Delicious 2 - Catch me | Erotischer Roman - Alice White - E-Book

Delicious 2 - Catch me | Erotischer Roman E-Book

Alice White

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Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 256 Taschenbuchseiten ... Alex' Grundsatz scheint gebrochen. Sie wollte eine Nacht zu dritt, ein erotisches Abenteuer mit zwei Männern erleben. Stattdessen hat sie sich in einen der beiden verliebt und begibt sich in die ihr unbekannten Gefilde einer monogamen Beziehung. Doch sind ihre Gefühle stark genug, um auf ihre Fantasie zu verzichten? Und was ist mit der Versuchung, die vom anderen ausgeht? Das verlockend verbotene Spiel zwischen zwei Männern nimmt seinen Lauf ... Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

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Seitenzahl: 352

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Impressum:

Delicious 2 - Catch me | Erotischer Roman

von Alice White

 

Schon in frühester Kindheit zeigten sich bei Alice White vielseitige Begabungen für künstlerische und kreative Bereiche. Ihre große Leidenschaft – das Theater – machte sie 2015 zum Beruf. Neben den darstellenden Künsten und dem Face- und Bodypainting nahm das Schreiben schon immer einen bedeutungsvollen Teil in ihrem Leben ein.Inspiriert wird die Hamburger Autorin unter anderem von erstaunlich detailgetreuen Träumen, die sie dann mit einem olivenhaltigen Getränk in ihrer mit ehrwürdigen Schreibmaschinen dekorierten Wohnung zu Papier bringt.

 

Lektorat: Melanie Reichert / www.buchstabenwirbel.de

 

 

Originalausgabe

© 2018 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © Gergely Zsolnai @ www.shutterstock.com

Umschlaggestaltung: MT Design

 

ISBN 9783862778959

www.blue-panther-books.de

Was bisher geschah

Der Plan war schnell gemacht: ein erotisches Spiel zu dritt. Eine Nacht mit Marlon, dann eine mit Hendrik und abschließend eine gemeinsame. Keine Gefühle, keine Romantik. Es hatte nach einem einfachen Unterfangen geklungen. Ein spannendes und knisterndes Abenteuer, auf das sich Alex mit den beiden Männern hatte einlassen wollen. Doch es kam anders. Während sich das berufliche Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten Marlon zunehmend zu einer tiefen Freundschaft mit Extras entwickelte, brachte Hendrik in Alex genau die unliebsamen Gefühle zum Vorschein, die sie so vehement zu vermeiden versucht hatte, und stellte sie schließlich vor die Wahl – er oder Marlon. Nicht zuletzt durch den Zuspruch ihres großen Bruders André und ihrer Nachbarin Bea, die sie davon überzeugten, ihre Gefühle anzunehmen und es einfach zu genießen, schmiss sie ihre Zweifel über Bord und entschied sich für eine Beziehung mit Hendrik.

1

Hendrik schloss die Tür hinter mir. Ich stand nahezu regungslos neben ihm, schaute etwas desorientiert in der Gegend herum. Ich hörte Herman mit klackernden Pfoten über die Fliesen trotten, er schien meine Anwesenheit nicht sonderlich interessant zu finden.

»Willst du dich nicht ausziehen?« Hendrik stellte sich auffordernd vor mich, die Arme locker verschränkt. Er wirkte vollkommen gelassen. Im Gegensatz zu mir. Ich war aufgeregt, schon beinah etwas nervös, versuchte mir aber nichts anmerken zu lassen.

»Ach, wir überspringen das peinliche Schweigen einfach und gehen direkt ins Schlafzimmer? Wobei ich jetzt doch den Küchentisch bevorzugen würde«, witzelte ich. Hendrik grinste belustigt.

»Ich meinte eigentlich deine Jacke«, begann er. In seine Augen trat wieder dieses verheißungsvolle Funkeln. Er machte einen Schritt an mich heran, griff nach dem Zipper meiner leichten Sommerjacke und öffnete ihn ganz langsam. »Aber ja, überspringen wir den Teil, in dem ich dir einen Kaffee anbiete, wir uns still gegenübersitzen und nach dem passenden Aufhänger suchen, um uns dann doch nackt auf dem Fußboden zu räkeln.« Er streifte mir meine Jacke von den Schultern und ließ sie an Ort und Stelle fallen.

»Der Boden sieht aber nicht sehr bequem aus«, stellte ich fest, zog meine Schuhe aus, ohne dabei seinem Blick auszuweichen, und fuhr mit meinem Zeigefinger spielerisch über die Knopfleiste seines Hemds.

»Oh, ich habe einen wunderbar weichen und bequemen Teppich im Wohnzimmer liegen, der geradezu danach schreit, auf ihm Unzucht zu treiben. Aber fangen wir ruhig in der Küche an und arbeiten uns dann Stück für Stück durch die Wohnung.« Mit dem Zeigefinger kreiste ich noch immer über seine Knöpfe, bereit, sie in Windeseile zu öffnen und meinen heißen Atem auf die Haut darunter zu hauchen. Hendrik beugte sich dicht an mein Gesicht heran. Seine Nasenspitze berührte meine Wange. Ganz zart, kaum spürbar. Als seine Lippen nach meinen suchten, drehte ich meinen Kopf zur Seite, klopfte ihm auffordernd auf die Schulter und ging an ihm vorbei, geradewegs durch die offene Tür am Ende des Flurs.

»Alles klar, die Küche also.«

Hendriks Küche war irgendwie leer. Es sah nicht danach aus, als würde er sie oft benutzen. Hochmodern und nahezu klinisch sauber. Ich fühlte mich leicht deplatziert und verspürte das Bedürfnis, meine Kleider wild durcheinander im Raum zu verteilen und ein paar Brotkrümel verstreuen zu müssen, um ein gesundes Maß an Chaos zu verbreiten. Doch der Gedanke hielt nicht lang an. Hendrik schmiegte sich von hinten an meinen Körper und küsste mir zärtlich auf den Nacken. Ich bekam binnen Sekunden eine Gänsehaut. Ein Schauer der Erregung wanderte mir die Wirbelsäule hinunter, als er seine weichen Hände unter mein T-Shirt schob und dabei den Bund meiner Jeans streifte. Dann drehte er mich ruckartig um, zerrte mich regelrecht an sich und küsste mich im Sturm. Hektisch öffnete ich seine Hemdknöpfe, während wir dabei Schritt für Schritt an den Küchentisch herantraten. Kaum spürte ich die Tischkante am Hintern, griff Hendrik mir unter die Arme und hob mich auf die Platte. Unglaublich. So viel Kraft hatte ich ihm gar nicht zugetraut. Er knöpfte meine Jeans auf und riss sie mir förmlich von den Beinen. Mein Slip flog nur Sekunden später hinterher. Der Tisch war eiskalt. Ich zuckte, als mein nackter Hintern die Stahlplatte berührte und mir die Kälte über die Haut kroch. Mit beiden Händen strich Hendrik meine Oberschenkel entlang. Erst von außen, dann von innen. Immer dichter auf meinen Intimbereich zu. Auf und Ab. Jedes Mal, wenn er mit seinen Daumen näher kam, um dann doch wieder vor meinem Zentrum innezuhalten und die Richtung zu wechseln, zuckte ich erregt zusammen. Ich konnte sein hämisches Grinsen durch seine Küsse spüren. Er verstand es wirklich, mich zu reizen.

