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48 Stunden haben die EU-Bürger Gelegenheit, über ein Referendum zur Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens abzustimmen: 1.000 Euro monatlich für jeden Bürger ohne Wenn und Aber. Auch die Neumanns sind zur Wahl aufgerufen. Bis auf Sohn Lucas stimmt die Familie mit NEIN, während erste Hochrechnungen von einem knappen Sieg des Referendums ausgehen. Wie verändert eine mögliche Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens das Leben dieser Familie? Paradiesische Zustände oder Apokalypse? Schauen wir mit den Neumanns ein Wochenende lang in den Abgrund der Freiheit...
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Seitenzahl: 52
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Georg Heinzen
Der Abgrund der Freiheit
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48 Stunden haben die EU-Bürger Gelegenheit, über ein Referendum zur Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens abzustimmen: 1.000 Euro monatlich für jeden Bürger ohne Wenn und Aber. Auch die Neumanns sind zur Wahl aufgerufen. Bis auf Sohn Lucas stimmt die Familie mit NEIN, während erste Hochrechnungen von einem knappen Sieg des Referendums ausgehen. Wie verändert eine mögliche Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens das Leben dieser Familie? Paradiesische Zustände oder Apokalypse? Schauen wir mit den Neumanns ein Wochenende lang in den Abgrund der Freiheit...
Personen
HANS NEUMANN, 46, führt einen Party-Service
HEIKE NEUMANN, 42, hilft mit
LEA NEUMANN, 17, geht noch zur Schule
LUCAS NEUMANN, 21, ist Performance-Künstler
FRITZ NEUMANN, 71, lebt im Altenheim
Das Stück spielt am Wochenende des Referendums im Haus und im Garten der Neumanns, wo auch das Lager für den Party-Service liegt.
1. Szene / Küche
Samstagnachmittag: HANS und HEIKE kommen zurück aus dem Wahllokal, wo sie über das Referendum abgestimmt haben. Sie tauschen ihre Jacken gegen Schürzen mit dem Logo ihres Party-Service und bereiten eine Geburtstagsparty vor.
HEIKE
Warum bist du in Sportklamotten ins Wahllokal? Sonst gehst du immer in Anzug und Krawatte.
HANS
Um dem Referendum meine Verachtung zu zeigen.
HEIKE
Reicht es nicht, dass du mit NEIN gestimmt hast?
HANS
Das ist keine normale Wahl. Das ist ein Terroranschlag auf unsere Existenz. Im Schweiße unseres Angesichts sollen wir unser Brot essen. Seit der Vertreibung aus dem Paradies sind wir zur Arbeit verdammt, und das ist gut so.
HEIKE
Zum Glück wird das nichts mit dem Referendum. Wir waren die Einzigen im Gemeindesaal.
HANS
Die Fleißigen liegen lieber am Strand, weil an diesem Wochenende der Sommer zu Ende geht. Wenn sich das mal nicht rächt.
HEIKE
Wer stimmt schon für diesen Quatsch?
HANS
Die ganzen Faulen, die von dem Referendum profitieren, gehen natürlich zur Abstimmung. Wie lange haben wir gebraucht bis ins Wahllokal?
HEIKE
Hin und zurück keine 20 Minuten.
HANS
Du verlässt für 20 Minuten das Haus und brauchst nie mehr arbeiten. Bleibst einfach liegen, wenn morgens der Wecker klingelt. Arschlecken, ein Leben lang.
HEIKE
Mir würde das nicht reichen, ein Tausender im Monat. Ich würde weiterarbeiten.
HANS
Natürlich arbeiten wir weiter. Irgendwer muss das Geld ja verdienen, sollte eine Mehrheit für das Referendum stimmen. Aber was ist mit unseren Mitarbeitern? Für die würde ich nicht die Hand ins Feuer legen, dass die verantwortungsvoll mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen umgehen. Die bleiben zuhause und sitzen den ganzen Tag vor der Playstation. Gibst du mir den Mixer?
