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Nachhaltiger Kochen - für die Umwelt und den Geldbeutel Über ein Drittel der produzierten Lebensmittel weltweit landen im Müll, obwohl sie nicht verdorben sind. Nachhaltigkeitsbloggerin Verena Hirsch sagt: Wir haben den richtigen Umgang mit Lebensmitteln verloren – vielleicht sogar gar nicht gelernt. Wir sind getrieben von Werbeangeboten, bekommen Lebensmittel im Übermaß angeboten. Wir kaufen ein. Und werfen weg. In diesem Buch zeigt sie nicht nur in zahlreichen Rezepte, wie "aufgegebene" Lebensmittel wieder frisch gemacht und köstlich verarbeitet werden können, sondern gibt vor allem Tipps, wie Du mit simplen Routinen Küche, Einkäufe und Vorräte besser strukturierst – auch mit wenig Zeit. Ein echtes Küchen-Handbuch mit großen Aha-Momenten, um Deine Lebensmittel vor der Tonne zu bewahren. Mach mit und werde Teil der Bewegung für eine umweltfreundliche und kostensparende Küche! - Haltbarmachen im Handumdrehen: mit über 80 Zero-Waste-Rezepten - Clever organisieren: die besten Tipps für Küche, Einkauf und Vorratskammer - Flexibel nachhaltig kochen: mit der großen Zutaten-Tauschliste im Handumdrehen Ersatz für viele Zutaten finden
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Seitenzahl: 191
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© eBook: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
© Printausgabe: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Projektleitung: Fabian Barthel
Lektorat: Petra Teetz
Korrektorat: Anne-Sophie Zähringer
Covergestaltung: kral & kral design, Dießen a. Ammersee
eBook-Herstellung: Jie Song
ISBN 978-3-96747-127-4
01. Auflage 2023
Bildnachweis
Coverabbildung: Verena Müller
Fotos: Verena Hirsch, Verena Müller
Syndication: www.seasons.agency
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Verena Hirsch
ich bin damit aufgewachsen, dass Nahrungsmittel sehr wertvoll sind. Egal ob gekauft oder selbst angebaut – Essen wurde in meiner Familie gehegt, gepflegt, zubereitet, gekocht, gebacken und restlos verwertet. (Nachhaltige) Lebensmittel hatten stets eine sehr hohe Priorität.
Doch dieser hohe Stellenwert von Nahrungsmitteln ist in unserer Gesellschaft heute selten geworden. Wir wollen es so einfach, so schnell und vor allem so günstig wie möglich. Und das meine ich ganz ohne Wertung. Aber die Rechnung von günstigem Essen im Überfluss geht am Ende nicht auf.
Vielleicht hast du schon mal gehört, dass vegane Ernährung gut für die Umwelt sein soll, dass viel zu viele Lebensmittel weggeworfen werden und dass Plastik so gut es geht vermieden werden sollte. Vielleicht versuchst du auch schon, mehr pflanzliche Lebensmittel und unverpacktes Gemüse zu kaufen. Vielleicht bist du aber auch verwirrt von all den Empfehlungen und weißt einfach nicht, wo du anfangen sollst. Das verstehe ich nur zu gut.
Genau deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Ich zeige dir, wie du mit einfachen Routinen deine Vorräte besser strukturierst – auch mit wenig Zeit. Wir klären die Gretchenfrage, ob bio besser ist als regional, warum bunte Obstkörbe keine gute Idee sind und wie du mit deinem Tiefkühlgerät ein Profi im Haltbarmachen wirst. Außerdem verrate ich dir, wie Spaghetti vom Vortag als Muffins zum Hingucker des Abendessens werden.
Freue dich auf viele Aha- Momente, auf einfache und schnelle Rezepte sowie auf Tipps rund um die nachhaltige Ernährung. Viel Spaß beim Lesen, Ausprobieren und Fairwerten.
Ich bin auf einem Biobauernhof aufgewachsen. Ein einfacher Satz, der mein Leben in vielerlei Hinsicht geprägt hat. Als Kind schämte ich mich für die Landwirtschaft meiner Eltern. Als Teenagerin hat es mich wahnsinnig genervt, auf dem Hof mithelfen zu müssen. Als Studentin fühlte ich mich dann gesellschaftlich aufgestiegen, wenn ich vom Bauernhof meiner Eltern erzählte. Und heute bin ich als Bloggerin über nachhaltige Ernährung einfach nur wahnsinnig stolz darauf, von einem Biobauernhof zu kommen.
