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Viktor Crime Award Preisträgerin 2024
Vierzig Sekunden. So lange dauert der Film. Er wird ihr Leben zerstören ...
Mira ist fassungslos, als sie das Nacktvideo sieht, in dem sie ihr eigenes Gesicht, ihren eigenen Körper erkennt. Rasend schnell verbreitet sich das Deepfake im Netz und droht alles zu zerstören: ihre Karriere als Lehrerin, ihre Ehe, ihr Familienglück. Doch wer könnte einen Grund haben, sie auf so grausame Weise zu verleumden?
Die Suche führt Mira zurück in das abgeschiedene Dorf ihrer Kindheit. Hier, inmitten der dunklen Wälder, muss sie sich endlich ihrer Vergangenheit stellen. Denn vor vielen Jahren hat auch Mira durch eine Lüge ein Leben zerstört. Nur ist sie nicht die Einzige, die sich damals schuldig gemacht hat. Als Mira in ihrem Heimatdorf eintrifft, wird sie bereits erwartet ...
Psychologisch ausgefeilte Hochspannung bis zur allerletzten Seite - ein atmosphärisch dichter Thriller um verlorene Freundschaft, dunkle Geheimnisse und einen Racheplan, der ebenso raffiniert wie tödlich ist
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 650
Veröffentlichungsjahr: 2025
Innerhalb von Minuten zerstört eine Lüge ihr Leben: Lehrerin Mira steht vor ihrer Klasse, als sich ein anzügliches Video rasend schnell im Internet verbreitet. Sosehr sie beteuert, nicht die Frau in dem Film zu sein, kaum jemand glaubt ihr. Zu täuschend echt sind die Bilder, die Miras Leben zu vernichten drohen. Wer verleumdet sie auf so grausame Weise? Die Suche führt Mira zurück in das abgeschiedene Dorf ihrer Kindheit. Hier, inmitten der dunklen Wälder, muss sie sich den Geistern ihrer Vergangenheit stellen. Denn vor vielen Jahren hat auch Mira durch eine Lüge ein Leben zerstört. Doch sie ist nicht die Einzige, die sich damals schuldig gemacht hat. Im Dorf wird Mira bereits erwartet …
Cleo Konrad wurde Weihnachten 1981 im verschneiten Alpenvorland geboren. Heute lebt und schreibt sie in der schönen Stadt Nürnberg. Sie arbeitet als Wissenschaftsjournalistin in einem Forschungsinstitut und nutzt jede freie Minute, die ihr neben Arbeit und Familie bleibt, zum Schreiben von spannenden Geschichten. TÖDLICHER PODCAST ist ihr Thrillerdebüt.
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Originalausgabe
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agentur Brauer.
Copyright 2025 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Textredaktion: Dr. Ulrike Brandt-Schwarze, Bonn
Umschlaggestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven von © tomertu/shutterstock
eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7517-6137-6
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Sie hätte nie zurückkommen dürfen. Mit diesem Gedanken fährt sie hoch und sackt stöhnend wieder auf den Boden.
Ein stechender Schmerz durchzuckt ihre Hände. Ihr Kopf dröhnt. Es ist so dunkel, dass sie nicht mal die Hand vor Augen sieht. Wo ist sie?
Denken scheint die schwerste Sache der Welt.
Keuchend kauert sie sich zusammen. Der Boden unter ihr kühlt ihre brennenden Handflächen.
Er ist nass. Ist das ihr Blut?
»Dya«, flüstert sie. »Mach Licht.«
Nichts passiert. Dya ist weg, fällt ihr wieder ein. Das Haus ist verstummt.
Aber die Welt dort draußen nicht. Über ihr fegt der Wind durchs Zimmer, als suchte er nach ihr. Eine Wolke aus Schneeflocken stäubt knisternd über ihr auf. Dahinter rauschen die Bäume, wie das tonlose Rauschen eines Radios ohne Empfang.
Oder ist das ihr Kopf? Er tut so weh.
Das Haus ist stumm, aber nicht leer. Wo sind die anderen?
Das Rauschen der Bäume wird lauter, als käme dort draußen etwas durch den Wald. Sie kauert sich noch tiefer ins Dunkel.
Jäh durchbricht ein Schrei die Nacht. Schrill und gellend. Dann verstummt er wieder.
Einer von ihnen war tot. Sie weiß es wieder. Sie schluchzt auf. Nun hat es noch jemanden erwischt.
Sie hätte nie zurückkommen dürfen. Jetzt ist es zu spät.
Mit einem Anruf kehrt alles zurück.
»Bitte klick mich nicht weg«, sagt die Stimme. Sie klingt anders. So anders, dass Mira sie zuerst gar nicht erkennt.
Mira ist nur ins Schlafzimmer gehastet, um ihr Unterrichtsmaterial zu holen. Sie muss den Text für morgen in ihre Tasche packen, dann wird sie die Jungs in die Badewanne stecken, bevor Fabio mit dem Abendessen nach Hause kommt, die Spülmaschine ausräumen – und nebenbei schnell noch die Mailbox abhören.
Sie ist immer im Kopf schon beim nächsten Punkt der To-do-Liste.
Und jetzt diese Stimme im Lautsprecher des Telefons. Kraftlos, müde. Langsam.
»Ich war, ich bin …« Ein Stocken, dann ein Seufzen.
Das Erkennen erwischt Mira völlig unvorbereitet.
Jäh hat sie das Gefühl zu fallen. Sie sackt aufs Bett.
Diese Stimme hat schon immer mit Worten gerungen. Und damals, als es darauf ankam, hat sie geschwiegen.
»Hör zu, es ist wichtig«, sagt die Stimme jetzt.
Verdammt, woher hat sie diesmal Miras sorgsam gehütete Nummer?
»Du musst herkommen. Nach Tannwinkel.«
Nein! Mira spürt ihren Körper durchs Bett stürzen, durch das Parkett, die drei Stockwerke unter ihr hindurch, in den Keller, hinab auf den nackten Erdboden zu.
Alles andere rast hingegen nach oben weg.
Der vergilbte Stuck an der Altbau-Decke, das Sonnenlicht, das sich in den schief geklebten Kürbisfratzen am Fenster bricht. Der Trubel der Jungs im Kinderzimmer verschwindet hinter dem Rauschen des Fallwinds.
Nur die Stimme dringt hindurch, vertraut und zugleich fremd. »Hier im Dorf …« Wieder stockt die Stimme. »Es geht mir nicht gut. Ich meine, du weißt, wie es hier ist.«
Mira weiß es.
Tannwinkel.
Nadelzweige, schattiger Felsen, tief unten das Moos. Samtgrün mit roten Sprenkeln.
Sie fällt.
Rot, so viel Rot.
Nicht hinschauen.
»Ich weiß, das ist eine weite Reise von Berlin«, sagt die andere. »Aber da gibt es etwas, das du erfahren musst. Ich kann es dir nicht am Telefon sagen. Komm her. Du kannst nicht ein Leben lang davonlaufen. Es wird dich einholen.«
In dieser Feststellung liegt nichts Drohendes. Sondern etwas Endgültiges, das noch schlimmer ist. Als wäre sie eine Ärztin, die Mira verkündet, dass das Schicksal schon entschieden habe, egal, ob sie die Nachricht anhört oder nicht. Dass sie keine Wahl hat. Dass am Ende jedes Fallen der Tod wartet.
»Mira. Es ist unsere letzte Chance. Weil ich …«
Mira legt auf.
Nein, eigentlich fährt sie in die Höhe und wirft das Telefon quer durchs Zimmer. Wut schießt in ihr hoch, heiß, befreiend.
»Verdammt!«, flucht sie, während das Handy von der Wand abprallt und dann mit einem hellen Scheppern auf dem Parkett landet.
»Verdammt, verdammt!« Sie reckt die Fäuste in die Luft.
Dann ertönt Kichern hinter ihr.
Sie fährt herum.
Theo schreckt zurück, vielleicht vor ihrem Gesichtsausdruck.
Elias reckt die Faust in die Luft, wie sie. »Verdammt, verdammt«, kräht er.
Mira ringt nach Luft und lässt die Hände sinken, ihr Herz pocht immer noch viel zu schnell.
»Das sagt man nicht, Mama und Eli«, sagt Theo und lutscht an seinem Daumen.
»Ich weiß. Entschuldigung.« Sie winkt ihnen. »Kommt her.«
Schon kuscheln sie sich an sie.
»Ist dein Handy jetzt wieder kaputt?«, fragt Theo leise.
»Kriegen wir Kekse?«, fragt Elias gleichzeitig.
Ihre zwei Jungs. Eine irrwitzige Sehnsucht überkommt Mira, sich an ihnen festzuhalten, als wären ihre kräftigen kleinen Körper Fallschirme, die ihren Sturz aufhalten können.
Dabei ist sie ihr Fallschirm.
Sie dürfen niemals Angst vor ihrer Mutter haben.
»Ach was, dem Handy geht’s gut«, sagt sie. »Und klar kriegt ihr Kekse.« Sie wuschelt ihnen durch die Lockenköpfe, einer hell, einer dunkel. »Aber jeder nur zwei.«
Während sie jubelnd hinausrennen, bleibt sie sitzen. Spürt, wie die Bettkante gegen ihre Kniekehlen drückt. Ihre Zehen pressen sich in das Parkett. Suchen Halt auf dem festen Boden.
