Dein Workbook gegen Kopfchaos - Katharina Schön - E-Book

Dein Workbook gegen Kopfchaos E-Book

Katharina Schön

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Beschreibung

Vom Chaos zur Selbsterkenntnis

Dieses Arbeitsbuch ist ein praktischer Alltagshelfer und eine Informationsquelle für neurodivergente Menschen mit AD(H)S, Hochsensibilität oder Autismus. Um mit ihrem speziellen neurodivergenten Nervensystem den Alltag gut zu meistern, brauchen Betroffene andere Wege und Möglichkeiten, um mit Reizen, Stress oder Arbeitsanforderungen umzugehen. Diese liefert Coachin Katharina Schön in ihrem Workbook mit konkreten und »neurodivergent-gehirn-gerechten« Strategien, Methoden und Reflexionsaufgaben zu den größten Problemfeldern wie Aufschieberitis, Umgang mit Emotionen und Stress sowie das Erkennen von eigenen Bedürfnissen. So werden Selbstakzeptanz, Mut und Selbstbewusstsein gefördert.

Katharina Schön ist selbst mit ADHS und Autismus spätdiagnostiziert und hat sich in ihrer Arbeit als Coachin und systemische Beraterin auf Neurodiversität spezialisiert. Sie hat als @guardianofmind in den Sozialen Medien über 160.000 Follower.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 170

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Katharina Schön

Strategien und Methoden für neurodivergente Menschen

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Alle in diesem Buch veröffentlichten Hinweise, Ratschläge und Behandlungsvorschläge sind von der Autorin sorgfältig geprüft worden. Sie ersetzen jedoch keine ärztliche Abklärung. Für eine korrekte Diagnose und entsprechende Behandlung muss stets ein Arzt aufgesucht werden. Eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden, ebenso ist die Haftung der Autorin bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Copyright © 2024 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: FAVORITBUERO, München

Umschlagfoto und Logo (Mitte oben): Privatarchiv der Autorin

Umschlagillustration – Rahmen: Stefy90 / Shutterstock.com

Redaktion: Jennifer Wagner

Satz: Nadine Clemens, München

E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

Innenteilmotive: Adobe Stock: Bild01 (Firat), Bild 02 (Vicivektor), Bild 03, Bild 04, Bild05(oleg7799), Bild06 o. li. (This-isArt), Bild06 o. re. (anatolir), Bild06 u. li. (Francois Poirier), Bild06 u. re. (opin47), Bild07 (abrastack), Bild08 (shuttersport), Bild09 (MilletStudio), Bild10 li. (zelimirzarkovic), Bild10 re. (munir), Bild11 (YULIIA), Bild12 (2 x Sonulkaster); Nadine Clemens nach Vorlagen von Katharina Schön: Bild13, Bild14, Bild15.

ISBN 978-3-641-31375-3V001

www.koesel.de

Dieses Workbook ist für neurodivergente Menschen geschrieben, speziell für hochsensible und ADHS-neurodivergente Menschen. Da Menschen mit einer Depression ähnliche Herausforderungen mit den Exekutivfunktionen haben wie Menschen mit ADHS-Gehirn, kann dieses Buch auch für sie sehr hilfreich sein.

Haftungsausschluss und medizinische Aktualität

Dieses Buch ist als Informationsquelle und Ratgeber für Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyper- und Hypoaktivitätsstörung sowie Hochsensibilität konzipiert. Die Informationen in diesem Buch basieren auf den Kenntnissen und Erfahrungen der Autorin sowie auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forschungen, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung als aktuell und zuverlässig gelten. Dieses Buch soll keine medizinische Beratung oder Behandlung ersetzen. Die in diesem Buch bereitgestellten Informationen und Ratschläge sollten nicht als Ersatz für die Beratung, Diagnose oder Behandlung durch qualifiziertes medizinisches Fachpersonal angesehen werden. Wenn du einen starken Leidensdruck aufgrund von ADHS-typischen Symptomatiken verspürst, empfehle ich dir, dich an entsprechende Spezialist:innen zu wenden, um eine Diagnose zu bestätigen oder auszuschließen und die korrekte Diagnose zu erhalten.