Der Bauernhof meiner Eltern ist ein klassischer Familienbetrieb, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Zuletzt musste ihn meine Mama von meinen Großeltern übernehmen. Und mit müssen meine ich müssen. Wäre es nach ihr gegangen, wäre sie Profiturnerin geworden. Aber meine Mama durfte nicht. Das zeigt sehr deutlich, in welchen konservativen und traditionellen Schuhen der Hof im ländlichen Niederbayern damals steckte – einschließlich Mehrgenerationenhaushalt aus Oma, Großtante, meinen Eltern sowie meinen beiden Brüdern und mir. Umgeben von Wald, Wiesen und Feldern ist der Bauernhof Teil eines Zweihundertseelendorfes. Hier gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten, keine öffentlichen Verkehrsmittel und keinen Handyempfang. Hallo Dorfidylle, oder hallo nirgendwo. Zutreffendes gerne gedanklich ankreuzen.
1995, als ich 1 Jahr alt war, beschlossen meine Eltern, den Hof biologisch zu bewirtschaften. Das bedeutet, dass keine Pestizide oder künstliche Düngemittel auf den Feldern ausgebracht werden. Stattdessen erhalten die Ackerflächen mehr Zeit zur Erholung und werden mit Mist oder Gülle gedüngt. Bio heißt auch, dass die Tiere mehr Platz und Auslauf haben und, und, und. Bio bedeutet aber auch mehr Arbeit, vor allem Handarbeit. Und da war die ganze Familie gefragt.
Ob Unkraut jäten, Kartoffeln mit der Hand ernten, Stroh bis unter das Scheunendach schichten oder Holz spalten und in den Schuppen räumen, Arbeit gab es immer genug. Am meisten zu tun gab es im Sommer. Während meine Freundinnen im Freibad Spaß hatten, musste ich helfen, die Ernte einzubringen. In den Sommerurlaub fahren? Fehlanzeige! Urlaub war sowieso ein Fremdwort und im Sommer erst recht. Das alles frustrierte mich als Kind wahnsinnig.
Vielleicht fragst du dich, warum ich mich als Kind dafür schämte, vom Bauernhof zu kommen. Nun, vor etwa 20 Jahren war der gesellschaftliche Stellenwert der Landwirtschaft wesentlich niedriger als heute. Bio wurde belächelt und als alternativ abgestempelt. »Du Bauer« kennst du bestimmt auch als abwertende Bezeichnung. Kinderspiele wie »Wir schmatzen jetzt alle wie ein Bauer« gingen an einem sensiblen Kind wie mir nicht einfach vorbei. Dazu kam, dass mein Bruder in der Schule damit gehänselt wurde, vom Biohof zu kommen. Selbstverständlich hat ein Bauernhof auch tolle Seiten, aber meist überwiegt die immense Arbeitslast. Trotzdem wird Bäuerinnen und Bauern immer noch nicht die Wertschätzung entgegengebracht, die sie eigentlich verdient hätten.
Meine negativen Erfahrungen führten jedenfalls dazu, dass ich mir stets das Gegenteil wünschte: Stadt statt Dorf, Einfamilienhaus statt Bauernhof, in den Urlaub fahren statt Ferien zu Hause. So stand ziemlich früh mein Plan fest, mit 18 Jahren daheim auszuziehen und nach München zu gehen.
Als Kind verschmähte ich auch die Äpfel, die direkt am Hof wachsen. Heute sehe ich sie mit anderen Augen.
Tschüss Dorfleben, hallo Großstadt! Ich wagte mit meinem Jurastudium erfolgreich einen Neustart in München. Beim Thema Essen blieb jedoch vieles unbewusst beim Alten: Als mir mein Glück schließlich bewusst wurde, gründete ich meinen Blog.
»Wer in der Flasche sitzt, kann das Etikett nicht lesen.« So erging es auch mir. Erst als ich vom Hof wegging, konnte ich erkennen, welches Glück ich hatte.