Nur ein Anruf. Ein Geist in der Telefonleitung, ein unzusammenhängendes Flehen alle paar Jahre, bis Mira wieder ihre Nummer wechselt.
Nur dass diesmal etwas anders gewesen ist. Etwas Dringendes, zugleich Endgültiges.
Du musst herkommen. Es wird dich einholen.
Schon spürt sie hinter ihren Augen wieder den Wind pfeifen, der Sturz über die Kante nur einen Schritt entfernt.
Tannwinkel. Das, was sie damals getan hatten.
Verdammt, nein.
Was fällt der anderen überhaupt ein, sie anzurufen?
Sie wird niemals zurückkehren. Auf gar keinen Fall.
Im Nachbarzimmer kreischen die zwei Wesen, die sie neben ihrem Mann am allermeisten liebt auf der Welt.
Niemand wird ihr das je wieder wegnehmen.
Entschlossen steht sie auf und schnappt sich das Handy. Das Display hat einen Sprung, aber das Gerät funktioniert noch. Glück gehabt. Diesmal.
Sie wählt die Mailbox an und drückt auf die Eins.
»Ihre Nachricht wurde gelöscht.«
Danach blockiert sie die fremde Nummer und entfernt sie aus ihrer Anrufliste.
Der Anruf ist weg.
Nicht mehr verhandelbar.
Sie reckt sich, spürt die vertraute Tatkraft in ihren Körper zurückkehren.
Sie eilt zu ihren Jungs und ihrer To-do-Liste und vergräbt die Erinnerung an den Anruf dort, wo sie alles andere vergräbt. Tief in ihrem Inneren, im Erdreich unter dem Moos, am Fuße dieses scheußlichen Felsens.
So tief unten, dass sie es vergessen kann.
Weitermachen. Anpacken. Nur in ihren Träumen wird das Vergangene zu ihr emporsteigen, wieder und wieder, wie ein Geist aus dem Grab. Denn eines kann sie nicht dort vergraben: ihre Schuld.
Dieser scheußliche Traum.
Er steckt ihr immer noch in den Knochen.
Und dazu streikt auch noch der Kopierer.
»Papierstau«, sagt eine mechanische Stimme. »Öffnen Sie die Abdeckung 3 b.«
Sie klemmt die Tasche unter die Achsel, stellt den Kaffeebecher zur Seite und klopft heftig auf den Papiereinzug, drückt wahllos auf Enter und Neustart und öffnet diverse Klappen.
Doch je mehr sie herumhantiert, desto wilder blinkt das Gerät, als wollte es sie verspotten.
»Öffnen Sie die Abdeckung 3b.«
Frust steigt in ihr auf. »Ich weiß nicht, wo, du blödes Ding!«
Ein Mensch hätte spätestens jetzt reagiert, aber diesen dummen technischen Geräten sind ihre Beschimpfungen völlig egal. Sie scheren sich keinen Deut darum, dass Mira sie nicht mag.
»Verdammt!«
»Öffnen Sie die Abdeckung 3b.«
Jetzt dringt auch noch dumpf der Schulgong durch die Wände, übertönt das Geschrei der Schülerinnen und Schüler draußen auf dem Pausenhof. Mira wird zu spät kommen.
Sie ballt die Faust und schlägt auf den elenden Kopierer. So fest, dass das Plastik knackt. Noch mal will sie zuschlagen und ihm den Rest geben.
Stopp! Sie atmet tief durch. Legt eine Hand auf ihr Herz, konzentriert sich darauf, das hektische Pochen zu verlangsamen. Ihre Wut in den Griff zu kriegen.
Sie ist nicht wegen des Papierstaus so spät dran. Sondern weil sie heute Morgen über ihrer Kaffeetasse fast eingeschlafen ist. Und vorhin noch einen zweiten Kaffee brauchte.
Jetzt klappen die schweren Türen des Gebäudes, trappeln Hunderte Schritte über die Flure. Sich darauf zu konzentrieren hilft. Sie liebt diesen Klang. Ihr Puls beruhigt sich. Mira hat sich in Schulgebäuden immer wohlgefühlt, hat sie mehr als Zuflucht, denn als Gefängnis empfunden.
Jeden Morgen, wenn sie die Klassenzimmertür öffnet, kribbelt in ihr die Vorfreude. Wie wunderbar es ist, da angekommen zu sein, wo sie gebraucht wird.
Heute allerdings steckt ihr die schlaflose Nacht in den Knochen.
Denk nicht an den Traum.
Doch natürlich denkt sie daran.
Der Duft von Fichtenspitzen, von verrottendem Moos. Wind, der in ihren Ohren braust. Sie fällt. Sie kann nichts tun, um es aufzuhalten. Sie fällt die Felsklippe hinab, der Erdboden rast auf sie zu.
Ihre Finger krallen sich in die Klappe des Kopierers.
Kurz vor dem Aufprall war sie aufgewacht. Doch es reicht, dass sie sich an den Traum erinnert, und die Welt um sie herum beginnt erneut, sich zu drehen.
Als sie letzte Nacht hochgeschreckt war, orientierungslos, mit rasendem Puls, fühlte sie sich vollkommen allein. Dabei war sie nicht allein gewesen. Fabios ruhige Schnaufer erklangen neben ihr, ein Auf und Ab wie sachter Wellengang. In anderen Nächten konnte sie sich von seinem Atem zurück in den Schlaf wiegen lassen, aber nicht nach dem Traum. Das Verlangen nach einer Zigarette hatte sie so stark gepackt, dass sie aufstand, um eine zu suchen. Natürlich fand sie keine. Sie musste mit einem Kaffee vorliebnehmen, den sie in ihren zitternden Händen hielt, am Bett ihrer beiden schlafenden Jungs.
Sie hat seit fünfzehn Jahren nicht mehr geraucht. Sie hat seit sechs Monaten nicht mehr von dem Fall von der Klippe geträumt. Eigentlich hatte sie geglaubt, darüber weg zu sein.
Die letzte Nacht hat ihr Angst eingejagt.
Hör endlich auf, daran zu denken!
Sie löst ihre Finger, die sich immer noch in die Plastikklappe krallen, findet endlich die Abdeckung 3 b und entfernt den Papierstau. Dann drückt sie noch einmal den Startknopf des Kopierers.
»Ihr Dokument wird nun fotokopiert«, verkündet die mechanische Stimme zufrieden.
Endlich spuckt das Gerät die letzten Papiere aus. Sie stopft sie in ihre Tasche und schnappt sich ihren Kaffeebecher.
Die Flure sind schon fast leer, nur vor ein paar Klassenräumen drücken sich noch letzte Trauben von Schulkindern herum. »Frau de Luca!«, rufen ein paar und winken ihr zu, und trotz ihrer Eile nimmt sie sich die Zeit zurückzuwinken. Sie sollen sich niemals ungesehen fühlen.
Bevor sie in den letzten Gang einbiegt, reckt sie die Schultern. Sonnenstrahlen fallen durch die verschmierten Fenster, ihre Sneakers gleiten fast lautlos über den abgewetzten Linoleumboden. Endlich ist sie da, wo sie hinwill.
Die Klassenzimmertür der 10a.
Jeder Gedanke an den Traum von letzter Nacht ist jetzt von ihr abgefallen. Sie legt die Hand auf die Klinke. Hinter der geschlossenen Tür spürt sie das Summen wie eine Vorahnung, ein Bienenstock kurz vor dem Ausschwärmen. Sie lächelt.
Sie mag ihre wildeste Klasse und deren Unberechenbarkeit. Die Lauten, die Anstrengenden, die angeblich schwer Erziehbaren. Die, bei denen andere Lehrkräfte den Glauben an Bildung bereits verloren haben.
Mira nimmt die Klassen, die sonst niemand übernehmen will.
Sie schreckt nicht zurück vor der zur Schau gestellten Wut und Härte, denn sie weiß um die Verletzlichkeit der Jugendlichen dahinter, deren ständiges Ringen um einen Platz in der Welt. Sie versteht sie, und deshalb ist sie die Richtige für den Job.
Als sie die Tür aufstößt, schlägt der Lärm über ihr zusammen wie eine Woge. Mindestens die Hälfte der Kids schreien, johlen, klatschen sich ab. Irgendjemand schleift einen Stuhl über den Boden, drei Jungs trommeln mit Stiften auf die Fensterbänke aus Metall, geben sich gegenseitig den Rhythmus vor.
Heute wird eine dieser Doppelstunden werden, in denen kaum Unterricht möglich ist. Sie nimmt es achselzuckend hin. Die Jugendlichen sind nicht für sie da, sondern sie für die Jugendlichen, so ist der Deal.
Die meisten von ihnen scharen sich um eine Mitte, vorne neben Miras Lehrerpult. Eine Kampfarena, das erkennt sie auf den ersten Blick. Und auf den zweiten Blick erkennt sie auch, wem diese Arena gehört.
Haniya und Alex. Die Bienenkönigin und der sarkastische Außenseiter.
»Opfer«, schreit Haniya und stupst ihm gegen die Brust. »Ich erzähl’s meinem Freund, Mann, der macht dich fertig!«
Was Alex keinesfalls zu beeindrucken scheint. Ungerührt lehnt er sich vor. »Meinst du den Vollpfosten, der gestern vor der Schule auf dich gewartet hat?«
Ein paar Jungs johlen. Haniya reißt die Fäuste hoch und boxt Alex erneut gegen die Brust, diesmal mit voller Wucht. Er zuckt zurück und hebt ebenfalls die Hände, in Abwehr oder zum Gegenangriff.