Das eine Fast-Berührung nahezu mehr Reiz ausüben konnte, als der Kontakt selbst, war unglaublich. Er liebkoste mich überall. Außer an meiner empfindlichsten Stelle. Und das gefiel mir sehr. Jede Sekunde, jedes Zucken hieß ich bereitwillig willkommen. Ich stützte meine Hände auf dem Tisch ab, ließ mich lustvoll nach hinten fallen und legte den Kopf in den Nacken. Ohne von mir abzulassen, beugte er sich an meinen Hals heran und hauchte mir auf die Haut. Nur sein warmer Atem traf meinen Körper. Nur ein zarter Hauch. Die Gänsehaut, die sich immer wieder von Neuem aufbaute, war kaum auszuhalten.

»Schling deine Beine um mich«, flüsterte er mir ins Ohr und legte eine Hand an meinen Rücken, um mich aufzurichten. Ich tat, wie mir geheißen, und klammerte mich mit meinen Beinen an seinem Becken fest. Dann hob er mich hoch und wir blieben einen Augenblick im Raum stehen.

»Wo willst du denn mit mir hin? Hatten wir uns nicht auf die Küche geeinigt?«, witzelte ich und biss ihm behutsam in die Unterlippe, was ihn straucheln ließ. Er ging ein paar wacklige Schritte rückwärts, bis wir am Herd anstießen, wo er sich kurz abstützte, um uns nicht zum Stürzen zu bringen. Ich konnte mein Lachen kaum unterdrücken, ließ mich jedoch nicht davon abhalten, ihn weiter zu liebkosen. Er schien mir kräftig genug, um mich noch einen Augenblick länger halten zu können.

»Tja, die Kondome liegen im Schlafzimmer.«

»Verstehe.« Ich nickte grinsend und leckte seinen Hals entlang. Ich rutschte. Ein wenig. Hendrik versuchte, seine Hände neu zu positionieren. Entschied dann aber, sich lieber umzudrehen und mich auf der Herdplatte abzusetzen. Ich schmunzelte und küsste ihn unbeirrt weiter, während ich mit zarten Berührungen seinen Oberkörper entlangwanderte und ihm das offene Hemd von den Schultern schob. Mir wurde heiß, noch heißer. Ich spürte eine mehr als eindringlich aufsteigende Hitze und wusste, dass mir die Fast-Berührungen, so anregend sie auch gewesen waren, jetzt nicht mehr reichen würden. Als Hendrik erneut begann, meine Oberschenkel hinaufzufahren, und meine Erregung kaum noch zu ertragen war, ergriff ich einfach seine Hand und presste sie an meinen Schambereich. Er grinste, ich grinste und schob seine Finger genau dahin, wo ich sie in diesem Moment haben wollte: in mir. Es war so unsagbar sexy, dass es beinah brannte. Es brannte in mir, auf mir, an mir. Ich stand in Flammen.

»Heiß«, brachte ich hervor.

»Finde ich auch«, sagte er und küsste mich unbeirrt weiter. Ich zog meinen Mund weg.

»Nein, aua, heiß, heiß!« Es tat weh. Ich stieß einen Schrei aus, nicht vor Erregung, sondern vor Schmerz. Ich drückte Hendrik von mir und sprang von der sich erhitzenden Herdplatte hinunter. »Fuck«, keuchte ich mit verzerrtem Gesicht. Hendrik drehte sich um und schaltete die Platte aus. Mein Hintern brannte.

»Oh, das gibt ’ne Blase.«

»Ach was, echt?«, fauchte ich schmerzbedingt.

»Hätten wir doch mal lieber den Teppich genommen.« Ernsthaft? Mir fackelt das Hinterteil beinah weg und der Kerl besitzt die Frechheit, Witze zu reißen? Na warte! Hendrik legte eine Hand an mein Kinn und zog meine Lippen zu sich heran.

»Hättest mich ruhig vorwarnen können, dass du beabsichtigt hast, mich zu brandmarken.«

»Tja wer’s kaputt macht, darf’s behalten. Oder wie war das?«

»Wusste ich’s doch. Dein teuflischer Plan, mich als Eigentum zu kennzeichnen, wurde aufgedeckt.« Hendrik grinste schelmisch. Mir schien, als läge ein Funken Wahrheit in dem nicht ernst gemeinten Schlagabtausch über potentielle Besitzansprüche.

»Ich wollte den Teppich«, beteuerte er mit Unschuldsmiene und küsste mich, bevor ich etwas Einfallsreiches hätte erwidern können.

»Ja, schon gut.«

»Na komm, leg dich aufs Bett und ich guck mal, ob ich was zum Kühlen dahabe.« Ich nickte und ging langsam ins Schlafzimmer, das sich direkt neben der Küche befand. Im Spiegel an der Schrankwand begutachtete ich meine Pobacke.

»Sieht nicht so schlimm aus«, stellte ich fest und befühlte vorsichtig die rote Stelle. Dann ließ ich mich auf Hendriks Bett sinken, legte mich auf den Bauch und schob mir das Kissen unter das Gesicht. Ein großes, aufgeplustertes mit dunkelblauem Bezug, farblich abgestimmt auf den Rest des Zimmers. Während Hendrik offenbar noch im Kühlschrank suchte, nutzte ich die Gelegenheit, um mich ein wenig umzuschauen. Es lenkte mich von dem Brennen ab. Seine Möbel waren nahezu alle weiß. Neben dem Bett stand ein dunkelblauer Nachtschrank. Die Lampe darauf hätte durchaus aus meiner Wohnung sein können. Überaus verspielt. Sie passte nicht so recht ins Gesamtbild. Alles wirkte sehr steril und gradlinig. Diese verschnörkelte Metalllampe war das glatte Gegenteil davon.

Henrik kam ins Zimmer und setzte sich mit einer Packung Eiswürfel an die Bettkante.

»Zieh dein T-Shirt aus«, forderte er. Er rutschte dicht an mich heran und brach einen Würfel aus der Form.

