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Martina Logan ist auf die Familienranch zurückgekehrt, weil sie ein Baby erwartet. Sein Baby! Daran zweifelt Noah Coltrane keinen Augenblick, auch wenn Martina ihrer Familie den Namen des Vaters verschweigt. Noah ist entschlossen, sie zu heiraten. Und vergisst dabei ganz, dass das Kriegsbeil zwischen den Logans und Coltranes noch längst nicht begraben ist …
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Seitenzahl: 199
IMPRESSUM
Denkst du noch an jene Nacht? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2000 by Leanne Banks Originaltitel: „Expecting His Child“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: BACCARA Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1134 - 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Kai J. Sasse
Abbildungen: GettyImages / gpointstudio
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751504355
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Er sah aus wie ein Racheengel, als er auf dem schwarzen Hengst über die staubige texanische Erde dahinflog. Martina Logan spürte Panik in sich aufsteigen. Sie löste sich aus der Menge der Hochzeitsgäste und versteckte sich hinter einem Baum. Die Gäste, die sich zur Hochzeit ihres Bruders versammelt hatten, blickten verwundert zu dem herannahenden Reiter. Die meisten konnten ihn auf diese Entfernung nicht erkennen, aber Martina wusste sofort, dass er es war. Dazu musste sie noch nicht einmal besonders genau hinschauen, sie brauchte nur auf ihr wild pochendes Herz zu hören.
Noah Coltrane.
Noah zügelte den Hengst und ritt zu der verwaisten Tanzfläche. Er ließ den Blick über die Menge schweifen, und Martina wünschte, sie wäre unsichtbar.
Ihr Bruder Tyler sprach als Erster. „Was willst du hier, Noah?“
„Ich will mit Martina sprechen.“
Martina hoffte inständig, dass er sie nicht entdeckte. Sie war nicht in der Lage, ihm gegenüberzutreten. Noch nicht.
„Sie will nicht mit dir reden“, antwortete Tyler. „Verschwinde von unserem Land. Siehst du nicht, dass wir eine Hochzeit feiern?“
„Das bedeutet, dass sie hier ist.“ Noah nahm seinen Blick nicht von den Hochzeitsgästen.
„Das bedeutet, dass sie dich nicht sehen will.“
Sekundenlang war es gefährlich ruhig, und Martina schloss ängstlich die Augen.
„Ich will sie aber sehen“, erklärte Noah kategorisch, und bei dem Klang seiner Stimme lief ihr ein Schauer über den Rücken. „Bestell ihr das.“
Zitternd schlug Martina die Hände vors Gesicht. Erinnerungen stiegen in ihr auf. Als sie vor einigen Monaten in Chicago gewesen war, war ihr sofort sein texanischer Akzent aufgefallen. Es hatte sie daran erinnert, wie weit weg sie von zu Hause war. Seine Stimme hatte eine Saite in ihr angerührt, und als sie sich zu ihm umgedreht hatte, stand der aufregendste Mann vor ihr, den sie je gesehen hatte.
Noah war kein gewöhnlicher Cowboy. Er trieb nicht nur Rinder zusammen und fing sie ein, er konnte auch fechten und handelte mit Viehaktien an der Chicagoer Börse. Als sie sich kennenlernten, arbeitete Martina gerade kurzzeitig für eine Computerfirma in Chicago, während Noah einen Grundkurs über Datenverarbeitung belegt hatte. Er hatte sie fasziniert, und sie hatte sich in seiner Gegenwart wohlgefühlt, bis er ihr seinen Namen genannt hatte.
Ihre Familien waren bis aufs Blut verfeindet. Es war schon schlimm genug, dass sie sich seit Generationen über die Nutzung des Flusses stritten, an dem sowohl die Ranch der Logans als auch die der Coltranes lag. Aber zu der eigentlichen Fehde war es gekommen, als Noahs Urgroßvater versucht hatte, Martinas Urgroßvater die Frau auszuspannen. Bei den Auseinandersetzungen war die Logan-Frau zu Tode gekommen.
Obwohl auch Noah im ersten Augenblick erschrocken gewesen war, als Martina sich ihm vorstellte, hatte er dann mit schiefem Grinsen vorgeschlagen, sie sollten ihren Familiennamen jetzt keine Bedeutung schenken, da sie ja nicht in Texas seien.
