Deep Passion (2) - J. Kenner - E-Book

Deep Passion (2) E-Book

J. Kenner

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Beschreibung

Liebe hat immer ihren Preis ...

Der Hollywood-Shootingstar Lyle hält sich von Beziehungen fern. Doch als er in einer kompromittierenden Situation mit dem Escortgirl Sugar Laine fotografiert wird, bleibt ihm nur eins, um seine Karriere zu retten: Er gibt seine Verlobung mit ihr bekannt. Sugar willigt in das Täuschungsmanöver ein, weil sie Geld braucht, um ihr Zuhause zu retten. Was als Spiel beginnt, führt für beide schon bald zu gefährlichen Gefühlen …

Band 2 der Deep-Serie

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J. KENNER

deeppassion

ROMAN

Band 2

Aus dem amerikanischen Englisch

von Pauline Kurbasik

Der Roman

Der Hollywood-Shootingstar Lyle hält sich von Beziehungen fern. Doch als er in einer kompromittierenden Situation mit dem Escortgirl Sugar Laine fotografiert wird, bleibt ihm nur eins, um seine Karriere zu retten: Er gibt seine Verlobung mit ihr bekannt. Sugar willigt in das Täuschungsmanöver ein, weil sie Geld braucht, um ihr Zuhause zu retten. Was als Spiel beginnt, führt für beide schon bald zu gefährlichen Gefühlen …

Die Autorin

Die New-York-Times- und SPIEGEL-Bestsellerautorin J. Kenner arbeitete als Anwältin, bevor sie sich ganz ihrer Leidenschaft, dem Schreiben, widmete. Ihre Bücher haben sich weltweit mehr als drei Millionen Mal verkauft und erscheinen in über zwanzig Sprachen. J. Kenner lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Texas, USA. Ihre lieferbaren Romane und Erzählungen finden Sie unter J. Kenner im Diana Verlag. Wenn Sie mehr über J. Kenner erfahren wollen, entdecken Sie Das große J. Kenner Fanbuch.

Die Deep-Serie

Deep love (Band 1)

Deep passion (Band 2)

Deep danger (Band 3)

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Copyright © 2017 by Julie Kenner Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel Wicked Dirty bei EverAfter Romance Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2018 by Diana Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Redaktion: Antje Steinhäuser Covergestaltung: t. mutzenbach design, München Covermotiv: © Dragol Kostadinov, aPhoenixPhotographer/Shutterstock Satz: Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich Alle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-641-22240-6V002
www.diana-verlag.de Besuchen Sie uns auch auf www.herzenszeilen.de

PROLOG

Es schien ein perfekter Plan zu sein. Einen Mann in mein Bett lassen. Ihm zu erlauben, mich zu berühren, zu ficken.

Warum denn nicht?

Ich war schließlich verzweifelt. Und man weiß ja, wozu Verzweifelte fähig sind.

Außerdem würde ich nie eine Schwäche für einen meiner Kunden entwickeln. Ich gehöre nicht zu diesen braven Mädels, die wegen ­eines einzigen freundlichen Wortes oder einer zärtlichen Berührung gleich ihr Herz verlieren.

Ich gebe mich nie hin. Keinem Mann. Einfach niemandem.

Ich wurde schon viel zu häufig enttäuscht. Und wenn ich eh schon enttäuscht werde, kann ich es mir auch zunutze machen.

Das habe ich zumindest gedacht …

Dann öffnete er die Tür, mit seinem schönen Gesicht und dem ­gejagten Blick. Ein Blick, der Geheimnisse vermuten ließ, die mindestens so schmerzhaft waren wie meine.

Er berührte mich – und es war um mich geschehen, obwohl ich dagegen ankämpfte.

Und jetzt …

Nun, jetzt kann ich nur hoffen, dass ich beim Aufprall auf dem Boden nicht in eine Million Stücke zerbreche. Und dass er vielleicht – nur vielleicht – da sein wird, um mich aufzufangen.

1

Die Abendsonne ließ die Hollywood Hills warm erstrahlen, und fast nackte Kellnerinnen glitten mit Shots in regen­bogenfarbenen Reagenzgläsern durch die Menge. Für die traditionelleren Gäste gab es Longdrinkgläser mit erstklas­sigem Wodka und Bourbon.

Der Alkohol floss in Strömen, die Gäste lachten und plauderten, die heißeste neue Band aus Los Angeles rockte das Haus, und Reporter machten Fotos und Videos, die sie in ­sozialen Medien teilten.

Mit anderen Worten: Die rauschende Feier im Reach, dem hippen neuen Hotspot auf dem Dach, war die perfekte Werbeveranstaltung schlechthin.

Die Feier wurde veranstaltet, um zu verkünden, dass man Lyle Tarpin – ein neuer Shootingstar in Hollywood – als Darsteller für M. Sterious gewonnen hatte, den neuen Film der äußerst erfolgreichen Blue-Zenith-Reihe, der nächstes Jahr ­herauskommen würde.

Das Drehbuch war gut, die Handlung spannend und Lyle konnte weder fassen, dass man ihn genommen hatte, noch, dass er den namengebenden M spielen sollte, einen Antihelden mit emotionalen Blessuren.

Diese Rolle könnte ihn von der A-List bis zum Mond katapultieren, aus ihm einen Megastar in Hollywood machen, ihm vielversprechende, gut dotierte Rollen zu Füßen legen, von denen er bei seinen ersten Schritten in Hollywood nur zu träumen gewagt hatte.

Mit anderen Worten: Diese Gelegenheit wollte er nicht vermasseln.

Deswegen zwang er sich, nicht die Augen zu verdrehen und sich abzuwenden, als Frannie ihn anschaute und lächelte. Sie warf den Kopf zurück und ihre rotbraunen Locken wippten, als sie auf ihn zuging; sie trug ein paillettenbesetztes Cocktailkleid, das einen Blick auf lange, wohlgeformte Beine in Riemchensandalen freigab, in denen perfekt gepflegte Füße steckten.

Francesca Muratti, eine Hollywood-Schauspielerin, die immer die Kassen klingeln ließ, sollte Lyles Liebesbeziehung spielen – die Blue-Zenith-Agentin, die M von seinen dunklen Wegen abbringt und ihn auf die Seite der Gerechtigkeit holt –, dabei rettet sie ihn und fügt der Reihe hoffentlich noch einen langlebigen Helden hinzu.

»Hallo, Lover«, raunte sie, schlang ihm die Arme um den Hals und drückte ihren Körper an seinen. Frannie hatte ­einen Ruf als männermordender Vamp, der Wert darauf legte, mit fast allen männlichen Filmpartnern zu schlafen, und sie machte kein Geheimnis daraus, dass sie Lyle gern in den Kreis der »Erwählten« aufnehmen würde.

Lyle wusste offenbar wirklich nicht, ob sie unsicher oder übermäßig geil war oder ob sie einfach Method-Acting gut fand. Er wusste bloß, dass er kein Interesse hatte. Was – wenn man bedenkt, wie schädlich eine angefressene Francesca für seine Karriere sein konnte – ziemlich schwierig war.