Gesagt, getan. Nach meinem Abitur zog ich nach München, um Jura zu studieren. Ich wollte mein Leben um 180 Grad drehen, in der Hoffnung, dass es mir besser ginge. Denn seit meiner Jugend begleitete mich eine schwere Depression, die ich neben dem Bauernhof-Flair endlich hinter mir lassen wollte. Und tatsächlich tat mir der Neustart gut. Das Studium machte mir Spaß und ich sog die Großstadt regelrecht in mich auf.
Was mich allerdings – zunächst unbewusst – weiterhin begleitete, waren Biolebensmittel und der wertschätzende Umgang mit Essen. Ich ging auch als Studentin in Bioläden einkaufen, weil mir das Essen einfach besser schmeckte. Statt in der Mensa zu essen oder Pizza zu bestellen, kochte ich meist aus Gewohnheit selbst. Schließlich bekam ich früher auch jeden Tag ein frisch gekochtes Mittagessen von meiner Mama oder Oma.
Mit der Zeit begegneten mir in alltäglichen Gesprächen immer wieder Aussagen wie »Bio ist doch auch nicht besser!«, »In bio ist doch gar nicht bio drin!«, »Bio ist viel zu teuer!«, »Bio wird doch auch gespritzt.« Außerdem tat es mir zunehmend weh, wie viel Essen in meiner WG einfach im Müll landete. Und da fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: In meiner früheren Biobauernhofblase dachte ich, dass alle den Unterschied zwischen bio und nicht bio kennen. Dass alle Wert auf Qualität beim Essen legen und wissen, dass Lebensmittel nicht schlecht werden, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. Ja, das dachte ich und merkte, dass dem gar nicht so war.
Ich begann zuerst im Kleinen über bio zu sprechen. Ich erzählte Mitstudierenden vom Bauernhof meiner Eltern und was Biolebensmittel wirklich ausmacht. Ich rettete ehrenamtlich Lebensmittel bei Supermärkten und Bäckereien, die sonst weggeworfen worden wären. Diese verteilte ich in meiner WG und bot meinen Mitbewohnern auch an, übrige Lebensmittel und Essensreste zu verwerten.
Während der Vorbereitung auf mein erstes juristisches Staatsexamen wurde es schließlich mein Hobby, Wissen über Biolandwirtschaft zu verbreiten, Tipps gegen Lebensmittelverschwendung zu geben und saisonale Rezepte mit regionalen Zutaten zu kreieren. Ich gründete meinen Blog allmydeer.com und schrieb dort zum ersten Mal voller Stolz auf der Übermich-Seite, dass ich auf einem Biobauernhof aufgewachsen bin.
Dass ich meinen Blog mittlerweile zu meinem Beruf machen konnte, macht mich jeden Tag aufs Neue glücklich.
Erst mit Mitte 20 wurde mir dann so richtig bewusst, welch riesiges Glück ich hatte, mit einer solch großen Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln aufgewachsen zu sein. Mir wurde klar, dass dieses Glück nicht viele haben. Genau diese Wertschätzung wollte ich weitergeben.
Durch meinen Blog zog es mich schließlich immer weiter weg von den Paragrafen und hin zu journalistischen Texten. Einerseits belastete das Studium meine psychische Gesundheit und andererseits fühlte es sich nicht mehr richtig an. Ich fasste den Mut, es mit dem ersten Staatsexamen gut sein zu lassen, zog nach Hamburg und sammelte dort in einem Verlag redaktionelle Erfahrung. Nachdem ich das Großstadtleben also nochmal voll auskostete, wurde der Drang, wieder in die Heimat zurückzukehren, immer größer. Außerdem wollte ich mich ganz meiner Leidenschaft widmen: mehr Wertschätzung für Lebensmittel schaffen. Gesagt, getan. Ich zog nach Regensburg, unweit vom Hof meiner Eltern entfernt, und machte mich mit allmydeer selbstständig.
Heute veröffentliche ich regelmäßig Artikel auf meinem Blog und schreibe Gastartikel für verschiedene Magazine. Zudem begeistere ich auf meinem Instagram-Account @allmydeer jeden Tag mehr als 20.000 Menschen mit nützlichen Tipps, faszinierenden Tricks und leckeren saisonalen Rezepten.
