie eine neue Spur. Die an die Pforten der Bayerischen Staatskanzlei sowie zu Patrick, dem umschwärmter Chef von Maries bester Freundin Luisa, führt. Marie trifft eine Entscheidung. Die Luisa überhaupt nicht gefällt. Einige Tage später ist Patrick tot. Und die beiden Freundinnen sind verschwunden. Ist der Streit zwischen den Frauen eskaliert? Findet sich Patricks Mörder im Dunstkreis der Politik? Oder hat sich Marie in den Falschen verliebtl? Kriminalrätin Sina May und ihr attraktiver Mitarbeiter, Hauptkommissar Leander Simon, ermitteln in alle Richtungen. Und stoßen dabei auf einen Sumpf menschlicher Abgründe.

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Seitenzahl: 317

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Death, Kill, Love

Wie weit willst du gehen? Was bist du bereit zu opfern?

Um zu erfahren, wer ihr Vater ist, nimmt Marie Kontakt zur Münchener Halbwelt auf. Dort lernt sie den smarten, aber undurchschaubaren Geschäftsmann Xin Baihu Zhang kennen und lieben. Doch ihre Mutter nimmt ihr Geheimnis mit ins Grab.

Mit Zhangs Hilfe findet Marie eine neue Spur. Die an die Pforten der Bayerischen Staatskanzlei sowie zu Patrick, umschwärmter Politstar und Chef von Maries bester Freundin Luisa, führt. Marie trifft eine Entscheidung, die Luisa überhaupt nicht gefällt. Einige Tage später ist Patrick tot. Und die beiden Freundinnen sind verschwunden.

Kriminalrätin Sina May und ihr attraktiver Mitarbeiter, Hauptkommissar Leander Simon, ermitteln in alle Richtungen. Und stoßen dabei auf einen Sumpf menschlicher Abgründe.

Der Autor

Hinter Elbi Onest steckt ein deutscher Autor, der bereits mehrere Krimis in einem Verlag veröffentlicht hat. Zur Abgrenzung von seinen früheren Werken hat er sich entschlossen, seine Thriller unter Pseudonym zu veröffentlichen.

Warnhinweis

Dieser Thriller ist so heiß, dass ihn kein Verlag drucken wollte. Vermutlich, damit man es sich nicht mit bestimmten Leuten verscherzt.

Er enthält Szenen, die erotische Handlungen oder Gewalt detailliert beschreiben und deshalb unter Umständen als abstoßend empfunden werden könnten.

Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass Leser aufgrund ihrer religiösen oder politischen Einstellung die ein oder andere Äußerung meiner Protagonisten in diesem gesellschaftskritischen Werk als Affront auffassen.

Und zu guter Letzt möchte ich noch einmal betonen:

Personen und Handlung dieses Thrillers sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

(Ent)-Spannende Unterhaltung wünscht Ihnen Ihr

Elbi Onest

Personen und Handlung dieses Thrillers sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind

rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Copyright © 2023 Elbi Onest

c/o KANZLEI 441

Nimrodstraße 10

90441 Nürnberg

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2023

Umschlag: © Raja Graphics unter Verwendung folgender Fotos:

© valiantsin suprunovich Stock-Foto-ID: 140 103 0941

© Konstantin Koekin Stock-Foto-ID: 124 491 3674

© Manfredxy Stock-Foto-ID: 502 989 588

© feedough Stock-Foto-ID: 105 120 6228

© thirboy Stock-Foto-ID: 695 611 674

ISBN 978-3-3840-2623-1

Mailadresse: [email protected]

Website: www.munich-murder.de

Elbi Onest

Death, Kill, Love

Inhalt

Cover

Urheberrechte

Titelblatt

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Kapitel XV

Kapitel XVI

Kapitel XVII

Kapitel XVIII

Kapitel XIX

Kapitel XX

Kapitel XXI

Kapitel XXII

Kapitel XXIII

Kapitel XXIV

Kapitel XXV

Kapitel XXVI

Kapitel XXVII

Kapitel XXVIII

Death, Kill, Love

Cover

Urheberrechte

Titelblatt

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I

Freitag, 27. Mai, am Nachmittag:

„Yes“, frohlockte Marie und ballte die Faust. Damit bist du am Ziel, jetzt hast du alle Trümpfe in deiner Hand. Zufrieden lächelnd betrachtete sie das alte Handy, das sie eigens für diesen Zweck gekauft hatte.

Freu dich nicht zu früh, du weißt, wie der Kerl dich betatscht hat. Ein eiskalter Schauer lief wie ein Rinnsal von ihrem Nacken, die Wirbel-säule entlang zu ihrem Steißbein. Dabei hatte Quan Li die besonderen Lieferbedingungen, die für junge, hübsche Frauen mit solch ungewöhnlichen Wünschen gelten würden, in seiner Nachricht nicht mehr erwähnt. Marie schürzte die Lippen, ihre Augen wanderten zur Decke. Ist deine Angst ein Zeichen?

Seit wann kneifst du? Heißt du etwa Luisa?, konterte der Teil ihres Gehirns, der normalerweise ihr Leben bestimmte. Du bist doch sonst so zielstrebig und konsequent! Warum willst du auf einmal kurz vor der Ziellinie aufgeben?

Tu ich doch gar nicht, schrie sie stumm und biss energisch die Zähne aufeinander. Eine Minute später schrieb sie Quan Li eine Nachricht, dass sie pünktlich am vorgeschlagenen Treffpunkt erscheinen werde.