Sich darauf einzulassen war der größte Fehler, den Martina jemals begangen hatte. Sie hatte es Noah nicht allzu schwer gemacht, sie zu erobern, und wenn sie an ihre gemeinsamen Stunden, an all die Fröhlichkeit und die Leidenschaft dachte, breitete sich immer noch ein Gefühl süßer Schwäche in ihr aus. Aber sie hatte sich der rauen Wirklichkeit nicht völlig verschließen können, außerdem wollte sie ihrer Familie gegenüber loyal sein. Ihre Affäre dann war so schnell zu Ende gewesen, wie sie begonnen hatte. Sie war gegangen, doch insgeheim sehnte sie sich immer noch nach Noah Coltrane.
Martina biss sich auf die Unterlippe und öffnete die Augen. Sie fuhr mit der Hand über ihren runden Bauch, in dem sie Noahs Kind trug. Sie fürchtete den Tag, an dem sie ihn wieder sehen würde, wissend, dass dieser Tag kommen musste.
Noah Coltrane würde immer ihr schwerster Fehltritt sein – und ihr liebster.
Schließlich fand er sie. Sechs Wochen nachdem er in die Hochzeit ihres Bruders hineingeplatzt war, stand Noah vor Martinas Haus und betrachtete es mit einer Mischung aus Befriedigung und kaltem Hohn. Diese Frau hatte sich ihm stürmisch hingegeben, und sie hatten den leidenschaftlichsten Sex gehabt. Es waren die drei erregendsten und erfüllendsten Wochen seines Lebens gewesen, bis sie plötzlich verschwunden war.
Es hatte seinen Stolz ein wenig verletzt, und er hatte zuerst nicht nach ihr gesucht. Er hatte sich vorgenommen, ihr zu vergeben. Bei all dem bösen Blut, das zwischen ihren Familien herrschte, war es ihnen völlig klar gewesen, dass ihre Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Außerdem hatte er den starken Drang nach Unabhängigkeit in ihren Augen aufblitzen sehen, und er kannte dieses Gefühl nur allzu gut.
Die ersten Tage nach ihrem Verschwinden hatte er ununterbrochen an sie denken müssen. Ja, er war sogar mitten in der Nacht aufgewacht, weil sie auch seine Träume beherrschte. Deshalb war es für ihn zu einer Notwendigkeit geworden, sie zu finden – um sie aus seinen Gedanken und Träumen zu verjagen. Er würde erst wieder er selbst sein, wenn er ihr von Angesicht und Angesicht gegenüberstand und ihr damit zeigte, dass sie sich nicht vor ihm verstecken konnte. Es würde ihn beruhigen, festzustellen, dass sie nicht die einzigartige Frau war, zu der er sie in seinen Gedanken gemacht hatte. War das geklärt, würde er einfach wieder gehen.
Während er nun zu ihrem Haus ging, konnte er das Klacken der Metallbeschläge seiner Absätze hören und das Vogelgezwitscher an diesem warmen Frühlingsmorgen. Vor ihrer Haustür hielt er kurz inne, verdrängte einen Anfall von Zweifel und klingelt dann.
„Eine Sekunde“, antwortete sie von drinnen, und er spürte, dass sich sein Magen zusammenzog. Er hörte sie näher kommen, und ihre Stimme klang lauter.
„Jawohl, ich halte mich an meine Zusagen“, sagte sie, als sie die Tür öffnete. „Ich bin …“ Sie blickte direkt in seine Augen, und ihre Lippen formten vor Überraschung ein O, doch sie bekam keinen Ton heraus.
Martina schluckte. „Ich muss Schluss machen“, sprach sie kurz in das Telefon, das sie am Ohr hielt, und drückte die Austaste.
Noah konnte sich nicht an ihr sattsehen – an ihrem dunklen, zerzausten Haar, ihren weit geöffneten blauen Augen, ihren leicht zitternden Lippen, ihrem zarten Hals, ihren vollen Brüsten und ihrem etwas dicker gewordenen Bauch.
Etwas? Ihr Bauch war sehr viel dicker geworden.
Martina war offenkundig schwanger, was einige Fragen bei ihm aufwarf.
