Dein Leben in meiner Hand - Helen Perkins - E-Book

Dein Leben in meiner Hand E-Book

Helen Perkins

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Beschreibung

Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! »Aufwachen, Liebling, die Sonne scheint!« Dr. Daniel Norden weckte seine bessere Hälfte Felicitas, genannt Fee, mit einem kecken Küsschen auf die Nasenspitze. Doch Fee hatte noch nicht die Absicht, wach zu werden. Ihre goldblonden Locken verschwanden zum Großteil unter der Bettdecke, wobei sie leise und genüsslich seufzte. »Fee, es wird Zeit!« Der Chefarzt der Behnisch-Klinik lächelte nachsichtig. Am Vortag hatten sie beide Überstunden gemacht. Er konnte durchaus verstehen, dass seine Frau noch müde war. Im Zweifelsfall war meist er der hartnäckigere Langschläfer. Doch nicht an diesem schönen Frühlingsmorgen. Nach zähen und schier endlosen Verhandlungen mit der Klinikverwaltung war es ihm endlich gelungen, eine weitere Planstelle für die Notfallambulanz durchzusetzen. Als Klinikchef musste Daniel Norden des Öfteren einen wahren Spagat vollführen, um den Forderungen der Verwaltung nach effizientem Wirtschaften ebenso gerecht zu werden wie seiner Verpflichtung dem Patientenwohl gegenüber. Wobei Letzteres für den engagierten Mediziner stets an erster Stelle kam. Seit er die Münchner Behnisch-Klinik leitete, hatte er bereits unzählige fruchtlose Diskussionen mit dem Verwaltungsrat hinter sich. Besonders ärgerlich war das, wenn am Ende nichts dabei herauskam. Doch diesmal war es anders. Obwohl Dr. Norden in diesem Fall gleichsam an zwei Fronten zu kämpfen hatte. Es galt nicht nur, die Verwaltung von der absoluten Notwendigkeit dieser Teamvergrößerung zu überzeugen, sondern auch den Leiter dieser Abteilung, Dr.

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Chefarzt Dr. Norden – 1186 –

Dein Leben in meiner Hand

Ein tragischer Todesfall wirft Dr. Berger aus der Bahn

Helen Perkins

»Aufwachen, Liebling, die Sonne scheint!« Dr. Daniel Norden weckte seine bessere Hälfte Felicitas, genannt Fee, mit einem kecken Küsschen auf die Nasenspitze. Doch Fee hatte noch nicht die Absicht, wach zu werden. Ihre goldblonden Locken verschwanden zum Großteil unter der Bettdecke, wobei sie leise und genüsslich seufzte.

»Fee, es wird Zeit!« Der Chefarzt der Behnisch-Klinik lächelte nachsichtig. Am Vortag hatten sie beide Überstunden gemacht. Er konnte durchaus verstehen, dass seine Frau noch müde war. Im Zweifelsfall war meist er der hartnäckigere Langschläfer. Doch nicht an diesem schönen Frühlingsmorgen. Nach zähen und schier endlosen Verhandlungen mit der Klinikverwaltung war es ihm endlich gelungen, eine weitere Planstelle für die Notfallambulanz durchzusetzen. Als Klinikchef musste Daniel Norden des Öfteren einen wahren Spagat vollführen, um den Forderungen der Verwaltung nach effizientem Wirtschaften ebenso gerecht zu werden wie seiner Verpflichtung dem Patientenwohl gegenüber. Wobei Letzteres für den engagierten Mediziner stets an erster Stelle kam. Seit er die Münchner Behnisch-Klinik leitete, hatte er bereits unzählige fruchtlose Diskussionen mit dem Verwaltungsrat hinter sich. Besonders ärgerlich war das, wenn am Ende nichts dabei herauskam. Doch diesmal war es anders. Obwohl Dr. Norden in diesem Fall gleichsam an zwei Fronten zu kämpfen hatte. Es galt nicht nur, die Verwaltung von der absoluten Notwendigkeit dieser Teamvergrößerung zu überzeugen, sondern auch den Leiter dieser Abteilung, Dr. Erik Berger. Der schob nämlich lieber endlose Überstunden, als sich einmal zu beklagen. Eine neue Kollegin? Nicht mit ihm! Daniel Norden hatte es schließlich geschafft, seine abweisende Haltung zu abwartender Skepsis zu mildern. An diesem Morgen sollte Dr. Sarah Wagner ihren Dienst in der Behnisch-Klinik antreten. Da galt es von Anfang an, zu vermitteln und eine halbwegs angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen, um die Kollegin nicht schon vor dem Ende der Probezeit zu vergraulen. Dr. Berger hatte nämlich ein besonderes Talent dafür, Menschen vor den Kopf zu stoßen. Er war ein schwieriger Mensch und ein schwieriger Kollege.