Doch die Unsicherheit blieb, der Typ war ihr nicht geheuer. Du darfst

ihm auf keinen Fall zu viel nackte Haut zeigen, das bringt ihn nur auf dumme Gedanken, ermahnte sie sich. Also zog sie sich vor dem Treffen um: Eine langärmlige Bluse, an dem sie nur den obersten Knopf öffnete, darüber ein Blazer, der auch geschlossen gut aussah. Dazu Sneaker und ihre einzige Jeans, die ihren Po nicht betonte.

-D-K-L-

Sie trafen sich kurz vor Ladenschluss auf dem Max-Joseph-Platz, direkt vor dem Nationaltheater. Im Gegensatz zu seinem nassforschen Auftreten bei ihrem ersten Gespräch vor einer Woche wirkte Li geknechtet und nicht wie ein Kämpfer, was sein Name angeblich bedeutete. Er hielt Abstand und vermied abgesehen vom Handschlag zur Begrüßung jeglichen Körperkontakt. „Haben Sie das Geld?“, fragte er mit säuerlicher Miene.

„Ja, 800 Euro. Wie Sie geschrieben haben.“

„Gut, dann kommen Sie bitte mit. Mein Chef will Sie sprechen.“

„Was verschafft mir die Ehre?“, erkundigte sich Marie keck. Quan Lis Auftreten hatte ihr Selbstvertrauen gestärkt.

Der Chinese antwortete nicht, starrte sie bloß missbilligend an.

„Ist auch egal“, setzte sie deshalb noch einen drauf, „der Wunsch Ihres Chefs sollte uns Befehl sein. Also los!“

Woraufhin Li seine Lippen noch stärker zusammenpresste.

Marie hingegen hatte die Neugier gepackt. Wer war der Kerl, vor dem Quan Li dermaßen kuschte? Schweigend liefen sie die Maximi-lianstraße stadtauswärts zu einem Mercedes S 500 mit getönten Scheiben, der in der Nähe des Hotel Vier Jahreszeiten wartete. Quan Li öffnete die Tür hinter dem Fahrer und bat Marie einzusteigen.

„Wieso?“ Zur Sicherheit trat sie zwei Schritte zurück.

„Weil das, was sie wollen, in seiner Wohnung ist.“

„Na und? Dann soll er es holen. Ich warte solange an der Hotelbar.“ Sie deutete auf das Luxushotel.

„Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mir diesen Gefallen tun“, meldete sich eine freundliche Stimme aus dem Auto.

Was Marie veranlasste, ihren Kopf in das Innere der Limousine zu stecken. Ein Blick und ihre Unterlippe schob sich nach vorne. Der Mann sah ausgesprochen gut aus, wirkte selbstbewusst. Groß, schlank, dichtes Haar, glatte Gesichtszüge, gepflegte Hände. In einem Club hätte sie sich bestimmt mit ihm unterhalten oder getanzt. Und sofern es sich ergeben hätte, vielleicht sogar rumgeknutscht.

„Selbstredend bringt Sie mein Chauffeur hinterher wieder hierhin zurück oder, sofern Ihnen das lieber ist, auch nach Hause. Denn ich halte es für keine gute Idee“, fügte er leise und mit einem herablassenden, aber durchaus sympathischen Lächeln hinzu, „Ihnen die Ware, die Sie bei mir bestellt haben, an der Bar oder im Foyer eines Hotels zu übergeben.“

„Und wenn ich mich weigere?“

„Bekommen Sie nicht das, was sie wollen. Und ich bin traurig, weil

Sie mich offensichtlich für einen ganz bösen Buben halten.“

„Klar doch!“, erwiderte Marie spitz und verzog dabei höhnisch das Gesicht. „Wie der Herr so’s Gescherr. Ich hoffe, Sie kennen den Spruch.“

„Selbstverständlich“, erhielt sie überraschend ruhig zur Antwort. „Wobei er – sofern Sie recht hätten - umgekehrt lauten müsste.“

Gut gekontert, bekannte sie im Stillen und kam sich sogar ein wenig mies vor. Der Typ schien nicht nur attraktiv, sondern auch smart zu sein. Und auf keinen Fall wollte sie, dass er glaubte, sie sei eine arrogante, überhebliche Zicke. Was war, wenn sie ihm unrecht tat? „Das Problem ist, ich kenne Sie nicht“, begann sie in entschuldigendem Ton, bevor sie sich auf die Seite des Wagens, auf der der Chinese saß, begab und in den Zwischenraum der Autotür, die er für sie geöffnet hatte, stellte. „Normalerweise verkehre ich nicht in Ihren Kreisen. Und Ihr Mitarbeiter hat sich mir gegenüber nicht von seiner besten Seite gezeigt!“

„Das ist mir zu Ohren gekommen und …“

„Weshalb also sollte ich davon ausgehen, dass Sie ein Gentleman sind?“, fuhr Marie unverhohlen dazwischen. „Weil Ihre Schuhe teuer sind und Sie einen Designeranzug tragen?“

„Vielleicht ein bisschen“, erwiderte der Chinese in freundlichem Ton. „Weil ich nicht glaube, dass ich auf Sie vertrauenserweckender wirken würde, wenn ich hier im Jogginganzug säße. Sondern der Meinung bin, dass Sie mit mir übereinstimmen, dass sich ein Mann mit gutem Geschmack und Sinn für Ästhetik auch sonst nicht aufführt wie die Axt im Walde. Aber erwarten kann ich das natürlich nicht“, ergänzte er leise seufzend, gefolgt von einer Pause. „Heißt das, unser Geschäft ist geplatzt?“, erkundigte er sich schließlich mit fragendem Blick.