Von wem?
Konnte es sein Kind sein?
Im wievielten Monat war sie?
All dies schoss ihm durch den Kopf, aber sein Herz kannte bereits die Antwort.
„Ich habe ein bisschen zugenommen.“ Sie schenkte ihm ein so strahlendes Lächeln, dass er fast darauf hereingefallen wäre. Fast, denn es fiel ihm sofort auf, dass sie eine Hand schützend auf ihren runden Bauch legte. „Du kennst das ja. Bei einigen Leuten schlägt alles furchtbar an.“ Sie strich sich durchs Haar und blickte ihn unschuldig an. „Ich kann mir nicht vorstellen, warum du hergekommen bist.“
Er versuchte, die Erinnerung daran, wie sie sich ihm voller Lust hingegeben hatte, zu verdrängen. Erinnerungen an die Momente, in denen er sich in der Tiefe ihres Blickes verloren hatte und geschworen hätte, dass es ihr bei ihm genauso gegangen war.
„Seit wann hast du denn so zugenommen, Martina? Etwa acht bis zwölf Wochen, nachdem du mit mir zusammen gewesen bist? Du musst im sechsten Monat schwanger sein.“
Das Lächeln auf ihren Lippen verschwand. „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann es losgegangen ist.“
Auch eine Möglichkeit, sich herauszureden, dachte Noah spöttisch. „Ich wette, du wirst dieses zusätzliche Gewicht auch auf einen Schlag wieder loswerden.“ Er hatte nicht vor, sich auf ihren lächerlichen Erklärungsversuch einzulassen und sagte unumwunden: „Es ist mein Kind, nicht wahr?“
Sie hatte nun beide Hände auf ihren Bauch gelegt und blickte ihm mit einer Mischung aus Angst und Kampfbereitschaft ins Gesicht. „Mein Kind“, verbesserte sie ihn. „Wer hat es dir gesagt?“
„Niemand. Ich habe dich nur angesehen, da war mir alles klar.“ Doch erst jetzt, nachdem sie es praktisch zugegeben hatte, begann er wirklich zu erfassen, dass sie sein Kind trug. „Du solltest mich hereinlassen.“ Er war selbst überrascht, dass er noch so ruhig klang.
Martina sträubte sich. „Das ist ein ganz schlechter Zeitpunkt. Ich stecke gerade mitten in der Arbeit. Meine Firma lässt mich die Webseiten zwar zu Hause erstellen, aber ich muss mich an den Abgabetermin halten.“
„Wann wäre der Zeitpunkt denn besser. Nächstes Jahr?“
Kampflustig reckte sie das Kinn. „Nächstes Jahr wäre noch zu früh.“
Noah fand, dass Martina ein wunderbares Beispiel bot für den Slogan „Leg dich nicht mit Texas an“. Sie wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, aber er hatte schon seinen Fuß in der Tür. „Ich werde nicht weggehen.“
Ihre Augen blitzten. „Ich habe schon mehr als genug herrische Männer in meinem Leben. Auf Zwang reagiere ich äußerst allergisch.“
Noah nickte. „Gut. Ich wende Zwang auch nur im äußersten Notfall an, zum Beispiel, wenn jemand vernünftigen Argumenten nicht zugänglich ist.“
Sie betrachtete ihn misstrauisch, ließ ihn aber eintreten.
Martina hatte sich vor diesem Tag gefürchtet. Natürlich war ihr klar, dass sie Noah irgendwann einmal von dem Kind würde erzählen müssen. Aber sie hatte ihm die Nachricht lieber über E-Mail, Fax oder durch eine Brieftaube mitteilen wollen, als es ihm direkt ins Gesicht zu sagen. Bisher war aber auch dafür nie der richtige Zeitpunkt gewesen. Sie hatte es sich zwar zur Regel gemacht, nichts auf die lange Bank zu schieben, aber dass sie sich mit Noah eingelassen hatte, war ohnehin der größte Regelverstoß gewesen.
