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Der Afrika-Cup - die Kontinental-Meisterschaft: Wichtigstes Fußballereignis Afrikas seit über 60 Jahren. Von seiner Bedeutung für die einheimische Bevölkerung überstrahlt er sicherlich noch die Europameisterschaft. Gerade weil afrikanische Teams bei Weltmeisterschaften selten herausragende Rollen spielen konnten, definieren sich die Fußballnationen hauptsächlich über das Abschneiden bei ihrem "African Cup of Nations". Dieses Buch beinhaltet die komplette Geschichte des Afrika-Cups. Von dessen erster Austragung 1957 im Sudan bis zum Turnier in Gabun 2017. Es ist die Historie dokumentiert, dazu gibt es die teils unglaublichen - nur in Afrika möglichen - Anekdoten, Interviews, Reportagen und Fotos zu den Turnieren. Und natürlich sind alle Ergebnisse und Tabellen dokumentiert.
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Seitenzahl: 711
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Vorwort
Gabun 2017
Äquatorialguinea 2015
Südafrika 2013
Gabun / Äquatorialguinea 2012
Angola 2010
Ghana 2008
Ägypten 2006
Tunesien 2004
Mali 2002
Ghana / Nigeria 2000
Cups 1998 – 1990
Cups 1988 – 1980
Cups 1978 – 1970
Cups 1968 – 1957
Der Afrika-Cup - die Kontinental-Meisterschaft: Wichtigstes Fußballereignis Afrikas seit über 60 Jahren. Von seiner Bedeutung für die einheimische Bevölkerung überstrahlt er sicherlich noch die Europameisterschaft. Gerade weil afrikanische Teams bei Weltmeisterschaften selten herausragende Rollen spielen, definieren sich die Fußballnationen hauptsächlich über das Abschneiden bei ihrem "African Cup of Nations".
Alles begann 1957 in Sudans Hauptstadt Khartum. Dort trafen sich Vertreter Ägyptens, Äthiopiens, des Sudans und Südafrikas, um Afrikas bis dato kaum organisierten Fußball in professionelle Strukturen zu zwängen. Südafrika wurde wegen seiner Apartheits-Politik bald verbannt, das erste Turnier spielten also Ägypten, der Sudan und Äthiopien aus. Was klein und fein begann, wuchs in den folgenden Jahren kontinuierlich.
1968 waren schon acht Teams am Start, das Turnier wurde immer bedeutsamer - zumal langsam aber sicher auch die westafrikanischen Mannschaften einstiegen. Erste Konsequenz der Veranstalter war, das Turnier fortan alle zwei anstatt vier Jahre stattfinden zu lassen.
Der Afrika-Cup fand über Jahrzehnte traditionell in den Anfangsmonaten des Jahres statt. Aber seit die besten afrikanischen Fußballer bei Klubs in Europa unter Vertrag sind, waren diesen die Ausfallzeiten ihrer Spieler vom "Schwarzen Kontinent" natürlich ein Dorn im Auge.
Entsprechend fiel der Termin im Frühjahr 2017, nachdem der Kameruner Issa Hayatou seinen CAF-Vorsitz an Ahmad Ahmad aus Madagaskar hatte abtreten müssen. Der „Neue“ verständigte sich rasch mit der weltweiten Fußballwelt und man beschloss: Der Afrika-Cup würde ab 2019 im Juni/Juli stattfinden.
Diese Entscheidung war überfällig, weil das Turnier im Laufe der Jahre immer größer und prestigeträchtiger wurde. 1998 in Burkina Faso nahmen erstmals 16 Teams teil, die in vier Vorrundengruppen unterteilt wurden. Das Turnier soll auch zukünftig weiter wachsen, schon wird von 24 und noch mehr teilnehmenden Endrunden-Teams gesprochen.
Erfolgreichste Nationen in der jüngeren Vergangenheit waren Ägypten, das den Cup insgesamt schon sieben Mal gewann, sowie Kamerun. Kameruns Überraschungssieg 2017 - der insgesamt fünfte der „Unzähmbaren Löwen“ - unterstreicht vor allem den Siegeswillen dieser Fußballnation.
Hinter Ägypten und Kamerun rangiert Ghana mit vier Erfolgen auf dem dritten Platz in der "Ewigen Siegerliste". Wobei die "Black Stars" aus Ghana sehnsüchtig den nächsten Afrika-Cup-Sieg herbeisehnen, liegt ihr letzter Erfolg 1982 doch schon viel zu lange zurück.
Der Afrika-Cup ist - früher mehr, heute weniger - ein großes Get-Together aller Beteiligten. Keine geheimen Trainingseinheiten, keine Bodyguards für die Spieler, keine verschlossenen Teamhotel-Türen. Gerade für afrikanische Journalisten war dies schon immer wichtig, hatten sie doch in der Zwischenzeit kaum einmal die Möglichkeit, ihre Stars in Europa anzurufen. Geschweige denn die Möglichkeit, nach Europa zu reisen, um die Spieler persönlich zu treffen. Also ist der Afrika-Cup stets auch eine treffliche Möglichkeit, Bekanntschaften wieder aufleben zu lassen und persönliche Freundschaften zu pflegen. Die in Europa und Asien bei verschiedensten Klubs verteilten Spieler genießen den Cup ganz besonders, weil sie endlich mal wieder ein paar Wochen mit ihren Kumpels und Freunden zusammen sein können. In der Vergangenheit war es häufig so, dass die Spieler so früh wie möglich anreisten und so lange blieben, wie es irgendwie ging.
Bis zu einem gewissen Grad ist das auch heute noch so, wenngleich sich die Turnier-Rahmenbedingungen mittlerweile sehr stark den in Europa üblichen angepasst haben.
Sylvia Bongo Ondimba war nicht im Stadion, als Gabuns Nationalmannschaft am späten Nachmittag des 14. Januar 2017 gegen Außenseiter Guinea-Bissau den 31. Afrika-Cup eröffnete. Damit mussten die Fans also auch auf das leuchtend gelbe Aubameyang-Trikot auf den Schultern der First Lady Gabuns verzichten, an das sie sich fünf Jahre zuvor an gleicher Stelle doch so gewöhnt hatten. 2012 war Gabun - gemeinsam mit Äquatorial Guinea - erstmals Ausrichter und überraschend bis ins Viertelfinale vorgedrungen. Mit der begeisterten Ehefrau des Staatspräsidenten Ali Bongo Ondimba als Edelfan auf der Tribüne.
Damals wurde gefeiert in Gabun, die überraschend starken Vorstellungen der einheimischen Fußballer, die erst unglücklich im Viertelfinale scheiterten, lösten eine regelrechte Euphorie im ganzen Land aus. Mag sein, dass sich Ali Bongo Ondimba eine Wiederholung jener schönen Zustände erhoffte, als er in Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Fußballverband den wichtigsten Sportevent des Kontinents 2017 erneut in sein Land lotste.
Aber seither war viel passiert in dem kleinen zentralafrikanischen Land, eine wirtschaftliche Krise und Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen 2016 hatten die Dinge zerrüttet. Von der Euphorie 2012 war nichts mehr übrig geblieben. Und so war auch Pierre-Emerick Aubameyangs Miene finster, als er abends nach dem enttäuschenden 1:1 im Auftaktmatch im Laufschritt das Stadion der Freundschaft in Libreville verließ. „Keine Lust! Nur noch schnell in den schützenden Bus“ - das war die klare Botschaft des 27-Jährigen an die vergeblich wartenden Journalisten in der Interviewzone, die der Starstürmer von Borussia Dortmund wortlos und enttäuscht stehen ließ.
Starallüren, könnte man meinen, doch man sollte dem BVB-Stürmer die Extravaganzen verzeihen - der Druck, unter dem Aubameyang beim Afrika-Cup stand, war enorm. Ein ganzes Land hoffte darauf, dass sein grandioser Fußballer ein bisschen Freude bringen und die Sorgen ein wenig dämpfen könnte, die in den Wochen und Monaten zuvor für Depression in dem Zwei-Millionen-Einwohner-Land gesorgt haben.
Gabun ging‘s seit dem Verfall des Ölpreiseses wirtschaftlich schlecht, die Arbeitslosigkeit stieg enorm an. Rund 60 Prozent der Bevölkerung lebten mittlerweile in ärmsten Verhältnissen. Staatspräsident Ali Bongo Ondimba und seine Leute versuchten die Lage unter Kontrolle zu halten, doch nachdem Ondimba im vergangenen August nach seiner hauchdünnen Wiederwahl Wahlfälschung vorgeworfen wurde, war es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit etwa 100 Toten gekommen. Die Opposition verlangte Wochen vor dem Turnier von der Bevölkerung, den Afrika-Cup zu boykottieren, noch am Auftaktspieltag war es ein paar Stunden vor Turnierbeginn in der nahen Innenstadt zu Demonstrationen gekommen. Man war wütend über die angeblich 700 Millionen US-Dollar, die das Land die Ausrichtung des Cups kostete. Angeprangert wurden vor allem die 220 Millionen Dollar, die die Renovierung des Stadions „Omar Bongo“ im Zentrum der Stadt verschlungen hatte. Ondimba wollte damit seinem 2009 verstorbenen Vater Tribut zollen, doch die Arena wurde nicht rechtzeitig fertig und gammelte nun im halbfertigen Zustand vor sich hin. Tatsächlich waren während der Eröffnungsfeier nur einen Handvoll Leute im Stadion. Selbst bei Anpfiff war die 40.000-Zuschauer-Arena allenfalls zu drei Viertel gefüllt.