»Wozu? Ich denke, du kommst auch so wunderbar an die Stelle heran.«

»Sicher. Aber du gefällst mir besser, wenn du nackt bist.«

»Na, wenn das so ist.« Ich richtete mich vorsichtig auf und zog wie verlangt mein Shirt aus. Mit leichtem Schwung warf ich es beiseite und verfehlte dabei nur knapp die Lampe auf dem Nachttisch. Mein BH folgte direkt darauf. Als die wohltuende Kälte auf meine Haut tropfte, entglitt mir ein Seufzer der Erleichterung. Ganz langsam wanderte Hendrik mit dem Eiswürfel meinen Hintern entlang.

»Also dafür habe ich Eiswürfel auch noch nie benutzt«, sagte ich mehr zu mir selbst als zu ihm. Minutenlang lag ich einfach nur so da und ließ mir die Pobacke kühlen. Nicht, dass ich dazu nicht selbst imstande gewesen wäre, aber Hendrik schien es sehr zu gefallen, sich ausgiebig mit meinem Arsch zu befassen. Und da das Stechen auf meiner Haut stetig geringer wurde, genoss ich es zunehmend, so intensiv versorgt zu werden. Auch wenn ich eine etwas andere Art der Behandlung vorgezogen hätte.

»Und, geht’s wieder?« Ich nickte.

»Ja, ich glaube, mehr Kühlung braucht mein Hintern nicht.«

»Okay.« Hendrik nahm den mittlerweile beträchtlich tropfenden Eiswürfel von meiner Haut. Ich wollte mich gerade aufrichten, als er ihn wieder absetzte.

»Was machst du denn jetzt?« Er ließ den Würfel zwischen meine Schulterblätter fallen, der sich just verselbstständigte und meine Wirbelsäule hinunterrutschte. Meine Nackenhaare stellten sich binnen Sekunden auf.

»Wenn wir schon mal dabei sind …« Er beugte sich über mich und nahm den Eiswürfel zwischen seine Lippen, um ihn weiterzuschieben. Ich war noch damit beschäftigt, seine Wandfarbe zu analysieren, während er bereits beschlossen hatte, mit dem Eis eine Partie Curling auf meinem Rücken zu spielen. Doch als er mit seiner eisgekühlten Zunge anfing, über meinen Hintern zu lecken, hatte er meine volle Aufmerksamkeit zurück. Ich hörte die Reste des Würfels zu Boden fallen, während Hendrik mich ganz behutsam halb auf die Seite legte und eins meiner Beine anwinkelte. Vergessen war die Wandfarbe. Unwichtig war die Erkenntnis über den Mangel an persönlichen Gegenständen in seinem Schlafzimmer. Mein Fokus richtete sich auf Hendrik, seine kalten Lippen, seine eisige Zunge zwischen meinen Beinen. Feuer und Eis. Hitze und Kälte. Vereint zwischen meinen Schenkeln, um mir eine mehr als prickelnde Freude zu bereiten. Ach, das Leben kann ja so schön sein.

Hendriks Lippen bahnten sich langsam und genüsslich den Weg zu meinem Intimbereich. Mit sachten, kreisenden Bewegungen leckte er über meine Schamlippen. Rauf und runter, darauf bedacht, jeden hochsensiblen Nervenpunkt meines Lustorgans zu stimulieren. Achtsam erkundete er jeden Millimeter, reagierte auf jede meiner Regungen, während er mit seiner Handfläche über mein angewinkeltes Bein streichelte. Er ließ sich dabei unglaublich viel Zeit. Mein Kopf ruhte auf dem Kissen, meine Augen waren geschlossen, vollkommen entspannt und bereit, sich dem Genuss voll und ganz hinzugeben. Ich nahm mein Knie noch ein Stückchen dichter an meinen Körper heran, genoss das leichte Ziehen im Unterleib. Hendrik löste seine Zunge von mir und schob vorsichtig meine Schamlippen mit den Fingern auseinander. Ich spürte die kühle Luft des Zimmers an meiner feuchten Stelle. Hendriks Zunge tauchte ganz tief in mich hinein, leckte und umspielte meinen Kitzler, wurde dabei schneller und fester. Als er seine Finger zur Hilfe nahm, sie sanft in mich hineinschob und mit Druck von innen gegen meine Bauchdecke presste, zuckte mein Körper unruhig hin und her. Ich hob ihm mein Becken entgegen, führte ihn, während meine Zehenspitzen anfingen, sich zu verkrampfen. Ich klammerte mich an dem Kissen fest, wagte es nicht, mich anderweitig zu bewegen, aus Angst, den begehrlich näher rückenden Moment zu verpassen. Hendrik hielt seinen Rhythmus, spürte, dass ich fast so weit war. Seine Zunge kreiste nur noch um meine Klitoris, um diese kleine empfindliche Spitze, in der sich meine gesamte sexuelle Energie sammelte.

Ich keuchte in das Kissen hinein, krallte meine Fingernägel fest ins Laken und ließ mich von meinem Höhepunkt überrollen. Hendrik drückte seine Hand auf meinen Schambereich. Hielt ihn noch einen Augenblick fest, während all meine Nerven unkontrolliert zu zucken schienen. Dann hauchte er mir einen Kuss auf den Hintern, vorsichtig an der wunden Stelle vorbei, den Rücken hinauf, liebkoste meine leicht verschwitzte und aufgeheizte Haut, bevor er sich zufrieden neben mich legte. Er schob mir eine zerzauste Haarsträhne aus dem Gesicht und küsste mich auf den Mund. Seine Lippen schmeckten nach mir, nach meiner leicht süßlichen Erregung, die er so gekonnt aus mir herausgekitzelt hatte.

***

»Was machst du heute noch?« Hendrik lag auf dem Bett und hatte seine Arme hinter dem Nacken verschränkt, die leichte Decke dezent über seinen nackten Körper gelegt. Ich verweilte vollkommen tiefenentspannt neben ihm, den Kopf auf den Armen abgelegt und die Augen zufrieden geschlossen. Dank der Brandblase an meinem Hinterteil hatten wir keine Stellung gefunden, die es in irgendeiner Weise angenehm gemacht hätte, Sex zu haben. Aber dem Himmel sei Dank wusste Hendrik mehr als genug Wege, um mir auf andere Weise körperliche Erleichterung zu verschaffen. Und das nicht bloß einmal. Mich zum Höhepunkt zu bringen, hatte ihm scheinbar große Freude bereitet, sodass es ihn nicht im Geringsten gestört hatte, dass er nahezu unberührt geblieben war. Meine Bedürfnisse hatten im Vordergrund gestanden. Herrlich.Nicht, dass ich nicht gerne gebe. Doch es war eine mehr als willkommene Abwechslung gewesen, ausschließlich befriedigt zu werden, ohne erwartete Gegenleistung. Ich hatte natürlich beteuert, mich dafür gebührend zu bedanken, wenn der Schmerz nachgelassen habe.

Werde ich auch.