Nun fielen ihr wieder die dummen kleinen Gründe ein, wieso sie sich überhaupt mit ihm eingelassen hatte. Seine Größe. Sie war selbst ziemlich groß, daher gefiel es ihr recht gut, in den Armen eines Mannes zu liegen, der noch größer war. Sie mochte seinen Geruch – er roch nach Leder und Aftershave und nach Mann –, und sie mochte den Klang seiner Stimme und die Art, wie er dachte.
Sie war mit ihrem Vater und zwei Brüdern aufgewachsen, die sie allesamt beschützt, aber auch bevormundet hatten, und so hatte es ihrem Selbstvertrauen sehr gut getan, von einem Mann einmal als Gleichgestellte behandelt zu werden. Aber gerade jetzt hatte sie das unangenehme Gefühl, dass Noah nicht mehr so vernünftig reagieren würde.
Er folgte ihr durch die Wohnung. „Wann wolltest du es mir denn erzählen?“ Seine Stimme klang völlig ruhig, aber seine blitzenden Augen verrieten ihn, und sie hatte ein ganz flaues Gefühl im Magen.
„Ich wollte es dir ja erzählen. Ich wusste nur nicht, wie.“
„Wann? Nach der Geburt? Wenn unser Kind laufen gelernt hat oder eingeschult wird? Oder wenn es volljährig wird?“
Sie konnte deutlich spüren, dass er sich hintergangen fühlte, und sie schämte sich auf einmal. „Ich hätte es dir sagen sollen. Das wäre das Richtige gewesen, aber der eigentliche Fehler war, dass ich mich überhaupt mit dir eingelassen habe. Am Anfang konnte ich es gar nicht fassen, dass ich schwanger bin. Ich musste erst einmal mit mir ins Reine kommen.“
„Wenn du es mir gesagt hättest, hättest du damit nicht alleine fertig werden müssen.“
Es schmerzte, als sie sich unwillkürlich an die Zeit mit Noah erinnerte. „Es war uns doch beiden klar, dass es nichts Ernsthaftes werden konnte. Du hast doch selbst gesagt, dass es nur passiert ist, weil wir in Chicago waren. Und du hast nie über eine gemeinsame Zukunft gesprochen, weil du wusstest, dass wir keine haben.“
Er stemmte die Hände in die Hüften. „Das Baby verändert alles.“
Die Entschlossenheit, mit der er das sagte, erschreckte sie. Aber sie ließ sich nichts anmerken. „Für mich und vielleicht auch für dich, aber bestimmt nicht für uns.“
„Du hättest es mir sagen müssen.“
„Ja, natürlich. Ich hätte wirklich daran denken sollen. Meine Brüder haben übrigens herausbekommen, dass es von einem Coltrane ist.“ Sie musste bei dem Gedanken an diese Auseinandersetzung lächeln.
„Was haben sie gemacht? Dich angesehen, als ob du den Teufel im Leib hättest?“
„Anfangs ja. Aber ich habe sie schon zurechtgestutzt.“
„Was hattest du ihnen denn erzählt, wer der Vater ist?“
„Ich hatte behauptet, der Storch hätte es gebracht.“ Sie versuchte witzig zu klingen, aber es misslang. „Nachdem du bei der Hochzeit meines Bruders einen Auftritt wie Zorro geliefert hattest, fiel es mir natürlich schwer, deine Vaterschaft zu leugnen. Aber ich komme damit allein zurecht. Von dem Schock der Erkenntnis bis hin zur morgendlichen Übelkeit habe ich alles allein geschafft. Ich bin stark. Ich werde auch weiterhin damit fertig.“
Er schenkte ihr ein kühles Lächeln, das ihr irgendwie gefährlich vorkam. „Wir hatten nie über Kinder gesprochen, aber in diesem Fall habe ich wohl ein Mitspracherecht. Und als Erstes erkläre ich, dass die Eltern verheiratet sein sollten. Also werden wir so schnell wie möglich heiraten.“
Am liebsten hätte sie laut aufgelacht, aber es war ihm offenbar todernst. „Hast du mir nicht zugehört? Ich bin mit drei herrischen Männern aufgewachsen, meinem Vater und meinen Brüdern, und ich werde mich auf gar keinen Fall für den Rest meines Lebens an einen weiteren binden.“
„Das Baby hat es verdient, mit beiden Elternteilen aufzuwachsen. Und wir wollen doch beide an seiner Erziehung beteiligt sein. Ich stelle mich jedenfalls meiner Verantwortung.“
Er wirkte sehr entschlossen, aber er hatte ein Thema angesprochen, das ihr vom Gefühl wie auch vom Verstand her große Probleme bereitete. Natürlich wollte sie das Beste für ihr Kind, aber sie konnte ihn unmöglich heiraten. „Wir können einen Besuchsplan für dich ausarbeiten“, begann sie und bemühte sich, so sachlich wie möglich zu klingen.