Ein Fußballturnier drohte zum Politikum zu verkommen. Und mitten im Fokus stand Aubameyang, hinter dem sich gern versteckt wurde. Sogar Präsident Ondimba tat dies, als er den Star am Tag vor dem Auftaktmatch zu einem persönlichen Gespräch vorlud. Aubameyang verpasste so die turnusmäßige Pressekonferenz, bei der er als Kapitän seiner Mannschaft vorgesehen war. Journalisten-Fragen nach der Bedeutung des Turniers für die Stimmung im Land beantwortete der als Ersatz eingesprungene Mittelfeldspieler Mario Lemina knapp: „Für solche Themen haben wir einen Kapitän. Den müsst ihr so etwas fragen.“ Aber der war ja beim Präsidenten.
All dies war möglicherweise eine viel zu schwer wiegende Last für einen Fußballer wie Aubameyang, der in seiner Karriere bis dato eher als Gute-Laune-Kicker mit dem Hang zur Extravaganz dahergekommen war, denn als ernster Verantwortungsträger. Zumal seine Verbindung zu Gabun ja lediglich auf Verwandtschaftsverhältnissen beruhte. Aubameyang wurde in Frankreich geboren, wuchs dort auf, verinnerlichte die dortige Kultur. Gabun, das Geburtsland seines Vaters, besuchte er erstmals im jugendlichen Alter. Und nun sollte er Frieden stiften in diesem - ihm eigentlich fremden - Land.
Geholfen hätte in einer solchen Situation womöglich nur ein berauschender Turnier-Auftritt des eigenen Teams, doch davon war Gabun schon im Auftaktmatch weit entfernt. Gegen einen allenfalls durchschnittlichen Gegner Guinea-Bissau gelang den Gastgebern im ersten Abschnitt nicht viel, Aubameyang trat beinahe gar nicht in Erscheinung. Erst, als der Torjäger in der 52. Minute einen Fehler der Guineer ausnutzte und auf Vorarbeit von Denis Bouanga die Kugel aus vier Metern über die Linie drückte, kam so etwas wie Stimmung auf. Plötzlich schien sich doch alles zum Guten zu wenden, mit einem Auftaktsieg würde sich vielleicht so etwas wie Fußballeuphorie entwickeln. Doch Juary Soares' Ausgleichstreffer per Kopf nach einem Freistoß in der 90. Minute stoppte jäh die sich im Keim der Entwicklung befindliche Freude. Guinea-Bissau jubelte über den späten Punktgewinn, während Aubameyang und seine Kollegen nach Abpfiff rasch das Feld verließen.
„Wir hätten schon den Freistoß verhindern müssen“, klagte Aubameyang nach Abpfiff in seinem einzigen kurzen Interview, dass er TV-Sender BeIn Sport gab. “Wir sollten aus diesem Spiel lernen und die nächsten beiden Gruppenspiele gewinnen. Wir sind Gastgeber“, meinte er beinahe trotzig.
Aus zwei erhofften Siegen wurde allerdings nichts, Gabun schied nach zwei weiteren Remis - 1:1 gegen Burkina Faso und 0:0 gegen Kamerun - bereits nach der Vorrunde in Gruppe A aus. Burkina Faso hatte sich mit der Routine seiner mittlerweile alten Hasen um Zentralverteidiger Bakary Koné durchgesetzt, Kamerun verdankte sein Weiterkommen einer ungeheuren Energie, die das junge, weitgehend namenlose Team auf den Rasen brachte.
Gruppe B mit Senegal, Algerien, Tunesien und Simbabwe wurde gemeinhin als „Todesgruppe“ angesehen und tatsächlich kam es auch hier zum Fall eines der Favoriten: Algerien schied aus.
Nach Pierre-Emerick Aubameyang, dem in diesem Jahr zweitbesten afrikanischen Spieler, erwischte es also auch den Besten früh: Riyad Mahrez, wenige Tage zuvor noch zu „Afrikas Fußballer des Jahres 2016“ gewählt, scheiterte mit seinem Team überraschend früh. Algerien, vor Beginn des Turniers als einer der Topfavoriten gehandelt, musste nach einem 2:2 im abschließenden Gruppenspiel gegen den Senegal mit nur zwei Punkten aus drei Spielen die Heimreise antreten.
„Wir sind ausgeschieden und so etwas passiert nie zu Unrecht“, haderte nach der Partie Algeriens Angreifer Islam Slimani. Der Stürmer von Leicester City hatte gegen den bereits vor der Partie qualifizierten und daher nur mit einer B-Mannschaft aufgelaufenen Senegal zwar zwei Treffer markiert, zum Weiterkommen reichte das indes nicht. „Wir haben viele junge Spieler hier gehabt. Ich denke, dass wir aus diesem frühen Ausscheiden einiges lernen werden“, so Slimani.
Algerien, das noch bei der WM 2014 Weltmeister Deutschland im Achtelfinale das Fürchten gelehrt hatte, zeigte in Gabun eine komplett enttäuschende Vorstellung. Besetzt mit vermeintlichen Top-Angreifern wie Slimani, Yacine Brahimi (FC Porto), Rachid Ghezzal (Olympique Lyon) und vor allem Afrikas-Top-Spieler Mahrez von Leicester City, hatte man von den „Wüstenfüchsen“ ein regelrechtes Offensivfeuer erwartet. Doch weder im ersten Gruppenspiel gegen das in den weiteren Spielen chancenlose Simbabwe (2:2), noch im folgenden „Bruderduell“ gegen Tunesien (0:2) konnten sich die vermeintlichen Stars aus Nordafrika durchsetzen.
Vor allem die Niederlage im Maghreb-Duell gegen Tunesien wog schwer und war letztlich entscheidend für das Aus. „Das ist kein Fußballspiel, das ist Krieg“, kommentierte auf der Tribüne Trainer-Weltenbummler Otto Pfister, der bis vor wenigen Monaten noch Coach des algerischen Erstligisten USM Algier gewesen war. „Für die Spieler und die ganze Fußballnation steht in einem solchen Nachbarschaftsduell derart viel auf dem Spiel, dass die Spieler total verkrampfen“, analysierte Pfister, der auch den Hauptgrund für Algeriens Niederlage ausgemacht hatte: „Der Trainer mit mehr Afrika-Erfahrung hat gewonnen.“ Tunesiens Henrik Kasperczak hatte also über den Belgier George Leekens triumphiert, der das Amt in Algerien erst zwei Monate zuvor übernommen hatte. „Wir haben zeitweise komplett unsere Ordnung verloren. So kann man nicht gewinnen“, meinte Leekens nach dem Spiel. Seine Zukunft in Algerien war nach dem frühen Aus völlig offen.
Eine herbe Enttäuschung war das Turnier auch für Riyad Mahrez, der sich im Nationalteam eigentlich jene Leichtigkeit zurückholen wollte, die ihm zuvor im Trikot von Leicester City abgegangen war. „Ich bin überzeugt davon, dass wir das Turnier gewinnen können“, hatte Mahrez vor dem Cup gesagt. Nun fuhr der 25-Jährige, der in Gabun nur in Ansätzen seine Schnelligkeit und Gewandtheit zeigen konnte, mit leeren Händen zurück ins kalte England. Dort stand mit seinem Klub Abstiegskampf in der Premier League auf dem Programm.
Senegal hingegen begeisterte in der Vorrunde mit Offensivfußball. Angeführt von Liverpools Starstürmer Sadio Mané schwangen sich die Westafrikaner in der Vorrunde zum Turnierfavoriten auf.
Es war vor allem die Offensive, die im Team von Trainer Aliou Cissé den Ton angab. Mit den pfeilschnellen Mané auf einer Seite und Keita Baldé von Lazio Rom auf der anderen entfachten die „Löwen von Teranga“, wie das Team genannt wird, jede Menge Angriffsdruck. Im Sturmzentrum wurde Mame Diouf zuweilen im Minutentakt mit Flanken und Zuspielen versorgt. Es gab noch so einige, die derweil auf der Bank warten mussten: Moussa Sow (Fenerbahce) zum Beispiel oder Ismaila Sarr vom FC Metz. „Das ist eine große Generation“, sagte Trainer Aliou Cissé. Er, der lange Jahre selbst als Kapitän für den Senegal spielte, traute dem Team einiges zu: „Wir wollen nicht nur gepflegte Pässe spielen. Diese Jungs haben das Potenzial zu zeigen, dass der afrikanische Fußball insgesamt eine hohe Qualität erreicht hat.“ Neben dem Senegal setzte sich in der Gruppe Tunesien durch, das die Auftaktniederlage gegen den Senegal (0:2) mit zwei Siegen gegen Algerien (2:1) und das chancenlose Simbabwe (4:2) wettmachte.
Dafür, dass der Afrika-Cup 2017 als eines der Turniere mit den größten Überraschungen in die Historie einging, sorgte Titelverteidiger Elfenbeinküste in Gruppe C. Salomon Kalou jedenfalls stapfte am 24. Januar erst tieftraurig vom rumpeligen Rasen des Stadions von Oyem, um seinem Ex-Coach im Kabinengang dann in die Arme zu fallen. Der 31-jährige Kapitän der Elfenbeinküste ließ sich von Herve Renard trösten, mit dem er vor zwei Jahren beim Afrika-Cup in Äquatorial Guinea mit dem Titelgewinn seinen größten sportlichen Erfolg gefeiert hatte. Mit der Titelverteidigung wurde es nichts für Kalou und seine Leute. Das 0:1 im letzten Gruppenspiel gegen Renards neues Team Marokko bedeutete das frühe Aus für die Elfenbeinküste schon nach der Vorrunde.