»Morgen, Papi.« Désirée Norden war damit beschäftigt, die Kaffeemaschine zu füttern, als ihr Vater die Küche betrat.

»Du bist schon auf?«, wunderte der sich. Dési und ihr Zwillingsbruder Janni hatten als die jüngsten Norden-Sprösslinge eben ihr Abi in der Tasche, sich aber noch nicht für ein konkretes Studienfach entschieden. Dési schwebte etwas im Bereich Mode vor, sie liebte es, sich verrückt zu kleiden und aufzufallen. An diesem Morgen hatte sie ihre blonden Haare zu einem gewagten Knoten geschlungen und trug ein Schlauchkleid in Neonfarben, dazu dicke Boots. An ihrem Handgelenk klimperte eine Menge Silberschmuck.

»Ich will nachher in die Stadt«, erklärte sie mit einem einnehmenden Lächeln. »Brauche dringend neue Klamotten.«

Daniel lächelte schmal und meinte: »Na ja …«

»Bin ich dir vielleicht zu bunt? Gegen eine kleine Spende werde ich gerne einfarbiger …«

»Hör auf, Papa anzuschnorren«, meldete sich da Janni von der offenen Küchentüre her. Der »Professor«, so sein Spitzname, trug noch das schlabbrige Shirt und die ausgeleierten Hosen, in denen er zu schlafen pflegte. Sein dunkles Haar stand wirr vom Kopf ab, die Augen hinter der Hornbrille waren klein.

»Was geht dich das an?«, zickte Dési. »Zieh dir lieber mal was Gescheites an, du siehst aus wie eine Reklame für die Altkleidersammlung.«

»Kinder, seid wenigstens am Morgen friedlich«, bat Daniel. »Lasst uns mal in aller Ruhe frühstücken.«

Bei frischem Kaffee und Semmeln begruben die Geschwister dann ihren Streit. Und als Fee mit am Tisch saß, war die Familie vollzählig.

»Du bist heute früh dran, Dan«, warf sie ihrem Mann mit einem verhaltenen Gähnen vor.

»Dr. Wagner tritt nachher ihren Dienst an«, erinnerte er sie.

Fee seufzte. »Oje, dann wirst du wohl das Schlimmste verhindern wollen. Na, viel Spaß dabei.«

»Berger wird sich an sie gewöhnen. Sie hat nur die besten Qualifikationen und wird unser Notfallteam perfekt ergänzen.«

Fee trank einen Schluck Kaffee und nickte. »Ja, ich weiß. Mit diesem Argument hast du ja sogar die Klinikverwaltung überzeugt. Aber an Erik Berger wirst du dir die Zähne ausbeißen, das sage ich dir. Er duldet niemanden in seinem Reich.«

»Also, ich würde auch nicht gerne mit dem zusammenarbeiten«, sinnierte Dési. »Er ist ziemlich grob und ungehobelt.«

Janni grinste. »Tja, wenn man immer mit der Queen Tee trinkt …«

»Deine Schwester hat schon recht«, musste Daniel zugeben. »Mit Berger ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht gut Kirschen essen. Dr. Wagner wird sich durchbeißen müssen.« Er lächelte schmal. »Ich hoffe sehr, sie schafft es. Wenn sie vorzeitig aufgibt, beginnt das Gezänke um die Planstelle aufs Neue. Und ich habe wirklich Besseres zu tun, als mich ständig mit der Verwaltung auseinanderzusetzen.«

»Es wird schon klappen«, meinte Fee zuversichtlich. »Berger ist zwar ein schwieriger Mensch, aber nicht dumm. Er wird merken, wie angenehm es ist, wenn nicht alles an einem hängt.«

Daniel hob die Schultern. »Hoffen wir es …«

Wenig später machten die Nordens sich auf den Weg zur Arbeit. Dési fuhr ein Stück mit und ließ sich am Stachus absetzen. Hier wollte sie ihren Shopping-Tag beginnen. Janni hingegen verzog sich nach dem Frühstück wieder ins Bett. Es kam schließlich nicht alle Tage vor, dass seine Schwester außer Haus war und­ eine nahezu himmlische Stille herrschte.