Ich blickte auf Hendriks digitalen Wecker auf dem Nachttisch. Später Nachmittag. »Ich hab morgen Frühschicht. Außerdem braucht André seinen Wagen wieder.«

»Wann musst du weg?«

»Willst du mich loswerden?«, fragte ich, stützte meine Arme auf der Matratze ab und schaute zu ihm hinüber. Mein Blick wanderte über seinen wunderschönen schlanken Körper, seine drahtige Brust, die sich bei jedem Atemzug hob und senkte.

»Nein, ich dachte mir nur, nachdem sich dein Hintern ja etwas erholt hat, könntest du jetzt deine Schulden begleichen.« Ich zog die Augenbrauen hoch.

»Oh, mir war nicht bewusst, dass ich welche gemacht habe.« Seine freche Art, mir zu suggerieren, dass er jetzt nichts gegen einen Blowjob einzuwenden hätte, brachte nun auch mich zum Grinsen.

»Ich denke, da ist in den letzten Stunden so einiges zusammengekommen«, entgegnete er frech und schlug seine Decke auf.

»Ach, ist das so? Nun, mir war nicht klar, dass dabei die Stoppuhr lief.« Hendrik winkelte ein Bein an und drehte seinen Oberkörper dezent in meine Richtung.

»Selbstverständlich, nichts ist umsonst, Alex.« Da war er, das war dieser Moment. Ich konnte regelrecht sehen, wie er innerlich den Schalter umlegte und von frech auf herrisch wechselte.

»Wenn das so ist … Ich mache ja bekanntlich keine Schulden, die ich nicht wieder begleichen kann.«

»Worauf wartest du dann?« Auf gar nichts. Mir hätte ja das Wegziehen der Decke als Einladung schon gereicht. Aber dieser Schlagabtausch machte es um ein Vielfaches interessanter. Ist es nicht herrlich, wenn man seinem Spieltrieb ungezügelt nachgehen kann?

***

Die Sonne ging langsam unter. Ich stand vor dem Fenster und schaute in die Nachbarschaft hinaus. Nun ja, zu dem einen Haus, das man von hier aus sehen konnte. Eigentlich war da nur Wald und Wiese. Ich zog die Gardine wieder zu und griff mir Hendriks Hemd, das über einem Stuhl am Bett hing.

»Steht dir gut«, bemerkte er. Hendrik saß noch immer im Bett, mit einem sanften Lächeln der Zufriedenheit auf den Lippen. Ich reagierte nicht und hielt nach meinem Slip Ausschau.

»Küche.«

»Wie?« Er richtete sich auf und grinste mich an. »Dein Höschen. Das suchst du doch, oder?« Ich nickte. »Das liegt in der Küche, deine Jeans auch.« Richtig, da war ja was. Ich wollte mich gerade umdrehen, als er mich an meiner Hand zu sich zurück ins Bett zog.

»Au.« Ich landete unsanft auf der Brandblase.

»Geht’s?« Er zog mich vorsichtig auf sich und strich über meinen pochenden Hintern.

»Sicher.«

»Glüht immer noch«, bemerkte er.

»Tja, ich hatte schon immer einen heißen Arsch.« Er beugte sich leicht nach vorn, um einen kontrollierenden Blick darauf zu werfen.

»Kann ich nur bestätigen.« Ich versuchte, mich aufzusetzen. Doch das tat weh. Frustriert ließ ich mich wieder auf seinen Oberkörper sinken.

»Verdammt.« Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und lauschte seinem Herzschlag, während er mir den Rücken kraulte.

»Mann, würde ich dich jetzt gern ficken«, sagt er mit einem ganz eindeutigen Dreck verfluchter als Unterton. Dem konnte ich nur zustimmen.

»Frag mich mal«, meinte ich gleichermaßen frustriert. Ein leises, klackerndes Geräusch näherte sich dem Bett. Als ich meinen Kopf zur Seite drehte, saß Herman schwanzwedelnd direkt vor meiner Nase.

»Hendrik?« Er hatte seine Augen geschlossen und antwortete nur mit einem Brummen. »Dein Hund starrt mich an.« Ich machte eine wegscheuchende Handbewegung in Hermans Richtung, die er natürlich ignorierte und stattdessen als Einladung ansah, aufs Bett zu hopsen und sich unmittelbar an Hendriks Bauch zu legen. Das sabbernde Wollknäuel schaute mich finster an. Jedenfalls interpretierte ich seinen Blick so. Als ob er mir verdeutlichen wollte, dass ich auf seinem Platz lag. War vermutlich bloß Einbildung, doch ich rutschte vorsichtig von Hendriks Bauch weg. Den schien es zu belustigen, dass ich automatisch auf Abstand zu seinem Hund ging.

»Na, komm her. Ja, du möchtest geschmust werden, nicht wahr?« Hendrik schnappte sich den Cockapoo (kein Witz, die Rasse heißt tatsächlich so) und drückte ihn liebevoll an sich.

»Ich brauch ’nen Kaffee«, entschied ich, kletterte etwas umständlich vom Bett herunter und flüchtete mich in die Küche zu meinen Klamotten. Vorsichtig zog ich den Slip an und schlüpfte dann gleichermaßen behutsam in meine Jeans.

»Du meine Güte. Es ist nur ein Hund, Alex.« Hendrik stand im Türrahmen, nach wie vor nackt sowie amüsiert. Er verschränkte die Arme und schaute mir dabei zu, wie ich versuchte, mich unbeschadet anzuziehen. Ihm war offenbar nicht entgangen, dass mein Wunsch nach Kaffee eigentlich nur über mein Ausweichmanöver hatte hinwegtäuschen sollen.

»Ich steh nicht so auf Hunde. Erst recht nicht, wenn sie mich ablecken oder zu mir ins Bett steigen«, sagte ich entschuldigend und versuchte, dabei nicht allzu kindisch zu wirken. Mit wenig Erfolg. Er zuckte unbeeindruckt die Schultern. »Außerdem hat mich Herman nackt gesehen.« Jetzt musste er lauthals lachen. Ich fand das nicht lustig.

»Er ist ein Hund. Ich glaube kaum, dass es ihn interessiert, ob du angezogen bist oder nicht.«

»Schön, dass es dich belustigt, aber ich bin nun mal nicht daran gewöhnt, mit einem Hund auf Kuschelkurs zu gehen. Vor allem nicht, wenn ich nackt bin.« Hendrik schüttelte den Kopf und ging zum Kühlschrank, während ich mir sein Hemd zuknöpfte und mich etwas beschämt an den Tisch setzte. Er holte die Milch heraus und schaltete die Kaffeemaschine ein. Herman kam in die Küche getapst. Mit vollkommener Unschuldsmiene trottete er an mir vorbei. Aus den Augenwinkeln glaubte ich jedoch ein stummes Ätschibätsch in seinen kleinen runden Knopfaugen zu sehen. Hendrik versorgte Herman mit Abendessen und mich im Anschluss mit Kaffee.