Die „Elefanten“, bestückt mit so namhaften Akteuren wie Kalou (Hertha BSC), Eric Bailly (Manchester United), Wilfried Bony (Stoke City), Wilfried Zaha (Crystal Palace), Franck Kessie (Atalatna Bergamo) und Serge Aurier (PSG), schafften im Auftaktspiel gegen Togo nur ein torloses Remis. Sie kamen im zweiten Spiel gegen Überraschungsteam DR Kongo nur zu einem 2:2 und hielten letztlich dem Druck des Siegzwanges gegen Marokko nicht stand.
„Wir waren nicht locker genug“, befand Trainer Michel Dussuyer nach dem Spiel. Wohlwissend, dass seine Zeit als Coach der Ivorer abgelaufen war. „Ich nehme die Verantwortung für diese große Enttäuschung auf meine Schultern. Ich bin derjenige, der alle Entscheidungen getroffen hat und muss nun dafür gerade stehen“, sagte der Coach.
Für die als Topfavorit ins Turnier gestarteten Ivorer war das frühe Aus peinlich. Sie waren nicht nur Titelverteidiger, sondern auch jenes Team, das sich mit einem Rekord-Etat von rund sechs Millionen Euro am besten von allen auf das Turnier vorbereiten konnte. Doch nach dem Rücktritt alter Helden wie Didier Drogba, den Touré-Brüdern Kolo und Yaya, Emmanuel Eboué und Didier Zokora konnte die neue Generation bei weitem noch nicht an die Klasse ihrer Vorgänger heranreichen.
Die Abwehr um Verteidigungs-Ass Bailly stand zwar weitgehend sicher, doch schon im Mittelfeld fehlte derjenige, der Tempo und Rhythmus bestimmte. Der frühere Stuttgarter Serey Die war mit dieser Aufgabe überfordert. Franck Kessie, der in Italien für Bergamo ein überragendes halbes Jahr hinter sich hatte, fehlte mit seinen gerade einmal 20 Jahren schlicht die Erfahrung, um das Team leiten zu können. Und im Angriff erwies sich der verletzt fehlende Gervinho als noch unersetzbar. Zwar gelang es den Ivorern den bislang international für England angetretenen Wilfried Zaha zum Elefanten zu machen, doch der 24-Jährige wirkte fahrig, ohne Bindung zu seinen neuen Nationalmannschaftskollegen. Und der bullige Wilfried Bony bekam im Zentrum zu wenig brauchbare Zuspiele, um seinen wuchtigen Körper in Szene zu setzen.
So triumphierte ausgerechnet Herve Renard über seine ehemaligen Schützlinge und hatte nun weiter die Chance, als erster Trainer mit drei verschiedenen Teams den Afrika-Cup zu gewinnen. 2012 holte er den Titel überraschend mit Sambia, 2015 mit der Elfenbeinküste, nun hatte er die Chance mit Marokko. „Ich habe das Gefühl, bei diesem Afrika-Cup mit einer Menge Glück gesegnet zu sein“, meinte Renard nach dem Sieg über seine Ex-Mannschaft. In der Tat kam die Qualifikation der Nordafrikaner, in deren Angriffsmitte mit Aziz Bouhaddouz vom FC St. Pauli ein Zweitligaspieler erste Wahl war, überraschend. „Wir sind vielleicht individuell nicht so überragend besetzt wie andere. Meine Jungs spielen aber außerordentlich diszipliniert und können kämpfen“, beschrieb Renard die Vorzüge seiner Mannschaft.
Neben Marokko setzte sich die Demokratische Republik Kongo durch. Die Mannschaft des Einheimischen Florent Ibenge setzte sich sogar als Gruppensieger durch. Was vor allem deshalb überraschend kam, weil es rund um das Team vor dem Turnier zu beträchtlichen Streitigkeiten ums Geld gekommen war. Die Spieler streikten gleich zweimal: Einmal während des Trainingslagers in der Heimat vor dem Turnier, das zweite Mal weigerten sie sich am Tag ihrer Ankunft in Gabun, das angesetzte Nachmittagstraining zu bestreiten. Kapitän Yussuf Mulumbu äußerte sich in einem über die Sozialen Medien verbreiteten Video deprimiert: „Es ist immer das Gleiche: Wir Spieler arbeiten hart und setzen alles daran, erfolgreich zu sein. Und dann funktioniert die Sache mit den uns zustehenden Geldern nicht.“ Das Team, das seit einigen Jahren von Ibenge sehr erfolgreich trainiert wird, gewann 2016 alle seine sechs Pflichtspiele. Schon 2015, als die Mannschaft beim Afrika-Cup in Äquatorial Guinea überraschend Dritter wurde, blieben versprochene Gelder aus.
Was die Profis diesmal vor allem erzürnte: Während sie in der heimischen Hauptstadt Kinshasa vergeblich auf die Auszahlung verabredeter Prämien für die Turnierqualifikation warteten, flogen zeitgleich Dutzende von Verbands- und Regierungsfunktionären schon einmal nach Gabun, um ihre noblen Hotelzimmer zu beziehen. Auf Staatskosten selbstverständlich.
Apropos Geldstreitigkeiten: Der Cup hatte noch gar nicht begonnen, da kamen die ersten Meldungen über finanzielle Streitigkeiten aus Simbabwe. Im wirtschaftlich marode daherkommenden südafrikanischen Staat erschienen die Spieler einen Tag vor dem Abflug nach Gabun nicht zum feierlichen Abschieds-Dinner. Dutzende Regierungsvertreter und Verbands-Offizielle blieben allein im feierlich gestalteten Festsaal eines Vier-Sterne-Hotels in Harare.
Der Grund für den Boykott der Fußballer: Sie sollten mit haarsträubend geringen Prämien abgespeist werden. Der Fußballverband ZIFA bot seinen Spielern eine Teilnahmepauschale von 1000 US-Dollar pro Nase an. Dazu eine Tagespauschale pro Spieler von 50 Dollar für jene, die noch in der heimischen Liga spielen und rund 100 Dollar für Profis aus dem Ausland. Die Spieler forderten 5000 Dollar Pauschale und 150 (einheimisch) beziehungsweise 500 Dollar (ausländische Liga) pro Akteur pro Tag. „Unverschämt“ - war die Antwort von ZIFA, die Spieler „zeigen sich unverschämt in wirtschaftlich schlechten Zeiten.“ Es gab eine Krisensitzung, man fand einen Kompromiss, mit einem Tag Verspätung flog der Simbabwe-Tross nach Gabun. Dort erklärte Verbandssprecher Zolisani Gwesela: „Wir haben den Spielern zumindest schon einmal einen Teil der ihnen zustehenden Gelder auszahlen können. Damit haben sie sich erst einmal zufriedengegeben.“
Für Essam El Hadary war nach dem 0:0 Ägyptens gegen Mali am 17. Januar noch nicht ganz Schluss auf dem Rasen: Der 44 Jahre alte Keeper der „Pharaonen“ musste nach Abpfiff erst einmal jeden seiner Mitspieler kräftig in den Arm nehmen - es waren sogar ein paar Tränen bei dem erfahrenen Keeper zu sehen. Ägypten war zurück beim Afrika-Cup und setzte auch gleich eine schöne Serie fort: Zum 20. Mal in Serie blieben die Nordafrikaner in der Afrika-Cup-Endrunde unbesiegt. Seit 2004, als sie gegen Algerien mit 1:2 unterlagen, gingen sie nicht mehr als Verlierer vom Platz. 2006, 2008 und 2010 führte das zu drei Titelgewinnen in Reihe - die Ägypter schwangen sich zum dominierenden Team des Kontinents auf.
Stets dabei war Torwart El Hadary, der all die schönen ägyptischen Triumphe dieser Jahre miterlebte. Aber er erlebte auch die schweren Jahre danach hautnah mit. Als Ägyptens Fußball quasi unterging. In Folge des arabischen Frühlings kam es in Ägypten ab 2011 zu einer fatalen Vermischung zwischen Politik und Fußball, als sich mächtige Fußball-Fangruppen massiv in den Sturz des ägyptischen Mubarak-Regimes einmischten, was im Februar 2012 in einer der größten Fußballkatastrophen weltweit mündete. Im Stadion der Hafenstadt Port Said starben im Anschluss an ein Match zwischen den Traditionsklubs Al Masry und Al Ahli 74 Fußballanhänger in einer Massenpanik.
Die Folgen für den ägyptischen Fußball waren fatal: Die starke einheimische Liga wurde ausgesetzt, als sich 2015 die Lage scheinbar wieder ein wenig entspannte, starben die nächsten 20 Fans am Rande der Partie Zamalek gegen ENPPI in Kairo. Es hätte eines der ersten Spiele mit Fans im Stadion in der kurz zuvor wieder eingeführten Meisterschaftsrunde sein sollen. 10.000 Besucher wurden zugelassen, es kamen beinahe 100.000. Und es kam die erneute Katastrophe, in deren Anschluss die Meisterschaftsrunde erneut ausgesetzt wurde. Klar, dass in all jenen Jahren die zuvor so erfolgreiche Nationalmannschaft der Ägypter ihr Niveau nicht halten konnte. Unter dem amerikanischen Coach Bob Bradley, der die Nationalspieler mit diversen Lehrgängen in Form zu halten versuchte, qualifizierten sich die stolzen "Pharaonen", wie das Team genannt wird, nicht mehr für die Afrika-Cup-Endrunden 2012, 2013 und 2015.