Wenn das deine Mutter erfährt, lacht sie dich aus, schoss es Marie in den Kopf. Weil du den Hasen gefangen hast, ihn aber wieder freilässt, weil dir der Mumm fehlt, ihn zu schlachten. „Ich für meinen Teil würde das sehr bedauern“, drangen derweil weitere Worte an ihr Ohr. „Weniger wegen des Geldes oder des vergeblichen Aufwandes, sondern weil Sie mir die Chance nehmen, mich als Ehrenmann zu erweisen.“

Der war gut, war Maries erster Gedanke, wobei ihr auch nach diesem mehr positive Kommentare als Zweifel oder sarkastische Anmerkungen einfielen. Irgendwie klang es sogar ehrlich. „Also gut“, sagte sie deshalb, ging zurück auf die andere Seite der Limousine und stieg ein.

Li schloss die Tür von außen und der Fahrer legte den Rückwärtsgang ein.

„Kommt er nicht mit?“ Marie drehte sich zu ihrem Kontaktmann um. Wodurch sie erkennen konnte, wie er mit dem Fuß aufstampfte und vor sich hin fluchte.

„Nein“, antwortete sein Chef emotionslos. „Ich wollte Ihnen seine Anwesenheit nicht länger als nötig zumuten. Denn das, was er sich Ihnen gegenüber geleistet hat, ist absolut unverzeihlich und in keiner

Weise tolerierbar.“

„Heute war er ganz brav. Fast schon schüchtern.“

„Das hoffe ich doch! Schließlich habe ich ihm gründlich ins Gewissen geredet. Ich heiße übrigens Xin Baihu Zhang.“ Das Lächeln, mit dem er Marie ansah, wirkte kontrolliert. Seine Augen hingegen strahlten.

„Angenehm, Marie Koske“, entgegnete sie im Ton einer Businessfrau

„Und Ihre Schönheit, oder wie Li es ausdrückte, dass Sie das Schärfste sind, was er je gesehen hat, rechtfertigt sein Verhalten ebenfalls nicht.“

Marie schmunzelte, bevor sie sich entspannt in ihren Sitz zurücklehnte. „Aus Ihrem Mund klingt es wie ein Kompliment. Über das ich mich sehr freue.“ Sie fühlte sich wohl in dieser Limousine, obgleich sie nicht wusste, warum. Lag es am Duft von Zhangs Aftershave, das ihr gefällig in der Nase kitzelte? An seiner eleganten Erscheinung, die sie bereuen ließ, sich nicht herausgeputzt zu haben? Oder an seiner provozierend unnahbaren Art, die sie offensichtlich anzog wie ein Magnet? „Was bedeutet ihr Name?“, erkundigte sie sich.

„Eine Frau wie Sie findet das doch in Nullkommanichts heraus“, verweigerte Zhang die eigentlich simple Antwort, als stünde er über solch profanen Dingen. „Und dann ist sie auch selbst in der Lage zu beurteilen, ob meine Eltern mir die passenden Vornamen gegeben ha-

ben.“

„Ich weiß zwar nicht, wie Sie als Baby aussahen, aber molliges Mondgesicht heißt es dann vermutlich nicht“, konterte Marie die herausfordernde Arroganz des letzten Satzes. „Eher schon Mamas schnuckeliges Supermodel“, fügte sie schmunzelnd hinzu. „Obwohl Ihren Eltern bei Ihrer Geburt kaum bewusst sein konnte, dass Sie Godfrey Gao ähnlich sehen.“

„Danke für das Kompliment“, erwiderte Zhang mit einem strahlenden Lächeln. „Ich bin sogar genauso groß wie er war.“

Der Lift brachte sie von der Tiefgarage direkt ins oberste Stockwerk, ein spezieller Schlüssel machte es möglich.

Marie hielt unwillkürlich die Luft an, als die Fahrstuhltür aufging. Denn die Fahrt endete in einem bestimmt 80 Quadratmeter großen Wohnzimmer. Gefliest mit weißgrauem Marmor und einem ausladenden Kamin gleichen Materials zur Linken. Daneben eine Schrankwand aus einem Holz, das sie nicht auf Anhieb erkannte, an der Wand gegenüber zwei Lithografien, offensichtlich moderne Kunst. Am beeindruckendsten fand sie jedoch die Fensterwand zu ihrer Rechten. Denn die gab den Blick frei auf die Dachterrasse und die Skyline von München.

„Möchten Sie etwas trinken? Bitte nehmen Sie Platz!“ Zhang deutete auf die weiße Ledercouchgarnitur, die in der Mitte des Raumes auf einem in edlen Blau- und Silbertönen gehaltenen chinesischen Seidenteppich stand. „Das Geld legen Sie am besten auf den Glastisch

vor Ihnen, ich bin gleich da.“

„Gerne. Eine Cola bitte, wenn Sie haben. Ohne Eis!“ Marie nahm das Kuvert aus der Innentasche ihres Blazers, legte es auf den Tisch und drehte sich langsam einmal um ihre Achse. Dieses Apartment ist wirklich bemerkenswert. Aber muss dein Herz deswegen so schnell schlagen?

Sei nicht so ein Feigling, schalt sie sich, obwohl sie ansonsten keinerlei Anzeichen von Angst verspürte. Du bist hier, um ein Geschäft abzuwickeln. Warum sollte man dir etwas antun wollen?