Die Autorin und der Verlag übernehmen keine Haftung für Schäden oder Verluste, die direkt oder indirekt aus der Verwendung der in diesem Buch enthaltenen Informationen entstehen. Durch das Lesen dieses Buches erkennst du an, die alleinige Verantwortung für deine Handlungen und Entscheidungen im Zusammenhang mit den in diesem Buch bereitgestellten Informationen zu tragen. Dieses Buch vermittelt auch eine Vielzahl psychologischer Hintergrundinformationen zu Diagnosen psychischer Erkrankungen. Es stellt lediglich eine Orientierungshilfe dar und kann weder den Besuch bei Ärzt:innen, Psychiater:innen, Psycholog:innen oder psychologischen Psychotherapeut:innen vor Ort ersetzen. Wenn du den Eindruck hast, professionelle therapeutische Hilfe zu benötigen, solltest du dich zuerst an deine:n Hausärzt:in wenden.

Die in diesem Buch vorgestellten Übungen sind für Menschen geeignet, die ihren Erfahrungshorizont selbstverantwortlich erweitern wollen. Leser:innen mögen selbst überprüfen, welche praktischen Übungen und Anwendungen in ihren jeweils spezifischen Lebenssituationen anwendbar sind. Eine Haftung für die aufgeführten Internetseiten wird seitens der Autorin und des Verlages ebenfalls ausgeschlossen.

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit konnte eine gendergerechte Schreibweise nicht durchgängig eingehalten werden. Bei der Verwendung entsprechender geschlechtsspezifischer Begriffe sind im Sinne der Gleichbehandlung jedoch ausdrücklich alle Geschlechter angesprochen.

INHALT

Einleitung

Wie du mit diesem Workbook arbeitest

Neurodivergenz – was ist das?

Das neurodivergente Spektrum

Die wichtigsten Begrifflichkeiten rund um Neurodiversität

Person-first- vs. Identity-first-Language

ADHS & Scanner – die NAWI-basierte Neurodivergenz

Das ADHS-Gehirn – die beteiligten Strukturen verstehen

Bist du ADHS-neurodivergent?

Das AD(H)S-Spektrum – deine Selbstevaluierung

Reflexionsfragen zu den Merkmalen des AD(H)S-Spektrums

Hochsensibilität – die verarbeitungssensitive Neurodivergenz

Das hochsensible Nervensystem

Bist du hochsensibel?

Reflexionsfragen zu deinen hochsensiblen Bedürfnissen

Inventur, Stress und Emotionen

Bedürfnispyramide

Lebensbereiche

Werteliste

Stress: nicht das, was du denkst

Stress-Thermometer zur Dokumentation

Stimming – Verarbeitung von Stress bei Neurodivergenz

Emotionsanalyse-Liste

Gehirn-Trojaner & Anti-Virus-Programm

Journalfragen

Afformationen

Anti-Aufschieben

STRESS-Analyse: die Ursachen von Prokrastination identifizieren

ETWAS-Analyse: Emotionen identifizieren

Oktopus-Methode: ADHS-gehirn-gerechtes Strukturieren

Dopex-Matrix: ins Tun kommen

Busy-Bee-DnD-Methode: Haushalt & Ordnung

SMART-Methode: Ziele definieren

Stärken bei AHA-Neurodivergenz und Mindset-Tools

Anleitung zur Stärkenreflexion

Mut-Metaphern

Mismatch Theory – Diskrepanz zwischen der evolutionären Entwicklung des Gehirns und den Herausforderungen der modernen Welt