Nun waren sie also wieder da. Die Liga in Ägypten lief wieder, das Nationalteam wurde unter dem im März 2015 neu verpflichteten Argentinier Hector Cuper ganz neu zusammengestellt. Waren es einst Stars wie Mohamed Abou Treika, Ahmed Hassan, Amr Zaki und Wael Gomaa, die für die Erfolge gesorgt hatten, schnürte jetzt eine völlig neue Generation die Schuhe für Ägypten. Neben der Basis von einer Menge talentierter junger Spieler, die in der heimischen Liga unterwegs waren, stützte sich das Team nunmehr auch auf eine Gruppe von erfolgreichen Europa-Legionären. Leistungsträger waren Abwehrchef Ahmed Elmohamady vom britischen Premier-League-Klub Hull City, Ramadan Sobhi (Stoke City), Mohamed Elmeny (FC Arsenal) und vor allem: Mohamed Salah (AS Rom).
Salah wurde gern schon einmal als "Messi von Nordafrika" bezeichnet, was ein wenig übertrieben anmutet. Der 24-Jährige Angreifer, der 2015 beim FC Chelsea ausgemustert wurde und daraufhin zum AS Rom wechselte, legte in der italienischen Serie A ein grandioses Jahr 2016 hin. Der pfeilschnelle Linksfuß führte die Roma in die italienische Spitze, 2016 wurde er zum besten arabischen Spieler des Jahres gekürt, ehe er zum FC Liverpool nach England wechselte.
Bei Sadio Mané liefen am späten Abend des 28. Januar im Stadion von Franceville nicht nur die Tränen. Dem Stürmerstar des FC Liverpool, der mit dem Senegal in Gabun unbedingt Afrikameister werden wollte, versagten bei der Viertelfinal-Niederlage gegen Kamerun im entscheidenden Moment die Nerven. In der nach 120 Minuten torlosen Partie scheiterte er im Elfmeterschießen beim Stand von 4:4 an Kameruns Keeper Joseph Ondoa. Während die „Unbezähmbaren Löwen“ im Rudel jubelten, brach ein völlig fertiger Mané regelrecht zusammen und musste von seinem Trainer Aliou Cissé und einem Betreuer gestützt in die Kabine geführt werden.
Senegal war also raus aus dem Afrika-Cup. „Das ist so unglaublich tragisch für die Mannschaft“, versuchte Coach Cissé nach der Partie Worte zu finden. „Die Mannschaft wollte sich hier in die Geschichtsbücher eintragen. Jetzt trauert eine ganze Nation“, so der Rastamann auf der Trainerbank. Für die „No-Names“ von Kamerun, bei dem vor Turnierstart gleich acht Europa-Legionäre für den Cup absagten, war das Erreichen des Halbfinales eine Sensation: „Wir haben heute wirklich gespielt, als seien wir unbesiegbar“, schwärmte der belgische Coach Hugo Broos.
Nach Einschätzung sämtlicher neutraler Beobachter hatte der Senegal bis dahin den stärksten Eindruck aller Teams beim Turnier hinterlassen. Das war auch gegen die technisch limitierten, kämpferisch aber enorm starken Kameruner so. Nur: Diesmal verwerteten die Senegalesen ihre Chancen nicht. Rund ein halbes Dutzend bester Möglichkeiten wurden vergeben, den Rest erledigte ein defensiv kompaktes Abwehrbollwerk Kameruns. „Ausgerechnet wieder Kamerun“, wird sich Cissé gedacht haben. Denn auch 2002, als der Senegal mit dem heutigen Trainer als Kapitän im Finale des Afrika-Cups in Mali gestanden hatte, verloren die „Löwen von Teranga“ mit 2:3 im Elfmeterschießen.
Zuvor hatte im ersten Viertelfinale des Turniers ein ehemaliger Bundesligaprofi für Aufsehen gesorgt: Aristide Bancé, einst Profi in Offenbach, Düsseldorf, Mainz und Augsburg, brauchte in der Partie zwischen Burkina Faso und Tunesien gerade einmal vier Minuten, um nach seiner Einwechslung für die Entscheidung zu sorgen. Der 32-Jährige traf in der 80. Minute sehenswert mit einem Freistoß aus 19 Metern zum 1:0 und bestrafte damit passive Tunesier, die zuvor konsequent versucht hatten, sich mit einem Abwehrbollwerk über die Runden zu retten.
Nigumba Nakoulma (Kayserispor) setzte in der 84. Minute mit dem 2:0 den Deckel drauf. Im Duell zweier Überraschungsteams zeigte Burkina Faso von Beginn an das reifere Spiel und griff vor allem mit dem schnellen Nakoulma in der Spitze viel mutiger an. „Unsere Taktik ist voll aufgegangen“, freute sich nach der Partie Trainer Paulo Duarte: „Nakoulma sollte die langen tunesischen Abwehrspieler müde machen und Bancé dann entscheidend zustoßen“, so der Portugiese. Tatsächlich brannte es nach Bancés Einwechslung gleich lichterloh im Strafraum der Nordafrikaner. Bancé holte den entscheidenden Freistoß selbst heraus, traf eine Minute nach dem Führungstreffer gleich noch einmal den Pfosten, war nicht zu bremsen. „Kompliment an meinen Trainerkollegen. Diese Einwechslung hat gesessen. Bancé war entscheidend“, sagte nach dem Spiel Tunesiens Coach Henryk Kasperczak.
„Ein großer Tag für mich und mein Land“, meinte Bancé nach dem Triumph. „Und jetzt wollen wir es besser machen als vor vier Jahren“, so der hünenhafte Torjäger. 2013 im Afrika-Cup in Südafrika war Burkina Faso bis ins Finale vorgedrungen, unterlag dort aber mit 0:1 gegen Nigeria.
Der viermalige Afrika-Cup-Sieger Ghana und Rekordsieger Ägypten komplettierten schließlich das Halbfinale der Kontinentalmeisterschaften. Die Black Stars besiegten die Demokratische Republik Kongo mit 2:1 (0:0). Stürmer Jordan Ayew von Aston Villa (63. Minute) und sein Bruder André Ayew vom Premier-League-Club West Ham United per Foulelfmeter (78.) trafen für den Favoriten und machten den Sieg perfekt.
Außenseiter Kongo mit dem Ingolstädter Bundesliga-Profi Marcel Tisserand hielt lange gut mit, konnte aber durch Paul-José Mpoku nur den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielen (68. Minute).
Ägypten zog dann als letztes Team in die Vorschlussrunde ein. Der Rekordchampion setzte sich im Viertelfinale mit 1:0 (0:0) gegen Marokko durch. Das Tor erzielte Offensivspieler Mahmoud Kahraba in der 88. Minute.
Burkina Faso hatte es überraschend ins Halbfinale geschafft. Verantwortlich: Trainer Paulo Duarte, der sein Team mit viel Disziplin führte. Nicht umsonst wird Duarte der „Mourinho von Afrika“ genannt. Dass ihr Trainer ein Dickkopf sein kann, wussten sie in Burkina Faso schon länger. Seit Februar 2012 etwa, als Duarte sich schlicht weigerte, den Trainerstuhl der Nationalmannschaft zu verlassen. Burkina Faso hatte es zu diesem Zeitpunkt unter Duarte zwar zweimal in die Endrunde des Afrika-Cups geschafft, doch beim Turnier 2012 hatte das Team in der Vorrunde gleich drei Niederlagen kassiert und war chancenlos ausgeschieden. Der Trainer sollte also seine Koffer packen, entschied man im Verband. Duarte aber blieb. „Wer soll mich denn entlassen haben?“, fragte er rhetorisch in die Runde und reiste einfach dennoch zum nächsten Testspiel des Teams vier Wochen später an: „Im nächsten Monat werden neue Verbandsfunktionäre gewählt. Erst die haben das Recht, mich zu entlassen“, fand er.
Nun, sie entließen Duarte dann trotzdem, holten ihn aber drei Jahre später zurück. Im Herbst 2015 wurde er Nachfolger des Deutsch-Franzosen Gernot Rohr, der es nur zehn Monate in Burkina Faso ausgehalten hatte. Die politische Lage sei ihm zu instabil, hieß Rohrs offizieller Kündigungsgrund.
Die Wahrheit ist: Es läuft chaotisch ab in Burkina Fasos Fußballverband. Das musste Duarte schon erkennen, als sie ihn, der bis dahin nur Trainererfahrung bei UD Leiria in Portugal gesammelt hatte, 2007 erstmals verpflichteten. Schon das Zustandekommen dieses Engagements kam eher zufällig zustande. Eigentlich wollten ein paar Verbandsoffizielle nur ihren Nationalspieler Ousseni Zongo in Leiria besuchen, dabei beeindruckte sie die Trainingsarbeit Duartes. Als der ein paar Monate später arbeitslos wurde, ließ er über Zongo anfragen, ob sie vielleicht einen neuen Nationaltrainer bräuchten in Burkina Faso. Sie brauchten.