Und es gibt auch sonst nicht den geringsten Grund aufgeregt zu sein oder gar auszuflippen wie ein Teenie bei einem Konzert der Backstreet Boys, stellte sie in Gedanken klar. Sie zog ihre Jacke aus, setzte sich auf die Couch und griff nach ihrem Smartphone. Sollte sie Luisa zur Sicherheit eine Nachricht schreiben, wo sie war? Für einen Moment zog sie die Stirn in Falten. Nein, das ist keine gute Idee, winkte sie ab. Lieber suchte sie nach einem chinesischen Online-Wörterbuch.

Allmählich beruhigte sich ihr Puls. Marie stand auf, um sich die Schwarzweißdrucke an der Wand anzuschauen. Bitte was? Ihr Mund öffnete sich, als sie die Unterschrift des Malers las. „Sind das Originale?“, fragte sie, als ihr Besitzer aus der Küche zurückkam.

„Yes. Von Pablo höchstpersönlich“, erwiderte Zhang, während er zwei Gläser mit Cola auf den Wohnzimmertisch stellte. „Gefallen Sie

Ihnen?“

„Ja doch. Sie haben einen guten Geschmack!“

„Danke.“ Auf die Frage nach dem Holz der Schrankwand erklärte der Hausherr, dass es sich um Paulownia handele, ein Baum, der vor allem in seiner Heimat wachse.

„Sind Sie etwa sentimental? Wie passt das zu einem Mann wie Ihnen?“ Marie nahm sich ein Getränk und prostete ihrem Gastgeber zu.

„Zu einem Unternehmer? Ich finde, gut.“ Zhangs Mundwinkel umspielte ein Lächeln. „Aber Sie haben recht, Marie. Ich verfüge über Facetten, die man mir auf den ersten Blick nicht unbedingt zutraut, geschweige denn ansieht.“

„Also für das Xin gilt das nicht. Dass Sie ein attraktiver Mann sind, erkennt jeder!“ Marie musterte ihren Gegenüber mit neugierigen Augen. „Einem Baihu sehen sie dagegen nicht sehr ähnlich. Es sei denn …“ Sie lächelte spitzbübisch. „Aber dazu müsste ich Sie genauer anschauen. Bei besserem Licht!“

„Dann lassen Sie uns ans Fester gehen.“ Der Chinese nippte an seinem Glas, stellte es zurück auf den Tisch und sich in Positur.

„Gerne!“ Langsam glitten Maries Augen über Zhangs makelloses Gesicht. Prüfend. Beeindruckt. Fasziniert. Sieht man mir an, wie ich diesen Anblick genieße? Dass mein Herz gleich vor Lust platzt? „Für einen weißen Tiger ist Ihr Teint zu dunkel“, konstatierte sie um Haltung bemüht. „Und Ihre Augen sind definitiv nicht blau.“ Beinahe wäre Marie ihrem Gastgeber mit den Fingern durch die schwarzen Haare gefahren, hätte sie alternativ seine Wange mit den Fingerrücken ihrer rechten Hand gestreichelt. Doch zum Glück konnte sie sich bremsen. „Aber vermutlich bezogen sich Ihre Eltern mehr auf den Charakter des weißen Tigers: stark, stolz, einzigartig“, erklärte sie so sachlich, wie es ihr möglich war. Denn es kam ihr so vor, als poche ihr Herz im Takt der letzten drei Worte. „Oder sind Sie einfach nur im Jahr des Tigers geboren?“

„Nein, ich bin Drache. Erde-Drache, um es korrekt zu sagen“, antwortete Zhang ruhig. „Die Farbe Ihrer Haut“, wechselte er Thema und Tonfall, „gefällt mir ebenfalls ausnehmend gut.“ Seine Stimme klang sanft, sein Lächeln war mild, und ein wenig verträumt. „Ihre leicht geröteten Wangen machen Sie noch attraktiver als Sie ohnehin schon sind.“ In einem Liebesfilm hätte man Marie jetzt geküsst, aber Zhang schien nicht einmal eine Reaktion auf das Gesagte zu erwarten. Sobald er den Satz zu Ende gesprochen hatte, ging er zurück zur Couchgarnitur und setzte sich in den dazugehörigen Sessel. „Aber das nur am Rande.“

Klar doch, es ist ja auch eine absolut zu vernachlässigende Marginalie, dass ich dir gefalle. Merkst du nicht, wie ich mich ebenso zu dir hingezogen fühle? Oder willst du mich auflaufen lassen? Maries Blut jagte durch ihren Körper, als wolle es ein Formel-1-Rennen gewinnen. Du scheiß-süßes Arschloch!

Bleib cool, meldete sich der rationale Teil ihres Gehirns. Du hast

schon ganz andere Situationen gemeistert! Und Zhang ist auch nicht

der erste, den du mehr als interessant fandest und trotzdem hingehalten hast.

Ja, aber …, wandte ihre emotionale Seite ein.

Um umgehend unterbrochen zu werden. Dieses sentimentale Geplänkel passt nicht zu dir! Du bist hier, um ein Geschäft abzuwickeln, rief sie sich zum wiederholten Mal in Erinnerung. Weil du ein Ziel vor Augen hast! Wortlos setzte sie sich auf den Sessel Zhang gegenüber, auf dessen Lehne bereits ihr Blazer lag.

Der holte kurz Luft. „Ich habe mir überlegt, wie ich das unverschämte Verhalten meines Mitarbeiters gutmachen kann und habe mir etwas Besonderes für Sie einfallen lassen.“

„Und das wäre?“ Maries Augen funkelten neugierig.