Weitere psychologische Tools

Schlusswort

Literaturhinweise

EINLEITUNG

2018, nach einem Jahr in meinem Job als Human-Resources-Managerin in einer Marketingagentur, fiel es mir immer schwerer, den Anforderungen meiner administrativen Aufgaben gerecht zu werden. Mir ging es körperlich und mental immer schlechter. Ich habe alles in meiner Macht Stehende versucht, keine wichtigen Termine oder Aufgaben zu vergessen, aber es gelang mir nicht mehr. Unter der Woche stand ich unter Strom und war mindestens neun Stunden täglich im Büro. Am Wochenende lag ich platt auf der Couch, unfähig irgendetwas zu machen. Auch meine emotionalen Ausbrüche, von denen ich dachte, sie seien so etwas wie Panikattacken, traten immer häufiger auf. Diese unkontrollierten Weinattacken mit Hyperventilieren hatte ich schon mein Leben lang, aber ich dachte: »Ich bin eben sensibel.« 2019 zwang mich ein Magengeschwür in die Knie. In dieser Zwangspause lag ich täglich eingekuschelt auf meiner Couch und las Bücher über Depressionen und Angststörungen.

Irgendwann stieß ich auf das Thema ADHS bei Frauen und das Konzept der Hochsensibilität. Ich befasste mich intensiv mit diesen Themen, was mich irgendwann zum Neurodiversitätsparadigma brachte. Das fesselte meine Aufmerksamkeit, denn ich fragte mich, was eigentlich »normal« ist und wer die Grenze zu Krankheit oder Störung zieht. Immerhin hatte ich 30 Jahre meines Lebens gedacht, ich sei »normal«, nur eben ein bisschen seltsam und anders als andere Menschen.

Mein erster Ansporn war, zu begreifen, wo sich diverse Neurodivergenzen überschneiden und was uns eigentlich so anders macht. Mit »uns« meine ich dich, mich und alle anderen, deren Gehirne nicht so funktionieren wie bei der überwiegenden Bevölkerung. Außerdem identifizierte ich das Aufschieben alltäglicher Erledigungen und anderer Aufgaben als einen der größten Stressoren in meinem Leben. Schon in meinem Studium der Wirtschaftspsychologie kam ich mit Methoden in Berührung, mit denen man sich besser strukturieren sollte. Während meines Fernstudiums organisierte ich mich immer auf meine eigene Art und Weise. Es gab keine anderen Menschen, die meine natürliche Art, zu denken und Dinge zu erledigen, als ungewöhnlich oder sogar falsch kommentierten. Das änderte sich aber nach dem Studium in meinem Job. Als Quereinsteigerin im Personalmanagement fiel es mir nicht nur am Anfang schwer, Aufgaben einfach abzuarbeiten. Es gab Zeiten, in denen ich keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ich war von jedem kleinen Reiz abgelenkt: der Kollege, der plötzlich in meinem Büro stand, das klingelnde Telefon, sehr dringende E-Mail-Anfragen oder auch die Gespräche und Telefonate, die die anderen Teammitglieder im Büro führten. Ich dachte, das gehe jedem Menschen so und ich müsse mich einfach mehr anstrengen. Die anderen schafften es schließlich auch, sich zu konzentrieren und ihre Arbeit zu erledigen. Also mussten meine Probleme an mir und meiner Unfähigkeit liegen.

Damals wusste ich noch nicht, dass ich neurodivergent bin. Heute weiß ich, dass diese Andersartigkeit sogar Namen hat: Ich habe sowohl ADHS als auch Autismus. Mit diesem spezifischen Nervensystem bin ich herausgefordert, alternative Wege im Umgang mit Reizen und Stress zu finden sowie effektiv zu arbeiten. Denn erst als ich 2020 meinen Bürojob kündigte und akzeptierte, dass mein Gehirn anders tickt, änderte sich mein Leben. Ich konnte in den letzten Jahren meine Stärken finden und mein Potenzial ausschöpfen. Darüber hinaus geht es mir seitdem körperlich und mental bedeutend besser, weil ich jetzt meine neurodivergenten Bedürfnisse kenne und mich nicht mehr schäme, sie zu erfüllen. Meine Erkenntnisse möchte ich mit dir teilen.