***

Ich schaute auf die digitale Küchenuhr am Herd. Kurz nach acht Uhr abends.

»Musst du los?« Ich nickte, trank meinen Kaffee aus, reckte mich einmal in alle Richtungen und erhob mich behutsam vom Stuhl. »Wie sieht denn dein Dienstplan diese Woche so aus?«, fragte er und stellte meinen leeren Becher in die Spüle.

»Ich hab erst in zwei Wochen wieder frei. Aber da ich Frühschicht habe, könnte ich mich den ein oder anderen Nachmittag freimachen, wenn das Angebot stimmt.« Er tippte sich nachdenklich ans Kinn. »Und? Ein passendes Angebot auf Lager?«

»Du könntest ja Donnerstag nach Dienstschluss vorbeikommen und mich zur Arbeit begleiten.«

»Heißt Arbeit in diesem Fall, durch den Wald zu stapfen und Bäume zu markieren?«, fragte ich und ging in den Flur. Ich bückte mich gequält nach meinen Schuhen, zog sie ächzend an und schlüpfte in meine Jacke.

»Wald ja, Bäume markieren vermutlich nicht. Aber …« Er griff nach meiner Jacke und zog mich zu sich heran. Dann legte er erneut Hand an und schloss meinen Reißverschluss so langsam, wie er ihn heute Vormittag geöffnet hatte.

»Ich kenne da rein zufällig einen netten Hochsitz mit einer herrlichen Aussicht bis weit über die Rapsfelder am Waldrand hinaus.«

»Aussicht, ja?«

»Eine wunderschöne Aussicht, in der Tat. Und weit und breit keine Menschenseele«, ergänzte er schelmisch grinsend und küsste mich.

»Verstehe. Nun, ich denke, das könnte mir gefallen«, entgegnete ich, nachdem wir uns nur sehr widerwillig voneinander gelöst hatten.

»Also, dann Donnerstag. Ich hole dich an der Bushaltestelle ab.« Mit diesen Worten verabschiedete er mich und küsste noch ein letztes Mal meine Lippen.

***

Nach einer mehr als beschwerlichen Autofahrt kam ich zu Hause an. Ich schickte André eine SMS, dass er sein heiß geliebtes Baby nun unbeschadet bei mir in Empfang nehmen könne, und öffnete leise vor mich hin fluchend die Tür. Da bei jedem Schritt die Treppe hinauf die Hose an meinem Hinterteil gescheuert hatte, fühlte es sich so an, als wäre die Blase aufgegangen. Wer mit Vorliebe hohe Schuhe trägt und schon mal eine Blase an den Füßen hatte, weiß, dass der richtige Schmerz erst eintritt, wenn die empfindlich rohe Haut zum Vorschein kommt. Und das tat sie nun offenbar. Es brannte. Nach allem, was ich hatte ertasten können, war die Blase kaum größer als eine Zweieuromünze, dennoch schmerzte es, als hätte mir jemand einen glühenden Schürhaken auf den Arsch gepresst.

Ohne Umwege ging ich ans Eisfach und holte einen Beutel Tiefkühlerbsen heraus, legte mich seitlich auf die Couch und kühlte mir das Hinterteil.

Etwa eine halbe Stunde später klingelte es. Die Erbsen hatten mittlerweile eine ziemlich matschige Konsistenz angenommen. Sie waren bereits halb aufgetaut, da ich sie alle zwei Minuten neu positioniert hatte. Mühsam richtete ich mich auf und ging zur Tür.

»Hey, Kleines.«

»Autsch. Nettes Veilchen«, bemerkte ich und begutachtete seine linke Gesichtshälfte. Der Fußball hatte einen ordentlichen Treffer knapp unter dem Auge gelandet. Seine Wange schillerte in allen Regenbogenfarben. André zog sich die Schuhe aus, stellte sie feinsäuberlich an die Wand und trottete zur Couch. Ich schloss hinter ihm die Tür, ging in die Küche und holte eine Flasche Wasser.

»Was machen denn die Erbsen hier?«, rief er mir zu.

»Ach, die. Ich wollte gerade anfangen, zu kochen, als du geklingelt hast. Leg sie einfach auf den Tisch.« Ich trat zurück zum Sofa und stellte André ein Glas sowie die Wasserflasche hin.

»Sorry, was anderes hab ich gerade nicht da. Ich war noch nicht einkaufen, seit du weg bist.« Er nahm sich die Flasche und schenkte ein. Ich lief zu meinem Sessel unterm Fenster und ließ mich wie üblich hineinfallen. Fatal. Ich stieß ein leises Fuck aus und schnellte ruckartig hoch. André schaute mich mit großen Augen an.

»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte er mich. Ich setzte mich behutsam wieder hin.

»Ach, weißt du, ich hab mich mal ein bisschen in der SM-Szene umgesehen. Also, diese Reitgerten zwiebeln ganz schön auf der Haut.« Meinem Bruder wich die Farbe aus dem Gesicht. Er öffnete seinen Mund, aber nichts kam heraus. »Das war ein Witz. Atmen, André. Ich hab mich verbrannt, weiter nichts.« Es dauerte einen Augenblick, bis er seine Sprache wiederfand.

»Ich weiß nicht genau, was ich irritierender finden soll. Der Gedanke, dass dich jemand mit der Reitgerte bearbeitet, oder die Frage, wie in aller Welt man sich am Arsch verbrennen kann.« Er lächelte. So geschockt schien er offenbar doch nicht zu sein. Sein Blick ging zu den Erbsen hin. Ich nickte, er schmunzelte und warf sie mir herüber. Die Packung war nicht mehr ganz so kalt, aber ich legte sie mir dennoch unter die Pobacke und verspürte etwas Erleichterung.

»Also, großer Bruder, du und Helena?« Ich erwähnte ihren Namen und er begann augenblicklich zu lächeln. Ein gutes Zeichen. »Oh«, rief ich in übertrieben hohem Tonfall und legte mir eine Hand auf die Brust.

»Ja, komm, lass den Scheiß.«

»Und? Wie geht’s jetzt mit euch weiter?« Er zuckte mit den Schultern. Offenbar wussten sie das beide noch nicht so recht. André war sich nicht sicher, ob er wieder bereit sei für eine ernsthafte Beziehung. Aber er sei bereit für sie und was auch immer da noch komme, so meinte er. Erstaunlich locker, wie ich fand. Dieses Arrangement hätte von mir sein können. Besorgniserregend. André war nicht locker. Aber nun ja, ich war die Letzte, die Ratschläge erteilen sollte.

Nachdem André meinen Kühlschrank inspiziert hatte, der natürlich nur gähnende Leere aufwies, schüttelte er tadelnd den Kopf und griff zum Telefon, um beim Chinesen zu bestellen. Während wir mit knurrenden Mägen auf unser Essen warteten, zog ich mir etwas Bequemeres an und André durchforstete mein DVD-Regal. Er entschied sich für True Lies, ein herrlich trashiger Actionfilm mit Arnie in der Hauptrolle, welchen wir schon so oft gesehen hatten, dass wir beinah jeden Dialog mitsprechen konnten.