»Küss mich so, als würde ich dir etwas bedeuten«, murmelte sie, dann lehnte sie sich an ihn, wollte den Wunsch in die Wirklichkeit umsetzen, doch er fuhr zurück, nahm ihr Kinn in die Hand und hielt es fest; sie schaute irritiert.

»Vorfreude, Frannie.« Er beugte sich zu ihr, sie erbebte von dem Gefühl seines Atems an ihrem Ohr. »Wenn wir ­ihnen jetzt schon geben, was sie wollen, werden sie sich wohl nicht mehr den Film ansehen.«

»Scheiß auf die Fans«, flüsterte sie und ließ die Hand zu seinem Schritt gleiten. »Ich will das hier.«

Und er wurde hart – verdammt noch mal! Nicht weil er sie begehrte, sondern als Reaktion auf ein vertrautes niederes Bedürfnis. Ein dunkler Raum. Eine willige Frau. Nur einmal – hart und heiß genug, dass es ihn erschöpfte. Seine Schuld und seinen Schmerz linderte. Die Geister aus seiner Vergangenheit, seine grauenvollen Fehler verblassen ließ.

Gerade genug, damit er bis zum nächsten Mal durchhalten konnte. Bis zur nächsten Frau.

Und vielleicht – wenn er Glück hatte – die Mauer ein­reißen konnte, die er um sein Herz errichtet hatte.

Er war aufgewühlt und stellte sich das Gefühl der weichen Haut einer Frau unter den Fingern vor. Einer Frau, die ihn nicht aus Jennifers Augen anblicken würde. Eine Frau, die ihn nicht daran erinnern würde, wovor er weglief oder was er getan hatte. Die sich ihm hingeben würde. Der seine Fehler egal wären, während er sich einfach gehen ließ, hart, heiß und verzweifelt, im wilden, dunklen Glück der Anonymität.

»Mmm, ich weiß nicht, Lyle«, murmelte Frannie und drückte die Hand fest gegen seinen inzwischen steinharten Schwanz. »Hier ist der Beweis, dass die Chemie zwischen uns vor der Kamera echt ist. Gib mir eine Chance, und ich wette, wir werden die Aufmerksamkeit des Publikums auf uns ziehen.«

»Ich mag dich sehr, Frannie«, sagte er, trat einen Schritt zurück und verfluchte sich, dass er sich Tagträumereien hingegeben hatte. »Aber ich ficke dich nicht.«

Wegen des Funkelns in ihren Augen war er sicher, dass ihr berüchtigtes Temperament zum Vorschein kommen würde, doch ein Herausgeber, den er von Variety kannte, kam zu ­ihnen, und Frannie schaltete sogleich einen Gang herunter auf charmant.

Lyle blieb lange genug, um den Typen zu begrüßen und einige Fragen zur Rolle zu beantworten, dann flüchtete er, als sich die Unterhaltung um Frannies neuen Werbevertrag drehte.

Er nahm sich einen Bourbon vom Tablett eines Kellners und trank auf dem Weg zum Rand der Dachterrasse einen Schluck. Er mochte keine Höhen, deswegen konfrontierte er sich mit ihnen. Deswegen lag seine Wohnung im dreißigsten Stock eines Hochhauses, und er verbrachte viel Zeit damit, seinen Pilotenschein zu machen. Wenn ihn etwas störte, dann bezwang er es und ließ sich nicht davon unterkriegen.

Deswegen irritierte ihn dieser Mist mit Frannie so sehr.

»Du hast auf mich nie sonderlich dumm gewirkt.«

Lyle erkannte die raue weibliche Stimme und drehte sich zu seiner Agentin Evelyn Dodge um. Evelyn war eine attraktive Frau Mitte fünfzig und schon seit Ewigkeiten in der Branche, sie kannte alle wichtigen Menschen und war hart wie Stahl. Sie ließ sich außerdem von niemandem etwas ­gefallen.

Lyle betrachtete ihr Gesicht, versuchte herauszufinden, was sie dachte. Vergeblich. Seine Agentin war nicht zu durchschauen. Das war beim Aushandeln von Geschäften gut. Und nicht so gut, wenn er ihre Reaktion abschätzen wollte.

»Diese Frau ist einflussreicher, als du denkst«, fuhr sie fort, als er nichts entgegnete. »Du willst den schnellen und dre­ckigen Weg, willst deine Karriere im Klo runterspülen? Das kannst du ganz einfach haben, wenn du Frannie verärgerst, plötzlich Garreth Todd den M spielt und du Glück hast, wenn du mal kurz in einem Werbespot für Gebrauchtwagen auftauchst.«

»Danke für deine direkten Worte«, sagte er trocken.

»Findest du, dass ich übertreibe? Ich dachte, du wüsstest, wie der Hase läuft. Oder habe ich dich die ganze Zeit über falsch eingeschätzt?«

»Verdammt, Evelyn. Ich bin nicht naiv. Aber ich schlafe auch nicht mit Frannie, nur damit am Set alles gut läuft. Rätst du mir ernsthaft dazu?«

»Auf keinen Fall, Iowa«, sagte sie und benutzte seinen Heimatstaat als Spitznamen. »Ich erkläre dir nur, dass du klug handeln musst. Solange du Single bist, wird sie nicht lockerlassen.« Sie seufzte. »Du hast verdammt hart dafür gearbeitet, dahin zu kommen, wo du jetzt bist und du gehst gerade durch die Decke. Aber falls du dich für unbesiegbar hältst, solltest du wissen: Je höher du fliegst, desto schmerzhafter ist es, wenn du wieder auf der Erde aufprallst.«

»Ich werde nichts vermasseln, Evelyn.«

»Ich kenne Frannie besser als du. Sie hat schon viel etabliertere Karrieren als deine zerstört – und zwar noch bevor sie den Oscar bekommen hat.«

Fuck. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.

»Wie lange arbeiten wir schon zusammen?«, fragte sie und erwartete ganz offensichtlich keine Antwort. »Zwei, drei Jahre? Und in dieser ganzen Zeit bist du noch nie mit jemandem ausgegangen. Auf Partys hast du hin und wieder einmal eine Frau im Arm, doch meistens gehst du allein zu diesen Feiern.«

»Was willst du von mir, Evelyn?« Er wusste, dass er sich defensiv anhörte, doch sie stocherte nah an einem wunden Punkt herum, von dem er nicht wollte, dass sie ihn traf, und spähte in finstere Ecken, die besser im Dunkeln bleiben sollten.

»Du hast mir mal gesagt, dass du nicht schwul bist, das ist schon okay. Tausende weibliche Teenager im ganzen Land schlafen besser, weil du noch auf dem Markt bist.«

»Stimmt das?« Er versuchte – vergeblich –, sich seinen Frust nicht anhören zu lassen.