Wie du mit diesem Workbook arbeitest

Bevor du dich auf eine Reflexionsreise zu deiner Neurodivergenz begibst, möchte ich dir noch erklären, wie das Workbook aufgebaut ist und wie du am besten damit arbeitest. Es bietet einen ganzheitlichen Ansatz für ein tieferes Verständnis und die Bewältigung von Herausforderungen im Zusammenhang mit ADHS und Hochsensibilität. Du lernst nicht nur die individuellen Aspekte dieser Themen kennen, sondern bekommst auch wirkungsvolle psychologische Methoden an die Hand, um praktische Strategien zur Selbstregulation und Selbstentfaltung zu entwickeln. Darüber hinaus wirst du feststellen, dass sich manche Merkmale und Herausforderungen überschneiden. Aus diesem Grund gibt es zahlreiche Verweise auf die entsprechenden psychologischen Lösungsmethoden. Diese Verbindungen ermöglichen dir neue Einsichten und erleichtern es dir, maßgeschneiderte Ansätze für deine individuellen Bedürfnisse zu entwickeln.

Dieses Workbook ist nicht nur eine Quelle praktischer Werkzeuge, sondern auch eine Reise der Selbstentdeckung und des persönlichen Wachstums. Besorg dir ein besonders schönes Notizbuch, um dein neurodivergentes Spektrum langfristig zu dokumentieren, zu reflektieren und um die psychologischen Methoden zu trainieren. Ich wünsche dir viel Spaß dabei!

NEURODIVERGENZ – WAS IST DAS?

Eine Neurodivergenz ist wie ein Betriebsprogramm für das menschliche Gehirn, das von der gesellschaftlichen Erwartung abweicht, wie Menschen funktionieren sollten. Es beeinflusst das Denken, Fühlen, Lernen und Verhalten sowie die Kommunikation und Wahrnehmung. Angeborene Neurodivergenzen sind zum Beispiel ADHS, Autismus oder Legasthenie. Erworbene Neurodivergenzen sind psychische Erkrankungen, Resultate von Unfällen, die die Kognition beeinflussen, sowie Persönlichkeitsstörungen durch Traumata. Angeborene Neurodivergenzen bleiben oft unerkannt und werden erst bei großen Herausforderungen im Leben medizinisch und psychiatrisch diagnostiziert. Ihre Bezeichnung trägt im pathologischen Sinne daher auch meist die Begrifflichkeit »Störung« im Namen – wie zum Beispiel bei ADHS, der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Der Begriff Neurodivergenz ist neutral. Er beschreibt, dass die Neurologie einfach nur »anders« ist, also divergent.

Die australische Soziologin Judy Singer prägte den Begriff »Neurodiversität«. Sie schlug Ende der 1990er Jahre vor, dass neurologisch anders funktionierende Menschen eine Bürgerrechtsbewegung bräuchten. Sie beschrieb damit erstmals den Bedarf nach sozialer Gerechtigkeit für Menschen, die sich in ihrem Denken, ihrem Verhalten, ihrer Wahrnehmung und ihrer Lernfähigkeit von der Masse unterscheiden.