Das kann Mira nicht zulassen. Sie steckt zwei Finger in den Mund und pfeift. Der schrille Ton ist ihre Geheimwaffe. Die Jugendlichen fahren zu ihr herum, manche weichen zurück, aufgerissene Augen, reflexhaft erhobene Hände. Ich war’s nicht.
Sie nutzt den Stillstand und bahnt sich einen Weg zwischen ihnen hindurch, tritt zwischen die beiden Streitenden. »Was ist hier los?«
Haniya keucht, die Fäuste immer noch vor der Brust. »Alex ist total gestört, Frau de Luca. Haben Sie ’ne Ahnung, was der getan hat?«
»Etwas, das dich wütend macht?«
»So was von!«, schimpft Haniya. Ihre Locken wogen wie schwarzer Samt, ihre Wangen glühen, unter ihrem hautengen Shirt mit der glitzernden Aufschrift BITCH bebt sie weiterhin vor geballter Empörung.
Mira legt eine Hand auf Haniyas Arm und drückt ihre Faust herunter. Sich Haniyas Respekt so weit zu verdienen, dass die das zulässt, war harte Arbeit.
Alex würde es dagegen als Affront empfinden, wenn sie ihn anfasst. Mit verschränkten Armen schaut er auf Mira herab, zwei Köpfe größer als sie. Wo Haniya Kurven hat, hat er Kanten, und einen argwöhnischen Blick wie ein Falke, der über den anderen kreist, weil er vor Nähe zurückscheut. Die anderen Lehrkräfte sehen in ihm vor allem einen Querkopf, der sich nie konzentriert. Mira denkt, dass er überaus klug und gewitzt ist, ausgerechnet die Schule aber der Ort ist, an dem er das am wenigsten zeigen will.
»Jetzt mal ganz ruhig und von vorn«, sagt sie. »Was ist los?«
»Nichts«, entgegnet er schroff.
»Von wegen!« Haniya reißt ein elektronisches Tablet von Miras Pult und hält es ihr hin. Und wie auf Kommando strecken die anderen Jugendlichen ihr ein Dutzend weiterer Tabletcomputer entgegen, manche feixend, andere entrüstet, allesamt schaulustige Anklagende. »Hier sehen Sie’s!«
Zuerst weiß Mira nicht, was sie sieht.
Dann erkennt sie es. Alle Displays zeigen heute als Sperrbildschirm ein Motiv, das eindeutig nicht dorthin gehört: ein Bild von Haniya. Eigentlich sind es zwei Fotos. Auf dem linken Foto wirft sie die Haare zurück, während sie sich die Lippen anmalt, knallrot und glänzend stechen sie vor ihrem dunklen Teint hervor. Auf dem rechten Foto kaut sie auf ebendiesen Lippen und beugt sich mit einer angestrengten Grimasse über ihr Schulheft.
Wenn dein Lippenstift teurer ist als dein IQ, steht darüber.
Das ist fies und ziemlich gut getroffen. Für eine Sekunde muss Mira ein Lachen unterdrücken.
Zum Glück bemerkt es Haniya nicht.
»Er hat das gemacht«, schreit sie und zeigt auf Alex.
Er hält immer noch die Arme verschränkt, sein Blick undurchdringlich.
Mira kann den Verdacht nachvollziehen. Alex hat schon häufiger boshaften, ironischen Humor bewiesen. Außerdem hat sie gesehen, wie er mit den Computern im Schulcafé umgeht: als wäre er mit ihnen verwachsen.
Er muss irgendwie an die Software der Schultablets gekommen sein. Seit letztem Jahr sind sie Leihgabe der Berliner Senatsverwaltung, jeden Nachmittag werden sie abgezählt und in den Schrank des Klassenzimmers gesperrt, damit niemand sie klaut. Aber wenn das einer schafft, dann er.
»Warst du es?«, fragt Mira ihn direkt.
Er zuckt mit den Schultern.
Mira starrt ihn nachdenklich an. Wenn er es war, versteht sie nicht, warum. Er, der sich nicht mit den anderen Kids, sondern immer nur mit den Lehrkräften anlegt. Der den Balanceakt beherrscht, ein Einzelgänger in der Klasse zu sein, aber trotzdem respektiert wird. Warum sollte er diesen Status aufs Spiel setzen, indem er sich ausgerechnet mit Haniya anlegt?
»Er hat Fotos von mir gemacht«, ruft Haniya. »Mit seinem Handy. Vorgestern, in Mathe. Tabby hat’s gesehen.«
Ihre Freundin nickt, die Brust vorgeschoben, auch ein paar andere aus Haniyas Anhängerschaft bestätigen es lautstark.
Mira nimmt Haniya das Tablet aus der Hand und studiert die beiden Fotos. Tatsächlich könnten sie von Alex’ Sitzplatz aus aufgenommen worden sein, der Winkel passt.
»Der ist so cringe.« Haniya spuckt das Wort vor seine Füße. »Gib’s doch zu, dass du’s warst. Weil ich dich abblitzen hab lassen auf Tims Party.«
»Loser«, ruft Tabby. Einige stimmen ein, andere halten dagegen.
»Ihr seid hier die Loser«, sagt Alex lässig. »Euer Neid ist mein Erfolg.«
Doch Mira sieht, wie sein Schuhabsatz fast manisch auf dem Boden wippt.
»Ruhe!« Sie hebt die Hände, um sich Gehör zu verschaffen. »Alle setzen sich. Mehmet, du auch. Nur Alex und Haniya, ihr zwei bleibt bei mir.«
Am Rand ihres Pults lehnt sie, wohlweislich zwischen Haniya und Alex, und wartet mit einer Geduld, die sie sich erst antrainieren musste. Turnschuhsohlen schleifen über den Boden, Stuhlbeine scharren, Rucksäcke werden murrend unter Tische gefeuert. Endlich fläzen sich alle auf ihren Plätzen, nur Aylin in der ersten Reihe sitzt aufrecht.
»Okay.« Mira nimmt das Tablet wieder zur Hand.
»Also, zuerst mal«, sagt sie gelassen. »Ergibt der Spruch auf dem Meme für euch überhaupt einen Sinn? Wäre doch eine interessante Welt, wenn man sich seinen IQ im nächsten Laden kaufen könnte wie einen Lippenstift.«
Ein paar lachen auf. Alex verzieht den Mund, Miras Spott verärgert ihn offensichtlich. Wahrscheinlich steckt er wirklich dahinter. Enttäuschung steigt in ihr auf.
Sie wendet sich ihm zu. »Hast du Haniya fotografiert?«
»Was geht Sie das an?«
»Es geht uns alle etwas an«, sagt sie. »Außerdem ist es mein Job, der Sache auf den Grund zu gehen. Zeig mir mal bitte dein Handy.«
Er grinst. »Hab’s nicht dabei.«
»Natürlich nicht«, seufzt sie. Sie muss es anders versuchen. Sie wendet sich an Haniya, deren Blick an ihr vorbei schwarze Pfeile auf Alex schießt.
»Als du den Text gelesen hast«, sagt sie zu ihr. »Wie ging es dir da?«
»Fuck, wie wohl!« Haniya zeigt ihre Zähne. »Als hätte mir jemand in den Rücken gestochen. Voll hinterhältig und echt verletzend.«
»Buhuhu! Melde dich doch bei Safe Space an, der App für Heulsusen«, schreit Mehmet. Aylin in der ersten Reihe zuckt zusammen.
»Von wegen Heulsuse«, sagt Mira. »Es gehört Mut dazu zu sagen, dass man verletzt wurde. Versetzt euch mal in Haniyas Lage. Es würde euch auch so gehen.«
»Mir nicht«, ruft Mehmet. »Ich schmier mir ja keinen Lippenstift ins Gesicht.«
»Würde dir aber stehen«, ruft jemand anders. Ein paar lachen. Mehmet verschränkt die Arme und schreit Beleidigungen zurück.
Mira hebt die Hand, um den Lärm zu durchbrechen. »Hört mal, Leute. Wir haben hier ja nicht nur den Text, der Haniya verletzt hat. Wir haben auch die heimlichen Fotos. Warum, meint ihr, ist es falsch, andere unbemerkt zu fotografieren?«
»Weil’s einfach nur cringe ist«, ruft Tabby. »Und gemein. Wenn man das noch anderen zeigt und so und sich drüber lustig macht.«
»Weil das nur Spanner machen«, eine andere. »Deshalb ist es vom Gesetz verboten, oder, Frau de Luca?«
»Das stimmt«, bestätigt Mira. »Es ist eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Die übrigens jeder von uns hat.«
»Dafür wanderst du in den Knast, Alex«, brüllt Mehmet.
»Was für ein Schwachsinn!« Alex lacht auf. »Niemand verknackt mich wegen zwei blöden Fotos.«
»Er gibt es zu!«, schreit Haniya. Sie setzt an Mira vorbei, auf Alex zu. Mira packt sie gerade noch rechtzeitig am Arm.
»Nicht so, Haniya.« Sie schiebt Haniya wieder zurück auf ihre Seite.
»Aber Sie haben ihn doch auch gehört!«
»Ja, das hab ich.« Ernst beugt sich Mira zu Alex hinüber, schaut ihm in die Augen, ohne zu blinzeln.
Alex’ Blick wird unruhig, als hätte sie ihn in die Ecke getrieben. Glaubt er, dass sie ihn vor der Klasse bloßstellen wird? Immerhin hat er mit Haniya genau das Gleiche gemacht.