„Ich habe Ihnen zwei Pillen besorgt. Zyankali, das Mittel, das Sie wollten, und als Alternative Pentobarbital. Ich kann sie Ihnen nicht zum Preis von einer überlassen, denn dann würde ich draufzahlen und das hasse ich. Aber ich gebe Sie Ihnen zum Einkaufspreis, ohne meine übliche Spanne.“

„Klingt gut.“ Marie dachte kurz nach. „Ja, ich denke, das ist eine gute Idee.“ Mit festem Blick sah sie ihren Geschäftspartner an. „Einverstanden, ich nehme die zwei für Achthundert.“

„Gut. Dann steht unser Deal.“ Zhang stand auf, ging zur Schrankwand und kehrte mit einer unscheinbaren Dose an den Couchtisch zurück. Während Marie deren Inhalt überprüfte, schien ihn das Kuvert mit ihrem Geld nicht zu interessieren. „Darf ich fragen, wie groß Sie

sind?“, erkundigte er sich stattdessen.

„1, 71 Meter. Wieso wollen Sie das wissen?“

„Weil Quan Li behauptet hat, er hätte sich unsterblich in Sie verliebt. Wobei ich der Ansicht bin, dass Sie schon rein optisch nicht zu ihm passen. Sie sind ja zwei oder drei Zentimeter größer als er.“

„Ich steh auch mehr auf größere Männer.“

Zhang sah Marie fragend an. „Hat er Ihnen gegenüber erwähnt, dass er in Sie verliebt ist? Oder gesagt, wie schön Sie sind?“

„Eher weniger“, antwortete Marie nach kurzem Überlegen. „Er ist gleich zur Sache gekommen und hat erklärt, dass eine so scharfe Braut wie ich die Pillen wohl überall nicht nur mit Geld, sondern auch mittels Sex bezahlen müsse.“

Zhang nickte. „Das wundert mich nicht. Ich dachte mir schon, dass Li nur versuchte, sein Verhalten mir gegenüber in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.“ Mit freundlichem Blick sah er seine Gesprächspartnerin an. „Aber vermutlich sind Sie es gewohnt, dass sämtlichen Kerlen die Sicherung durchbrennt, wenn sie Sie sehen. Da muss Mann sich schon gut im Griff haben, um nicht zu sabbern.“

Bei dir fällt es mir auch nicht leicht, mich zu beherrschen, lag Marie die Replik bereits auf der Zunge. Doch das konnte sie Zhang unmöglich gestehen. „Auf die Bluse hat mir zum Glück noch keiner gespien“, erwiderte sie mit einem gekünstelten Lächeln. Und ärgerte sich umgehend, weil sie weder mit ihren Worten noch mit ihrer Mimik

zufrieden war.

„Das wäre ja noch schöner!“ Zhang nahm ihr Glas und stellte es vor sie hin. „Sie haben ja noch so gut wie nichts getrunken, Marie. War es ein Fehler, dass ich Zitrone in die Cola getan habe? Sie müssen es nur sagen, Sie kriegen sofort eine neue!“

„Danke, alles bestens“, entgegnete sie rasch und trank drei kräftige Schlucke.

„Und darüber hinaus hat Quan Li behauptet, es hätte Ihnen gefallen, dass er Sie gestreichelt hat“, kam Zhang auf das ursprüngliche Thema zurück.

„Der spinnt doch!“

„Absolut.“ Der Chinese grinste. „Jede andere Antwort von Ihnen hätte mich sehr gewundert. Denn Quan Li ist einfach nicht Ihr Niveau.“ Mit leuchtenden Augen sah er sie an. „Eine Schönheit wie Sie, die hat Besseres verdient!“ Dann stand er auf. „Könnte ich malen, würde ich viel dafür geben, dass Sie mir Modell stehen. Denn Sie sind noch attraktiver als ich erwartete habe. Obwohl ich wusste, dass Sie toll aussehen!“

Marie runzelte die Stirn. „Wie bitte?“

„Ihre langen blonden Haare … Ihre smaragdgrünen Augen … das ist eine geradezu atemberaubende Kombination. Und …“

„Woher wussten Sie, wie ich aussehe?“ Marie sprang auf und sah Zhang empört an.

Der lächelte aufreizend zurück. „Ist das wichtig?“, fragte er leise.

„Ist es nicht von wesentlich größerer Bedeutung, dass ich den Drang

verspürte, Sie vor Quan Li zu beschützen?“

„Eigentlich …“ Marie klappte ihren Mund wieder zu. Weil ihr Gehirn offensichtlich nicht wusste, welchen ihrer widersprüchlichen Gedanken, die in ihrem Kopf herumspukten, es artikulieren sollte. Sie stand da wie elektrisiert und spürte, wie eine Welle der Erregung durch ihren Körper floss.

„Was halten Sie davon, wenn wir uns duzen? Mein Vorname ist Xin.“

„Gerne“, antwortete sie und strahlte ihn an.

„Nicht zu vergessen dein Mund, wenn ich den Satz von eben zu Ende führen darf.“ Xin stellte den Kopf schräg, lächelte verführerisch und beugte sich zu ihr hin. „Diese sinnlichen Lippen, die sind wie fürs Küssen geschaffen.“

„Wenn du das sagst“, hauchte sie und gewährte seiner Zunge Einlass. Der Geschmack seiner Lippen, wie er sie mit seiner Zungen-spitze neckte, und wie er ihr mit den Fingern seiner rechten Hand durch die Haare strich. Marie kam es so vor, als würde sie schweben. „Und erst dein Busen, der ist wirklich fantastisch“, raunte er, nachdem er ihr Zeit zum Luftholen gelassen hatte. „Der schreit förmlich nach einem Akt.“ Seine Hände befanden sich bereits am obersten geschlossenen Knopf ihrer Bluse. „Sofern dir so etwas gefällt.“

Marie kam nicht einmal eine schnippische Bemerkung über die Lippen. Ihre Brustwarzen bohrten sich in ihren BH.