Zwischen Störung, Krankheit und »Normalität« gibt es keine trennscharfe Linie. Daher gewinnt die Aufklärung über Neurodiversität immer mehr an Bedeutung. Mit großer Wahrscheinlichkeit gibt es mehr neurodivergente Menschen als bisher angenommen. Ob sich eine Neurodivergenz zu einer gesundheitlichen Belastung entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab. Eine sichere kindliche Bindung sowie große finanzielle Möglichkeiten spielen eine große Rolle bei der Frage, ob sich eine Neurodivergenz mit Krankheitswert zeigt. Neurodivergente Menschen, die finanziell frei sind, können ihre außergewöhnlichen Stärken meist nutzen. Daher finden sich viele neurodivergente Menschen – vor allem mit ADHS – im Unternehmertum, im Sport, dem Musikbusiness oder auch in der Schauspielerei. Berühmte Beispiele sind Capital Bra (Rapper), Emma Watson (Schauspielerin), Greta Gerwig (Regisseurin), Michael Phelps (Schwimmer), Richard Branson (Unternehmer), Simone Biles (Turnerin), Taylor Swift (Sängerin) oder Will Smith (Schauspieler).

Du siehst also, dass es ziemlich cool sein kann, neurodivergent zu sein, wenn man die Chance hat, seine Stärken einzusetzen. Um dahin zu kommen, muss man sich mit der eigenen Neurodivergenz auseinandersetzen – egal ob von ärztlicher Seite bestätigt oder nach monatelanger Selbstevaluierung für sich selbst akzeptiert. In diesem Prozess möchte ich dich unterstützen. Wenn du weißt, wie dein neurodivergentes Nervensystem funktioniert, welche Bedürfnisse dein Körper hat und welche neurodivergent-gehirn-gerechten Strategien und Methoden du anwenden musst, dann kannst auch du dir bald mehr Lebensqualität schaffen und dein Potenzial entfalten.

Neurodivergenz ist eng mit der eigenen Persönlichkeit verbunden, denn unser kognitives Betriebssystem dringt durch jede Faser unseres Seins. Somit bedingt es auch in hohem Maße den Charakter. Das ist zum Beispiel ein Grund, warum viele neurodivergente Menschen eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert bekommen: Ihr Verhalten scheint für die meisten Menschen in manchen Belangen »zu viel«, weshalb Diagnosen wie bipolare Störung, emotional-instabile (ehemals Borderline) oder histrionische Persönlichkeitsstörung keine Seltenheit sind. Nur mit viel Glück entdecken Betroffene schließlich den Ursprung ihres Leidens. Im Fall der genannten Persönlichkeitsstörungen sind es oft ADHS und/oder Autismus.

Bist du extrovertiert oder introvertiert? Das heißt: Bist du gern unter Leuten und unterhältst dich, um wieder Energie aufzuladen? Oder benötigst du eher Zeit allein, um zu Kräften zu kommen? Bist du vielleicht ambivertiert und die Vorliebe für Menschenkontakt wechselt phasenweise? Jeder Mensch hat eine Tendenz für das eine oder andere. Wenn du zum Beispiel hyper-ADHS-neurodivergent bist, wirst du eher Reize suchen, damit es dir gut geht und du entspannen kannst. Wenn du eher hochsensibel oder autistisch bist, dann kannst du deine Batterien durch eine reizarme Umgebung oder die Natur und eine ruhige Beschäftigung wieder aufladen. Wenn du die ADHS-Autismus-Kombi hast, erlebst du Lebensphasen, in denen du eher das eine oder das andere präferierst – je nachdem, was dein Gehirn gerade benötigt.

Moment! NeuroDIVERS? Warum nicht neuroDIVERGENT? Divergent heißt andersartig, divers vielfältig. Da wir hier die gesamte Menschheit unter die Lupe nehmen, schauen wir uns die Neurodiversität an.

Das neurodivergente Spektrum

Diese Visualisierung soll die Komplexität von Neurodiversität fassbar machen: Der große Kreis umfasst alle Menschen: neuronormative und neurodivergente. Im äußersten Bereich befinden sich neuronormative Menschen. Innerhalb des großen Kreises befindet sich ein kleinerer Kreis, der die vielfältigen Neurodivergenzen darstellt. Neurodivergente Menschen befinden sich also mitten in der neuronormativen Gesellschaft. Sie stellen außerdem eine »Neuro-Minderheit« dar.