Mit diesem Buch möchte ich nun all mein Wissen kompakt und leicht verständlich zusammenfassen. Es soll dich unterstützen, mehr über Lebensmittel zu erfahren, sie richtig zu lagern, schnell haltbar zu machen und restlos zu verwerten. Dabei darf natürlich der Spaßfaktor nicht fehlen. Hab mein Buch also am besten immer griffbereit in deiner Küche!
@ALLMYDEER
Der Name allmydeer leitet sich von meinem Nachnamen Hirsch (engl. deer) ab. Der Kunstname steht für alles, was mich ausmacht bzw. was mir wichtig ist.
Nachdem ich die Paragrafen also endgültig an den Nagel gehängt hatte, um mich ganz meiner Leidenschaft zu widmen, ploppten plötzlich enorm viele Fragen in meinem Kopf auf: Warum kaufen wir lieber importierte Mangos, anstatt die Äpfel in unserem Garten zu ernten? Warum wollen wir so wenig Geld wie möglich für Lebensmittel ausgeben? Und warum werfen wir sie dann wieder weg, obwohl sie noch gut sind? Warum müssen die Ladentheken auch 5 Minuten vor Ladenschluss noch prall gefüllt sein? Warum, warum, warum …
Je mehr ich nach Antworten suchte, desto klarer wurde mir, wie wahnsinnig komplex unser Ernährungssystem ist – oder besser gesagt, worin alle seine Fehler liegen. Zusammengefasst könnte man auch sagen: Der Fehler liegt im System. Gurken aus Spanien zu importieren, ist günstiger als sie saisonal und regional in Deutschland anzubauen. Pflanzliche Milchalternativen werden höher besteuert als Kuhmilch. Essen wegzuwerfen, lohnt sich für Supermärkte oft finanziell mehr als es zu spenden. Klingt für dich absolut nicht logisch? Dann sind wir schon mal zu zweit. Lass uns also einfach damit anfangen, alles Schritt für Schritt aufzudröseln.
Wie unsere Lebensmittel heute produziert werden, ist teilweise unfassbar vielschichtig und kompliziert. Was alles geschieht, bevor die Nudeln, die Tomaten oder die Milch in unserem Einkaufskorb landen, können wir als Endverbraucher so gut wie gar nicht beeinflussen. Allerdings haben wir es schon in der Hand, was wir einkaufen und wie wir damit umgehen.
Welche Auswirkungen die Herstellung von Lebensmitteln auf die Umwelt haben, wird u. a. durch den CO2-Fußabdruck ausgedrückt. Dieser zeigt an, wie viele Treibhausgase vom Anbau bis zum Verkauf eines Produkts entstehen. Neben CO2 werden auch die klimawirksamen Gase Methan und Lachgas als CO2-Äquivalente in der Berechnung berücksichtigt. Vielleicht hast du schon einmal vom ökologischen Fußabdruck gehört. Dieser berücksichtigt über den CO2-Ausstoß hinaus auch, wie viel produktive Fläche benötigt wird, damit die verbrauchten Ressourcen erneuert und die entstandenen Abfallprodukte beseitigt werden können.
In diesem Kapitel möchte ich dir zeigen, dass ein bewusster Umgang mit Essen keinen Verzicht bedeutet, sondern vielfältige Geschmackserlebnisse mit sich bringt. Unsere Lebensmittel wertzuschätzen und Reste kreativ zu verarbeiten, ist eine enorme Bereicherung – und dringend notwendig fürs Klima.
Und damit sind wir schon beim Stichwort. Wenn es um Klimaerwärmung geht, denken wir an stinkende Autos, zu viele Flüge und qualmende Schornsteine. Doch auch alles, was wir essen, muss erst einmal produziert werden. Vom Anbau über Verarbeitung und Verpackung bis hin zum Transport und Verkauf entstehen Treibhausgase. Wie hoch diese sind, hängt von der Art des Lebensmittels ab sowie davon, wo es herkommt und wie es hergestellt wurde.