Xin öffnete den ersten, dann den zweiten Knopf. „Ganz schön üppig für jemanden, der so schlank ist wie du“, kommentierte er das,

was er sah, bevor er Marie erneut fragend ansah.

Deren Herz pochte wie wild. Angespannt, aber voller Erwartung, erwiderte sie seinen Blick. Ihre Botschaft war klar: du darfst gerne weitermachen.

Und schon waren alle Knöpfe geöffnet. „Darf ich?“ Xin stellte sich hinter sie, ergriff den Kragen ihrer Bluse mit Daumen und Zeigefinger seiner beiden Hände, um ihr beim Ausziehen behilflich zu sein. Anschließend schob er ihre Haare zur Seite und küsste sie zärtlich auf den Nacken.

Woraufhin es in Marie zu kribbeln begann. Eine wohlige Erregung, die in der Herzgegend ihren Anfang nahm, bald jedoch ihre Finger und Zehen, ja sogar ihre Haarspitzen erreichte. Als hätte man ihr Blut durch Brause ersetzt. Auf seine Frage „und jetzt?“ hauchte sie wollüstig „ziehst du mir den BH aus. Dann kümmerst du dich hoffentlich um meine Brüste … und ich werde es genießen.“

„Sag, wenn dir etwas nicht gefällt“, flüsterte Xin, tat das Erwartete, und fing danach an, ihre Brustwarzen sanft zu streicheln. „Ich hör dann sofort auf.“

Doch dazu bestand keinerlei Veranlassung. Auch nicht, als er wieder vor ihr stand. Marie fand Gefallen daran, wie er ihren Busen packte, sie liebkoste oder auch zärtlich biss. Und wehrte sich nicht, als er sie ins Schlafzimmer trug, aufs Bett legte und ihr die Jeans und den Slip auszog. Sie schloss die Augen, als er anfing, sie voller Hingabe zu lecken. Bis sich ihr Körper vor Lust aufbäumte und sie vor Erlösung schrie. Und als er danach zwischen ihren Beinen kniete, konnte sie es nicht erwarten, dass er sich ein Kondom überzog und in sie eindrang. Weil sie darauf brannte, ihn in sich zu spüren, mit ihm erneut zum Höhepunkt zu gelangen und ihr ansonsten alles egal war.

Samstag, 28. Mai, am späten Vormittag:

Du hast dich verliebt, stellte sie am nächsten Morgen fest. Aus heiterem Himmel, Hals über Kopf und bis über beide Ohren. Sie nickte.

Willenlos warst du, meldete sich ihr Verstand. Vollkommen unzurechnungsfähig! Und das nach einem einzigen Kuss!

Spricht für den Kuss, erwiderte sie schmunzelnd. Und für den Küsser.

Aber deshalb musst du ihn doch nicht sofort bitten, dir die Kleider vom Leib zu reißen. Das tust du doch sonst auch nicht!

Weil ich noch keinen Mann so begehrt habe wie Xin, erläuterte sie ihrem rationalen Ich. Weil er mir nicht mehr aus dem Kopf geht und weil er mir guttut.

Dass lässt sich nicht leugnen, sinnierte sie weiter: Du hast geschlafen wie ein Baby und viel länger als üblich. Obwohl du weder besonders spät ins Bett gegangen noch sonderlich müde gewesen bist. Und unter der Dusche hast du gesummt. Was du sonst niemals tust! Und schon gar nicht I was made for lovin you von KISS. Du stehst doch gar nicht auf Glam-Rock!

Und nun sitzt du vor deinem Laptop, aber nicht, um an deiner Doktorarbeit zu arbeiten, sondern um nach chinesischen Sternzeichen zu googeln. Sie war Feuer-Ratte, hatte sie herausgefunden, und folglich etwa acht Jahre jünger als Xin. Ob ihn das störte?

Erde-Drache und Feuer-Ratte würden sehr gut miteinander harmonieren, behauptete die Website. Somit war der Altersunter-schied kein Problem.

Gibt es einen besseren Beleg für unseren Gleichklang, für die gegenseitige Anziehungskraft, als den gestrigen Abend?

Sie schüttelte den Kopf. Xin hat dich begehrt, obwohl du dich gar nicht herausgeputzt hattest, und sich einfach genommen, was er wollte.

Und dir hat das gefallen, stellte sie selbstkritisch, jedoch ohne einen Funken Reue, fest. Marie grinste wie ein Honigkuchenpferd. So zärtlich und sanft hat dir noch kein Mann zum Höhepunkt verholfen, erinnerte sie sich. Das war der Hammer gewesen, absolut unbeschreiblich. Dass du so etwas erleben darfst! Niemals hätte sie sich vorstellen können, dass sich zwei Menschen so zueinander hingezogen fühlen und so sehr im Einklang sind. Als ob er meine Gedanken gelesen und meine Wünsche geahnt hat! Maries Herz drohte vor Glück zu platzen.