Im Zentrum des neurodivergenten Spektrums stehen ADHS und Autismus. Mit diesen beiden Neurodivergenzen gehen oft zusätzliche Begleiterscheinungen, auch genannt Komorbiditäten, einher, wie

Lese-Rechtschreib-Schwäche (Dyslexie und Dysgraphie),Zahlen- und Rechenschwäche (Dyskalkulie),eine Schwäche der Grob- und Feinmotorik (Dyspraxie) oderunwillkürliche Bewegungen und Lautäußerungen (Tourette und Tics).

Vor ein paar Jahrzehnten wurden Begriffe geprägt, um typische Verhaltensweisen zu beschreiben, die damals ADHS oder Autismus noch nicht eindeutig zugeordnet werden konnten. Sie waren darauf ausgerichtet, den Fokus auf die Stärken Betroffener zu lenken. Mit den Begriffen »Scanner-Persönlichkeit« und »Hochsensibilität« wurde der Fokus von den Herausforderungen auf die positiven Merkmale und Talente Betroffener gelegt.

In den 1990er Jahren prägte Barbara Sher den Begriff der »Scanner-Persönlichkeit«. Bei ihr selbst wurde die hypoaktive Form von ADHS diagnostiziert, ehemals als ADS bekannt. Sie war Autorin, Karriereberaterin und Coach. Sie spezialisierte sich auf die Herausforderungen ihrer Zielgruppe und konzentrierte sich eher auf Menschen, die »aus gutem Hause kamen« und vermutlich keine größere Existenzangst hatten, wenn sie auf Barrieren in ihrer Karriere stießen. Aufgrund der finanziellen Stabilität ihrer Klientel konnte diese sich Auszeiten nehmen, sich weiterbilden oder Interessen nachgehen, ohne sich um finanzielle Engpässe sorgen zu müssen, und trotzdem ihren Lebensstil fortsetzen. Mit einigen bedarfsgerechten Anpassungen und dem Bewusstsein, nicht defizitär zu sein, konnten sie ihre Stärken entwickeln und einen passenden Beruf finden.

Auch der Begriff der Hochsensibilität wurde Ende der 1990er Jahre geprägt, und zwar von der Psychologin Dr. Elaine Aron. Obwohl sie sich als introvertiert identifizierte, erkannte sie, dass sie zusätzliche Merkmale besaß, die stärker ausgeprägt waren als in den gängigen Beschreibungen von Introversion. Besonders den Bereich der Sensibilität gegenüber Reizwahrnehmungen identifizierte sie als spannenden Forschungsgegenstand.

Leider besteht bei den Begriffen »Hochsensibilität« und »Scanner-Persönlichkeit« auf mehreren Ebenen eine Problematik. Einerseits fördern wir durch ihren Gebrauch eine Form von Behindertenfeindlichkeit. Indem solche Euphemismen benutzt werden, wird suggeriert, dass auf den darunterliegenden Neurodivergenzen, die mit gewissen Herausforderungen verbunden sind, etwas Schändliches liegt. Eine Neurodivergenz ist jedoch lediglich eine andere »Verdrahtung« im Gehirn, die es wert ist, angenommen und nicht als etwas Negatives dargestellt zu werden. Außerdem führt diese Verschleierung dazu, dass wir uns von wissenschaftlichen und medizinischen Grundlagen entfernen, die es erschweren, die Herausforderungen und Stärken empirisch zu untersuchen. Darüber hinaus kann sie zu Verwirrung führen und dazu beitragen, dass Menschen sich nicht die Hilfe und Unterstützung suchen, die sie benötigen. Wir verfehlen die Chance, die Gesellschaft über ADHS und Autismus aufzuklären und sie dafür zu sensibilisieren, wenn wir sie mit anderen Bezeichnungen verschleiern. Indem wir die korrekten Begriffe benutzen, fördern wir die Normalisierung und Akzeptanz neurologischer Unterschiede, was zu einer inklusiveren und unterstützenden Umgebung für alle Menschen führen kann.