Doch Mira schaut ihn nur an, versucht, wortlos die Mauer zu überwinden, die er um sich errichtet hat. Sie will dahinterblicken – und das soll er spüren.
Die Klasse ist zu ungeduldig, um das abzuwarten. Haniya zappelt schon neben Mira und gibt ihren Freundinnen irgendwelche Zeichen. Tabby kichert los, schrill, aufgedreht, und gleich steigt der Lärmpegel wieder an, Summen und Reden und Hampeln.
Mira blendet sie aus.
»Warum?«, fragt sie Alex leise. »Warum hast du das Bild auf die Tablets geladen?«
Jetzt, da die anderen nicht mehr zuhören, könnte er genauso leise eine ehrliche Antwort geben. Wenigstens ihr.
Doch sie hat zu viel erhofft. Er wendet sich ab.
»War doch witzig«, ruft er laut in die Klasse hinein.
»Finde ich nicht«, entgegnet Mira ebenso laut.
»Finden Sie doch.« Er starrt sie an.
Sie schüttelt den Kopf.
»Wer von euch hat gelacht?«, ruft er den anderen zu. »Ich wette, ihr alle!«
»Auch Haniya?« Mira hält Alex’ Blick fest.
Der Lärm ist nun überall. Die Jungs grölen, Haniya und ihre Freundinnen halten mit wüsten Beschimpfungen dagegen.
Und dann sagt Alex etwas, so leise, dass Mira sich vorbeugen muss, um ihn zu verstehen.
»Aber Sie haben doch auch gelacht«, murmelt er. »Ich hab’s gesehen. Und jetzt tun Sie so, als wären Sie was Besseres. Wen wollen Sie eigentlich verarschen? Sie sind genauso schuldig wie alle anderen.«
Sie zuckt zusammen. Und er sieht es. Seine Augen weiten sich. Sie wollte Alex nah genug kommen, um seine Mauer einzureißen, doch stattdessen hat er einen Blick hinter ihre getan.
Schuldig.
Und jäh ist es wieder da. Das Gefühl aus ihrem Traum, so intensiv, als wäre sie wieder dort. Sie greift nach der Tischkante, um sich festzuhalten. Spürt stattdessen schrundigen Fels unter ihren Fingern. Wind rauscht auf, der Erdboden rast auf sie zu.
Nein. Mach, dass es aufhört!
»Verflucht noch mal, stopp!«, schreit sie. »Stopp!«
Sie merkt erst, wie laut sie war, als Stille in ihren Ohren dröhnt. Auf einmal besteht ihre Klasse nur noch aus zwanzig Paar aufgeschreckter Augen und Ohren, alle auf sie gerichtet. Die Anspannung von zwanzig Teenagern, die sie beobachten, jederzeit bereit, in Deckung oder auf Angriff zu gehen.
Ihr Herz schlägt gegen ihre Brust wie eine geballte Faust. Auch sie ist erschrocken über sich selbst. Es ist ihr schon ewig nicht mehr passiert, dass sie im Unterricht so gebrüllt hat.
»Meine Güte.« Unauffällig löst sie ihre verkrampften Finger von der Tischkante. »Ich hab gar nicht gewusst, dass ihr so leise sein könnt.«
Vereinzelt vorsichtiges Grinsen. Die Spannung lockert sich. Alex blickt mit gerunzelter Stirn weg von ihr.
»Haniya und Alex, ihr setzt euch auf eure Plätze.« Sie bemüht sich um einen festen Tonfall. Jetzt sich bloß keine Schwäche mehr anmerken lassen.
»Aylin und Timo, ihr sammelt bitte die Tablets ein und legt sie auf mein Pult. Wir werden jetzt eine Übung dazu machen, warum das Bloßstellen anderer nicht in Ordnung ist.«
»Und das war’s?« Haniya wirft einen zornsprühenden Blick auf Alex. »Ich will, dass der beknackte Spanner das Bild löscht. Und ’ne Strafe kriegt. Und dass er sich bei mir entschuldigt.«
»Darüber reden wir, aber ohne Beleidigungen«, sagt Mira. »Setzt euch jetzt.« Auch sie geht um ihr Pult herum und lässt sich auf ihrem Stuhl nieder, froh über das harte Holz, an dem sie sich anlehnen kann.
Haniya schreitet zu ihrem Platz in der letzten Reihe, provozierend langsam, mit schwingenden Hüften. Timo und Aylin wandern ebenfalls durch die Reihen, vorbei an ausgestreckten Füßen, feixenden Grimassen, dann stapeln sie die eingesammelten Tablets vor Mira auf.
Als Mira Aylin zunickt, zieht das Mädchen die Schultern hoch und setzt ein hektisches Lächeln auf, als müsste sie ihre Lehrerin beschwichtigen.
Augenblicklich durchzuckt Mira schlechtes Gewissen. Sie darf die Kids nie wieder so anbrüllen, von denen so viele ihr eigenes Päckchen schleppen.
Alex wirkt dagegen nicht verunsichert. Er lümmelt sich auf seinem Stuhl, abgerückt von den anderen, und starrt aus dem Fenster. Das kaltklare Sonnenlicht von draußen lässt ihn hartkantig und blass erscheinen.
»Alex«, sagt Mira. »Du bleibst nach Unterrichtsschluss bitte hier.«
»Muss das sein?«, grummelt er. »Hab noch was vor.«
»Das musst du verschieben«, sagt sie schroff. »Du bringst mit mir die Tablets zu Herrn Meyer. Zeig ihm, wie du es geschafft hast, das Meme auf die Bildschirme zu spielen. Herr Meyer wird das Bild von allen Tablets entfernen. Und du wirst es von deinem Handy löschen oder wo auch immer du es gespeichert hast. Das wirst du mir schriftlich zusichern. Ich will, dass dieses Meme niemand jemals wieder zu Gesicht bekommt, außer Haniya will es anders.«
»No way«, ruft Haniya von hinten. »Ich will nur, dass es weg ist.«
Mira nickt. »Da hörst du es. Außerdem finde ich auch, dass eine Entschuldigung an Haniya angebracht ist.«
»Vergessen Sie’s.« Mit verschränkten Armen schaut Alex ihr in die Augen. »Sie hat das blöde Meme so was von verdient.«
Er lässt ihr keine Wahl. »Dann wirst du das restliche Halbjahr ohne Tablet auskommen«, schießt sie zurück. »Und der Zugang zum Computercafé ist für dich auch gestrichen.«
Er reißt die Augen auf. Damit hat er nicht gerechnet.
»Echt jetzt?«, ruft Tabby. »Ist ja krass.«
Auch die anderen reden ungläubig los. Im schulinternen Computercafé laufen alle sozialen Fäden der Mittel- und Oberstufe zusammen. Dort ist ihr wichtigster Treffpunkt in den Pausen, eine sichere Zuflucht vor den Lehrkräften. Die Jugendlichen betreiben es selbst, die PCs hat ein Sozialprojekt gesponsert, ebenso die Games, die sie in den Freistunden zocken dürfen. Noch nie hat es dort für jemanden Hausverbot gegeben.
»Das können Sie nicht machen.« Bestürzung steht in Alex’ Blick. »Das ist unfair! Ich wollte doch nur einen Scherz machen, wusste ja nicht, dass Sie das so tierisch ernst nehmen.«
Endlich hat sie ihn aus der Reserve gelockt. Nur dass es jetzt kein Zurück mehr gibt, weder für ihn noch für sie.
»Deine Strafe ist nur die Konsequenz aus deinem Verhalten«, stellt sie klar. »Warum sollte ich dir weiterhin unbewachten Zugang zu den Computern und Tablets der Schule erlauben? Das Vertrauen hast du selbst verspielt.«
»Von wegen Vertrauen!« Er ballt die Fäuste. »Sie haben von Anfang an gedacht, dass ich es war.«
»Was ich gedacht habe, spielt keine Rolle«, gibt sie zurück. »Es geht darum, was du denkst.«
In einem jähen, wütenden Impuls wirft sie ihm einen Bleistift und einen Notizblock hinüber. »Wir werden sehen, ob du deine Tat nicht bereust, wenn du ab jetzt im Unterricht alles mit der Hand schreiben musst.«
Die anderen johlen. Haniya lacht hell und triumphierend und gibt ihren Freundinnen in der letzten Reihe High fives, bis Mira sie wieder zur Ruhe bringt.
Die Arbeitsblätter mit den Übungen zum Konjunktiv lässt sie für heute in ihrer Tasche. Stattdessen leitet sie spontan ein Rollenspiel zum Thema Mobbing an. Über die Hälfte der Schüler steigt ein, ein echter Erfolg. Nur Alex sitzt starr und steif hinter seinem Tisch. Er zerknüllt die Blätter des Notizblocks in der Hand, eins nach dem anderen, und sein Blick brennt Mira bis zum Ende der Stunde Löcher in die Haut.
Hallo, Computer!
Die Trauertherapeutin in Kreuzberg hat zum Abschied gesagt, ich soll Tagebuch schreiben. Weil so viel Neues auf mich zukommt, dann kann ich damit meine Gedanken ordnen. Ein Tagebuch sei wie ein geheimer Brief, sagte sie. Und dann hat sie mir ein pinkes Buch mit so einem kitschigen Schloss geschenkt, auf das sie bereits meinen Namen geschrieben hat, wahrscheinlich, damit ich es nicht verschenke. Katharina von Hohenberg.