Sie blickte ihn kurz an. »Ich will nur sagen: Falls du irgendwo auf einem Dachboden oder so eine Freundin versteckt hast, solltest du sie nun herausholen und abstauben. Weil sich unsere liebe Frannie wie ein Hund mit einem Knochen verhält. Ein sehr verwöhnter, bestens gepflegter Hund, der fies zubeißen kann, wenn er nicht seinen Willen bekommt. Aber mit verheirateten Männern legt Frannie sich nicht an.«

»Und das heißt? Ich flieg jetzt nach Las Vegas und heirate ein Revuegirl?«

»Pass einfach auf. Und solltest du irgendwo eine Freundin versteckt haben, dann bring sie zu einer oder zwei Partys mit. Und wenn du keine hast, dann such dir eine.«

»Das ist Quatsch«, antwortete er ruhig. »Aber ich denke darüber nach.«

»Gut. Komm, wir stürzen uns in die Menge.«

Seufzend schaute er sich um. Der ganze Alkohol und die riesige Menge Fingerfood, das von Kellnerinnen in Outfits verteilt wurde, die ein bisschen zu knapp waren, um noch als anständig durchzugehen, die aber zu viel bedeckten, um obszön zu sein. Sein Blick fiel auf die ganzen Servietten und die Stielgläser mit dem Logo der Reihe und auf die Band in der Ecke, die in Endlosschleife Musik des Film-Unternehmens spielten, während am anderen Ende der Dach­terrasse Ausschnitte früherer Filme auf einer riesigen Leinwand gezeigt wurden.

Es war opulent, lächerlich und völlig übertrieben.

Jennifer hätte es grandios gefunden.

Sie wäre durch Hollywood gefegt und hätte es erobert, hätte Francesca Muratti wie eine Dilettantin aussehen lassen.

Mach es richtig oder lass es. Hatte sie ihm das nicht immer gesagt? Jennifer? Mit ihrem unschuldigen Blick und ihrem nicht so unschuldigen Mund?

Aber sie hatte die Chance dazu nie bekommen.

Und hier war er nun, auf den Tag genau dreizehn Jahre nach dieser furchtbaren Nacht. Jenny war tot, und er stand im Armani-Anzug im Rampenlicht und lebte ihren Traum.

Wie abgefuckt war das bitte?

»Ich habe dich irgendwo verloren«, sagte Evelyn. »Komm, wir gehen zur Bar. Ich glaube, du brauchst noch einen Drink.«

Das stimmte zwar, aber er schüttelte den Kopf. »Ich denke gerade nach.« Er zeigte auf die ganze Party und die Stadt unterhalb der Dachterrasse. »Hier werden tatsächlich Träume wahr.«

Doch nur einige wenige Pechvögel – wie Lyle – wussten, wie viele Albträume sich hinter diesen schillernden Träumen verbargen.

Er zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist nach sieben. Ich bin schon seit fast zwei Stunden hier. Ich war überschwänglich, charmant und habe mich als Team-Player gezeigt. Ich ­habe alles getan, was sie von mir wollen. Offiziell, jedenfalls«, fügte er hinzu und dachte an Frannies Annäherungsversuche. »Da habe ich mir doch zumindest einen Keks verdient, oder?«

Sie verschränkte die Arme, verlagerte das Gewicht und schaute ihn an. »Kommt drauf an, welche Art Keks du willst.«

»Ich hau ab.«

»Verdammt, Lyle!«

»Mach ich dir jemals Probleme? Musst du mir jemals den Rücken freihalten? Erfülle ich nicht meinen Ruf als Goldjunge?«

Sie schwieg.

»Lass dir eine Ausrede für mich einfallen. Irgendwas. Es ist mir egal.« Für einige Sekunden ließ er seine Maske fallen. Der unschuldige Junge aus Iowa, der mit siebzehn entdeckt worden war, den sein gutes, für den mittleren Westen der USA typisches Aussehen und die strahlend blauen Augen schnell berühmt gemacht hatten. Er hatte sich in die Arbeit gestürzt, sich durch Fernseh- und Indie-Filme zu seiner ak­tuellen Position hochgearbeitet. Ein wirklich netter Typ, bei dem der ganze Hollywood-Scheiß noch keine Spuren hinterlassen hatte.

Aber das war auch alles nur eine Rolle. Und einen Moment lang gewährte er Evelyn Einblicke in den Schmerz tief in seinem Inneren. Den Verlust. Die Dunkelheit. Und die ganze verdammte Schuld.

Dann war er wieder Filmstar, und sie schaute ihn an, runzelte mit nahezu mütterlicher Besorgnis die Stirn.

»Bitte«, sagte er leise und mit rauer Stimme. »Heute ist kein guter Tag. Ich brauche …«

Was? Einen Drink? Einen Fick? Magische Kräfte, die die Vergangenheit ändern können?

»… Ruhe. Ich muss einfach gehen.«

»Möchtest du Gesellschaft?«

Nichts lieber als das.

Er schüttelte den Kopf. »Nein, alles okay. Aber vielen Dank.«

Aber er wollte Gesellschaft. Nur nicht die, die Evelyn ihm anbot. Er wollte raue Gesellschaft. Dreckig, schnell und anonym. Völlig diskret. Und ohne irgendwelche Verpflichtungen.

Wollte er das? Nein, wollte er nicht. Eigentlich nicht.

Aber er brauchte es ganz sicher.

Er musste das Ventil öffnen und den Druck ablassen. Die Schuld auslöschen, wenn auch nur einige herrliche Minuten lang. Den Geistern und Erinnerungen und dem ganzen Scheiß entfliehen, den er so angestrengt unter Verschluss hielt. All das, was er nie jemandem zeigte.

Das brauchte er, denn ohne diese Freisetzung würde die Maske tatsächlich rissig werden, und die ganze Welt würde wissen, dass der anständige Lyle Tarpin ein riesiger Schwindel war.

2

»Du könntest eine Extraschicht einlegen«, sagt meine beste Freundin Joy, die von meinem Notizbuch voller unerfreu­licher, nicht sonderlich vielversprechender Zahlen aufblickt. »Ich weiß, das wäre scheiße, aber wenn du das Geld brauchst, brauchst du halt das Geld.«

Und ich brauche es. Die traurige Wahrheit steht in meinen Notizbüchern, in denen viel mehr rote als schwarze Zahlen stehen. Aber wenn ich mich noch mehr verplane, ­habe ich keine Zeit mehr zum Schlafen.

»Du sitzt gerade hier«, antwortet sie, als ich ihr das sage.

Ich strecke ihr die Zunge heraus. Nicht der stilvollste Konter, doch er drückt meine Gefühle am besten aus.

Hier bedeutet Totally Tattoo, das Tattoo- und Piercing-Studio in Venice Beach, wo Joy als Piercerin arbeitet. Oder als Nadelkönigin. Oder welchen Titel auch immer sie sich an diesem Tag verliehen hat. Wir haben uns kennengelernt, als ich vor fast fünf Jahren in das Geschäft gekommen war; damals fühlte ich mich verloren, allein und wollte dringend ­eine Veränderung. Irgendwie hatte ich mir in den Kopf gesetzt, dass ich nur mein Aussehen verändern müsste, dann würde alles andere auch besser werden. Ich wäre wiedergeboren, und all das Schlechte wäre wie weggewaschen.