Er wolle sie unbedingt wiedersehen, hatte Xin zum Abschied gesagt,

und ihr seine höchstprivate Handynummer gegeben. Und weil sie das ebenfalls wollte, hatte sie ihm, ohne zu zögern, ihre genannt. Die richtige, nicht die, die Quan Li bekommen hatte. Dumm nur, Maries Lächeln wandelte sich in Wehmut, dass sie keinem von ihrer Liebe erzählen konnte. Bereits die Frage nach Xins Beruf musste sie ausweichend beantworten. Und bei „Wie habt ihr euch kennengelernt?“ müsste sie sogar lügen. Sie fixierte die Dose, die vor ihr auf dem Schreibtisch, stand. Die 800 Euro für dich waren eine gute Investition, überlegte sie schmunzelnd. Und dein Inhalt wird dafür sorgen, dass mein sehnlichster Wunsch in Erfüllung geht.

II

Montag, 30. Mai, etwa 14.30 Uhr

„Sag schon!“ Marie schnaubte, ihre Augen flackerten vor Wut. „Ich habe ein Recht, es zu erfahren!“ Sie schrie so laut, dass jeder Bewohner im Haus sich fragen musste, ob es nicht besser wäre, die Polizei zu rufen.

An ihrer Mutter hingegen schienen ihre Worte abzuperlen wie Wasser in einer Teflonpfanne. Als ob die vier metallenen Bettpfosten ihnen jegliche Emotion und Schärfe genommen hätten. „Hast du nicht“, erwiderte Berta Koske so aufmüpfig, wie es ihr Zustand zuließ. Zwei dicke Kissen im Rücken, ein weiteres für Kopf und Nacken darauf, drehte sie ihren Kopf nur leicht.

Marie verzog angewidert die Lippen. Im Grunde hatte alles ganz harmlos angefangen: Sie war ins Zimmer gekommen, hatte die Dose mit den zwei Pillen auf den Nachttisch gestellt und sich zu ihrer Mutter aufs Bett gesetzt. „Es hat mich einige Mühen gekostet und ganz risikolos war es auch nicht“, hatte sie bewusst ein wenig übertrieben, „aber ich wusste ja, für wen ich es tue.“ Beim letzten Satz hatte sie Berta angelächelt, ihre knochigen Hände gestreichelt und dann gefragt: „Verrätst du mir jetzt, wer mein Vater ist?“

Berta hatte prompt und patzig geantwortet und damit schlagartig jeglichen Glanz in Maries Augen gelöscht: „Nein.“

Dennoch hatte sie nicht aufgegeben, es mit Betteln, mit Argumenten, ja sogar mit Heischen nach Mitleid versucht. Doch die Kommentare der Mutter waren mit jedem Mal höhnischer ausgefallen: „Klar weiß ich, dass du mich liebst, aber ich halte meine Versprechen. … Schon mal daran gedacht, dass mir dein Vater den Unterhalt in bar gegeben hat? Da kannst du dir so viele Auszüge anschauen, wie du willst, du wirst nichts finden!“

Wie kann man in diesem Zustand noch so streitlustig sein?, hatte sie sich gewundert. Um Sekunden später von Bertas vorwurfsvoller Stimme aus ihren Gedanken gerissen zu werden: „Du hast doch von meinem Agreement genauso profitiert wie ich! Was glaubst du denn, wieso ich dir erlauben konnte, deine Doktorarbeit zu schreiben? Weil ich einen Geldscheißer unterm Bett stehen habe?“

Marie spürte, wie der Groll in ihr wuchs. Am liebsten hätte sie Berta eines der Kissen auf Mund und Nase gedrückt, doch das war in ihrem Fall kontraproduktiv. Eindringlich sah sie ihre Mutter an. „Ist das dein letztes Wort?“

„Absolut.“

„Also gut. Ich weiß zwar nicht, was die Sturheit soll, denn zur Rechenschaft zieht dich dafür keiner mehr.“ Marie stand auf, griff nach der Dose vom Nachttisch und hielt sie in die Höhe: „Die hier kriegst du auf jeden Fall erst, wenn du mir verrätst, wer mein Vater ist.“ Ihre Augen verengten sich zu flirrenden Schlitzen. „Du hast es selbst in der Hand“, rotzte sie ihrer Mutter ihre Entscheidung ins Gesicht, „ob du weiterhin Schmerzen erleidest oder ob du deiner Tochter einen letzten Gefallen tust und ihr ihren sehnlichsten Wunsch erfüllst.“ Ohne eine Reaktion abzuwarten, lief sie aus dem Zimmer. Die Tür ließ sie jedoch bewusst offen, damit Berta sehen konnte, dass sie die Dose auf dem Tisch in der Küche abstellte. Anschließend ging sie in ihr Zimmer und warf sich aufs Bett.

Dieses Miststück. Die Augen zur Decke, die Hände zur Faust geballt, prügelte sie mit zusammengebissenen Zähnen auf ihre Matratze ein. Wie kann man nur so verbohrt sein? Ruckartig drehte sich Marie auf den Bauch und vergrub ihr Gesicht in ihrem Kissen. Bis sie sich wieder zurückwälzte, weil sie nicht genügend Luft bekam.

Und jetzt?, fragte sie sich, nachdem sich ihr Puls beruhigt hatte. Auf andere Gedanken kann dich nur einer bringen. Und auch nur, wenn es richtig zur Sache geht. Da kann er direkt mal beweisen, ob er bereit ist, auf deine Bedürfnisse einzugehen. Marie sprang auf und musterte sich im Spiegel an ihrem Schrank. Aber so wie du aussiehst, brauchst du bei ihm nicht aufkreuzen.

Kann ich vorbeikommen?

Ich brauche dich!

GLG Marie

, schrieb sie Xin eine Nachricht, bevor sie sich auszog, um in die Dusche zu steigen.

Aber ist dann dein ‚Ich brauche dich!‘ nicht zu unterwürfig?, überlegte sie, während sie das Duschgel auf ihrem Körper verteilte.