Ich habe angemerkt, dass ein Brief aber an jemanden adressiert sein müsse. Und sie hat erklärt, ich solle das Tagebuch einfach an meine tote Mutter schreiben.
Ich konnte es kaum glauben. Ich kann keine Briefe an eine fliederfarbene Urne richten, die bald sechshundert Kilometer von mir entfernt mutterseelenallein in einer verschlossenen Wandnische steht. Aber an meine echte Mama, an die kann ich erst recht nicht schreiben.
Immer noch glaube ich ständig, sie würde im nächsten Moment zur Tür reinkommen, in einem ihrer schimmernden Hosenanzüge, als wäre sie nur im Büro gewesen. Sie hätte auf dem Heimweg noch kurz Sushi von Sakuri besorgt, und beim Essen würde sie ihre schrägsten Kunden des Tages nachahmen, bis wir vor Lachen unterm Tisch liegen. Diesen Moment würde sie nutzen, um sich den Rest der Wasabi-Soße unter den Nagel zu reißen.
Wenn sie mich hier erwischen würde, würde sie sagen: »Was sitzt du schon wieder am Computer, geh doch mal raus und hab Spaß!«
Sie hat immer Sorge gehabt, dass ich etwas verpasse. Und jetzt verpasse ich sie, für die restliche Zeit meines Lebens.
Nach dem Unfall hatte ich erst nur den Kratzer an der Stirn und eine Gehirnerschütterung. Aber als die Polizei uns mitteilte, dass sie gestorben ist, ist mein Kopf in Millionen Teile zersprungen. Alle Erinnerungen und Gedanken, einfach kaputt. Es hat Tage gedauert, bis die Tabletten wirkten und ich das Gefühl hatte, wieder ganz zu sein. Hätte ich mich selbst instand setzen können, dann hätte ich all das weggelassen, was wehtut. Alle Zweifel, alle Vorwürfe. Alle was wäre gewesen, wenn.
Am liebsten würde ich nur noch aus Nullern und Einsern bestehen, wie du.
Computer weinen nicht.
Ich weine die ganze Zeit.
Einmal pro Woche werde ich jetzt Tagebuch führen, jeden Samstag, ein fester Termin in meinem Wochenplan. Das pinke Buch habe ich weggeworfen. Ich schreibe meine Briefe an Dich.
Du bist nie überrascht oder wütend oder durcheinander, und Du würdest nie deine Mama anrufen, heulend wie ein Baby, damit sie Dich aus dem Theaterkurs rettet. Du würdest wissen, dass sie dann mit dem Auto viel zu schnell durch die Stadt rast.
Deine Codes sind ein Universum aus klaren Regeln, eine binäre Dyade aus zwei einzigen Zahlen, einfach, klar, schön.
Dya. So werde ich Dich nennen.
In der letzten Doppelstunde unterrichtet Mira als Krankheitsvertretung Deutsch in der Willkommensklasse der Kleinen, was bedeutet, dass sie mit ihnen Spiele spielt, sie mit Buntstiften Buchstaben malen lässt und von ihnen angehimmelt wird. Es ist wie ein Auftanken, dessen Energieschub allerdings nur anhält, bis sie nach Unterrichtsschluss wieder bei ihrer Zehnten ankommt.
Die Jugendlichen strömen aus dem Klassenraum, längst wieder gleichgültig gegenüber dem, was heute passiert ist. Die meisten haben ihre Handys in der Hand, die nach Unterrichtsschluss auf den Fluren geduldet werden – zumindest von den Lehrkräften, die ein Auge zudrücken, wie Mira.
»Alex hat sich schon abgesetzt«, informiert Mehmet sie.
Als sie einen unterdrückten Fluch ausstößt, wird sein Grinsen noch breiter, doch Tabby springt ihr zu Hilfe. »Alex geht immer hinten raus zur Straßenbahn. Vielleicht erwischen Sie ihn noch.«
Dankend winkt sie ihr zu und eilt den Gang entlang zum hinteren Treppenhaus.
Nur als Notausgang nutzen, sagt das kleine, aufgeklebte Schild, direkt unterhalb des freundlich türkisen Werbeplakats mit dem Schriftzug:
Safe Space – Gemeinsam gegen einsam.
Fühlst du dich alleingelassen? Gemobbt? Hier findest du deine digitale Zuflucht.
Gerade als Mira das Treppenhaus betritt, klappt unten die Ausgangstür. Durch die Fenster sieht sie Alex’ braunen Haarschopf unten auf dem Fahrweg.
»Das kann nicht wahr sein.« Erzürnt eilt sie die Treppe hinunter. »Alex!«
Ihre Stimme schallt über die Zufahrt. Vom Gebäudedach flattern aufgeschreckt ein paar Tauben in den blauen Herbsthimmel, vorn auf dem Bürgersteig drehen sich alle Kinder zu ihr um. Alle außer Alex. Der beschleunigt noch seinen Schritt. Denkt er, er könnte sie abschütteln?
»Na warte«, knurrt sie. Seinen Namen rufend, eilt sie hinter ihm her, vorbei an den niedrigen Betonmauern, die den Pausenhof umschließen, dahinter die aufgeregten Stimmen der Schulkinder, die für heute zurück in die Freiheit entlassen wurden.
Schon mischt sich Alex ins Gewühl, das sich vom Schultor auf die Bürgersteige ergießt und sich dann nach rechts und nach links verteilt, zur Fußgängerampel oder zur Straßenbahnhaltestelle, überall wogen die bunten Rucksäcke und Anoraks vor dem Grau des Betons.
Alex wendet sich Richtung Haltestelle. Miras Ruf geht unter im Geschrei der Kinder, die sich zwischen Litfaßsäulen und Schilder quetschen, am Bordstein knapp vor den Autos. Ein paar grüßen ihre Lehrerin fröhlich, die meisten ignorieren sie, sie bahnt sich einen Weg durch sie hindurch.
»Alex!«
Dort vorn ist er, noch fünfzehn Meter entfernt. Ein dumpfes Rattern kündigt die Ankunft der Straßenbahn an. Schon biegt sie um die Ecke und kommt mit einem schrillen Quietschen zum Stehen. Alex springt in einen Waggon. Die anderen Schulkinder drängen nach vorn, um ebenfalls einzusteigen.
Mira stemmt sich gegen den Strom und stößt einen leisen Fluch aus. Sie kann nicht in die Bahn einsteigen. Ihre Tasche mit Geldbeutel und Handy steht im Lehrerzimmer, ihr Arbeitstag ist noch nicht zu Ende.
Was ist mit Alex los? Ihm muss doch klar sein, dass er vor ihr nicht davonlaufen kann.
Sie dachte, sie kenne ihn. Ihren klügsten Schüler. Eigenwillig, stolz, viele Fehlstunden. Verweise anderer Lehrkräfte wegen verbaler Provokationen, aber körperlich wird er nie. Aus seiner Akte weiß sie, dass er eine alleinerziehende Mutter hat, einen Bruder mit Vorstrafe, Migrationshintergrund – aber Letzteren haben alle hier.
Jetzt sieht sie ihn. Fünf Schritte entfernt steht er an einem der Fenster. Sie hebt die Hände zu einer genervten, fragenden Geste. Doch er starrt sie nur an, seine dunklen Augen bohrend, reglos. Und dann zieht er sein Handy aus der Tasche und presst es an die Scheibe. Richtet die Linse auf sie. Fotografiert er sie etwa?
In dem Augenblick fährt die Bahn mit einem Rucken an. Mira widersteht dem Reflex zurückzutreten und bleibt an der Gehsteigkante stehen. Wut pulsiert in ihrer Brust. Nur eine Armlänge von ihr entfernt rattert die Bahn an ihr vorbei. Sie öffnet den Mund, um Alex anzublaffen, als er an ihr vorbeigleitet, ganz nah und doch durch die Glasscheibe getrennt.
Dann sieht sie es. Wie hinter seinem Handy sein Mundwinkel zuckt. Sein Blick hat etwas Hämisches. Er wartet darauf, dass sie die Beherrschung verliert. Er filmt sie.
Warum tut er das?
Und plötzlich weicht ihre Wut. Das beklemmende Gefühl einer Vorahnung erfasst sie.
Ihr wird schwindelig. Als glitte nicht die Straßenbahn an ihr vorbei, sondern sie an ihr, als hätte die Welt ihren Halt verloren.
Sie tritt einen Schritt zurück. Die Bahn rumpelt schneller. Mit zusammengepressten Lippen schaut sie Alex hinterher, die Spiegelung seines Handys in der Scheibe wie ein kaltes, starrendes Auge.
Hallo, Dya!
Ich bin immer noch traurig. Die ganze Zeit eigentlich. Selbst wenn ich nicht daran denke, ist die Traurigkeit da wie eine bleierne Wolkendecke, die mich niederdrückt. Manchmal ist sie so schwer, dass ich gar nichts anderes fühlen kann.
Wir sind umgezogen. Die meiste Zeit beim Packen haben wir gestritten. Auf Pas und meine Weise, also passiv aggressiv, wie Mama es genannt hätte. Pa hat ihre Sachen zur Mülltonne getragen, ich hab sie wieder hochgetragen. Er hat sie vor die Tür gestellt, ich hab sie wieder reingeholt, geordnet und in Kartons gepackt. Jetzt stehen die Kisten voller Erinnerungen im Keller, und wir reden weiterhin nicht darüber.