Ich brauchte nur einen glänzenden Stein in der Ohrleiste.

Leider konnte ich diese Theorie nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen, vor allem, weil ich in Ohnmacht gefallen bin, als Joy mit der Nadel auf mich zukam.

Ich bekam also kein Piercing, sondern eine beste Freundin.

Alles in allem halte ich das für ein faires Geschäft. Auch wenn sie sich immer noch wegen des Umkippens über mich lustig macht.

Nun hocke ich auf dem Stuhl hinter dem Empfangstresen, und Joy steht mir gegenüber, ihre Finger tippen auf meine heimtückischen kleinen Zahlen. Noch eine Stunde bis Ladenschluss, doch keiner ist hier. Deswegen beleuchten wir meine finanzielle Katastrophe auf dem Tresen.

»Du weißt, dass ich Witze mache«, sagt sie. »Aber ganz ehrlich, Laine, ich habe keine bessere Idee. Es sei denn, du willst eine Bank ausrauben. Oder im Lotto gewinnen.«

Ich reibe mir mit dem Handballen über die Schläfen. »Du bist toll«, sage ich und klappe das Notizbuch abrupt zu. »Problem gelöst.«

Joy verdreht die Augen und schüttelt den Kopf, die farbigen Edelsteine in ihrem Ohrbogen funkeln.

Ich lehne mich nach vorne und lege das Kinn auf die Faust. »Ganz ehrlich, du hast recht. Ich sollte einen Weg finden, noch ein paar Stunden mehr herauszuschlagen. Aber ich weiß nicht wie. Ich übernehme schon Schichten bei Blacklist und Maudie’s«, sage ich und meine damit unsere Lieblingsbar sowie ein Lokal in der Nähe.

»Außerdem kann ich bei Mrs. Donahue einmal pro Woche sauber machen. Und Jacob bezahlt mich für meine fast täg­lichen Gassirunden mit Lancelot.« Meine Nachbarin Mrs. Donahue kann ihr Haus trotz ihrer einundachtzig Jahre noch sehr gut selbst sauber halten. Doch sie ist eine Seele von Mensch, die streunende Tiere und Menschen aufnimmt, deswegen hat sie mir gleich die Putzstelle angeboten, als sie von meinen finanziellen Sorgen erfahren hat. Jacob, der an der UCLA Wirtschaft studiert und in Mrs. Donahues Einliegerwohnung lebt, ist weniger lieb, doch ich will auf das Extrageld nicht verzichten.

»Jakob will dir nur an die Wäsche.«

Ich verziehe das Gesicht.

»Was? Was stimmt nicht mit ihm?«

»Also abgesehen davon, dass er – seitdem er mich nach meinem Vornamen gefragt hat – permanent wissen will, ob ich wie etwas Süßes schmecke?«

Joy schnauft. »Als hättest du das zum ersten Mal gehört.«

Ich heiße Sugar Laine. Ein Name, der viel schlimmer nicht sein könnte. Zudem habe ich blondes Haar, riesige braune Augen und Titten, die bedauerlicherweise sehr groß sind; wahrscheinlich hätte ich schon vor Jahren alles schmeißen und Stripperin oder Nutte werden sollen.

Dann wiederum denke ich, ich hatte doch Glück. Ich hätte ja auch »Baby« mit Nachnamen heißen können.

So bin ich eben. Sehe immer das Positive.

Meine Eltern hatten mir zwar einen lächerlichen Namen gegeben, ich bin aber sicher, dass sie mich trotzdem geliebt haben. Zumindest meine Mutter. Und sie hat mir immer geschworen, dass mich mein Dad auch liebte und dass sein plötzliches und unerwartetes Verschwinden, als ich neun war, nichts damit zu tun hatte, dass er mich oder meinen kleinen Bruder Andy nicht mehr mögen würde, der zum Glück einen völlig normalen Namen bekommen hatte.

Vielleicht hatte Mom recht. Doch ich denke immer noch, dass mein Vater ein seelenloser, reizloser Arsch ist, der keinerlei Empathie hat.

Vielleicht liege ich falsch, aber er kann sehr wohl aus seinem Loch rauskriechen, mich aufspüren und sich dann den Arsch aufreißen, um es mir zu beweisen.

Meine Mutter allerdings …

Sie hat mir zwar einen blöden Namen gegeben, aber sie hat mich geliebt. Und als ich sie – nachdem ich in der vierten Klasse einmal gehänselt worden war – gefragt hatte, was sie sich dabei eigentlich gedacht hatte, meinte sie, dass sie, als ihr die Krankenschwester mich in die Arme gelegt hatte, ­gedacht hatte, ich sei das Süßeste, das sie jemals gesehen ­hatte. Und was war süßer als Zucker?

Wie könnte ich deswegen sauer sein?

Konnte ich nicht. Deswegen war ich es nicht.

Doch ich fing an, mich Laine zu nennen.

Als ich an meine Mom denke, wird mir schwer ums Herz. Ich denke daran, wie wir es uns damals mit Andy zwischen uns auf der Couch gemütlich gemacht haben, um zu lesen oder Fernsehen zu gucken. Wie sie mich im Juli Weihnachtskekse hat backen lassen, weil jeder Tag wie Weihnachten sein sollte. Wie sie gerne klassische Countrymusik angehört und dabei geweint hat, weil sie meinte, es würde ihre Seele reinigen und sie wieder mit guten Dingen füllen.

Oh, Gott. Ich versuche, tief einzuatmen, aber Tränen verstopfen mir den Hals.

»Hey?«, Joy ist zu mir hinter die Theke gekommen, wir stehen nun ganz eng beieinander.

Sie nimmt mich bei der Hand und drückt sie fest, das Gefühl bringt mich zurück zu mir. »Hey, alles in Ordnung?«

»Sorry. Sorry. Ich habe nur – gerade über meinen Namen nachgedacht, dann musste ich an meine Mom und Andy und …«

Ich spreche nicht weiter, mir kommen die Tränen.

»Es ist okay. Komm, Süße, atme tief ein.«

Ich ziehe die Nase hoch und bringe ein schiefes Lächeln zustande. »Ich weiß nicht, was mich aus der Bahn geworfen hat«, sage ich, als ich wieder reden kann. Ich wische mir die Tränen ab. »Ich denke nicht gerade selten an sie. Mann, ich denke jedes Mal an sie, wenn ich durch die Tür reinkomme.«

Mein Atem gerät ins Stocken, und mir steigen wieder Tränen in die Augen. »Verdammt«, murmele ich und nehme ein Taschentuch. »Es liegt am Haus. Ich kann es nicht ertragen, das Haus zu verlieren. Es ist alles, was ich noch von ihnen habe.«

Meine Mom und mein dreizehnjähriger Bruder waren getötet worden, als ein betrunkener Fahrer vor fünf Jahren mit seinem SUV in sie reingefahren war. Ich beendete ge­rade mein erstes Semester an der UCLA, und sie waren auf dem Weg, mich abzuholen, damit wir das mit einer Fahrt nach Anaheim und einem Besuch in Disneyland feiern konnten.