Das ist vergessen, sobald du ihm sagst, wo es lang geht. Wenn du jemanden brauchst, der genau das tut, was du sagst, damit es dir besser geht, brauchst du ihn ja auch! Marie grinste süffisant. Und einen Typen, der meint, deine temporären Schwächen ausnutzen zu müssen, kannst du gleich zum Mond schießen.

Der Klingelton ihres Smartphones unterbrach ihr Gedankengespräch. Eilig stieg sie aus der Kabine, nur notdürftig trocknete sie sich ab.

Klar doch, Mingzhu.

Ich freu mich auf dich!

1.000 Küsse, bis gleich Xin

, las sie die Antwort. Die ihr nicht nur ein freudiges Lächeln ins Gesicht zauberte, sondern auch eine weitere Möglichkeit bot, ihren neuen Freund kennenzulernen. Wie er wohl darauf reagiert?

Ein wenig dauert es noch, Liebling. Will mich noch für dich hübsch machen. Aber ich beeil mich.

Sie putzte sich die Zähne und schminkte sich gründlich. Für die offenen High Heels war es zu kalt, aber die Pumps gingen auch. Dazu der Bleistiftrock, die figurbetonende Bluse, darunter ihre halterlosen Strümpfe und die dazu passenden Dessous.

Sie nahm ihren Trenchcoat und schloss die Zimmertür. Die Dose mit den Tabletten stand nach wie vor auf dem Küchentisch. „Ich bin dann mal weg. Bis später“, rief sie ihrer Mutter zu. „Wenn du was von mir willst, ruf mich an!“ Doch Berta antwortet nicht.

Nachdem eine weitere Minute der Stille vergangen war, zog Marie die Wohnungstür ins Schloss und machte sich auf den Weg zur U-Bahn. Und wenn er doch nicht so reagiert wie du es erwartest?

Red keinen Quatsch, der Überraschungseffekt ist auf deiner Seite, drängte sie ihre Bedenken in die hinterste Ecke ihres Oberstübchens zurück. Sofern du es offensiv angehst, hat er keine Chance, Xin ist auch nur ein Mann.

Und was für einer! Marie lächelte. Ein echter Traumprinz! Ob sein Charakter irgendwelche Schwächen aufweist? Im Geiste ging sie die negativen Eigenschaften, die das Internet bei Erde-Drachen ausgemacht hatte, durch: Geiz oder Kleinkariertheit konnte sie sich bei einem Mann wie ihm nicht vorstellen. Impulsivität empfand sie nicht unbedingt als Nachteil und Egoismus … sie würde sehen.

„Geht es dir gut?“, erkundigte er sich mit sorgenvoller Stimme, als

Marie bei ihm klingelte.

„Jetzt wo ich bei dir bin, auf jeden Fall“, antwortete sie. „Ich hoffe, du bist allein!“

„Natürlich. Warum?“

„Weil ich dich gleich nach allen Regeln der Kunst vernaschen werde. Widerstand ist zwecklos!“

„Ich schick dir den Aufzug“, erwiderte Xin in neutralem Ton und ließ sie ins Haus. Eine Antwort, mit der Marie nicht gerechnet hatte. Ein bisschen mehr Begeisterung, zumindest einen frechen Konter, hatte sie schon erwartet.

Offensichtlich musst du deutlicher werden, entschied sie nach kurzem Nachdenken. Aber wenn du das tust, frisst er dir aus der Hand.

Wobei es auch eine zeitliche Komponente zu beachten galt. Marie löste den Gürtel ihres Trenchcoats und öffnete, während sie in der Lichtschranke der Aufzugstür stand, die Knöpfe an ihrer Bluse. Sieht dich jemand? Hastig sah sie sich um. Nein.

Also entledigte sie sich ihres Mantels.

Und während der Lift nach oben fuhr, zog sie ihren Rock und ebenso ihre Bluse aus. Wenn Xin dich so sieht, wird er Stielaugen bekommen und seine Kinnlade nach unten kippen. Danach tut er alles, was du willst!

Doch als die Lifttür aufging, öffnete sich ihr Mund vor verdattertem

Erstaunen. Denn es war niemand zu sehen. Marie kam sich vor wie ein

Showstar, für den das Portal zum Studio zur Seite schwingt, ohne dass

das Publikum applaudiert.

Ein Blick nach links, einer nach rechts. Im ganzen Raum herrschte gähnende Leere. Mittlerweile fühlte sie sich wie eine Nutte, die leicht bekleidet den ganzen Tag lang im Schaufenster eines Bordells vergeblich auf Freier wartet. Da bist du wohl doch etwas zu offensiv gewesen, trat sie seufzend und mit einem Kloß im Hals in den Raum. Ihre Kleidung legte sie samt Handy auf den erstbesten Sessel, der ihr im Weg stand.

Sie überlegte bereits, sich wieder anzuziehen, als Xin aus dem Schlafzimmer kam. Er blieb stehen, als er sie sah. „War der Lift zu schnell oben oder machst du einen Rückzieher?“, wollte er grinsend wissen.

Du eitler, selbstgefälliger Lackaffe, schoss es ihr in den Kopf.

„Auf jeden Fall dachte ich“, fuhr er unbeirrt fort, „es könne nicht schaden, Kondome griffbereit zu haben, wenn mich meine Freundin vernaschen will.“

„Kein schlechter Gedanke“, antwortete Marie und zog ihren BH aus. „Willst du mehr als nur gaffen?“, fragte sie im Befehlston, „dann komm her, sofern du dich traust.“