„Das ist noch so ein Punkt. Es ist einfach idiotisch, dass du allein in Dallas wohnst, wo du doch auf die Ranch meiner Familie ziehen könntest.“
Alles in ihr wehrte sich dagegen. „Bist du verrückt geworden? Hast du denn vergessen, dass die Ranches unserer Familien aneinandergrenzen? Meinst du ernsthaft, dass meine Brüder und deine Brüder einen solchen Umzug zulassen würden? Außerdem gibt es da noch den Fluch der Logans. Die Frauen der Loganfamilie haben die unangenehme Neigung zu sterben, wenn sie sich verlieben und heiraten. Ich habe zwar nie daran geglaubt, dass dieser Fluch mich treffen könnte, aber jetzt habe ich einen ganz besonderen Grund, gesund zu bleiben: mein Baby.“
Noah stand wortlos da und schien ihre Worte genau abzuwägen.
Martina spürte, dass ihr die Knie weich wurden, aber sie hielt sich aufrecht. Du bist kein Feigling, versicherte sie sich. Du wirst mit Noah Coltrane schon fertig werden.
„Darüber unterhalten wir uns später.“ Noah zog eine Visitenkarte und einen Kugelschreiber hervor und schrieb einige Telefonnummern auf die Rückseite. „Wenn du etwas brauchst, irgendetwas, ruf mich einfach an. Ich habe dir meine Handynummern aufgeschrieben.“ Er blickte sie wieder an. „Du sagtest, der Fluch der Logans bedeutet, dass du sterben würdest, wenn du heiratest. Aber wenn du mich heiratest, wärst du keine Logan mehr. Du wärst dann eine Coltrane.“
„An dem Tag, an dem Schweine fliegen“, rief sie hinter ihm her, als er zur Tür ging, „an dem Tag werde ich eine Coltrane werden. Wenn die Texaner aufhören, sich um Wasserrechte zu streiten. Wenn deine und meine Brüder sich freundschaftlich umarmen.“ Aber da sprach Martina schon ins Leere. Doch obwohl Noah bereits gegangen war, brachte er sie noch immer durcheinander. „Ich werde eine Coltrane, wenn die Sterne vom Himmel fallen.“
Noah war dermaßen wütend, dass er problemlos das Steuerrad seines Wagens hätte zerschlagen können. Er hatte die unvernünftigste und starrköpfigste Frau in ganz Texas geschwängert, und er spürte tief im Innern, dass es ihm alles abverlangen würde, sie einzufangen und mit dem Baby auf die Coltrane-Ranch zu bringen, wo sie hingehörte.
Es fragte sich, ob es wohl sein indianisches Erbe war, das ihm instinktiv gesagt hatte, dass etwas Entscheidendes mit Martina geschehen sei. Hatte er deshalb all die Nächte wach gelegen? Obwohl er, Noah, der modernste und aufgeklärteste der Coltranes war, so war ihm doch bewusst, dass sein indianischer Anteil seine Sinne auf besondere Weise geschärft hatte.
Er stöhnte auf. Es wäre wesentlich hilfreicher, wenn seine indianischen Vorfahren ihm einen Weg aufzeigen würden, wie er mit Martina zurechtkommen konnte, anstatt ihm schlaflose Nächte zu bereiten.
Als Erstes sollte er vielleicht versuchen, die Sache aus ihrer Sicht zu sehen. Aber auch wenn er offener als seine Brüder war, hatte er so seine Zweifel, ob er sich in eine Frau hineinversetzen konnte. Ganz besonders, da sich in ihm ein heftiger Besitzer- und Beschützerinstinkt zeigte, seit er wusste, dass Martina von ihm schwanger war.