Duarte war zunächst geschockt über die Bedingungen. „Es gibt hier nichts, keine Listen von Spielern, keine Unterlagen, keine Videos, nichts. Dass die Nationalmannschaft überhaupt existiert, ist verwunderlich“, sagte er. Duarte reiste zurück nach Europa, recherchierte, stellte eine völlig neue Mannschaft zusammen und blieb fünf Jahre. Er führte das Team zu zwei Afrika-Cup-Endrunden, das Team sprang aus den Niederungen der Weltrangliste auf Platz 37.
Als er die Mannschaft 2015 von Rohr wieder übernahm, bildeten das Gerüst nach wie vor jene Spieler, die Duarte einst geholt hatte. „Überaltert“, urteilten viele, doch Duarte schaffte es mit den Routiniers und ein paar jungen Leuten, die er eingebaut hat, erneut zum Afrika-Cup 2017. Und stand nun im Halbfinale. Zusammengehalten wurde die Mannschaft tatsächlich von Akteuren, die ihren Zenit vermeintlich überschritten hatten. Vor Abwehrchef Bakary Koné, der seine beste Zeit bei Olympique Lyon hatte, bevor er nach Malaga abgeschoben wurde, führten im Mittelfeld Charles Kabore und Abdou Traoré Regie. Vorn war Ex-HSVer Jonathan Pitroipa bis zu seiner Verletzung im zweiten Gruppenspiel gesetzt, unterstützt von Flügelspieler Prejuce Nakoulma. Allesamt waren diese Spieler um die 30. Im Viertelfinale gelang dem eingewechselten Ex-Bundesliga-Profi Aristide Bancé der entscheidende Treffer gegen Tunesien. Bancé, 32, ließ seine Karriere bei ASEC Mimosas in der Elfenbeinküste ausklingen.
„Das ist eine erfahrene Mannschaft mit herausragenden Charakteren“, sagte Duarte und war sich sicher: „Die Jungs sind fokussiert. Sie wollen jetzt den Sieg beim Turnier. Die Chance dazu ist absolut da.“
Die Chance war da, aber im Halbfinale zog Burkina Faso dann doch unglücklich den Kürzeren. Scheiterte an einem 44-Jährigen: Essam El Hadary.
Das erste Halbfinale zwischen Burkina Faso und Ägypten hatte vieles von dem, was K.o-Spiele bei Afrika-Cups so auszeichnet und berühmt macht: Zunächst ein eher langweiliges Gekicke zweier vorsichtiger Teams mit allerdings zunehmender Dramatik. Erst Verlängerung und dann der Showdown: Elfmeterschießen. Zunächst hielt Burkinas erst 20jähriger Keeper Hervé Koffi gleich den ersten Schuss des Gegners von Ahmed Fathi. Bis zum Stand von 3:3 verwandelten alle, dann machten die Burkiner den großen Fehler: Sie ließen ihren Keeper Koffi antreten. Der ließ sich von seinem erfahrenen Gegenüber El Hadary ausgucken und scheiterte am 44-Jährigen. Das Pendel schlug in die andere Richtung, plötzlich war Ägypten obenauf. Der nächste Ägypter verwandelte zum 4:3 und Burkinas zweitem Youngster, Bernard Traoré, hielten die Nerven nicht. Auch er scheiterte an El Hadary. Und Burkina hatte alles verspielt.
„Eine extrem unglückliche Niederlage. Wir waren die bessere Mannschaft, aber sind in der Lotterie des Elfmeterschießens am erfahreneren Torwart gescheitert“, jammerte Duarte. Sein Gegenüber Cuper gab ganz offen zu: „Der Gegner war physisch viel stärker als wir. Uns war klar, dass wir es irgendwie ins Elfmeterschießen schaffen müssen, wenn wir hier heute gewinnen wollen. Und das haben wir geschafft“, so der Argentinier.
Im zweiten Halbfinale setzte sich Kamerun gegen Ghana verdient mit 2:0 (0:0) durch. In der lange ausgeglichenen Partie erzielten Michael Ngadeu-Ngadjui (72.) von Sparta Prag und Christian Mougang Bassogog (90.+4) die Treffer.
Am Ende wussten sie ganz genau, wem sie diesen besonderen Triumph vor allem zu verdanken hatten: Kameruns Nationalspieler trugen ihren belgischen Trainer Hugo Broos auf den Schultern durch das Stadion de l’Amitié von Libreville. Der Jubel war gigantisch bei den „Unbezähmbaren Löwen“ - sie hatten mit dem 2:1-Finalsieg über Ägypten, das ihnen den insgesamt fünften Afrikapokal-Titel einbrachte, die wohl größte Überraschung in der Geschichte des Wettbewerbs geschafft. Auf der Tribüne saß der ehemalige Top-Torjäger Samuel Eto’o und twitterte: „Wahnsinn, Champions! Erst der Afrika-Cup, als Nächstes kommt der Confederations-Cup!“
„Wir wussten, dass wir den Titel gewinnen können, als wir im Viertelfinale Senegal aus dem Weg geräumt hatten. Das war ja bis dahin das beste Team bei diesem Turnier“, meinte nach Abpfiff Nicolas Nkolou. Der Verteidiger von Olympique Lyon war einer jener Spieler, der vor dem Turnier wenigstens einigen Experten der afrikanischen Fußballszene ein Begriff gewesen war. Beim größten Teil des Kaders, den der 64-jährige Belgier Hugo Broos berufen hatte, mussten selbst die Fachleute passen. Sie kannten die Spieler nicht.
Broos hatte den Job des Nationaltrainers im Februar 2016 übernommen, Kameruns Team lag zu jener Zeit nach bösen Misserfolgen am Boden. Unter dem Deutschen Volker Finke hatte es eine desaströse WM 2014 mit drei Vorrunden-Niederlagen gesetzt, kaum besser lief es beim Afrika-Cup 2015. Wieder scheiterte Kamerun in der Vorrunde als Gruppenletzter - anschließend musste Finke gehen. Nach einem Übergangsjahr mit einem einheimischen Interimstrainer übernahm Broos und räumte erst einmal auf. „Ich bin in ganz Europa rumgefahren und habe Spieler gesammelt, die für Kamerun spielen können“, berichtete er. Die Enttäuschung kam dann in den letzten Dezember-Tagen 2016, als gleich acht fest eingeplante Europa-Legionäre für den Cup absagten. Darunter Eric-Maxim Choupo-Moting vom FC Schalke 04 und Liverpools Top-Verteidiger Joel Matip.
„Ich denke, dass sie ihre Absage jetzt bereuen“, meinte Broos nach dem Finale ganz nüchtern. Nachlaufen will er den vermeintlichen Stars nun nicht mehr: „Vier Monate lang habe ich ihnen hinterhertelefoniert. Jetzt werde ich nicht mehr auf den Knien rutschen“, so der Belgier.
Der Coach ist jetzt der Held in Kamerun. Broos, der es als Innenverteidiger des RSC Anderlecht in den 70ern auf über 300 Spiele in Belgiens Erster Liga gebracht hatte, war auch als Trainer nicht aus seiner Heimat weggekommen. Er coachte den FC Brügge, Anderlecht und KRC Genk, viermal wurde er belgischer Trainer des Jahres. Disziplin und Mannschaftsgeist waren stets die Tugenden, die er seinen belgischen Vereinsmannschaften einimpfte und mit denen er nationale Erfolge feierte. Für internationale Ansprüche oder gar Weltklasse-Bekanntheitsgrad hatte es nie gereicht.
Erst 2011 zog es ihn weg, Broos machte erste Auslandserfahrungen als Klubtrainer auf der Arabischen Halbinsel. Der Triumph mit Kamerun könnte für ihn der Beginn eines neuen erfolgreichen Kapitels werden. Schließlich folgen für die Löwen extrem ereignisreiche Monate auf der höchsten Ebene der internationalen Fußballwelt: Zunächst im kommenden Sommer der Confederations-Cup mit den drei Gruppengegnern Chile, Australien und Deutschland. Im August dann zwei entscheidenden Qualifikationsspiele für die WM 2018 gegen Nigeria. Und nach der WM richtet Kamerun im Januar 2019 selbst den Afrika-Cup aus.
Ein Trainer im Fokus der Weltöffentlichkeit. Broos hat allerdings eigentlich andere Verpflichtungen: „Ich will nicht auf der Trainerbank sterben. Ich habe meiner Frau versprochen, im Februar zurück nach Hause zu kommen.“ Aber ob sie in Kamerun ihren neuen Helden jetzt einfach so gehen lassen?
Der Flughafen von Libreville ist in diesen Tagen des Afrika-Cups in Betrieb wie sonst selten. Täglich gehen rund doppelt so viele Flieger rauf und runter wie üblich. Was keine guten Nachrichten für Juary Soares und seine Teamkollegen von Guinea-Bissau sind. Denn das Hotel „Onomo“, in dem das Team des kleinen westafrikanischen Landes während der Vorrunde des Afrika-Cups untergebracht ist, liegt nur rund 300 Meter vom Airport entfernt. Jeder Start und jede Landung lässt die dünnen Mauern der Herberge erzittern.