»Wo bist du eigentlich hin verschwunden?«, fragte André, nachdem er den Boten bezahlt und das Essen auf den Elefantentisch gestellt hatte. Mein exotischer China-Topf mit Spiegelei duftete herrlich und sah auch genauso appetitlich aus. Ich hatte vor einiger Zeit entschieden, mich einmal quer durch die Speisekarte zu futtern, und bisher war ich nicht enttäuscht worden. André hingegen hatte sich wie jedes Mal sein Standardgericht Kung-Pao-Huhn bestellt. Dass ihm das noch nicht zum Hals raushängt …

»Hendrik«, antwortete ich knapp und schnappte mir meine dampfende Styroporschachtel.

»Soll das bedeuten, du wagst jetzt den Sprung und wirst monogam?« Ich verdrehte die Augen, kuschelte mich vorsichtig in meine platt gesessene Kuhle auf der Couch und blickte starr auf den flimmernden Bildschirm.

»Du kannst es nennen, wie du willst«, sagte ich und probierte den ersten Happen meines Eintopfs. Eine gute Wahl.

»Du bist total verknallt, oder?« Ich ignorierte die Frage und versuchte, ernst zu gucken. Was mir keine zwei Sekunden gelang. Ich fühlte, wie sich eine leichte Schamesröte auf meine Wangen legte und ich ein Lächeln nur schwerlich unterdrücken konnte.

»Ach, halt die Klappe«, nuschelte ich und aß unbeirrt weiter, während die heroische Anfangsmusik des Films aus den Lautsprechern donnerte.

»Meine kleine Schwester ist verliebt. Dass ich das noch erleben darf«, trällerte er angetan, lehnte sich entspannt neben mir auf der Couch zurück und machte sich über sein Essen her. Ich ließ seinen Ausruf unkommentiert und versuchte stattdessen, die aufsteigende Hitze der Verlegenheit aus meinem Gesicht zu wedeln. Funktionierte natürlich nicht. Selbst einem völlig Fremden hätte ich in diesem Zustand nichts vormachen können. Ich war bis über beide Ohren verknallt und konnte rein gar nichts dagegen tun, außer es mit stillschweigendem Protest hinzunehmen und es einfach zu genießen. Was auch immer da noch kommen würde.

***

Am nächsten Morgen musste ich wegen meiner Schicht sehr früh raus. Gott sei Dank nur eine Woche lang. Um halb vier klingelte der Wecker, folglich stand ich um halb fünf auf, machte mich im Eilverfahren fertig und hechtete los. Ich holte mir am Bahnhof einen Kaffee, schaffte erstaunlicherweise zeitig meine Bahn, ohne auf den letzten Metern noch einen Sprint hinlegen zu müssen, und konnte noch etwas die Augen schließen. Meinen Anschlussbus würde ich ohne Probleme erwischen. Ich trank meinen Kaffee aus und lehnte mich entspannt an der Fensterscheibe an. Wir hatten eine Mörderwoche vor uns. Mitte Juni. Eine große Taufgesellschaft und eine Firmenfeier standen fürs Wochenende an. Unter der Woche würde es nicht weniger anstrengend werden. Geburtstagsfeiern, volles Reservierungsbuch und die Oldtimer-Ausstellung standen bevor. Aber das kam mir sehr gelegen. Ich mag es lieber, wenn man fast in Arbeit ertrinkt, als dass man sich aus Langeweile die Beine in den Bauch steht.

Ich stieg an der Bushaltestelle am Kirchplatz aus und wanderte über den dicht bewucherten Schleichweg zum Gutshof. Der Tau lag noch auf den Gräsern und benetzte die Spitzen meiner Turnschuhe dezent mit Feuchtigkeit. Die Luft war klar und eine angenehm beruhigende Geräuschlosigkeit umgab mich. Nur meine leisen, schlurfenden Schritte durchbrachen die Stille. Die Wetterfee schien heute in Spendierlaune zu sein. Es war der erste Tag in diesem Jahr, an dem ich bereits morgens keine Jacke mehr brauchte und mir die schon leicht erwärmte Brise um die Nase wehte. Auch wenn ich um diese Uhrzeit nur schwerlich aus dem Bett kam, waren dies die wenigen Momente, die ich an der Frühschicht schätzte. Diese Ruhe und Gelassenheit, bei der man sich fühlte, als wäre man vollkommen allein auf der Welt.

Als ich den Frühstücksraum betrat, waren die Reinigungskräfte noch fleißig dabei, den dunkelrot gefliesten Fußboden zu wischen. Ich grüßte sie kurz, ging mich dann gemächlich umziehen und schaute nach, wie die Vorbereitungen liefen. Carsten war bereits da und räumte den Servierwagen mit Geschirrstapeln voll, um ihn zum Büfett zu schieben.

»Guten Morgen, Carsten«, sagte ich höflich.

»Herr Allrich. Immer noch.« Richtig. Er will ja gesiezt werden.

»Natürlich, Herr Allrich, entschuldigen Sie. Ist ungewohnt.« Ich schaute beiläufig auf den Dienstplan, während Carsten weiter den Wagen belud. Wir waren heute früh nur zu zweit. Ich seufzte leise und versuchte, ein Gespräch zu beginnen. »Wie war Ihr freier Tag?«, fragte ich und öffnete die Schränke unter der Kasse, um die Tischdecken fürs Büfett hervorzuholen.

»Sehr erholsam, vielen Dank«, antwortete er steif und ging wieder ans Werk. Er war mir noch kein Stück sympathischer geworden. Während wir gemeinsam das Büfett aufbauten, sprachen wir kein einziges Wort. Das war mehr als befremdlich. Ich unterhielt mich eigentlich gern mit den Kollegen. Nun ja, Carsten, Verzeihung, Herr Allrich scheint lieber in stiller Konzentration vor sich hin zu arbeiten. Also ließ ich ihn.

Ich war erleichtert, als Christian zwei Stunden später zum Dienst erschien und ich endlich wieder den Mund aufmachen konnte.

»Gott sei Dank bist du da. Das ist echt unheimlich mit Carsten allein. Der gibt keinen einzigen Laut von sich.«

»Du hältst nicht viel von Stille, was?« Christian drückte mich zur Begrüßung und kam kurze Zeit später in Arbeitsmontur zurück. Der Spruch Kleider machen Leute traf auf Christian definitiv zu. Nicht, dass er in Alltagskleidung unansehnlich wäre, aber in schwarzen Hosen mit weißem Hemd und Krawatte machte er ordentlich was her. Ich fand, dass ihm unsere Uniform wirklich ausgezeichnet stand.