Unser neues Zuhause ist ein komisches Doppelhaus mit dicken Steinwänden, kleinen Fenstern und tief herabgezogenem Schrägdach. In einem Dorf namens Tannwinkel, das sich zwischen den waldigen Hängen duckt. Ständig hängen Wolken in den Bäumen wie Spinnweben, manchmal begräbt uns dichter Nebel, sodass kaum Tageslicht durchkommt. Tannwinkel ist wie meine Traurigkeit, denke ich.
Und überall um das Dorf herrscht der Wald. Wenn ich in ihn hineinschaue, ist er wie ein Bild, das aus zu vielen grünen Pixeln besteht, ich kann vor lauter Details nichts erkennen. Nur Nadeln, Stämme, Schatten, undurchdringliches Dickicht. Würde ich ihn betreten, würde ich mich sofort verlaufen.
Game over im Bayrischen Wald.
Ich wünschte, ich wäre in einem Computerspiel. Das könnte ich besser aushalten.
Pa liebt den Wald. Seine Großeltern haben hier in Tannwinkel gewohnt, er verbrachte alle Ferien bei ihnen. Sie hatten zehn Hühner, die alle Resi hießen, ein echtes Storchennest auf dem Schindeldach und ein Plumpsklo. Pa musste von Westberlin zehn Stunden mit dem Zug herfahren und dreimal umsteigen und am Schluss wahrscheinlich mit der Pferdekutsche den Berg hoch, damit zog ihn Mama immer auf. Jedes Jahr schwärmte er davon, wie gut ihm die Sommer hier getan hätten.
Bäume sind die besten Therapeuten, sagte er, wenn er uns im Wanderurlaub durch den Harz oder den Brandenburger Wald scheuchte. Niemand kann so gut zuhören wie sie.
Damals haben wir die Augen verdreht und über ihn gekichert.
Ich hätte nicht gedacht, dass er Ernst macht, nur, um bei seinen bayrischen Bäumen zu sein. Dabei hätte ich die Anzeichen erkennen können. Als Schriftsteller kann Pa arbeiten, wo er will, und die Trauertherapeutin hatte für mich einen Ortswechsel empfohlen.
Aber ich war nur in meinem Zimmer oder im Internet, um alle Gedanken wegzuzocken. Als ich wieder langsam auftauchte und verstand, wie ernst es Pa war, hatte er unsere Berliner Wohnung schon gekündigt und die Umzugswagen bestellt.
Als ob der Ort, an dem wir wohnen, etwas ändert. Wohin wir auch umziehen, Mamas Fehlen nehmen wir mit und die Traurigkeit auch.
Als Mira ins Lehrerzimmer kommt, herrscht dort noch Hochbetrieb. Es duftet nach frischem Kaffee und Lebkuchen, hinten an den drei runden Tischen haben sich die meisten Lehrkräfte versammelt, die sich in mehreren Gruppen leise, aber lebhaft unterhalten. Die Progressiven, die Traditionalisten, jene, die nur noch ihre Zeit bis zur Rente absitzen – feste Cliquen, die gibt es nicht nur unter den Schulkindern.
Mira hat Fabio. Ansonsten zieht sie ihr eigenes Ding durch.
Sie geht zur Schrankwand und prüft ihr Postfach auf Nachrichten. Im Schließfach warten die Deutschaufsätze aus der 8 b, die sie heute Nachmittag korrigieren wollte, doch sie fühlt sich außerstande, sich jetzt darauf zu konzentrieren.
Lieber füllt sie zwei Tassen Filterkaffee an der betagten Kaffeemaschine auf. Eine Tasse ergänzt sie mit Milch und zwei Würfelzucker, die andere lässt sie, wie sie ist.
Fabio sitzt schon an ihrem Stammplatz, die Lesebrille auf der Nase. Seine Stirn ist vor Konzentration gerunzelt, und er kratzt sich mit einer Hand im Bart, mit der anderen Hand kritzelt er etwas in ein Heft. Zärtlichkeit steigt in ihr auf. Er wirkt immer ein bisschen zerknautscht, ihr Bär. Als wäre er gerade erst aufgestanden. Von hinten beugt sie sich über ihn und drückt ihm einen Kuss auf die Wange.
Er fährt herum. »Mira.« Seine dunkelbraunen Augen leuchten auf. Sie gibt ihm die Tasse mit Milch und Zucker, dann lässt sie sich mit einem Seufzen auf den Stuhl neben ihn fallen.
»So schlimm?«, fragt er.
»Noch schlimmer.« Am liebsten würde sie sich an seine breite Brust kuscheln, um ihren Ärger herunterzukühlen. Doch sie sind nicht zu Hause, und sie hat keine Lust, im Kollegium zum Tratschthema der Woche zu werden.
»Ach je«, murmelt er. »Hast du eine Überdosis Teenagerhormone abbekommen?«
»Eher eine Überdosis von der schönen neuen Technikwelt.«
»Cara mia.« Er streicht sich über den Bart. »Du hast dich doch nicht wieder mit dem Kopierer angelegt?«
»Wenn es nur das wäre.« Widerwillig muss sie schmunzeln, er lächelt zurück. Sie angelt nach ihrer Kaffeetasse, trinkt gierig. Auch er leert seine Tasse fast in einem Zug. Die Koffeinsucht verbindet sie ebenso wie die Leidenschaft für ihren Beruf. Die Arbeit an der Gemeinschaftsschule hat sie vor sechs Jahren zusammengebracht. Nur ein Jahr später haben sie geheiratet. Damals war sie dreißig und gerade mit dem Referendariat durch, er war schon ein erfahrener Lehrer, zehn Jahre älter als sie.
Er unterrichtet seit jeher die Kleinsten – aktuell ist er Klassenlehrer einer ersten Klasse, und die Schulkinder lieben ihn fast so sehr wie ihre eigenen zwei Jungs, die vor dreieinhalb Jahren auf die Welt kamen.
Sie erzählt ihm von Alex’ Aktion mit dem Meme. Nur dass er sie an der Straßenbahn gefilmt hat, erzählt sie ihm nicht. Er würde merken, wie sehr sie das aufgeregt hat, und nachhaken. Sie will aber nicht, dass sie über sie reden.
»Die Tablets habe ich zu Meyer gebracht«, sagt sie stattdessen. »Er war nicht gerade glücklich darüber, sämtliche Geräte auf Werkseinstellung zurückzusetzen.«
»Kann ich mir vorstellen.« Fabio nickt. »Hat er eine Ahnung, wie dein Schüler es angestellt hat?«
»Alex hat offensichtlich das Admin-Passwort geknackt. Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist«, sagt sie. »Ich muss einen Weg finden, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen, bevor er seine Zukunft aufs Spiel setzt.«
Fabio versteht sofort, worauf sie anspielt. »Du hast dem Direktor den Vorfall noch nicht gemeldet?«
Sie nickt. »Dass der sich einschaltet, ist das Letzte, was ich jetzt brauche.«
Doktor Braun, der immer Krawatte trägt und Wert darauf legt, mit Titel angesprochen zu werden. Sie und er haben ziemlich unterschiedliche Auffassungen von Pädagogik.
»Wenn er Alex zu einer Strafpredigt in sein Büro bestellt, wird der Junge endgültig zumachen. Mir vertraut er. Das dachte ich zumindest. Ich hätte ihn nicht so hart anfassen sollen –« Ihre Stimme bebt.
»Von wegen hart anfassen«, meint Fabio. »Er hat Mist gebaut, du warst nur konsequent. Non pensarci troppo. Mach dir keine Gedanken. Der Junge ist fünfzehn, si? Mitten in der Pubertät. Und wem hat er mit dem lustigen Bild schon groß geschadet? Haniya Khan kann das verkraften. Vielleicht ist es sogar gut, dass ihr mal jemand ihre Grenzen aufzeigt. Meine Kleinen haben alle Angst vor ihr, weil sie sie auf dem Pausenhof herumschubst.«
»Darum geht es nicht«, widerspricht Mira. »Eine Schikane wird nicht einfach harmlos, nur weil das Opfer stark wirkt. Gerade die Selbstbewussten sind nicht immer so stabil, wie man auf den ersten Blick meint.«
»Aber hier geht es um Haniya.« Er zwinkert. »Die Bienenkönigin, wie du sie nennst. Um die musst du dir wegen eines Bildchens wirklich keine Sorgen machen.«
Sie beißt sich auf die Lippen. Er versteht es nicht. Dass sie sich um sie alle sorgt. Sich verantwortlich fühlt für alles, was in ihrem Unterricht vorgeht, und darüber hinaus. Dass sie Lehrerin geworden ist, um einen Unterschied im Leben der Kids zu bewirken. Was ihr oft auch gelingt, aber eben nicht oft genug.
»Du könntest ihnen diese neue App auf die Tablets laden«, sagt Fabio. »Safe Space.« Er deutet auf das türkise Plakat, das auch hier im Lehrerzimmer an der Wand hängt. »Da kann man sich mit einem Bot über seine Probleme unterhalten, und der moderiert auch Gruppen zum Thema Mobbing. Das soll ziemlich gut sein.«
»Man unterhält sich mit einem was?«, fragt Mira müde.