Die Forschung zum Merkmal der sensorischen Verarbeitungssensitivität (Hochsensibilität) steckt auch nach mehr als 25 Jahren immer noch in den Kinderschuhen. Zukünftige Studien werden dazu beitragen, sie besser zu verstehen und auch die Überschneidungen und Unterschiede zu ADHS und Autismus zu ergründen. Ob Hochsensibilität nur ein Merkmal bestimmter Ausprägungen der beiden Neurodivergenzen ist oder als alleinstehende Neurovariante gesehen werden kann, wird sich zeigen.

Im Kontext von Autismus besteht häufig eine fehlerhafte Auffassung des Begriffs »Spektrum«. Bei der Verwendung dieses Ausdrucks denken viele Menschen an eine regenbogenfarbene Linie, vergleichbar mit dem Lichtspektrum. Die hartnäckige Vorstellung, dass »jeder Mensch ein bisschen autistisch ist«, erfordert daher Aufklärung. Das Autismus-Spektrum erstreckt sich nicht linear von »ein wenig autistisch« bis »sehr autistisch«. Entweder ist eine Person autistisch oder nicht – vergleichbar mit den Spezies Katze und Hund: Beide Spezies sind Säugetiere und haben viele Gemeinsamkeiten. Ein Hund ist aber nicht »ein bisschen Katze«, weil er auf vier Pfoten läuft und Fell besitzt. Bei der Neurodivergenz Autismus befinden sich die Merkmale auf einem kreisförmigen Spektrum. Die Fähigkeiten eines autistischen Menschen sind dabei so ausgeprägt, dass das Profil »stachelig« ist. Das bedeutet, dass die autistische Person in manchen Bereichen überdurchschnittliche Fähigkeiten besitzt, in anderen, wie zum Beispiel dem Alltag, jedoch ohne Unterstützung große Probleme hat. Es kann auch vorkommen, dass unerkannt autistische Menschen viele Jahre ihres Lebens ihre Herausforderungen kompensieren können. Das gelingt meist nur so lange, bis es zu einer Vielzahl körperlicher und psychischer Erkrankungen (Diabetes, Bluthochdruck, Fibromyalgie, Angststörungen, Depression u.v.m.) oder sogar zu einem kompletten Zusammenbruch kommt.

Das vorherige Schaubild stellt den Unterschied zwischen neuronormativen und autistischen Menschen dar. Bei neuronormativen Menschen »läuft es rund«. Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen, daher kann der Kreis bei neuronormativen Menschen auch in eine Richtung tendieren. Grundsätzlich gibt es jedoch erhebliche Unterschiede, die Autismus zur Behinderung machen. Besonders bei weiblich sozialisierten und weiblich gelesenen Menschen bleibt Autismus oft bis ins Erwachsenenalter unerkannt. Da er sich bei Mädchen und Frauen anders zeigt und viele ihre autistischen Verhaltensweisen schon ab einem jungen Alter zu verstecken lernen, kann es sein, dass sie erst mit 30, 40 oder 50 Jahren erkennen, dass sie autistisch sind. Sie denken oft, dass sie »feinfühlig« sind, oder identifizieren sich als hochsensibel.

Auch im Kontext von ADHS besteht die Möglichkeit, den Irrtum zu begehen, dass das Spektrum von »ein wenig ADHS« bis zu »starker ADHS« reicht. Ein weiterer möglicher Fehlschluss könnte darin bestehen, anzunehmen, dass die drei Hauptausprägungen auf einer geraden Linie festgelegt sind: Die hyperaktive Ausprägung definiert ein Ende, die hypoaktive das andere und die Kombiform befindet sich in der Mitte. Tatsächlich ist das nicht der Fall. Auch die vielen Facetten der Neurodivergenz ADHS werden am besten durch ein kreisförmiges Spektrum dargestellt.