Laut WWF entstehen in Deutschland 20 Prozent aller Treibhausgasemissionen im Bereich Ernährung. Fast die Hälfte davon fallen an, um tierische Lebensmittel zu erzeugen. Auch wenn in Deutschland tendenziell immer weniger Fleisch gegessen wird, ist der Konsum mit rund 1 kg pro Woche immer noch zu hoch. Milch, Butter, Käse und Fleisch verursachen bei der Herstellung mehr Treibhausgase als pflanzliche Lebensmittel. Das liegt daran, dass erst einmal Futter für die Tiere angebaut werden muss. Zudem ist der komplette Herstellungsweg bis zum fertigen Produkt beispielsweise bei Butter viel länger als vergleichsweise bei Nussmus. Weiterhin wird für tierische Produkte auch mehr Fläche benötigt. Pflanzliche Lebensmittel haben in der Regel einen niedrigeren Fußabdruck als tierische – sowohl von der benötigten Fläche als auch von den CO2-Emissionen her. Würden wir insgesamt weniger Fleisch essen, könnten in Deutschland jährlich 27 Millionen Tonnen Treibhausgase eingespart werden.
Nicht nur was wir essen, sondern auch wie wir mit Nahrungsmitteln umgehen, wirkt sich auf das Klima aus. Und das nicht zu knapp. Die essbaren Lebensmittel, die auf deutschen Mülldeponien landen, verursachen jährlich etwa 40 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Das entspricht in etwa den gesamten Treibhausgasemissionen von Dänemark. Mit Lebensmitteln bewusst und sorgsam umzugehen, ist also aktiver Klimaschutz.
Wäre Lebensmittelverschwendung ein Land, wäre es der drittgrößte CO2-Emittent nach China und den USA. Warum so viel Essen einfach im Müll landet und wie viel Geld dir dabei flöten geht.
Mein kleines Einmaleins gegen Lebensmittelverschwendung: Verpackungen vollständig aufbrauchen, Vorräte überprüfen und erst dann wieder nachkaufen.
Kaufen und wegwerfen stehen von der Wortbedeutung her eigentlich völlig im Gegensatz zueinander. Wirft man jedoch einen Blick in die Mülltonnen, scheint in der Praxis das Einkaufen von Lebensmitteln ihr Wegwerfen zu bedingen. Wie die Grafik auf > zur Lebensmittelverschwendung in Deutschland zeigt, werfen wir Lebensmittel und Essen tatsächlich am meisten in unseren eigenen vier Wänden weg. Was mir an dieser Stelle sehr wichtig ist: Ich zeige dabei nicht mit dem Finger auf andere. Es geht mir auch nicht darum, Schuldige zu finden. Wie ich oben bereits angemerkt habe, stecken wir in einem fehlerhaften System fest, das die Verschwendung von Lebensmitteln billigend in Kauf nimmt.
Durch meine Arbeit habe ich erkannt, dass mit öffentlichen Aktionen nur zu oft die gesamte Verantwortung auf uns Kundinnen und Kunden abgeschoben wird. Doch beim Thema Lebensmittelverschwendung tragen auch Unternehmen und Politik eine große Verantwortung. Mein Ziel ist es, auf die Probleme aufmerksam zu machen, dafür zu sensibilisieren, wo Verschwendung entsteht und zu motivieren, persönliche Gewohnheiten zu überprüfen und zu ändern.
Also fangen wir doch gleich damit an. Wo entsteht denn Verschwendung? Nachfolgend habe ich einige mögliche Ursachen aufgelistet, warum Lebensmittel überhaupt im Müll landen:
Sparangebote verleiten dazu, zu viel zu kaufen.
Wir kaufen mehr, als wir essen können.
Die Verpackungseinheiten sind größer als der individuelle Bedarf.
Lebensmittel werden falsch gelagert.
Reste werden weggeworfen anstatt verwertet zu werden.
Die Portionsgrößen sind zu groß bemessen.
Das Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Verpackung wird falsch verstanden.
Der Überblick über die eigenen Vorräte fehlt.
Lebensmittel haben Makel und werden deshalb entsorgt.
Übriges Essen wird nicht verteilt.