Das musste man ausnutzen, fand Janni. »In der Ruhe liegt die Kraft«, murmelte er zufrieden, bevor er wieder einschlummerte …

*

Ein paar Kilometer vom Haus der Nordens entfernt saß Dr. Sarah Wagner mit ihrer Familie am Frühstückstisch.

Die hübsche Notfallmedizinerin mit den dunklen Locken und den himmelblauen Augen war seit sechs Jahren mit dem feschen Polizisten Tom Wagner verheiratet. Tom arbeitete bei der Kripo als Drogenfahnder, meist undercover. Deshalb lief er sehr lässig herum und wirkte in Jeans und Hoodie noch fast wie ein Teenager. Er stammte aus Perlach, war hier geboren und aufgewachsen. Nach seiner Heirat und der Geburt der mittlerweile fünfjährigen Elsie hatte seine verwitwete Mutter ihm angeboten, zu ihr zu ziehen.

Die kleine Familie verstand sich gut, und alle fühlten sich in dem einfachen, aber gemütlichen Häuschen am Stadtrand wohl.

Für Sarah und Tom war das harmonische Familienleben ein wichtiger Ausgleich zu ihren anstrengenden Jobs.

Bis vor Kurzem hatte Sarah im Münchner Klinikum rechts der Isar gearbeitet, sich dort aber nicht wirklich wohl gefühlt. Die Massenabfertigung der Patienten in der großen Notfallambulanz war nicht nach ihrem Geschmack gewesen. Sie hatte nach einer Klinik gesucht, in der die Teams kleiner waren und besser zusammenarbeiteten. Sie war keine Einzelkämpferin, legte Wert auf Gemeinschaft. In der Behnisch-Klinik schien das der Fall zu sein. Alles hatte ihr von Anfang an zugesagt, bis auf ihren neuen Chef. Dr. Erik Berger schien ein ziemlich überheblicher Stiesel zu sein. Doch davon hatte sie sich nicht schrecken lassen. Wenn alles andere passte, würde sie sich auch noch mit dem Kollegen Berger zusammenraufen. Jedenfalls trat sie ihre neue Stelle sehr optimistisch an.

»Da, Mama, das hab ich für dich gemalt«, meldete Elsie sich nun zu Wort und schob Sarah eine Zeichnung zu. Sie konnte sehr gut malen, hatte ein echtes Talent dafür. Sarah machte große Augen und lobte: »Das ist aber schön! Darf ich es mitnehmen zur Arbeit?«

Elsie nickte, dass ihre dunklen ­Locken zu tanzen begannen. »Du hängst es in dein Büro, dann bin ich immer bei dir.«

»Was ist es?«, wollte Tom neugierig wissen.

»Die Behnisch-Klinik, würde ich sagen …«

Elsie lachte. »Das sieht man doch. Und davor steht Mama mit ihren neuen Kollegen!«

»Da ist aber einer ganz schwarz, wie kommt denn das?«, wunderte ihr Vater sich.

»Das ist der böse Dr. Berger. Er ist der schwarze Mann!«

Die Wagners wechselten einen Blick und mussten beide lachen, Paula mahnte ihre Enkelin: »Vielleicht ist er gar nicht so böse. Und er wäre bestimmt traurig, wenn er wüsste, dass du ihn ganz schwarz angemalt hast.«

Elsie schob die Unterlippe vor und überlegte, dann fragte sie ihre Mutter: »Soll ich es noch mal neu malen?«

»Nein, das lassen wir so. Und wer der schwarze Mann ist, das bleibt unser Geheimnis, einverstanden?«