»Also, was liegt für heute an? Lass mal sehen. Wow, voller geht es ja kaum.« Christian stand vor der Infotafel neben der Kasse und fuhr mit dem Zeigefinger über den Kalender. Wir waren heute fast ausgebucht. Sowohl mittags als auch abends waren nahezu alle Tische reserviert worden.

»Also schön, wo fangen wir denn an?« Christian studierte den Dienstplan und nahm beiläufig alte Notizzettel sowie abgelaufene Flyer ab.

»Mal sehen, Kai hat frei, Sören ist in der Berufsschule, Freddy, Sebastian und Collin haben Spätschicht. Okay, also sind wir bis heute Nachmittag nur zu dritt.« Er klatschte tatkräftig in die Hände und wir stürzten uns in den Alltagswahnsinn. Frühstück abdecken, den Festsaal eindecken und den Geschenkewagen präparieren, fürs Mittagsgeschäft vorbereiten und Massen an Gläser polieren.

***

»Komm, wir gehen schnell eine rauchen, bevor der Trubel weitergeht.« Es war kurz vor elf. Frank war schon fleißig am Vorbereiten und heizte seinen Unterstellten in der Küche gehörig ein. Aber das war ja nichts Neues. Die erste Reservierung war für halb zwölf angemeldet, also nutzten wir die kleine Pause und huschten noch mal schnell in den Innenhof. Nach wie vor zugestellt und wenig einladend empfing er uns. Auch das schöne Wetter hatte niemanden dazu inspiriert, etwas Ordnung zu schaffen. Mich natürlich auch nicht.

»Also, wie war dein Wochenende noch so?« Er hob erwartungsvoll die Augenbrauen, während ich versuchte eine angenehme Sitzposition zu finden. Das vergilbte Kissen auf dem Klappstuhl war so durchgesessen, das man es auch hätte weglassen können, ohne einen Unterschied zu spüren.

»Schön«, sagte ich knapp.

»Und?«, hakte er neugierig nach. Also fasste ich meinen Sonntag stichpunktartig zusammen und brachte ihn auf den neuesten Stand.

»Hendrik also. Ich hätte ja auf Marlon getippt.« Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Nur dieser eine Satz reichte, um meine Entscheidung kurzzeitig in Zweifel zu ziehen. Aber wirklich nur ganz kurz. Ich rutschte etwas unruhig auf meinem Stuhl herum, was meine Haut reizte und die wunde Stelle an meinem Hinterteil stechen ließ. Doch es war nicht so schmerzhaft. Eigentlich erregte es mich sogar ein wenig. Bei jedem Ziehen und Stechen erinnerte ich mich daran, wie es entstanden war. Es war verdammt heiß gewesen, wortwörtlich und auch im übertragenen Sinne.

»Na, was grinst du so?« Offenbar hatte ich mehr als eindeutige Gedanken, die sich auf meinem Gesicht abgezeichnet hatten. Reflexartig strich ich mir über die Arschbacke, während ich mich kurz nach vorn beugte.

»Sex-Flashback?«

»Könnte man so sagen. Hendrik ist … der Wahnsinn.« Christian hob die Hand in die Luft und suggerierte mir damit, ihm ein High Five zu geben. Eigentlich bescheuert, aber seine Aufregung darüber, wie spannend es bei mir gewesen war, steckte mich an. Ich klatschte sie ab und fühlte mich in dem Moment erneut wie ein notgeiler Teenager.

»Also, auf in die Schlacht.« Christian warf einen Blick auf die Uhr, drückte seine Zigarette in den Aschenbecher und stand auf. Er reichte mir die Hand und zog mich ruckartig vom Stuhl.

***

Das Mittagsgeschäft neigte sich allmählich dem Ende. Ich stand gerade an der Kasse zum Abrechnen. Das heißblütig ineinander verliebte Pärchen an meinem Tisch, welches sich unaufhörlich gegenseitig auffraß, war mehr als spendabel gewesen. Ich steckte das Trinkgeld in unseren Sparfrosch und stellte das leere Tablett auf dem Tresen der Bar ab. Christian zurrte sich seine Schürze wieder fest, die ihm ständig von den Hüften rutschte, und strich sich einige Haarsträhnen, die sich aus seinem Zopf gelöst hatten, zurück. Er schaute über die Theke, als wollte er sichergehen, dass uns niemand hörte, beugte sich zu mir herunter und flüsterte mir ins Ohr.

»Nur damit ich das richtig verstehe, du hast jetzt heißen, versauten Sex mit Hendrik und Marlon ist vom Tisch, oder?« Autsch.

»Ja«, sagte ich etwas wehmütig.

»Also kein Dreier mehr in Sicht?« Noch mal autsch. Ja, der Dreier war wohl oder übel vorerst gestrichen. Ungeachtet dessen, dass sich meine Fantasien in den letzten Wochen vorrangig um Hendrik und Marlon gemeinsam gedreht hatten, war mein Wunsch von einem Dreier im Allgemeinen noch immer da. Vorzugsweise mit den beiden. Hendrik wollte das nicht. Noch nicht. Vielleicht bekomme ich ihn ja doch noch überredet. Wobei, nein, unwahrscheinlich. Fuck. Da sind die Bilder wieder. Diese heißen, eindringlichen Bilder von mir und vier Händen auf meiner Haut. Scheiße.

»Alex? Noch da?«

»Wie? Nein, der Dreier ist gestrichen. Bedauerlicherweise.« Ich verschränkte die Arme und ließ mich etwas beleidigt an den Schrank hinter mir sinken. »Monogam zu sein, macht überhaupt keinen Spaß.« Christian lachte herzlich.

»Monogam? Ehrlich jetzt, wie lang bist du schon mit Hendrik monogam?« Er setzte das Wort monogam mehr als auffällig in Gänsefüßchen.

»Ja, schon gut.«

»Ich glaube kaum, dass du dir nach einem Tag Pseudomonogamie ein Urteil erlauben kannst. Geschweige denn, es verteufeln kannst, wo es noch gar nicht richtig angefangen hat. Und letztendlich ist eine Fantasie nur eine Fantasie. Mit der Realität haben doch die wenigsten etwas zu tun, oder nicht? Also, lehn dich zurück und lass es erst mal wirken, bevor du dir selbst alles madig redest. Davon wird man nur schlecht gelaunt und zynisch. Ich denke nicht, dass dir das stehen würde.« Ich schwieg, lächelte aber dezent. Er traf mal wieder ins Schwarze. Ich hatte schon immer dazu geneigt, mir alles zu vermiesen, wenn ich unsicher war oder meine Entscheidungen infrage stellte. Das war wieder typisch ich. Pessimismus als Vermeidungsstrategie. Sehr effizient. Aber an dieser Stelle wirklich überflüssig.