Noah atmete tief durch und bog in die staubige Einfahrt zum Wohnhaus der Ranch ein. Normalerweise überkam ihn immer ein wohliges Gefühl, wenn er heimkehrte. Zachary Tremont, ihr früherer Vorarbeiter, hatte ihm beigebracht, einfach nur in die Stille zu lauschen, um zu erkennen, ob man an einem Ort willkommen war. Zachary war auch der Grund dafür, dass keiner der Coltrane-Brüder im Gefängnis gelandet war. Ihr Vater, Joe, war ein übler Trunkenbold gewesen, während ihre Mutter, eine regelmäßige Kirchgängerin, an Krebs gestorben war. Die Ehe ihrer Eltern war nicht glücklich gewesen, und das hatten die Kinder auch immer spüren können.
Das einzig Gute, das Joe zu seinen Lebzeiten getan hatte, war, dass er Zachary eingestellt hatte. Zachary hatte Noah und seinen Brüdern die Kunst des Fechtens beigebracht. Aber entscheidend war, dass er die Jungen die Bedeutung von Ehre gelehrt hatte und wie wichtig es ist, seinen eigenen Weg im Leben zu finden.
Noah vermisste Zachary, und er hätte sein wertvolles antikes Schwert dafür gegeben, jetzt mit ihm reden zu können. Aber Zachary hatte sie verlassen, als Adam, der erste der vier Coltrane-Brüder, alt genug gewesen war, die Ranch allein zu führen. Zachary hatte gemeint, dies sei der beste Tag, um weiterzuziehen.
Noah betrachtete das Wohnhaus, das gerade erst modernisiert und vergrößert worden war, und wartete darauf, sich heimisch zu fühlen. Normalerweise geschah das immer sehr schnell.
Aber dies war kein normaler Tag. Seine Brüder würden sicherlich nicht in Begeisterungsstürme ausbrechen, wenn er ihnen die Neuigkeit mitteilte. Ein Aufruhr schien wahrscheinlicher.
Noah wartete, bis sie zu Abend gegessen hatten. Adam öffnete sein drittes Bier, Jonathan lehnte sich einfach mit geschlossenen Augen zurück, und Gideon zündete sich eine Zigarre an.
„Wir müssen uns über eine Vergrößerung unterhalten“, eröffnete Noah das Gespräch.
Adam sah ihn fragend an. „Noch eine? Wir haben doch schon die Schlafbaracken für die Wochenendkurse im Fechten gebaut, die du planst.“
„Das hat doch bestimmt Zeit“, bemerkte Gideon. „Ich bin es leid, andauernd über Handwerker zu stolpern. Ich möchte endlich wieder in Ruhe meine Zigarre rauchen können.“
„Rauch sie doch draußen“, murmelte Jonathan, ohne die Augen zu öffnen.
„Es geht nicht um einen Anbau“, erklärte Noah. „Es geht um ein Baby.“
Auf einmal war es totenstill. Jonathan riss die Augen auf.
„Wessen Baby?“, fragte Adam ganz sachlich.
„Meins“, antwortete Noah und rief nun nach dem Koch. „Patch, bringst du uns bitte eine Flasche von dem guten Whiskey und Gläser?“
Jonathan, dem Noah sich von all seinen Brüdern am nächsten fühlte, hatte auch das größte Einfühlungsvermögen. „Du trinkst nicht mit?“
„Noch nicht.“ Noah schenkte den Whiskey ein.
„Glückwunsch!“ Gideon grinste und kippte den Whiskey herunter. „Gibt es auch eine Frau zu dem Baby?“
„Ja“, sagte Noah. „Martina Logan.“
Jonathan knallte sein Glas auf den Tisch. Adam und Gideon starrten Noah ungläubig an.
„Das ist doch hoffentlich ein Scherz.“
„Ist es nicht, Adam. Sie ist schwanger von mir. Ich habe sie in Chicago kennengelernt. Sie ist nicht so wie ihre Brüder.“ Doch dann erinnerte Noah sich daran, wie Martina seinen Antrag an diesem Morgen abgelehnt hatte, und lächelte schief. „Teilweise ist sie noch schlimmer. Aber ich werde sie heiraten, hier mit ihr leben und unser Kind großziehen.“
Adam und Gideon standen wie versteinert da.