Die Kleine strahlte. »Einverstanden!«

Nach dem gemeinsamen Frühstück brachte Paula ihre Enkelin in den Kindergarten. Die agile Mittsechzigerin verband diesen Weg gerne noch mit dem Gang zum nahen Supermarkt und hielt hier und da ein Schwätzchen. Danach kümmerte sie sich dann um die Arbeit in Haus und Garten. Sie war eine hervorragende Köchin und zog ihr Gemüse selbst. Sarah wusste das zu schätzen. Sie hatte ihre Eltern früh verloren und war in einer Pflegefamilie ohne besondere Zuwendung aufgewachsen. Ihr Studium hatte sie sich mit Kellnern und einem Stipendium selbst verdient. Sie hatte früh gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen und sich erst daran gewöhnen müssen, dass da jemand war, der an sie dachte und für sie da war. Nun war sie glücklich in ihrer Ehe und mit der Familie, die sie vorher so nicht gekannt hatte.

»Alles Gute, du wirst es schon schaffen«, sagte Paula und drückte ihre Schwiegertochter zum Abschied herzlich. »Zeig deinem neuen Chef gleich die Zähne, dann weiß er, woran er ist und wird gar nicht erst versuchen, dich zu ärgern.«

»Ja, so!«, rief Elsie und knurrte laut.

Sarah musste lachen. »Das lasse ich lieber, ich arbeite ja nicht im Raubtierhaus. Macht’s gut, ihr zwei!«

Tom küsste seine Frau zärtlich und überreichte ihr eine weiße Rose, ihre Lieblingsblume. »Ich bin stolz auf dich, mein Schatz. Wir sehen uns heute Abend. Dann möchte ich alles erfahren, was der Tag dir gebracht hat.«

»Pass nur gut auf dich auf. Dieser neue Fall macht mir Sorgen. Fred hat so was angedeutet, als er dich neulich abgeholt hat.«

»Freddi muss immer übertreiben. Es ist nur das Übliche, neue Dealer, die den anderen ihre Kundschaft abspenstig machen.«

»Und wenn ein Bandenkrieg daraus wird? Es wäre nicht das erste Mal. Und es geht meistens böse aus.«

»So weit sind wir noch nicht. Wir werden in nächster Zeit einige Razzien durchführen, die Szene etwas ausdünnen. Dann wird sich alles wieder beruhigen.«

»Ich hoffe, du hast recht. Sei trotzdem vorsichtig.«

»Immer. Bis heute Abend.«

Sarah fuhr mit gemischten Gefühlen zur Behnisch-Klinik. Sie hatte gewusst, dass der Beruf ihres Mannes gefährlich war, als sie geheiratet hatten. Tom war engagiert, ging Risiken ein, um etwas zu erreichen. Er kannte die schrecklichen Folgen des Drogenhandels und bekämpfte diesen vehement. Das machte ihn bei seinen Vorgesetzten ebenso beliebt wie verhasst bei den Kriminellen. Sarah hatte Angst, dass ihm etwas Ernsthaftes zustoßen könnte. Meist verdrängte sie diesen Gedanken, doch manchmal wünschte sie sich, ihr Mann wäre ein Beamter, der acht Stunden am Tag am Schreibtisch saß. Leider war dem nicht so …

Als die junge Ärztin ihr Ziel erreichte, schob sie alle privaten Gedanken beiseite und konzentrierte sich ganz auf die neue Aufgabe, die vor ihr lag. Beherzt betrat sie die Klinik und steuerte die Notfallambulanz an.

Eine freundliche Schwester an der Anmeldung bat sie, kurz zu warten, nachdem sie sich vorgestellt hatte.

»Dr. Norden kommt gleich runter«, erklärte Schwester Anna. »Er möchte Sie mit allen bekannt machen und ein paar Worte sagen.«

Sarah lächelte. »Das ist nett.«

»Aha, die neue Kollegin.« Dr. Erik Berger trat aus einem der Behandlungszimmer, maß Sarah mit seinen eisblauen Augen abschätzig und wollte wissen: »Dienen Sie hier nur zur Verschönerung der Umgebung, oder wollen Sie vielleicht auch mal was arbeiten?« Noch ehe sie antworten konnte, näherte sich Dr. Norden, Erik Berger verzog den Mund und verschwand rasch wieder.