Überlege an dieser Stelle doch kurz ohne Wertung, ob bei dir in dieser Woche Essen schlecht geworden ist. War das vielleicht zufällig aus einem der angeführten Gründe? Egal zu welcher Antwort du gekommen bist – Applaus, dass du mitgemacht hast. Nur wenn wir unsere Gewohnheiten reflektieren, können wir sie auch ändern. Darum kümmern wir uns dann in den nächsten Kapiteln.
Bleiben wir noch kurz beim Müll. Ehrlich gesagt bringe ich die Mülltüten ziemlich ungern weg. Mich stört allerdings nicht der Gang zur Mülltonne, sondern der Anblick, der mich dort oft erwartet: Ein ganzer Laib Brot, eine Packung Cornflakes oder eine halbe Pizza sind keine Seltenheit, wenn ich den Deckel der Tonne öffne. Verstehe mich bitte nicht falsch, natürlich kann mal etwas schlecht werden, dazu später mehr. Aber abgesehen von den moralischen und umwelttechnischen Aspekten, ist es auch bares Geld, was dort im Abfall liegt. Summieren wir das, kommen pro Person und Jahr rund 235 Euro zusammen. Bei einer vierköpfigen Familie sind das 940 Euro im Jahr. Überlege dir gerne mal, was du dir für 235 Euro kaufen könntest. Also mir fallen da viele schöne Dinge ein.
Ich erlaube mir an dieser Stelle mal etwas in den Tag hinein zu träumen: Was wäre denn, wenn nahezu alle Lebensmittel, die angebaut und produziert werden, auch wirklich gegessen werden würden? Wenn nicht mehr für die Tonne produziert werden würde, könnten sich dann alle qualitativ hochwertige Lebensmittel leisten? Wäre dann Essen keine Frage von Privilegien mehr? Die Antworten werden wir wahrscheinlich nie erfahren. Trotzdem finde ich es in Zeiten von Inflation & Co. umso wichtiger, diese Frage einfach mal zu stellen.
Lebensmittelverschwendung in Deutschland nach Sektoren Quelle: Thünen Report 71 (2015)
»Ein Bissen guter Nahrung entscheidet oft, ob wir mit hohlem Auge oder hoffnungsreich in die Zukunft schauen.« – Friedrich Nietzsche, 1886
»Essts es gar koa Birn oder Äpfe vo uns?«, höre ich heute noch meine Oma zu mir und meinen Brüdern sagen. Halb aufmunternd, halb vorwurfsvoll in urbayerischem Dialekt wollte sie wissen, warum wir Kinder denn keine frischen Äpfel und Birnen aus unserem Garten essen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie meine Oma das gesamte Fallobst aufsammelte, es in die Küche trug, alle Früchte sorgfältig schälte, hin und wieder davon naschte und das Obst schließlich für den Winter einweckte. Das gab es dann zum Beispiel zu frischem Schmalzgebäck.
Das nenne ich Wertschätzung wie aus dem Bilderbuch. Heute fühle ich mich ein bisschen so, als würde ich die Botschaft meiner Oma verbreiten, wenn ich auf meinem Blog oder Instagram-Account anpreise, wie aromatisch und lecker die schrumpeligen Äpfel sind. Und wie schade es doch ist, dass wir so viel Essbarem, das direkt vor unserer Haustüre wächst, keine Beachtung schenken. Ja, warum ist das denn so?
Essen ist unser Mittel zum Leben. Ohne Nahrung können wir von Natur aus nicht (lange) leben. Warum aber sind uns dann Lebensmittel durchweg so wenig wert? Nun, anders als meine Oma, die im Zweiten Weltkrieg aufgewachsen ist, war Nahrung für die meisten von uns nie knapp. Essen ist immer und überall verfügbar. Es gibt Supermärkte, die täglich über 12 Stunden geöffnet haben. Die Bäckertheken sind auch kurz vor Ladenschluss noch gut gefüllt und Einkaufsbringdienste werben damit, dass eine Bestellung in weniger als 10 Minuten geliefert wird. Um es zusammenzufassen: Wir leben mit Lebensmitteln und Essen im Überfluss.