Heike gibt Hans einen Mixer. Während Hans Kuchenteig rührt, pumpt Heike mit einer Luftballonpumpe einen Modellierballon auf.
HEIKE
Flamingos oder Pokémon?
HANS
Was?
HEIKE
Worauf steht dein Vater?
HANS
Der bekommt eh nix mehr mit.
HEIKE
Dann falte ich Pudel, die gehen am leichtesten.
Heike faltet routiniert den Modellierballon zu einem Pudel, während Hans weiter Kuchenteig rührt.
HANS
Selbst und ständig.
HEIKE
Was?
HANS
(gegen den Mixer) Es ist Samstagnachmittag. Und was tun wir? Sitze ich mit einem Bier auf dem Sofa und gucke Bundesliga? Liegst du im Garten und lässt dich bräunen? Wir arbeiten. Wie immer.
HEIKE
Dafür sind wir unsere eigenen Herren.
HANS
Leider sind wir auch unsere eigenen Knechte. Herr und Knecht, wir sind beides in einer Person.
HEIKE
Warum hast du nicht für das Referendum gestimmt?
HANS
Bin ich verrückt? Wer darf diesen Wahnsinn denn finanzieren?
HEIKE
Die Roboter sollen Einkommenssteuer zahlen.
HANS
Wird auch Zeit.
HEIKE
Und die Mehrwertsteuer soll erhöht werden. Auf 50 Prozent.
HANS
Weißt du, was das für uns bedeutet? 50 Prozent auf jeden Pudel? Das geht alles von unserem Gewinn ab.
Hans füllt den Kuchenteig in eine Form und schiebt sie in den Backofen. Heike faltet weiter Luftballonpudel, bindet sie an Nylonfäden und lässt sie durch die Küche schweben.
HANS
Vielleicht hat mein Vater ja vergessen, dass er heute 71 wird.
HEIKE
Wir haben versprochen, dass wir Fritz um Fünf im Altenheim abholen.
HANS
Und wenn wir es vergessen haben?
HEIKE
Haben wir aber nicht.
HANS
Wir können auch mal was vergessen, nicht nur mein Vater. Wir stellen uns dumm.
HEIKE
Und dann?
HANS
Dann tun wir einfach mal nichts.
HEIKE
Ich habe verlernt, wie das geht. Nichtstun.
HANS
Wir gucken einen blöden Film, oder haben mal wieder Sex, bevor wir verlernt haben, wie das geht.
Hans nimmt Heike den rosa Modellierballon, den sie zu einem weiteren Pudel falten wollte, aus der Hand und beginnt daraus einen Penis zu formen.
HEIKE
Lass, Hans!
Hans bedrängt Heike mit dem Luftballon-Penis.
HEIKE
Nicht, Hans! Was, wenn Lea kommt?
HANS
Keine Sorge, unsere Tochter kommt schon nicht in die Küche. Die hat Angst, dass sie dann mithelfen muss.
Hans verfolgt Heike mit dem Luftballon-Penis durch die Küche, drängt sie gegen die Anrichte und tut so, als würde er sie mit dem Luftballon penetrieren.
HANS
Selbst und ständig. Wie gefällt dir das?
HEIKE
Heiße Luft. Mehr hast du nicht zu bieten?
Hans lässt den Luftballon-Penis los, der zur Decke schwebt, öffnet Heikes Bluse, nimmt eine Spraydose von der Anrichte und sprüht Sahne auf ihre Brüste.
HEIKE
Du weißt, dass ich eine Laktose-Intoleranz habe?
HANS
Alles Soja, alles safe.
Hans beginnt, die Sahne von Heikes Brüsten zu schlecken.
HANS
Wir hätten für das Referendum stimmen sollen. Dann hätten wir jeden Tag Sex.
Es geht immer heftiger zur Sache, bis das Telefon klingelt.
HEIKE
Dein Vater.
HANS
Wir gehen nicht ran.
HEIKE