Sie sind beide noch am Unfallort gestorben. Der Officer, der mich in meinem Schlafsaal angetroffen hat, sagte mir, es sei schnell gegangen. Sie hätten nicht gelitten. Ich weiß nicht, ob das stimmt oder nicht, aber ich glaube es, weil ich es glauben muss.

Meine Mutter hatte sich ihr ganzes Leben lang mit Gelegenheitsjobs abgeschuftet: gekellnert, als Aushilfe oder im Supermarkt an der Kasse gearbeitet. Ihr einziges Vermögen war das Haus, das mein Dad vor seinem Abgang abbezahlt hatte. Doch es wurde nicht gut in Schuss gehalten, und am Ende ihres Lebens hatte meine Mom einen Haufen Schulden, ein Haus, das dringend saniert werden musste und kein Geld auf dem Konto.

Also habe ich das Haus geerbt, sonst nicht viel. Aber wenn ich nicht innerhalb der nächsten zwei Wochen zweiunddreißigtausend Dollar auftreibe, um ein kurzfristiges Darlehen zurückzuzahlen, wird die Bank das Haus zwangsversteigern und ich werde die letzte Verbindung zu meiner Familie verlieren.

Und ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wie ich an so viel Geld kommen soll.

»Ich bin im Arsch«, flüstere ich, fühle mich zerbrechlich, verloren und allein. Ich bin erst dreiundzwanzig. Ich hätte das College zu Ende machen sollen, anstatt abzubrechen, um arbeiten zu können und von dem Geld Lebensmittel zu kaufen, Steuern zu zahlen und das Haus zu reparieren. Ich sollte eigentlich gerade meinen Master machen.

Ich sollte meine Wäsche nach Hause bringen und meine Mom bitten, sich darum zu kümmern, während ich meinen kleinen Bruder nerve. Ich sollte abends mit Freunden in Bars gehen und nicht selbst Drinks servieren.

Ich sollte nicht die Last der ganzen Welt auf meinen Schultern tragen.

Aber das tue ich. Und ich habe es akzeptiert. Ich komm schon klar, das tue ich. Doch noch etwas mehr Druck, und ich schwöre, ich zerspringe in eine Million Stücke.

»Ich kann das Haus nicht verlieren.« Meine Stimme bricht, und ich hasse es, dass meine Schwäche zum Vorschein kommt, sogar vor meiner besten Freundin ist es mir unangenehm. »Ich kann es nicht. Aber sie werden es mir trotzdem wegnehmen.«

»Werden sie nicht.« Sie tippt bestimmend auf das Notizbuch. Joy ist bloß drei Jahre älter als ich, aber eher ein mütterlicher Typ. Erst habe ich sie für rechthaberisch gehalten, aber damit lag ich falsch. »Lass diesen deprimierenden Mist mal liegen und komm mit.«

»Wohin?«

»Du brauchst einen Drink.«

»Ich kann mir keinen Drink leisten.«

»Ha ha. Ich gebe dir einen aus. Komm, wir gehen.«

»Joy … du solltest arbeiten.«

»Na und. Du brauchst mich.«

Ich höre, wie sich die Hintertür öffnet und bemerke, dass Cass – Eigentümerin des Geschäfts und eine der besten Tattoo-Künstlerinnen, die ich je getroffen habe – zurück sein muss.

»Ich habe keine Termine mehr«, fährt Joy fort. »Meine Geräte sind alle steril. Mein Bereich ist sauber. Und meine Chefin«, fügt sie mit einer viel lauteren Stimme hinzu, »ist keine wütende Furie.«

»Das habe ich gehört!«, ruft Cass. »Und du hast unrecht. Ich bin kalt wie Stein, das weißt du.«

Joy schnaubt, dann ruft sie Cass zu: »Vor ein paar Minuten war ein Laufkunde für dich da. Ich habe ihm gesagt, dass du heute nicht mehr reinkommst, morgen aber um zehn da bist. Und ich kann bleiben, wenn du es wirklich willst, aber die ­arme Laine hat einen beschissenen Tag und braucht wirklich einen Drink.«

»Joy! Schieb deinen frühen Feierabend nicht auf mich.«

»Heute ist Freitag«, sagt Joy. »Ich nehme jede Entschul­digung, die ich kriegen kann.«

»Vorsicht, sonst werde ich zur wütenden Furie.« Cass kommt um die Theke zu uns. Sie trägt schwarze Lederhosen und ein silbernes Tanktop, das das Federkleid ihres großartigen tätowierten Vogels zeigt, der auf ihrer Schulter beginnt und den Arm herunterführt.

Heute ist ihr Haar kohlrabenschwarz mit roten Spitzen, sie sieht fast aus, als würde sie brennen. Ein winziger Dia­mantring schmückt ihre Nase – ein Piercing meiner besten Freundin Joy.

Sie ist atemberaubend schön und immer unverschämt. Außerdem ist sie einer meiner Lieblingsmenschen. Nun fragt sie mich mit einem breiten Lächeln: »Hey, Laine, wie geht’s dir?«

»Gut«, antworte ich und lüge.

»Pleite«, sagt Joy.

Ich seufze. »Ein offenes Buch«, sage ich zu Cass, während ich Joy wütend anstarre. »Anscheinend bin ich ein offenes Buch.«

Joy hält die Hände in die Luft. »Hey, ich kann doch meine Chefin nicht anlügen. Die übrigens wunderbar aussieht. Du bist nach Hause gegangen und hast dich umgezogen. Heute Abend was Besonderes vor?«

»Siobhan und ich gehen mit ein paar Kollegen von ihr was essen«, sagt Cass und spricht von ihrer Freundin. »Morgen ist die Eröffnung ihrer ersten großen Ausstellung, seitdem sie beim Stark Center angefangen hat. Deswegen ist sie nervös. Und ich muss Händchen halten.«

»Ich auch«, sagt Joy und sieht mich vielsagend an.

»Ich bin nicht nervös«, sage ich ihr. »Ich raste aus. Das ist was anderes.«

»Bist du wirklich so schlecht dran?« Aufrichtige Sorge spiegelt sich in Cass’ Blick, und ich bereue schon, dass ich etwas gesagt habe. Mir gefällt der Gedanke nicht, dass die ganze Welt detailliert über meine Probleme Bescheid weiß.

»Alles in Ordnung«, lüge ich. »Wirklich. Gerade ist alles etwas schwierig, und ich suche nach einem weiteren Job.«

»Hmmm. Also ich kann mir gerade keine Vollzeitkraft leisten, aber ich könnte dich für ein paar Wochen anstellen. Du kannst ans Telefon gehen. Sauber machen. Mir beim Papierkram helfen.«

»Wirklich? Das wäre …«

»… total nett«, fällt Joy mir ins Wort. »Aber wahrscheinlich nicht nötig.«

Ich starre sie an. »Ähm, doch. Sehr nötig sogar.«

»Du bist toll, Cass«, sagt sie und ignoriert mich völlig. »Aber behalte deine Idee mal kurz im Hinterkopf. Ich ­dachte nur an etwas, das perfekt für Laine wäre. Und die Bezahlung ist auch echt gut.«

»Was denn?« Cass blickt zwischen uns beiden hin und her. »Okay, falls das nicht klappt, steht mein Angebot.«

»Was?«, frage ich. »Was wäre perfekt?«

»Lass uns was trinken gehen, dann sag ich’s dir.« Sie schaut Cass mit Hundeblick an. »Nur dieses eine Mal. Laine braucht mich.«

Cass schüttelt mit gespielter Entrüstung den Kopf. »Geh. Ich mach zu. Aber du machst morgen auf«, sagt sie.