Eigentlich unvorstellbare Bedingungen für ein Team von Fußballprofis. Für Guinea-Bissaus Spieler ist dies nichts Besonderes. Ihr Land gehört zu den 20 ärmsten der Welt, die finanzielle Unterstützung für das Fußball-Nationalteam fällt entsprechend bescheiden aus. Für ein richtiges Trainingslager vor dem Turnier war kein Geld da, die „Wilden Hunde“, wie das Team von Trainer Baciro Candé genannt wird, konnten nicht einmal ein einziges Testspiel absolvieren. Dass sie es unter diesen Umständen überhaupt bis zur Endrunde des Afrika-Cups schafften, kam einer sportlichen Sensation gleich. Aber in den entscheidenden Qualifikationsspielen wuchs die Mannschaft über sich hinaus. Der letztlich entscheidende 1:0-Sieg im Juni 2016 über Sambia wurde gefeiert wie Karneval. Zwei Tage und zwei Nächte war in der Hauptstadt Bissau Party angesagt.
Fußballerische Erfolge hatten die Söhne von Guinea-Bissau bislang eher in ihrer ehemaligen Kolonialmacht Portugal gefeiert. Noch im vergangenen Sommer hatten die Guineer bei der Europameisterschaft mit ihrem großen Bruder aus Südeuropa gefiebert und letztlich gefeiert. Zumal es ausgerechnet der in Guinea-Bissau geborene Eder war, der Portugal mit seinem Treffer zum 1:0 über Frankreich schließlich den Euro-Sieg brachte. Eders Geschichte ist beispielhaft für die Fußballkarriere eines talentierten Guineers. In Afrika geboren, wurde er von einem portugiesischen Scout entdeckt und schließlich nach Europa geführt, wo er seine fußballerische Ausbildung erhielt. Über portugiesische Jugend-Auswahlmannschaften führte sein Weg schließlich ins A-Nationalteam.
In Guinea-Bissau hingegen lag der Fußball lange quasi brach. Zwei Militärputsche in 2003 und 2012 und ständige Unruhen zwischen politischen Lagern und Volksgruppen ließen kaum Raum für Fußball. In den letzten zehn Jahren absolvierte das Nationalteam gerade einmal 31 Spiele, zwischen 2001 und 2010 waren es nur 12. Aber die Dinge ändern sich. Trotz aller finanziellen Probleme haben sich einige in Portugal ausgebildete Spieler entschlossen, wieder für das Land ihrer Wurzeln aufzulaufen. Stürmer Toni Silva etwa, Torschütze zum 1:0 über Sambia, war U17 und U18-Nationalspieler Portugals, ehe er sich entschloss, für Guinea-Bissau zu spielen. Ähnlich war's bei Angreifer Abel Camara, der zehn Spiele mit Portugals 21 gewann, ehe er zurückkehrte.
Sie alle eint der Traum, mit Guinea-Bissau etwas Großes zu gewinnen, die favorisierte Konkurrenz zu überraschen. So wie Portugal es im vergangenen Sommer gelungen ist. „Fahrt nach Gabun und macht es so wie Portugal letztes Jahr“, gab Staatspräsident Jose Mario Vaz den Fußballern mit auf den Weg. Leider fehlte den guten Wünschen auch Zählbares, sodass die Spieler kurz vor der Abreise nach Gabun in Streik traten. Sie hatten noch nicht einmal die vereinbarten Löhne für die geschaffte Qualifikation erhalten.
Der schlechten Vorbereitung zum Trotz nahmen sie dem Gastgeber im Eröffnungsspiel in letzter Sekunde den Sieg und jubelten anschließend, als hätten sie das Turnier bereits gewonnen. Zumal das Remis nicht irgendwie glücklich zustande gekommen war. „Wir waren gleichwertig und haben uns das 1:1 absolut verdient“, befand Coach Candé nach der Partie. Und Ausgleichs-Torschütze Soares jubelte: „Jetzt haben sicher alle verstanden, dass wir nicht nur hier sind, um den anderen bei ihrer Show zuzusehen.“
Otto Pfister ist als Trainer ein Fußball-Weltenbummler. Er hat schon über 20 Teams weltweit trainiert. Am besten gefallen hat es ihm stets in Afrika, wo er auch seine größten Erfolge feierte. 1991 wurde er mit Ghanas U17-Auswahl, Weltmeister, im Jahr darauf mit der A-Nationalmannschaft Zweiter beim Afrika-Cup. Im Interview spricht der 79-Jährige über das Niveau beim Turnier 2017, Spieleragenten und die Entwicklung des Fußballs auf dem afrikanischen Kontinent.
Otto Pfister
Herr Pfister, der 31. Afrika-Cups ist fast beendet. Wie gefällt Ihnen das Turnier bisher?
Otto Pfister: „Sehr gut, für mich ist so ein Afrika-Cup immer eine willkommene Gelegenheit, alte Freunde wiederzutreffen. Ich kenne hier ja beinahe jeden. Ich habe viele meiner Trainerstationen in Afrika gehabt, all die bekannten Spieler waren in meinen Teams. Abedi Pele und Anthony Yeboah bei Ghana, Samuel Eto'o und Niitap Gerimi bei Kamerun, Emmanuel Adebayor bei Togo. Der einzige, den ich nie trainiert habe, war Didier Drogba.“
Was halten Sie vom sportlichen Niveau beim Cup?
Pfister: „Mein Gefühl ist, dass sich der afrikanische Fußball auf dem absteigenden Ast befindet. Sowohl was die Qualität auf dem Spielfeld betrifft wie auch die Begeisterung für das Spiel auf den Rängen. Wir hatten jetzt beim Vorrundenspiel zwischen Algerien und Tunesien 2.000 Zuschauer im Stadion. So etwas hätte es früher nicht gegeben.“
Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Pfister: „Die Entwicklung, die der afrikanische Fußball nimmt, wird von Spieleragenten negativ beeinflusst. Die jungen Spieler werden schon im Alter von 12 oder 13 Jahren nach Europa geholt und dort - ich sage es ganz bewusst - in Hühnerfarmen gehalten. Sie bekommen beigebracht, wie man vernünftig spricht und mit Messer und Gabel isst. Und sie bekommen beigebracht, dass sie abspielen müssen, keine Einzelaktionen mehr auf dem Feld erlaubt sind. Damit verlieren die afrikanischen Jungs gleichzeitig eine Menge ihrer natürlichen Begabung, das was den Fußball immer ausgemacht hat. Und wenn die Jungs dann 18 sind und es sich herausstellt, dass sie doch nicht stark genug für die Erste Liga sind, versauern sie irgendwo in der Zweiten Liga und werden vergessen. Ich behaupte, dass es im Moment keinen einzigen großen afrikanischen Spieler mehr in Europa gibt.“
Es fällt auf, dass beim Afrika-Cup von 16 Trainern nur vier aus Afrika stammen. Woran liegt das? Sind die afrikanischen Coaches noch immer zu schlecht?
Pfister: „Es gibt ein paar talentierte Trainer auch in Afrika. Aber man traut ihnen von Verbandsseite den Job des Nationaltrainers nicht zu. Hinzu kommt, dass es in Afrika ein System von Clans gibt, in dem der eine Clan dem anderen nichts gönnt und es kein Vertrauen gibt. Heißt: Wenn ich einen afrikanischen Trainer eines bestimmten Clans zum Nationaltrainer mache, muss ich befürchten, dass er hauptsächlich Spieler aus seinem eigenen Clan ins Team holt. Da holt man sich lieber einen Coach aus dem Ausland. Am liebsten aus dem Land des amtierenden Weltmeisters.“
Seit vielen Jahren werden gerade aus Deutschland regelmäßig Fußball-Entwicklungshelfer in die Länder geschickt, die in Afrika Strukturen verbessern und einheimische Trainer ausbilden sollen. Bringt das alles nichts?
Pfister: „Doch, das bringt schon was, ich habe es ja auch selbst viele Jahre gemacht. Aber es fehlt meist die Nachhaltigkeit. Wenn ich jemanden nach Gambia schicke, der dort die Trainer ausbildet. Dann muss ich auch drei Jahre später jemanden hinschicken, der nachschaut, was aus den ausgebildeten Jungs geworden ist. Das wird aber nicht gemacht.“
Welches waren Ihre größten Erfolge als Trainer in Afrika?
Pfister: „Ich habe zwischen 1999 und 2002 mit Zamalek Kairo, dem mit Abstand wichtigsten Klub in Ägypten, drei Jahre lang alles gewonnen, was zu gewinnen war. Meisterschaft, Pokal, Supercup, afrikanischer Cup. Der Verein hat 2,6 Millionen Anhänger – ich war drei Jahre lang König. Wunderbar war vorher auch die Zeit in Ghana, wo ich mit der U17-Auswahl Weltmeister wurde. Wir hatten dann anschließend mit der Nationalmannschaft tolle Jahre mit Spielern wie Abedi Pele, Tony Baffoe und Anthony Yeboah, scheiterten 1992 nur knapp im Finale des Afrika-Cups an der Elfenbeinküste.
Was zeichnet einen guten Trainer in Afrika aus?
Pfister: „Man darf um Gottes Willen nicht mit der Einstellung ran gehen, man sei derjenige, der alles besser weiß und starre Regeln vorgeben.
Man muss sich in die Spieler hineindenken und sie dazu animieren, ihre Talente gewinnbringend einzusetzen. Es gab deutsche Trainer in Afrika, die haben deutsche Disziplin einführen wollen. Die haben von den Spielern verlangt, dass sie bei Tisch mit Messer und Gabel zu essen haben. Und bei einer Verspätung war man raus aus der Startformation. Diese Trainer sind allesamt krachend gescheitert.“
Wer wird Ihrer Ansicht nach das Turnier gewinnen?