„Diesmal bist du zu weit gegangen“, sagte Adam schließlich. „Wir Coltranes haben mit den Logans nichts zu schaffen. Wir gehen nicht mit ihnen aus. Wir heiraten sie nicht. Wir schwängern sie nicht. Verdammt, wir reden noch nicht einmal mit ihnen!“
„Zu spät“, stellte Noah klar.
Fluchend packte Gideon ihn am Kragen. „Es ist nicht zu spät. Sag ihr einfach, dass sie den Balg loswerden …“
Voller Wut stieß Noah seinen Bruder beiseite. „Das will ich nie wieder von einem von euch hören.“
Adam schüttelte den Kopf. „Du bist zu weit gegangen, Noah. Pack deine Sachen und verschwinde von der Ranch. Ich will dich hier nie wieder sehen.“
Noah blickte zu Jonathan und sah den Ärger und die Verzweiflung in seinem Gesicht. Sein Magen zog sich zusammen. „Gut. Wenn ihr meint, dass ihr auf das Geld verzichten könnt, das ich an der Viehbörse und mit dem Verpachten der Jagd mache.“
Adam fluchte leise vor sich hin. „Du weißt genau, dass wir das Geld für schlechte Zeiten brauchen.“ Wieder schüttelte er den Kopf. „Wie konntest du nur so einen Fehler begehen?“
„Ich mag die Logans genauso wenig wie du, aber die Sachlage hat sich geändert, und ich werde tun, was ich tun muss. Wir haben fast unser ganzes Leben darunter gelitten, dass unser Vater und sein Vater und dessen Vater immer die falschen Entscheidungen getroffen haben. Ich werde diese Linie nicht fortführen. Das Baby ist kein Fehler.“
Adam und Gideon starrten ihn feindselig an. Jonathan seufzte und durchbrach die angespannte Stille. „Ich frage mich, was Zachary hierzu sagen würde.“ Seine ruhige Stimme glättete die Wogen etwas.
Adam atmete hörbar aus und schien sich mit Noahs Entscheidung langsam abzufinden.
Gideon sah verschämt zu Boden. „Tut mir leid, was ich eben gesagt habe. Sie soll das Baby natürlich behalten.“ Er war zwar aufbrausend, aber er beruhigte sich auch genauso schnell wieder. „Ich vertrete mir mal die Füße.“
„Ich geh schlafen“, erklärte Adam daraufhin sofort.
So blieb Noah allein mit Jonathan im Esszimmer zurück. Jonathan nahm die Whiskeyflasche, goss ein Glas ein und reichte es Noah. „Ich habe viele deiner Ideen und Erneuerungsvorschläge von Anfang an gemocht. Und wenn Adam sich vehement gesperrt hat, wusste ich, dass du das Richtige tust. Ich habe dich immer darum beneidet, dass du in größeren Zusammenhängen denken kannst. Aber ich befürchte, das hier übersteigt mein Fassungsvermögen. Was war mit dir los? Warst du zeitweilig unzurechnungsfähig?“
Noah trank den Whiskey in einem Schluck und spürte, wie sich die Wärme in seinem ganzen Körper ausbreitete. „Vielleicht“, antwortete er und sah Jonathan an. „Es schien das Richtige zu sein.“
Jonathan schüttelte verständnislos den Kopf. „Wie ist das nur passiert?“
„Ich weiß nicht, ob ich es dir erklären kann. Es schien mir so selbstverständlich, wie es für dich selbstverständlich ist, mit Pferden zu arbeiten. Wieso schreist du mich eigentlich nicht an oder verprügelst mich?“
Jonathan konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Ich habe ja nur wenig Erfahrung mit den Logans, aber ich habe das Gefühl, dass Martina Logan dir mehr zusetzt, als ich das jemals könnte.“
Noah lachte leise auf. „Vielleicht.“
„Was hat sie denn zu deinen Hochzeitsplänen gesagt?“
„Im Moment gewöhnt sie sich gerade an den Gedanken.“
„Sie hat sie also rundweg abgelehnt“, sagte Jonathan trocken.
Noah nickte. „Genau. Aber ich habe einige Erfahrung darin, aus einem Nein ein Ja zu machen.“