»Gebongt. Wir gehen ins Blacklist«, erklärt sie noch und richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich. Sie winkt.

»Da arbeitest du doch, vielleicht bekommen wir ein paar Drinks umsonst.«

Ich verziehe das Gesicht. »Ich fände es besser, wenn David mir eine Extraschicht geben würde.«

Wie mein Haus liegt auch Totally Tattoo in einer erstklassigen Gegend. Die Straße läuft direkt auf den Strand zu und ist nur einige Blocks vom Broadway entfernt. Als wir rausgehen, biegen wir nach rechts ab, kehren dem Pazifik also den Rücken zu. Die Sonne steht niedrig überm Meer hinter uns, und wir werfen lange Schatten auf den Bürgersteig, die uns zur Bar zu führen scheinen.

Das Blacklist ist nur ein paar Meter entfernt, mit Glas und Außenwänden aus Holz, die wie ein Akkordeon aus­sehen, damit die Kunden an Tischen sitzen können, die so­wohl an der Bar als auch auf dem Bürgersteig stehen. Der Laden ist ein Wahrzeichen von Venice Beach, und es gibt ihn schon seit den Dreißigerjahren, heute ist er aber viel nobler als früher.

Ein Pärchen geht gerade, und als wir uns ihren Tisch sichern, winkt Joy Nessie zu, die mit zwei Gläsern Wasser zu uns herübergestürmt kommt.

»Hey, Joy. Hey, Laine. Arbeitest du heute nicht?«

Ich schüttele den Kopf. »David meinte, ich hätte schon genug Stunden.« Ich verziehe das Gesicht. »Voll doof. Ich könnte die Kohle gut gebrauchen.«

»Das kann ich mir gut vorstellen. Ich muss un-be-dingt dieses unglaubliche Paar Schuhe von Christian Louboutin haben, das ich letzte Woche gesehen habe. Und mit dem Trinkgeld und der Kohle, die mein Dad mir überweist, kann ich es mir kaufen. Ich würde echt eingehen, wenn ich noch eine Woche länger warten müsste.«

»Ich weiß genau, was du meinst«, sage ich, während Joy auf die Tischplatte starrt und ein Lachen unterdrückt.

Ich bestelle für uns beide Wein, und als Nessie weg ist, schaut Joy schließlich hoch. »Ihre unbedarfte Art ist echt niedlich.«

Ich zucke die Schultern. »Zwangsversteigerung eines Hauses, schicke Schuhe. Kommt alles auf den Blickwinkel an.« Und ja, es gibt Zeiten, wo ich gern in der Position wäre, dass mir mein Daddy auch ein Cabrio und eine Eigentumswohnung am Meer kauft und mir jede Woche Geld schickt. Aber bei mir sieht’s nun mal anders aus, und ich habe schon von längerer Zeit begriffen, dass man die Dinge einfach angehen muss. In meinem Fall sind Wünsche eben Wünsche, das war’s.

»Was willst du mir sagen?«, frage ich. »Welchen perfekten Plan hast du ausgeheckt, der verhindern wird, dass mir die Bank das Haus wegnimmt?«

»Warte auf den Wein.« Joy runzelt die Stirn. »Wir warten sogar besser bis zum zweiten Glas Wein.«

Ich lehne mich zurück und verschränke die Arme. »Das hat aber nichts mit irgendeinem Schneeballsystem zu tun, oder? Denn das mach ich nicht.«

»Komm schon. Du solltest mich besser kennen. Nein, die Sache hat Hand und Fuß. Aber du musst offen dafür sein.«

Zusätzlich zu meinen verschränkten Armen kneife ich die Augen zusammen: »Ist es legal?«

»Ja, na klar. Also an sich ist es total legal.«

»An sich? Was soll das heißen?«

Nessie kommt mit zwei Gläsern Cabernet zurück und erspart ihr damit die Antwort.

»David gibt euch die beiden aus. Er hat die Flasche von einem neuen Lieferanten. Wenn ihr ihm danach sagt, wie ihr den Wein fandet, reicht ihm das als Bezahlung.«

»Was hab ich dir gesagt?«, fragt Joy und stößt mit mir an, obwohl mein Glas noch auf dem Tisch steht.

»Auf gute Freunde und Gratisgetränke.«

»Er hat auch gesagt, dass Carla morgen nicht reinkommen kann. Wenn du ihn fragst, lässt er dich vielleicht …«

»Mach ich.« Ich springe auf, bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hat und winke den Stammgästen zu, als ich zu David renne.

Die Bar ist zum Bersten voll mit einer eklektischen Mischung aus Bikern, Bullen, Anwohnern und zugeknöpften Geschäftsmännern. Venice Beach ist bunt, und das Blacklist ist ein Spiegel der Gesellschaft.

David steht nicht wie sonst freitagabends hinter der Bar, und Jerry, der Barkeeper, sagt mir, dass er zum Telefonieren ins Büro gegangen sei. Ich will David nicht stören, mir aber auch die Gelegenheit nicht entgehen lassen, deswegen stoße ich die Schwingtüren zur Küche auf und eile in Davids vollgestopftes Büro.

Er schaut auf, sieht mich und zeigt auf den schwarzen Klappstuhl aus Metall, der auf der anderen Seite seines ramponierten Holzschreibtischs steht.

Ich lasse mich auf den Stuhl fallen, und obwohl ich nicht lauschen will, muss ich einfach zuhören, als er über verrottende Balken und Holzfäule spricht. Diese beiden Dinge sind die Hauptverantwortlichen für mein derzeitiges Finanzfiasko.

Vor etwa vier Jahren, kurz nachdem ich Joy kennengelernt habe, musste ich mich mit großen Reparaturen herumschlagen, sonst hätte die Stadt das Haus für abbruchreif erklärt. Nun muss ich das Geld für die Reparaturen zurückzahlen, um mein Haus zu retten … sonst riskiere ich, dass die Bank es zwangsversteigert.

»Schlechte Neuigkeiten?«, frage ich, als David auflegt. Er war früher einmal Polizist und sieht auch genauso aus. Ein kräftiger Bär von einem Mann mit rasiertem Kopf und Augen, die seine Skrupellosigkeit Lügen strafen.