Pfister: „Das ist völlig offen. Haben Sie das Duell zwischen Algerien und Tunesien gesehen? Das hatte mit Fußball nichts zu tun, das ist Krieg. Keines beider Teams durfte verlieren, da hängt unglaublich viel Ehre und Stolz dran. Da verkrampfen die Spieler und man muss als Trainer versuchen, sie trotzdem irgendwie hinzukriegen. Dieses Spiel hat der Trainer mit der größeren Afrika-Erfahrung gewonnen.“
Wie sieht es bei Ihnen aus? Sie sind 79, wirken aber topfit. Wollen Sie nochmal ein Traineramt übernehmen?
Pfister: „Ach, ich bin nicht auf der Suche. Ich bin ja schon fünfmal endgültig abgetreten. Und dann kommt ein Anruf und plötzlich stehe ich wieder an der Linie. Nichts ist unmöglich.“
Urs Siegenthaler liefert Joachim Löw seit zwölf Jahren Informationen über die Konkurrenz. Auch beim Afrika-Cup in Gabun 2017 ist der Schweizer vor Ort.
Urs Siegenthaler
Herr Siegenthaler, wie hat Ihnen die Vorrunde des Afrika-Cups gefallen? Haben Sie hohes Niveau gesehen?
Urs Siegenthaler: „Grundsätzlich ist es ja so, dass wir im Trainer- und Sichtungsteam des DFB nicht an die Sache herangehen mit der Überheblichkeit, schon alles über Fußball zu wissen. Ich schaue mir nun seit 12 Jahren solche Turniere wie den Afrika-Cup, den Asien-Cup oder die Copa Südamerika vor Ort an, um Erfahrungen zu sammeln und diese dann an den Bundestrainer und das Trainerteam weiterzugeben. Für uns ist nicht nur wichtig, was wir fußballerisch auf dem Platz sehen. Sondern auch beobachten zu können, was in den Ländern Drumherum geschieht. Warum die Leute die Dinge tun, die sie tun. Und klar, sehe ich dann auch Dinge, die andere besser können als wir. Und ich sehe die Dinge, die wir besser können.“
Inwieweit hat sich der afrikanische Fußball in den letzten Jahren weiterentwickelt?
Siegenthaler: „Vor Jahren war es mit Anpfiff eines Spiels schon noch so nach dem Motto 'Auf die Plätze, fertig, los'. Es war taktisch nicht besonders ausgereift. Heute laufen die Spiele erheblich kontrollierter ab, systematischer. Weil der Einfluss aus Europa mittlerweile erheblich zugenommen hat. Es spielen ja kaum noch afrikanische Nationalspieler auf dem eigenen Kontinent. Sie sind zum Großteil sehr europäisch ausgebildet und geprägt. Was aber natürlich auch dazu führt, dass man hier jetzt bei einem solchen Turnier beispielsweise nicht mehr das große Talent entdecken kann.“
Welche Auswirkungen hat der europäische Einfluss auf die Qualität des afrikanischen Fußballs?
Siegenthaler: Flächig steigt die Qualität des Fußballs natürlich an, weil mehr System und taktische Reife auch mehr Qualität bringen. Aber die individuellen Fähigkeiten der afrikanischen Fußballer beispielsweise im Eins-gegen-Eins waren auch eine Qualität. Es ist ein bisschen schade, wenn dies zu stark beschnitten wird.“
Es ist auffällig, dass von 16 Teams hier beim Cup nur vier von einheimischen Trainern betreut werden. Sind afrikanische Trainer nicht gut genug?
Siegenthaler: „Das ist sicherlich historisch zu sehen, die afrikanische Trainerausbildung steht noch weit hinter der europäischen zurück. Als Trainer einer afrikanischen Nationalmannschaft steht man aber auch vor besonderen Herausforderungen; Man muss in der Regel elf sehr unterschiedlich ausgebildete und von ihren Klub-Erfahrungen geprägte Spieler unter einen Hut bringen. Der eine spielt in England, der nächste in Belgien, der dritte in Saudi-Arabien, der vierte in Südafrika. Da eine gemeinsame Linie zu finden, ist nicht leicht. Das wird dann am ehesten ausländischen Coaches zugetraut.“
Erkennen Sie am Spiel der Mannschaften, ob sie einen afrikanischen oder europäischen Trainer haben?
Siegenthaler: „Nein, aber ich stelle schon fest, dass der frankophone Einfluss auf den afrikanischen Spitzenfußball zuletzt stark zugenommen hat. Hier beim Cup sind fast ausschließlich Nationen mit französischer Vergangenheit qualifiziert. Die haben dann meist französischsprachige Trainer. Und das hat natürlich schon Einfluss auf das Spiel.“
Auffällig war bisher der harte körperliche Einsatz, mit dem viele Spieler hier zu Werke gehen. Ist dies ein wichtiger Faktor, den Sie notiert haben?
Siegenthaler: „Ich möchte die Intensität der Spiele hier nicht öffentlich beurteilen. Das ist nicht meine Aufgabe. Aber ich kann schon nachvollziehen, wenn mancher sich wünscht, dass die Schiedsrichter in manchen Spielen härter durchgreifen würden. Es gab hier Spiele, da wurde jeder zweite Angriff durch ein Foul unterbrochen.
Welche Mannschaft hat Ihnen bisher am besten gefallen?
Siegenthaler: „Senegal und Kamerun haben jeweils phasenweise physisch sehr stark und durchschlagskräftig nach vorn gespielt. Explosiv und mit enormem Tempo. Senegal ist überhaupt gut besetzt. Da spürt man schon, dass die Spieler in europäischen Spitzenvereinen aktiv sind. Das war durchaus beeindruckend. Und sie haben einen afrikanischen Trainer. Das zu dem Vorurteil, dass afrikanische Trainer nicht gut genug sind.“
Eine Brille mit dickem schwarzem Rand auf der Nasenspitze, Dreadlocks hängen wild vom Kopf herab - so, wie Aliou Cissé da auf der kleinen Terrasse seines Apartments im Teamhotel „Heliconia“ sitzt, könnte man es durchaus mit einem Künstler oder Schriftsteller zu tun haben. Die Zeichnungen und Notizen aber, die der 40-Jährige um sich herum verteilt hat, haben allesamt aber mit weit weniger Feinsinnigem zu tun: Fußball.
Cissé, der die Nationalmannschaft des Senegal coacht, kommt so gar nicht daher wie man sich gemeinhin einen typischen Fußballtrainer vorstellt. Und doch ist er gerade im Moment nicht nur einer der wichtigsten Männer in der Fußballszene des westafrikanischen Küstenstaates. Cissé trägt Verantwortung für die Trainergilde eines ganzen Kontinents. Denn Cissé könnte beim Afrika-Cup, der momentan in Gabun ausgetragen wird, den Beweis antreten, dass es auch afrikanische Trainer mittlerweile auf das Niveau ihrer Kollegen aus Europa geschafft haben.
Ganze vier von 16 beim Afrika-Cup teil nehmenden Teams haben Coaches aus dem eigenen Land auf der Trainerbank. „Sie sind von der Erfahrung und Qualität ihrer Ausbildung noch nicht so weit“, sagt Urs Siegenthaler. Der Schweizer schaut sich als Scout der deutschen Nationalmannschaft das Turnier an und hat Jogi Löw schon einige Eindrücke weitergegeben. Eine etwas andere Erklärung findet Otto Pfister, selbst Trainerveteran mit viel Afrika-Erfahrung und aktuell ebenfalls als Beobachter in Gabun unterwegs. „Es gibt ein paar talentierte Trainer auch in Afrika. Aber man traut ihnen von Verbandsseite den Job des Nationaltrainers nicht zu“, sagt er. Pfister glaubt: „In Afrika gibt es ein System von Clans, in dem der eine dem anderen nichts gönnt und es kein Vertrauen gibt. Heißt: Wenn ich einen afrikanischen Trainer eines bestimmten Clans zum Nationaltrainer mache, muss ich befürchten, dass er hauptsächlich Spieler aus seinem eigenen Clan ins Team holt. Da holt man sich lieber einen Coach aus dem Ausland. Am liebsten aus dem Land des amtierenden Weltmeisters.“
Cissé ist nun angetreten, den Gegenbeweis zu liefern. Es gab schon einmal so jemanden, vor vier Jahren war das. Da klagte Stephen Keshi die Funktionäre der afrikanischen Fußballverbände lauthals an: „Kommt mir nicht irgendeinem mittelmäßigen Trainer aus Europa und sagt mir, dass er besser ist als ich“, schimpfte der Mann, der in jenem Januar 2013 das nigerianische Nationalteam beim Afrika-Cup coachte und seine Mannschaft gerade auf das bevorstehende Halbfinale gegen Mali vorbereitete. Keshi, der das Turnier mit seinem Team später gewann, schaffte das Kunststück, den Afrika-Cup sowohl als Spieler (1994) wie auch als Trainer (2013) zu gewinnen.
Wie Keshi, der rund 20 Jahre seines aktiven Fußballerlebens in Europa verbrachte, hat auch Cissé seine Fußball-Ausbildung nicht auf dem eigenen Kontinent genossen. Schon mit 18 Jahren verließ er seinen kleinen Heimatort Ziguinchor im Südosten Senegals und siedelte nach Frankreich um. Scouts des OSC Lille hatten den zweikampfstarken Mittelfeldspieler entdeckt und in Richtung Norden gelockt. Cissé blieb in Frankreich und wurde bald auch für die Nationalmannschaft seines Heimatlandes interessant. Seinen größten sportlichen Erfolg landete er 2002, als er als Kapitän der legendär gewordenen senegalesischen Mannschaft um El Hadji Diouf im WM-Eröffnungsspiel den „großen Bruder“ Frankreich mit 1:0 bezwang und später in die Runde der letzten acht einzog.