»Du hast ja recht«, gab ich seufzend zu und meinte es auch so. Christian hatte wirklich ein Talent dafür, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Er schaffte es gleichermaßen, sich mit mir zu freuen und mitzufiebern oder aber mir einen Spiegel vorzuhalten und in meine manchmal etwas wirren Gedanken Klarheit zu bringen. Wirklich angenehm, so jemanden in seiner Nähe zu wissen.

2

Ich stand gerade im Bad und schaute in mein zerknautschtes Gesicht, als es an der Haustür klingelte. Ich klatschte mir kaltes Wasser auf die Wangen, was mich kurz aufschrecken ließ, und ging etwas irritiert zur Tür. Wer klingelt denn bitte schön morgens um halb fünf?

»Bea, hi. Oh Gott, sag nicht, mein Wecker hat dich wachgerüttelt.« Bea stand mit kleinen verschlafenen Augen vor mir und hielt sich gähnend die Hand vor den Mund. Dann schüttelte sie den Kopf.

»Hast du heißes Wasser?« Ich ging sofort zurück ins Bad, um nachzusehen, konnte aber kein Problem feststellen. »Na toll, dann muss ich diesen gruseligen Hausmeister schon wieder anrufen.«

»Wieder?«

»Vor zwei Wochen ist die Dusche bereits ausgefallen, da kam dann gar kein Wasser mehr. Zum Kotzen, ausgerechnet heute. Unser neuer Dirigent hat mich ohnehin schon auf dem Kieker.« Ich bot ihr an, bei mir zu duschen, wenn ich fertig sei.

Zehn Minuten später saß sie mit ihrem Kulturbeutel in den Händen an meinem Küchentisch, während ich durch die Wohnung stromerte und dabei versuchte, gefühlt fünf Dinge gleichzeitig zu erledigen. Kaffee trinken, Augenränder kaschieren, Haare bändigen …

»Und, wie ist seine Hoheit so?« Bea machte ein Würgegeräusch und schnaubte verächtlich.

»So jemand Aufgeblasenes habe ich noch nie erlebt. Der ist gerade mal seit vier Wochen bei uns und tut so, als würde ihm der Laden gehören. Ich meine, wir sind wirklich nur ein kleines Theater mit winzigem Budget und überschaubaren Mitarbeitern. Aber dieser Herr von und zu Heinemann spielt sich auf, als würden wir im Wiener Opernhaus auftreten.« Das klang echt übel. Bea bekam ganz rote Wangen, so sehr redete sie sich in Rage.

»Und warum bist du heute schon so früh auf?« Bea stöhnte und legte ihren Kopf erschöpft auf der Tischplatte ab.

»Training. Meine Technik wäre schlampig und mein Ausdruck bestenfalls drittklassig, daher hat seine Hoheit sich dazu entschlossen, mir gnädigerweise Einzelstunden zu erteilen.«

»Training? Um fünf Uhr morgens?«

»Na, ich wusste doch, dass du Frühschicht hast. Ich hatte die Wahl. Zwei Stunden länger schlafen und müffelnd ins Theater fahren oder zu dieser unchristlichen Zeit aufstehen.« Ich nickte und fing an, meine Siebensachen zusammenzusuchen. Ich probierte, Bea irgendwie vom Negativen abzulenken und ihren Fokus auf das Positive zu richten. Ja, ich weiß, bei andern kann ich das super.

»Sieh es doch so, du bekommst Einzelcoaching, dafür müssen andere verdammt viel Geld ausgeben«, begann ich zögerlich, während mein Schlüsselbund geräuschvoll den Weg in meine Tasche fand. Beas Mimik veränderte sich kaum.

»Ich hab Unterricht, seit ich dreizehn bin, Alex. Ich weiß, dass ich gut bin. Sonst hätte ich das Engagement nicht bekommen. Ich kenne meinen Preis. Aber dieser Herr von und zu Heinemann versucht, den grade auf ein Minimum zu drücken. Und das sehe ich nicht ein.« Mann, Bea hatte echt Power, wenn sie es wollte. Jetzt musste sie es nur noch diesem Möchtegerndirigenten verkaufen.

»Und genauso wirst du es diesem Arsch nachher auch sagen«, forderte ich sie auf und zog meine Schuhe an.

»Das wäre super, wenn das einfach so ginge. Aber ich befürchte, ich bin in seinen Augen ohnehin das unreife Küken. Ich will ihm mit meiner Beschwerde nicht noch in die Karten spielen. Ich mag meinen Job und habe nicht vor, ihn seinetwegen zu verlieren. Jetzt erst recht nicht.« Ich nickte und zog einen imaginären Hut.

»Wirklich sehr erwachsen, Bea, und alles andere als kükenartig.«

»Danke. Jetzt geht’s mir besser. Ich musste wohl nur Dampf ablassen. Bist du heute Mittag zu Hause? Ich fühle mich echt unwohl mit dem Hausmeister allein. Wie heißt der noch gleich? Herr Parrogi-irgendwas?« Ich grinste. Unser Hausmeister war polnischer Abstammung und hatte einen unaussprechlichen Nachnamen.

»Nenn ihn einfach Herr P. Mach ich auch so. Keine Ahnung, wie man ihn richtig ausspricht.« Sie nickte. Herr P schien ein Name zu sein, den sie sich merken konnte. »Sorry, aber vor fünf bin ich nicht hier.« Bea verzog das Gesicht. »Er ist eigentlich ganz nett. Nur etwas seltsam. Aber vollkommen harmlos.«

»Na schön, dein Wort in Gottes Ohr.« Bea erhob sich ächzend, richtete sich mühevoll auf und folgte mir schwerfällig in den Flur. Die Uhrzeit saß ihr offensichtlich in den Knochen. Mir auch, aber ich war es ja nicht anders gewohnt. »Wir müssen unbedingt mal wieder ausgehen. Ich hab das Gefühl, wir treffen uns immer nur zwischen Tür und Angel.«

»Ich schau mal, wie der Dienstplan in den nächsten Wochen aussieht. Da wird sich sicher was für uns finden. Okay, ich muss los. Zieh die Tür nachher einfach hinter dir zu, wenn du fertig bist.« Bea nickte, gähnte noch einmal laut und schlurfte dann gleichermaßen elanlos ins Bad, wie sie zuvor meine Wohnung betreten hatte. Ich griff nach meiner Jacke an der Garderobe, schwang meine Tasche über die Schulter und ging.

***

Mein Tag verlief genauso hektisch, wie erwartet. Eine ungehobelte Gruppe ausfallender Herren mittleren Alters ließ sich auf der Terrasse die Mittagssonne auf den Pelz scheinen, während sie mit anzüglichen Bemerkungen um sich warfen. Ich verspürte den Drang, sie mit dem Wasserschlauch abzuspritzen und dann zum Teufel zu jagen, würden sie noch mal junges Dingelchen