»Die Toiletten sind in einem echt beschissenen Zustand, das soll kein Wortspiel sein.« Er schüttelt den Kopf. »Ich liebe dieses Haus, aber es wird von Spucke, Klebeband und Kaugummi zusammengehalten.«

Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, dann legt er die Füße auf den Tisch. »Aber du bist nicht hier, um dir mein Gejammer anzuhören. Nessie hat dir wahrscheinlich von Carla erzählt?«

»Ich dachte, ich könnte vielleicht ihre Schicht übernehmen. Ich brauche sie. Das Klebeband und die Kaugummis, die mein Haus zusammenhalten, waren teuer.«

»Das tut mir leid, Lainey. Die verdammte Bank. Und ja, Carla war von zehn bis zwei eingeplant, aber wenn du willst, kannst du einspringen.«

Ich stehe erleichtert auf. »Du bist echt der Beste.«

Er schüttelt den Kopf. »Samstagabend – und mir fehlt eine Kellnerin. Glaub mir, du tust mir auch einen Gefallen.«

»Wie auch immer, du hast was bei mir gut.« Ich hätte ihn fast umarmt – David tut zwar hart, aber er ist ein riesiger Teddy –, doch ich widerstehe der Versuchung. Stattdessen sage ich noch etliche Male Danke schön, dann gehe ich wieder zu Joy.

»Er hat Ja gesagt«, rät sie.

»Vier Stunden an einem Samstagabend, die bezahlt werden. Dazu noch die beste Zeit für Trinkgeld. Es löst natürlich nicht meine Probleme, aber es ist ein kleiner Schritt.«

»Löst deine Probleme wirklich nicht. Und ist auch nur ein sehr kleiner Schritt.«

»Danke für die Erinnerung«, ich mache ein böses Gesicht. »Wenn du meinen Traum schon zerstören musst, erzähle mir wenigstens von deiner Idee. Deswegen hast du mich schließlich hierhergeschleppt, oder?«

Sie schaut auf meinen Wein, und ich seufze, dann trinke ich ihn mit zwei großen Schlucken aus.

»So«, sage ich. »Und ich will kein zweites Glas, also sag schon.«

Sie zögert, doch dann spricht sie: »Okay, erinnerst du dich an den Fußtypen?«

»Das Blind Date von vor einigen Wochen? Der Mann, mit dem dich deine Cousine verkuppelt hat?«

»Genau.« Sie lehnt sich nach vorne und spricht leiser. »Um genau zu sein, war es kein Blind Date.«

»Was denn dann?«

»Ein leicht verdienter Tausender.«

»Okay, nun mal ganz langsam. Du musst etwas anderes meinen als das, was ich denke.« Aber vielleicht meint sie doch genau das. Weil sie nun ein wenig verlegen aussieht und Joy nicht die Art Frau ist, die sich wegen irgendetwas schämt.

Ich spule im Geist zurück und zähle eins und eins zusammen. »Du hast also einen Tausender dafür bekommen, dass er … Dinge mit deinen Füßen gemacht hat?«

»Kann man so sagen.«

»Wie – ich meine, also, ich weiß nicht, was ich meine.« Ich setze noch einmal an. »Wie hast du ihn getroffen?«

»Über meine Cousine. Hab ich dir doch gesagt.«

»Wusste sie, als sie euch vorgestellt hat, dass …«

Sie legt ihre Hand auf meine. »Du, meine Liebe, bist viel zu naiv. Marjorie hat es arrangiert, wie gesagt.« Sie lehnt sich noch weiter zu mir und flüstert. »Sie leitet einen Escort-­Service.«

Ich starre sie an. »Wirklich?«

Joy nickt. »Aber rede nicht drüber, okay? Ihr Geschäft ist nobel und sehr diskret.«

»Ja, klar. Aber was hat das mit mir zu tun?«

Und dann wird mir alles klar. Ich kann kaum glauben, dass ich so lange gebraucht habe. Ich schiebe es auf den Wein. Und auf die Tatsache, dass ich nie gedacht hätte, meine ­beste Freundin würde aus mir ein kleines Flittchen beim Escort-­Service machen wollen.

»Spinnst du?«, platze ich heraus.

»Stell ich dich nicht so an. Es ist nur Sex.«

Nur Sex.

Gibt es so was überhaupt?

Das ist natürlich eine rhetorische Frage.

Weil: Nein, so etwas gibt es nicht. Es gibt immer Verbindlichkeiten. Immer Konsequenzen.

Bei meinem ersten Mal war Sex wie eine Waffe und obwohl ich diejenige war, die sie geschwungen hat, war ich auch diejenige, die verletzt wurde. Und die Narben gehen so tief, dass ich schon seit fünf Jahren keine Wiederholung gewagt habe.

In der Zeit war ich aber kein enthaltsames Pflänzchen. Ich habe Männer getroffen. Ich habe rumgemacht. Ich habe Finger und Zungen gespürt, die mir einige wirklich gute Orgasmen beschert haben. Doch ich habe nach dieser ersten, schrecklichen Nacht eine Grenze gezogen, über die ich seitdem niemanden gelassen habe.

Und vielleicht ist das doof, aber es ist mir wichtig.

Deswegen: nein.

Sex ist nicht nur Sex. Es ist groß und verwirrend und schmutzig und kompliziert.

Und ich kann das alles nicht.

»Doch, kannst du«, sagt Joy fest, als ich es ihr sage. »Du datest ja niemanden.«

»Das ist deine größte Sorge?«

Sie verdreht die Augen. »Also, meine größte Sorge sind eher die zehn Riesen, die du dir gerade durch die Lappen gehen lässt.«

Ich erstarre. »Was hast du gerade gesagt?«

»Du hast mich sehr wohl verstanden.« Sie legt einen Fünf-Dollar-Schein als Trinkgeld für Nessie auf den Tisch, dann steht sie auf. Mir fällt auf, dass ein Fiat aus einem Car­sharing-Pool in der zweiten Reihe parkt.

»Ist der für uns?«

»Ich habe Marjorie angerufen, als du mit David gesprochen hast«, gesteht Joy.

»Was?«

»Ich dachte, sie würde dir ein oder zwei Treffen verschaffen können, aber es ist noch besser. Sie hat gerade Probleme, jemanden für heute Abend zu finden – und dieser Typ zahlt einen Aufschlag, selbst wenn es nicht eilig ist.«

»Aber …«

Sie hält eine Hand in die Höhe. »Weißt du was? Ich will es gar nicht hören. Seit Tagen erzählst du mir, dass du unbedingt dein Haus behalten willst. Und ich habe die Zahlen gesehen, Laine. Du solltest verzweifelt sein. Falls Mathe bei dir nicht anders funktioniert als bei mir, könntest du jeden Tag vierundzwanzig Stunden lang im Blacklist arbeiten und würdest immer noch nicht genug verdienen, um diesen Kredit abzuzahlen.«

Sie eilt zum Auto und ruft über die Schulter: »Denk mal drüber nach, okay?«

Zehn Riesen. Zehn. Verdammte. Riesen.

Zehntausend Dollar Schulden mit einem Mal getilgt. Vielleicht sogar noch mehr.

Ich stehe neben meinem Stuhl, umklammere fest die Rückenlehne und denke darüber nach. Die Zehntausend plus meine Ersparnisse, plus noch Zweitausend bar, die ich mit der Kreditkarte abheben kann, und ich bin ziemlich nah an fünfzehntausend.