Blicken wir in Werbeprospekte, TV-Werbungen oder Online-Anzeigen, wird uns mit Tiefpreisknüllern, Preiskrachern oder Schnäppchen der Woche vermittelt, wie phänomenal günstig doch Lebensmittel sind bzw. sein müssen. Wer da nicht richtig zuschlägt, wäre schön blöd. Doch leider wird verschwiegen, wie diese Dumpingpreise zustande kommen. Wir sehen nur die eine Seite der Medaille – auf Hochglanz poliert von der Werbeindustrie, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu blenden. Und da sind wir wieder bei meinen Ausführungen am Anfang des Kapitels. Wir sehen nicht, was vor dem Supermarktregal geleistet wurde. Wir sehen nicht den Hof, das Tier, die Arbeit und die Bezahlung der Menschen.
Außer man wächst auf einem Hof auf, so wie ich. Ich habe die Kehrseite der Medaille gesehen. Ich weiß, wie viel Schweiß an der Ernte hängt, wie aufreibend Wetterprognosen sein können und wie schnell es zu Ernteausfällen kommen kann. Ich habe selbst miterlebt, wie mühselig es ist, Kartoffeln von Hand zu ernten. Glaubt mir, diese Kartoffeln wirft man nicht weg – ganz egal wie sie aussehen.
Ich kann und will diese Zeilen nicht stehen lassen, ohne auf Privilegien einzugehen. Ja, uns wird beigebracht, dass Lebensmittel so günstig wie möglich sein müssen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass viele mehr für Lebensmittel ausgeben könnten. Oft ist das mehr eine Frage des Sich-leisten-Wollens als des Sich-leisten-Könnens. Allerdings gibt es auch Menschen, die dieses Privileg nicht besitzen. Menschen, die auf solche extrem günstigen Preise angewiesen sind, um jeden Monat über die Runden zu kommen. Diese Tatsache rechtfertigt aber nicht unser aktuelles Ernährungssystem, sondern zeigt vielmehr, dass billige Lebensmittel ein funktionierendes, soziales Sicherungssystem ersetzen.
»Ich habe aber kein eigenes Feld, um Kartoffeln zu ernten und Wertschätzung zu lernen«, denkst du dir vielleicht jetzt nach meinem Beispiel. Brauchst du auch nicht. Den ersten Schritt hast du bereits getan. Du hast dir mein Buch gekauft und zu lesen begonnen. Daumen hoch dafür!
Wertschätzung entsteht, indem wir uns mit Lebensmitteln auseinandersetzen, sie fühlen, riechen, zubereiten und schmecken. Dazu findest du viele praktische Tipps und Rezepte in diesem Buch.
Auch säen und ernten sensibilisiert. Wenn du einen Garten oder Balkon hast, starte doch mit einem kleinen Hochbeet. Radieschen oder Pflücksalat eignen sich besonders gut für Gartenneulinge. Das Säen und Ernten funktioniert auch im Kleinen auf der Fensterbank: Kresse säen, Kräuter anpflanzen und Sprossen ziehen klappt wunderbar indoor ohne Garten oder Balkon. Probiere es aus, du wirst begeistert sein! Dann gibt es noch weitere Erntemöglichkeiten ohne Garten und Balkon:
Gartenpate werden
Auf dieser kostenlosen Plattform findest du Menschen, die ihren Garten teilen wollen. Eine Karte zeigt, ob auch in deiner Umgebung ein Garten zur Verfügung steht. www.gartenpaten.org
Beete mieten
Einen bereits vorbereiteten Garten mieten, professionelle Anleitung und Werkzeug erhalten – das ermöglicht diese Plattform in vielen deutschen Städten. www.meine.ernte.de
Gemeinschaftsgärten
Durch den Urban-Gardening-Trend, Dächer und ungenutzte Ecken in Städten mit Gemüse zu bepflanzen, wurden auch immer mehr Gärten für eine Gemeinschaft eingerichtet – zum Beispiel auf Firmengrundstücken, auf Dächern von Wohnhäusern oder in Stadtteilen. Erkundige dich bei deiner Gemeinde, Stadt oder deinem Arbeitgeber danach.
Kostenlos ernten
... ist ausdrücklich erwünscht! Diese Plattform bietet eine interaktive Karte mit öffentlichen Ernteplätzen. Hier kannst du dich an heimischem Obst, Nüssen und Kräutern bedienen. www.mundraub.org