Daniel Norden begrüßte Dr. Wagner freundlich und wandte sich dann an die anwesenden Ärzte und Pfleger, die Schwester Anna zusammen gerufen hatte. Er stellte die neue Kollegin vor, sagte ein paar freundliche Worte und wünschte dann eine gute Zusammenarbeit. Natürlich war ihm nicht entgangen, dass Erik Berger sich nicht hatte blicken lassen.

Während Sarah Wagner sich dann umzog und ihren Dienst antrat, folgte der Chefarzt der Behnisch-Klinik dem Notfallmediziner ins Ärztebüro, wo dieser sich sehr beschäftigt zeigte.

»Ich habe Sie eben draußen vermisst, Herr Kollege«, stellte Daniel Norden fest.

»So?« Dr. Berger tippte auf seinem Laptop herum. »Die Kollegin Wagner und ich, wir haben uns bereits bekannt gemacht.«

»Darum ging es nicht. Ein klein wenig Entgegenkommen ist nie falsch, wenn ein neues Mitglied ins Team kommt.«

»So? Das ist Ihre Meinung. Ich teile sie nicht.«

»Herr Kollege …«

»Ach, verschonen Sie mich einfach mit diesem Getue und lassen Sie mich arbeiten. Oder ist das zuviel verlangt?«

Dr. Norden seufzte leise. Er war Erik Berger gegenüber meist sehr tolerant, denn dieser war ein erstklassiger Mediziner, was seine menschlichen Defizite zumindest in den Hintergrund treten ließ. Doch nun war es wohl wieder einmal an der Zeit, Dr. Berger in den Dunstkreis seiner Mitmenschen zurückzuholen, da er offenbar zu sehr in anderen Sphären schwebte.

»Wir arbeiten hier in einer Klinik, Herr Kollege, nicht im stillen Kämmerlein. Ein bisschen soziale Kompetenz muss ich auch von Ihnen erwarten können.«

»Ich gebe nichts darauf«, schnauzte Erik Berger, knallte den Laptop zu und sprang auf. Wütend funkelte er seinen Chef an. »Ich wollte diese Frau hier nicht! Das ist meine Station, ich komme sehr gut zurecht ohne weitere … Hilfskräfte! Sie haben sie mir aufgedrängt, gut, das ist nun nicht mehr zu ändern. Aber erwarten Sie bitte nicht, dass ich zum Heuchler werde und meine wahren Empfindungen leugne.«

»Das verlangt ja niemand. Ich bin schon zufrieden, wenn Sie der Kollegin Wagner eine Chance geben. Lassen Sie sie zeigen, was sie kann. Sie werden sehen, dass sie eine Bereicherung für Ihr Team sein kann.«

»So, na schön«, quetschte er sich unwillig ab. »Wir werden sehen, wie sich das Ganze anlässt. Aber sie braucht sich nicht einzubilden, dass sie hier Extrawürste bekommt. Ich verlange Leistung, volle Leistung!«

»Die wird sie bringen, garantiert.«

Dr. Berger ärgerte sich, denn er fühlte sich mal wieder unterlegen. Der Chefarzt hatte eine sehr nonchalante Art, ihn in seine Schranken zu verweisen.

Noch dazu hatte er meist recht, was besonders ärgerlich war. Nun, diese Neue sollte jetzt feststellen, dass die Arbeit mit ihm kein Zuckerschlecken war …

Sarah behandelte gerade einen jungen Mann, dessen Hand stark gequetscht worden war. Erik Berger beobachtete alles, was sie tat, sehr genau. Er sagte kein Wort und verließ das Behandlungszimmer sofort, nachdem Dr. Wagner fertig war. So verfuhr er noch einige Male an diesem Tag und rief sie dann bei Dienstschluss ins Ärztebüro.

»Ich möchte Sie auf einige Fehler hinweisen, die ich heute bei Ihnen beobachtet habe«, erklärte er und deutete auf ein Tablet, das auf dem Tisch vor ihm lag. »Vielleicht werfen Sie mal einen Blick darauf. Lesen und lernen heißt die Devise.«

»Warum sagen Sie mir nicht, was falsch war?«, fragte sie.