»Einem Chatbot. Das ist ein Computerprogramm, das wie ein menschlicher Gesprächspartner auf Fragen antworten kann. Soll erstaunlich gut funktionieren für die Kids. Mit einem Computer redet es sich manchmal besser als mit einem Erwachsenen.«
»Dass man sich Erwachsenen nicht leicht anvertraut, kann ich verstehen.« Sie reibt sich über die Augen. »Der Rest gehört für mich zum gleichen Mumpitz wie ein sprechender Kopierer.«
Fabio legt ihr die Hand auf den Arm. »Was hältst du davon: Ich räume die Tassen weg, dann fahren wir heim. Ich hole Theo und Elias bei Nonna ab. Und du gehst eine große Runde joggen. Powere dich aus, das macht deinen Kopf wieder frei.«
»Danke.« Sie atmet tief durch.
Sein Gang zur Lehrerküche ist kraftstrotzend und ein bisschen tapsig – ihr Bär, auf dessen Unterstützung sie immer zählen kann. Genauso wie er auf ihre.
Außer ihn und die Jungs braucht sie niemanden. Erst recht keinen ratgebenden Computer.
Ihr gemeinsames Lachen, kaum gemindert durch die Anstrengung von Windeln und Wäschebergen, getrockneten Tränen und durchwachten Nächten. Das Band, das sie zusammenhält, die Familie, die sie nicht verdient hat. Selbst für ihre Schwiegermutter, die heute nach der Kita auf Theo und Elias aufpasst, ist sie manchmal dankbar.
Wieder sieht sie Alex vor sich, wie er am Fenster dieser Straßenbahn steht. Wo ist er mit der Tram hingefahren? Ist sein Zuhause ein Zufluchtsort? Oder ein Ort, den er meidet?
Sein Verhalten war ein Hilfeschrei, ist sie sich sicher. Und doch schaudert sie, als sie an das Handy denkt, das er auf sie gerichtet hat. Die blinkende Linse wie ein Spiegel, ein starrendes Auge, das direkt in sie hineinblickte.
Es hat ihr einen Schreck eingejagt.
Sie hat immer geglaubt, dass die schwierigsten Kids ihr vertrauen, weil sie in ihr eine verwandte Seele spüren. Eine, die wie sie die dunkle Seite gesehen hat. Die sie verstehen kann.
Aber in diesem Fall ist es mehr. Alex und seine Kamera gaben ihr das unbehagliche Gefühl, dass sie zu tief in sie hineingeblickt haben. Nämlich bis zu jenem dunklen Grund, wo etwas lauert, das sie nicht einmal selbst sehen will.
Hallo, Dya!
Heute ist Montag, aber am Samstag konnte ich mich einfach nicht aufraffen, Dir zu schreiben. Ich will immer nur schlafen.
Heute Morgen ließ Pa jedoch nicht locker, bis ich mich aus dem Bett gequält hatte. Um halb sieben muss ich jetzt immer schon das neue Haus verlassen. Es ist so still hier. Der Nebel verschluckte die Bäume, den Himmel, lautlos nieselte es Bindfäden, nicht mal ein Vogel sang.
Pa sah genauso müde aus, wie ich mich fühlte. Vielleicht hat er die ganze Nacht an seinem nächsten Buch geschrieben. Testosterongeschwängerte Männersagas, so hat Mama seine dicken Wälzer immer genannt. Sie las nur Sachbücher über Marketing. Pa sagt, seine Bücher seien historische Abenteuergeschichten. Er ist ziemlich erfolgreich damit.
Oder er schrieb an der Rede, die er jetzt für mich anstimmte.
Er nannte den heutigen Tag einen Neubeginn. N E U B E G I N N. In Großbuchstaben. Und sagte, dass der erste Tag in einem neuen Leben immer der schwerste wäre. Wie das Betreten eines neuen Levels im Computerspiel – wenn man keine Ahnung von den Regeln hat, über unerwartete Hindernisse stolpert und einfach nur hofft, dass man sich nicht gleich in den ersten Minuten verläuft. Aber dass man es schafft, wenn man nur an sich glaubt.
Ich habe nur genickt und gegen den Kloß in meinem Hals angeschluckt. So viele Worte hatte er seit Tagen nicht mehr zu mir gesagt. Er gab sich wirklich Mühe. Auch wenn er keine Ahnung von Computerspielen hat. Und obwohl er mich gezwungen hat, hierher zu ziehen.
Das Schlimmste ist, dass es in unserem neuen Haus keinen Internetanschluss gibt. Kannst Du Dir das vorstellen? Unsere neuen Nokias haben hier auch kaum Empfang, das Dorf ist ein einziges Funkloch. Wir haben Herrn Wagner gefragt, unseren Vermieter. Er ist alt und humpelt in wetterfester Jacke und tarngrünen Hosen herum, sodass nur noch die Jagdflinte über seiner Schulter fehlt. Wenn er redet, klingt es, als ob er einen ausschimpft. Pa tut zwar so, aber er versteht auch kein Wort. Nach einigem Hin und Her hat uns Herr Wagner ein 56-K-Modem gebracht, das sich über das Telefon piepend ins Netz einwählen muss. Ständig fliegt es aus der Leitung.
Pa tut es zwar leid, dass wir hier kein Glasfaserkabel haben, aber wie schlimm es für mich ist, versteht er nicht. Dass ich das Internet brauche, so, wie er seine Bäume braucht. Wenn ich mit meiner Gilde in Warcraft III auf Feldzüge gehe, muss ich nicht über mein Leben nachdenken. Und ich muss nicht weinen.
Heute Morgen habe ich meine Tränen heruntergeschluckt. Pa zupfte an meinem Rucksack herum, in dem ich in der Früh noch alle Stifte gespitzt und die leeren Hefte nach Größe sortiert hatte, und die Nachbarn sahen uns dabei zu. Ich stülpte mir die Kapuze über den Kopf. »Ich schaff das, Pa.«
Bevor er mich umarmen konnte, trat ich weg und stopfte meine Hände tief in die Taschen meines Armeeparkas. Dort unten schabe ich mit den Fingern über den Stoff, wenn ich angespannt bin, auf und ab, auf und ab. Der Stoff ist schon ganz abgewetzt, aber es fühlt sich gut an, irgendwie geborgen. Eigentlich ist es Pas Parka, aber meine Klamotten passen mir nicht mehr. Ich wachse und wachse. Als wollte mein Körper mir beweisen, dass ich nach dem Unfall noch am Leben bin.
Früher hat Mama meine Klamotten gekauft. Benetton-Pullover in Flieder und Mint, weil die Farben zu meinem Teint passen. Den weichen hellgrauen Wollmantel aus dem KaDeWe (sie schmiegte sich immer genießerisch an mich, wenn ich ihn trug, ich hab ihn weggeworfen). Hüftjeans von Levis, aber die edle Variante, nie Used Look. Guter Stil ist der Weg zum Ziel, sagte sie immer. Mama hatte am meisten Stil von uns allen und wird trotzdem ihr Ziel nie mehr erreichen.
»Tschüss, Kathi«, sagte Pa. »Denk an den Busfahrplan.«
»Der ist schon hier drin.« Ich tippte mir an die Stirn und wandte mich dem Weg zu. Aber ich war nicht schnell genug.
»Warte, Kat!«
Bei unseren Nachbarn entstand Bewegung. Susa schob ihre Geschwister aus dem Weg, warf atemlos noch eine Kusshand für ihre Eltern in die Luft, schwang ihren pinken Eastpak-Rucksack auf den Rücken und rannte mir nach. »Warte doch!«
Heute trug sie eine weiße Jeansjacke und einen Gürtel mit Glitzernieten, und ihr Strahlen um diese frühe Uhrzeit war wie eine 400-Watt-Birne, viel zu hell. Susa ist fünfzehn, ein Jahr jünger als ich. Kat nennt sie mich und spricht es aus wie das englische cat, weil es viel cooler klingt als Kathi.
Crazy. Awesome. So redet sie ständig. Und dazu der süddeutsche Dialekt, der bei ihr irgendwie süß klingt, wenn ich genug Konzentration aufbringe, ihr zuzuhören.
Sie findet, wir sind Freundinnen, ich bin mir da nicht so sicher. Sie will wie Christina Aguilera sein, und ich will vor allem allein sein.
Aber die Richters fragen nicht, sie tun, was sie für das Richtige für alle halten. Susas Mutter hat uns mit selbst gebackenem Osterzopf, Bauernhofeiern und Blumenstauden für den Garten versorgt und schon zweimal zum Abendessen eingeladen.
Sie sind schon okay. Aber es ist anstrengend, eingezwängt um ihren Eichentisch zu sitzen, während sie ständig durcheinanderreden. Die Heizung ist zu warm aufgedreht, und außerdem versucht Frau Richter ständig, mich dazu zu bringen, Fleisch zu essen, weil ich zu dünn und zu blass bin.
Die Richters sind auch in den Osterferien hergezogen, allerdings nur aus Passau, eine Stunde entfernt. Herr Richter hat einen Job als Buchhalter im Tannwinkler Sägewerk übernommen. Vorher war er wohl lange arbeitslos.
Das Schlimme ist, dass alle fünf Richters uns mit diesem Blick anschauen, wenn sie glauben, wir merken es nicht – sogar die kleine Greti hat ihn schon drauf. Den Mitgefühlblick, so nenne ich ihn. Er gibt mir das Gefühl, ganz komisch und ausgeliefert zu sein.
Mama war es wichtig, dass ich unter Menschen kam. Werd ja keine Eigenbrötlerin wie dein Vater, sagte sie immer und zog den Stecker aus meinem Computer, um mich zu Shoppingtouren und in Kunstausstellungen zu entführen.