Also müsste ich in zwei Wochen weitere sechzehntausend auftreiben.

Und obwohl das auch noch erschreckend ist, sind es doch zehntausend weniger als ohne diesen Job.

Ich denke an mein Haus und all die Wochenenden, in denen ich Holzböden und Küchenschränke aufgearbeitet habe. Ich denke an die freistehende Badewanne mit den geschwungenen Füßen, nach der ich wochenlang gesucht habe. Und an die Rohre, die in meinem Leben besser nicht noch einmal platzen, weil ich so viel Zeit und Geld in ihre Reparatur gesteckt habe.

Ich denke an meine Mutter und die Stunden, die sie im Garten gearbeitet hat. Wie wir gelacht haben, als wir die Fensterläden anmalten.

Ich denke an alles, was ich in den letzten Jahren verloren habe, und ich weiß, dass ich den Verlust des Hauses nicht verkraften würde.

Und dann wird mir klar: Ich muss das Angebot annehmen.

Nur Sex.

Wieder einmal habe ich Joys Worte im Kopf. Und wieder einmal weiß ich, dass sie unrecht hat. Sehr unrecht.

Sex ist ein Werkzeug, und es kann Dinge entweder aufbauen oder zerstören.

Mein erstes Mal war wie eine Abrissbirne, die mich in eine Million Stücke zerbrochen hat.

Aber dieses Mal …

Dieses Mal ist Sex ein Hebel.

Dieses Mal wird Sex mich retten.

3

»Wow«, sage ich, als wir aus dem privaten Aufzug ins ­Foyer von Marjories Eigentumswohnung treten, die in einem Hoch­haus liegt. Alles ist aus Marmor, glänzt und funkelt. »Echt, wow.«

»Schön, dass es dir gefällt.«

Die Stimme der Sprecherin klingt tief und melodiös und wird vom Klicken von High Heels begleitet. Ich drehe mich in Richtung des Geräuschs und starre die eleganteste Frau an, die ich jemals gesehen habe. Groß und schlank wie ein Model mit platinblondem Haar, das zu einem Dutt gebunden ist, perfekt geschminkten roten Lippen und großen grauen Augen, die ganz leicht golden schimmern.

»Ich bin Marjorie.« Sie reicht mir die Hand und entblößt beim Lächeln strahlend weiße Zähne, die ein Vermögen gekostet haben müssen. »Du bist wahrscheinlich Sugar.«

»Laine«, berichtige ich sie, während wir uns die Hände schütteln, ihr Griff ist fest und selbstbewusst. »Bitte.«

Sie lacht. Die kleinen Fältchen in den Augenwinkeln lassen sie weniger unnahbar wirken, und ich entspanne mich ein wenig. »Du hast recht«, sagt sie zu Joy. »Sie ist charmant. Und was deinen Namen angeht«, spricht sie weiter und richtet sich wieder an mich, »wir nennen dich am besten Sugar.«

Wir nennen dich am besten Sugar.

»Okay«, sage ich und ringe mir ein Lächeln ab. »Natürlich.«

Ich habe oft gedacht, dass meine Mom mir den Namen ­einer Nutte gegeben hat. Wenn man bedenkt, welchen Job ich gerade annehme, lag ich damit gar nicht so falsch.

»Joy hat dir wahrscheinlich schon erzählt, was ich hier ­mache«, sagt Marjorie, während ich ihr aus dem Foyer in ein unfassbar elegantes Wohnzimmer folge. Dieses Zimmer soll ­allerdings ebenso stylish wie gemütlich sein, hier stehen plüschige Sofas und Sitzgelegenheiten auf einem dicken Teppich, daneben ein Couchtisch mit Wasser und Wein, und aus versteckten Lautsprechern tönt leise klassische Musik.

Alles in allem ist es viel weniger einschüchternd als angenommen, und ich entspanne mich langsam. Ein wenig, zumindest.

»So, ähm.« Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich hinsetzen oder reden soll, deswegen mache ich beides. Ich setze mich auf einen mit Seide überzogenen Sessel und antworte Marjorie: »Ich glaube, ich weiß, was Sie machen. Doch vielleicht sollten Sie es mir einfach trotzdem erzählen. Denn es wäre mir echt peinlich, wenn ich danebenläge.«

Sie lacht nicht, aber ich sehe, wie ein Lächeln ihre Lippen umspielt. Und irgendwie entspannt mich diese kleine Geste. Weil ihr Gesichtsausdruck nicht spöttisch, sondern mütterlich ist. Egal, was sie mir anzubieten hat, Marjorie wird für mich da sein.

Oder zumindest kann sie gut so tun, als würde sie es.

»Es ist ganz einfach.« Sie setzt sich aufs Sofa und bedeutet Joy, es ihr gleichzutun. Joy setzt sich, dann legt sie den Fuß auf den Couchtisch, ihre hippen Sneaker mit Farbspritzern stehen in scharfem Kontrast zu der edlen Glasvase und den frischen Rosen.

Marjorie nimmt es mit Fassung, hebt nur ganz leicht eine Augenbraue.

Joy runzelt die Stirn und stellt den Fuß wieder auf den Boden. Sie verdreht die Augen, und ich muss ein Grinsen unterdrücken, fühle mich gleich viel wohler.

»Ich bin die Vermittlerin, nicht mehr und nicht weniger.« Während Marjorie spricht, kommt ein großer, dünner Mann mit grauen Schläfen herein, der ein Tablett mit drei Champagnergläsern und einem Glaskrug mit Orangensaft hält. »Danke, Daniel. Ich schenke uns ein. Mimosa?«, fragt sie, als Daniel aus dem Raum geht. »Ich weiß, normalerweise trinkt man das zum Frühstück, aber im Augenblick hab ich eine Schwäche für den Drink.«

»Sicher. Das wäre toll.« Joy hatte recht. Ich hätte das zweite Glas Wein trinken sollen. »Eine Vermittlerin«, wiederhole ich, als sie mir das Glas reicht. Ich nehme einen Schluck. ­»Also kommen Männer zu Ihnen, und Sie suchen ein Mädchen aus, das – wie soll ich sagen – gewisse Qualifikationen hat?«

»Im Grunde stimmt das. Ja.«

»Und mein Job?«

»Du musst einfach nur Gesellschaft leisten.«

Ich habe das Gefühl, dass es nicht ganz so einfach ist, weiß aber auch nicht, ob ich mit der ganzen Wahrheit schon leben könnte. Deswegen weiche ich aus. »Und Sie haben schon heute Abend einen Job für mich. Woher wussten Sie, dass ich die passende Kandidatin dafür bin?«

»Das wusste ich natürlich nicht.« Sie lehnt sich zurück und überkreuzt die Beine. »Aber Joy hat mir ein wenig von dir ­erzählt. Du wirkst wie eine starke Frau, das findet besagter Kunde attraktiv. Sie hat mir ein Bild geschickt. Du bist auf ­jeden Fall hübsch genug für mein Team.«