Es mag sein, dass sich gelegentlich auch neuronormative Individuen mit den Herausforderungen identifizieren können, denen ADHS-Neurodivergente täglich gegenüberstehen. Laien könnten stressbedingte Verhaltensweisen im Alltag fälschlicherweise für ADHS-typische Merkmale halten, was leider weiterhin zum Klischee »jeder hat ein bisschen ADHS« führt. Das spiegelt jedoch nicht die tatsächliche Lebensrealität wider, denn Menschen mit der angeborenen Neurodivergenz ADHS erleben im Alltag aufgrund ihrer Gehirnfunktion und ihres Nervensystems deutlich mehr Stress als neuronormative Menschen. Das bedeutet nicht, dass es mit einem ADHS-Gehirn unmöglich ist, seine Verhaltensmuster zu ändern oder Symptome zu verbessern. Es bedeutet, dass der Aufwand größer sein kann und dass ADHS-Neurodivergente an manchen Dingen mehr arbeiten müssen als neuronormative Menschen. Mit den richtigen Strategien und Methoden ist das möglich.

Die wichtigsten Begrifflichkeiten rund um Neurodiversität

Neurodiversität

Als Neurodiversität wird die Vielfalt der neurokognitiven Funktionen der menschlichen Spezies bezeichnet. Sie ist ein biologischer Fakt. So wie es Biodiversität in der Natur gibt, gibt es Neurodiversität bei Menschen. Sie besteht als Konzept zur Beschreibung andersartiger Funktionsweisen des Gehirns bei Menschen und als soziale Bewegung.

Neurodivergenz

Neurodivergenz ist ein bestimmtes Muster an neurokognitiven Funktionen eines einzelnen Menschen, das von der Funktionalität der Mehrheitsgesellschaft abweicht. Neurodivergenz beeinflusst das Denken, Fühlen, Lernen und Verhalten sowie die Kommunikation und Wahrnehmung einer Person. Angeborene Neurodivergenzen sind zum Beispiel ADHS, Autismus oder Legasthenie. Erworbene Neurodivergenzen sind Persönlichkeitsstörungen, psychische Erkrankungen und Resultate von Unfällen, die die Kognition beeinflussen. 

Neurovariante

Der Begriff Neurovariante steht für alle Funktionstypen von Gehirnen. Der Begriff betont, dass es nicht den einen »normalen« Gehirntyp gibt. Eine Neurovariante kann also der Typ »Neuronorm« sein, andere sind die Typen ADHS, Autismus oder Hochsensibilität. Keine Variante ist besser oder schlechter als eine andere. Jede Neurovariante hat spezifische Funktionsweisen und Bedürfnisse, die akzeptiert und respektiert werden sollten.

Neurodivers

Divers bedeutet vielfältig. Eine gemischte Gruppe neurodivergenter und neuronormativer Menschen ist neurodivers. Eine einzelne Person kann demnach nicht neurodivers sein, ein Kollektiv schon. Neurodivers wird fälschlicherweise im deutschsprachigen Raum immer noch benutzt, wenn es um neurodivergente Menschen geht.

Neurodivergent

Divergent bedeutet »anders«, »verschiedenartig« oder voneinander »abweichend«. Eine einzelne Person kann neurodivergent sein. Menschen, die neurodivergent sind, weichen mit der Funktionsweise ihres Gehirns von der gesellschaftlichen Erwartung ab, wie eine Person zu denken, zu fühlen, zu lernen, sich zu verhalten, zu kommunizieren oder auch ihre Umwelt wahrzunehmen hat.

Neurotypisch/neuronormativ

Diese Begriffe werden verwendet, um Menschen zu beschreiben, deren neurokognitive Funktionsweisen der gesellschaftlichen Erwartung entsprechen.

Neurodiversitätsparadigma