Wenn Pa und ich herumsaßen, ohne zu reden, frotzelte sie über das Schweigen der hohen Berge (wegen unseres Nachnamens von Hohenberg, und weil Pa und ich beide groß sind, verstehst Du?). Heute würde ihr unser Schweigen wie der Mount Everest vorkommen.
Aber manchmal stelle ich mir vor, dass Pa was zu mir sagt. Wenn er die Augenbrauen zusammenzieht und konzentriert an mir vorbei starrt, erzählt er von seinem nächsten Buch. Wenn er aussieht, als täte ihm etwas weh, spricht er von Mama. Dann setze ich meine Kopfhörer auf, um nicht zuhören zu müssen.
Heute früh hab ich mir auch meine Kopfhörer gewünscht. Susa redete nonstop und hakte sich bei mir unter. Nur weil Pa uns hinterherblickte, ließ ich das zu.
Wir gingen auf dem Fahrweg, der nass vom Regen glänzte, die wenigen Meter hoch ins Dorf. Vereinzelt traten jetzt Baumwipfel und Häuser aus dem Nebel hervor. Als ich mich umdrehte, merkte ich, dass uns doch niemand hinterherschaute. Susas Eltern trieben bereits Susas kleine Geschwister zum Auto, Pa war verschwunden.
Ich wühlte meine Hände tiefer in die Taschen.
Susa redete über irgendeinen Film, dann versuchte sie, mich dazu zu überreden, zum Leichtathletik-Training zu gehen, was aber das Letzte ist, was ich je tun würde. Schließlich landeten wir beim Thema Busfahrt. »Die Fahrt dauert über eine halbe Stunde, das ist crazy«, sagte sie. »Im Winter braucht der Bus Schneeketten.«
»Wir sind hier sehr weit weg von anderen Dörfern«, stimmte ich zu. Unser Elend darüber verband uns wohl am meisten.
»Immerhin haben wir uns«, seufzte sie.
Mit seinen 200 Einwohnern müsste Tannwinkel eigentlich winzig sein. In Berlin hätten die in drei Häuser gepasst. Aber hier zieht sich der Weg in die Länge, weil die Häuser breit und ausladend sind, und jeder hat noch einen Garten, Scheunen und einen Hof, in dem große Autos mit verschlammten Reifen stehen, manchmal sogar Traktoren. Dafür gibt es keinen Bürgersteig. Und es ist still. Außer uns war nur ein kleiner Junge unterwegs. Er trippelte ein Stück hinter uns her, so eilig, als wollte er uns einholen. Kurz fragte ich mich, ob er das einzige Kind in diesem Geisterdorf war.
Wir kamen an der verlotterten Gaststube Hacklwirt vorbei, dann an Rosis Dorfladen mit den Schnäpsen und handgeschnitzten Holzfiguren im Schaufenster. Ein Haus hat eine Gruppe Gartenzwerge im Vorgarten stehen, die mich komisch anglotzten. Dahinter sticht die Kirche ihren Zwiebelturm durch die Wolken. An der Friedhofsmauer, wo die Dorfstraße zur Landstraße wird, direkt vor dem Ortsschild, ist die Bushaltestelle. Die einzige im Dorf, und der Bus fährt auch nur in eine Richtung – raus aus Tannwinkel, immerhin.
Hier drückten sich ein paar Kinder herum. Susa stolperte über den Rinnstein, ich hab sie gerade noch festgehalten. Sie zupfte an ihrem Haar, das vom Regen an ihrem Kopf klebte wie Spaghetti. »Passt der Pony so?«
»Er ist nass«, sagte ich ehrlich. Sie strich ihn sich mit einer Grimasse aus der Stirn.
»Weißt du, wie viele Leute in unserem Alter es hier gibt?«, fragte sie. »Nur fünf oder so. Wenn wir unter denen keine Freunde finden, sind wir verloren, Kat.« Angestrengt lugte sie nach vorne. »Die drei im Bushäuschen«, wisperte sie dann. »Die waren nach dem Ostergottesdienst auf dem Friedhof und haben heimlich geraucht. Die sind cool. Wir müssen sie ansprechen!«
Die Kinder verrenkten sich fast ihre Köpfe, während Susa an ihnen vorbeiging, mich in ihrem Schlepptau. Direkt auf das Bushäuschen zu.
Ich brauche keine Freunde. In Berlin hatte ich zwei. Nach dem Unfall hatten wir über ICQ gechattet. Als ich wieder in die Schule kam, war es jedoch plötzlich komisch. Als könnte ich nur mit ihnen schreiben, aber nicht mehr reden.
Ich machte mich von Susa los. Sie stolperte die letzten Schritte allein und warf mir einen verwirrten Blick zu. Vor ihr fläzten die drei Jugendlichen auf den abgewetzten grünen Plastiksitzen. Zwei Jungen und ein Mädchen. Einer der Jungen hatte den Arm um das Mädchen gelegt.
»Hi«, sagte Susa. Sie sagten nichts.
Ich tat so, als wäre ich nicht da, aber das klappte nicht.
»Griaß eich«, piepste mich der kleine Junge an, der uns gefolgt war. Er schob seine Brille auf die Nase, um mich eifrig durch die dicken Gläser anzulugen. »Ihr seids doch die Neuen, oda? Vom oidn Wagner seina Hüttn?«
Er war vielleicht acht Jahre alt. Seine vergilbte Jacke und Hosen waren umgekrempelt und trotzdem viel zu groß.
»Ich wohn in keiner Hütte«, sagte Susa. »Wir sind in die 22 A gezogen. Das Doppelhaus.«
Jemand lachte. Es war das fremde Mädchen auf der Sitzbank. Ihr Lachen war überraschend dunkel und rau.
»Schleich dich, Lurchi«, sagte der Junge neben ihr zu dem Kleinen und klang dabei recht freundlich. Der Kleine zog trotzdem sofort den Kopf ein und tauchte ab.
»Die 22 ist die Hütte vom Wagner«, sagte der Junge zu uns und grinste. Er sah unglaublich gut aus, wie ein Skater, muskulös und mit weiten Baggyjeans und einem Baseballcap über blonden Kringellocken. Sein sommersprossiges Gesicht hatte dieses unbekümmerte Grinsen, als gehörte ihm die Welt. So, wie er den Arm um das Mädchen gelegt hatte, könnte man meinen, sie gehörte ihm auch. »Der Wagner hat die Hütte umgebaut«, sagte er. »Zum Vermieten. Wir haben gewettet, ob jemand freiwillig einzieht. Ich hab gewonnen, eine Schachtel Marlboro.«
»Wie cool.« Susa kicherte nervös.
»Seid ihr Schwestern?«, fragte er.
»Freundinnen«, sagte Susa. »Ich bin Susa, und das ist Kat. Sie wohnt in der 22 B.«
»Also sind alle zwei Hälften vermietet?« Der Junge nahm den Arm von den Schultern des Mädchens und sprang auf. »Das heißt, ich krieg zwei Schachteln von dir, José!«
Der andere Junge verzog den Mund. Er war groß, dunkelhaarig und dünn, und weil er komplett schwarz gekleidet war wie ein Goth und die langen Beine übereinandergeschlagen hatte, wirkte er elegant. Sein Gesichtsausdruck war allerdings ziemlich hochnäsig.
Das Mädchen auf der Bank wechselte einen Blick mit ihm, dann zog sie Zigaretten aus ihrem Rucksack und zündete sich eine an.
Mir fiel auf, dass die Kinder draußen gar nicht miteinander quatschten, wie Kinder es sonst so tun. Sie lauschten.
Der hübsche Blonde kam lässig auf uns zu. »Ich bin übrigens Anton.« Als er dicht vor uns stehen blieb, war ich ganz starr, Susa trat von einem Fuß auf den anderen. »Der da ist, wie gesagt, José.« Er deutete auf den Dunklen. »Und das ist Fee.« Er streckte die Hand nach dem Mädchen aus. Sie zog an ihrer Zigarette, wechselte noch mal einen Blick mit José, dann kam sie heran und ergriff Antons Hand.
Fee. Ich schaute in ihre kühlen Augen, die dunkel geschminkt waren und mich an den Baumschatten hinter dem neuen Haus erinnerten. Sie war klein und irgendwie zart. Ihr Gesicht war ebenfalls klein, die Augenbrauen waren zusammengezogen. Sie war sehr hübsch, obwohl sie so wirkte, als versuchte sie, es nicht zu sein. Ihr Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten, der lang und dick über ihrer Schulter hing. Ein bisschen wie Lara Croft. Außerdem trug sie klobige Arbeiterstiefel, so dreckig, als wäre sie mit ihnen aus dem Wald hierher gestapft.
Susa schien den gleichen Gedanken zu haben. »Fee, wie eine Waldfee?«, sagte sie und kicherte. »Du hast da ein Blatt im Haar.«
Fee erstarrte wie ich, als Susa an ihrem Zopf zupfte und dann das braune Laub davonsegeln ließ. »Geht ihr auch aufs Gymnasium in Grafung?«, fragte Susa. »Ich bin in der 9 a. Kat geht in die …« Sie drehte sich fragend zu mir herum.
»10 c«, murmelte ich.
»Sie kann reden!« Anton zwinkerte mir zu. Fee guckte weg.
»Fee und ich sind auf der Realschule«, sagte er. »In der zehnten. José geht aufs Gym. Du bist doch auch in der 10 c, oder, José?«