Noch heute wird in der Heimat von jener Mannschaft mit großem Stolz erzählt. Gleichzeitig erfasst die Senegalesen dann aber auch Traurigkeit, denn man hatte dem Team nach der WM Großes zugetraut. Weltmeister werden vielleicht, den Afrika-Cup endlich mal gewinnen – das auf jeden Fall. Weder das eine noch das andere gelang, das Team zeigte in der Folge jene Schwächen, die man senegalesischen Auswahlmannschaften irgendwie immer schon nachsagt: Es war nicht diszipliniert genug. Es gab sich mit dem zufrieden, was es hatte. Kämpfte nicht wirklich um die nächsten Erfolge.
Teamkapitän Cissé hat das damals ganz besonders gefuchst, weil er eigentlich aus ganz anderem Holz geschnitzt ist. Er packt zu, als Spieler tat er das bisweilen sogar ein wenig zu hart. Als er nach der WM 2002 einen Vertrag bei Birmingham City erhielt, flog er in seinem ersten Premier-League-Spiel daheim gegen den FC Arsenal gleich mal mit einer Roten Karte vom Platz. Als er wieder mittun durfte, sammelte er in den folgenden sechs Begegnungen fünf Gelbe Karten ein.
„Das gehört zu meinem Spiel“, sagte Cissé damals nur, er hat gelernt, sich auch unter harten Bedingungen durchzusetzen. Und er lernte, sich von Schicksalsschlägen nicht unterkriegen zu lassen. Im Herbst 2002 verlor er mehr als ein Dutzend engster Familienmitglieder, als vor Gambia eine Fähre sank und 1200 Menschen umkamen.
Cissé blieb in Europa, bis er 2009 seine Karriere in Nimes, in Frankreichs zweiter Liga beendete. Dann kehrte er zurück. Wurde Trainer, übernahm 2013 die Olympiamannschaft des Senegal. Und stand bereit, als das A-Team 2015 einen neuen Coach brauchte. Unter Alain Giresse hatte die Mannschaft beim Afrika-Cup in Äquatorialguinea nach drei Niederlagen in der Vorrunde schon wieder schwerst enttäuscht und war früh ausgeschieden. Cissé übernahm.
Seither ist vieles anders im Team der „Löwen von Teranga“, wie die Mannschaft genannt wird. Zuallererst einmal hat der neue Trainer ein gehöriges Maß an Selbstvertrauen mitgebracht: „Ich weiß ganz genau, was der Senegal benötigt, um Erfolg zu haben“, meinte Cissé bei seinem Amtsantritt selbstbewusst. Viel europäische Erfahrung auf der Trainerbank meinte er wohl, allerdings gepaart mit den speziellen Kenntnissen über die senegalesische Fußballseele. Jedenfalls hat er sich mit Torwarttrainer Tony Sylva, Co-Trainer Omar Daf und Team-Koordinator Lamine Diatta gleich eine Handvoll alter Teamkollegen von 2002 an die Seite geholt, die so etwas wie die „neue afrikanische Trainergeneration“ repräsentieren sollen. „Wir wissen doch am besten, wie unsere Landsleute ticken“, sagte Cissé.
Den Afrika-Cup 2017 hatten sich die Kumpels schnell als Ziel auserkoren. Schon die Qualifikationsspiele wurden mit höchster Konzentration und akribischer Arbeit angegangen. Gegner wurden zigmal beobachtet, die Spieler bekamen vor jeder Partie einen ganzen Schwung an Unterlagen über den Gegner. Resultat: Ungeschlagen marschierte Senegal souverän durch die Quali, stand schon früh als Teilnehmer des Endturniers in Gabun fest.
Detailarbeit ist das Steckenpferd des Rasta Manns auf der Trainerbank. „Er schaut stundenlang Videos von gegnerischen Teams und schreibt sich alles auf. Stundenlang tüftelt er dann vor dem Spiel an Auf- und Einstellung unseres Teams“, beschreibt Omar Daf die Arbeitsweise seines „Chefs“.
Gemeinsam mit seinen Kumpels von einst lässt Cissé den Spielern aber auch ihren Spaß. Ob bei Albernheiten im Hotel-Swimming-Pool oder beim Fußballtennis im Sand hinter der Herberge – Cissé ist meist ganz vorn mit dabei. „Die Jungs sollen locker bleiben“, sagt er. Auf der anderen Seite will er den Spielern jenen Schlendrian austreiben, der das Team in der Vergangenheit stets irgendwann hat scheitern lassen. „Wir wollen jeden Tag hart arbeiten und unser Spiel insgesamt auf ein neues Niveau heben. Ich verlange, dass sich jeder Spieler optimal auf seinen Gegenspieler einstellt und diesen 90 Minuten auf dem Platz bearbeitet und unter Druck setzt. Dann sind wir so stark, dass uns eigentlich keiner bezwingen kann“, sagt Cissé.
Gruppe A
Gabun – Guinea-Bissau 1:1
Burkina Faso – Kamerun 1:1
Gabun – Burkina Faso 1:1
Kamerun – Guinea-Bissau 2:1
Kamerun – Gabun 0:0
Guinea-Bissau – Burkina Faso 0:2
1.
Burkina Faso
4:2
5
2.
Kamerun
3:2
5
3.
Gabun
2:2
3
4.
Guinea-Bissau
2:5
1
Gruppe B
Algerien – Simbabwe 2:2
Tunesien – Senegal 0:2
Algerien – Tunesien 1:2
Senegal – Simbabwe 2:0
Senegal – Algerien 2:2
Simbabwe – Tunesien 2:4
1.
Senegal
6:2
7
2.
Tunesien
6:5
6
3.
Algerien
5:6
2
4.
Simbabwe
4:8
1
Gruppe C
Elfenbeinküste – Togo 0:0
DR Kongo – Marokko 1:0
Elfenbeinküste – DR Kongo 2:2
Marokko – Togo 3:1
Marokko – Elfenbeinküste 1:0
Togo – DR Kongo 1:3
1.
DR Kongo
6:3
7
2.
Marokko
4:2
6
3.
Elfenbeinküste
2:3
2
4.
Togo
2:6
1
Gruppe D
Ghana – Uganda 1:0
Mali – Ägypten 0:0
Ghana – Mali 1:0
Ägypten – Uganda 1:0
Ägypten – Ghana 1:0
Uganda – Mali 1:1
1.
Ägypten
2:0
7
2.
Ghana
2:1
6
3.
Mali
1:2
2
4.
Uganda
1:3
1
Viertelfinale
Burkina Faso – Tunesien 2:0
Senegal – Kamerun 4:5 n. Elfm.
DR Kongo – Ghana 1:2
Ägypten – Marokko 1:0
Halbfinale
Burkina Faso – Ägypten 3:4 n. Elfm.
Kamerun – Ghana 2:0
Spiel um Platz drei
Burkina Faso – Ghana 1:0
Finale
Ägypten – Kamerun 1:2
Geld verdienen geht vor moralischen Gewissensbissen - das ist eines der ehernen Gesetze des afrikanischen Fußballverbandes CAF. Nicht anders lässt sich erklären, dass der Afrika-Cup 2015 nach 2012 zum zweiten Mal nach Äquatorial Guinea vergeben wurde. Der ursprünglich vorgesehene Gastgeber Marokko bat wegen des Ausbruchs der Ebola-Epidemie um eine Verschiebung des Turniers um zwölf Monate - was die CAF entrüstet ablehnte. Noch nie seit 1975 sei der Cup verschoben worden, hieß die schale Absage an die Marokkaner. Die Wahrheit betraf das Konto: Die finanziellen Einbußen für den Verband wären angesichts ausgefallener TV- und Marketinggelder viel zu hoch gewesen. Die Strafe für Marokko fiel drastisch aus: 16 Millionen Euro Geldbuße und Ausschluss bei den nächsten beiden Kontinentalwettbewerben!
Die Schwierigkeit: Wenige Monate vor Beginn des Turniers musste ein neuer Gastgeber her. Staaten wie Südafrika, Angola oder Ghana winkten ab. Katar brachte sich ins Spiel, doch das Turnier in einem asiatischen Land auszutragen - das war den CAF-Offiziellen bei allen finanziellen Verlockungen dann doch zu heiß. Da kam Äquatorial Guinea mit seinem despotischen Staatsoberhaupt Teodoro Obiang gerade recht. Der kleine ölreiche Staat am Golf von Guinea hatte 2012 ja bereits als Co-Gastgeber neben Gabun das Turnier veranstaltet, die nötige Infrastruktur war also noch vorhanden.
Zweifel an einem Staat, in dem laut Amnesty International „mutmaßliche Oppositionelle grundlos eingesperrt“ und „politische Gegner willkürlich gefoltert werden“, bestanden keine, Despot Obiang, der sein Terrorregime seit 1979 stets mit Wahlergebnissen nahe der 100 Prozent bestätigen lässt, war höchst willkommen in der offiziellen afrikanischen Fußballwelt.
„Brüderliche und fruchtbare Gespräche“ habe er mit Obiang geführt, ließ CAF-Präsident Issa Hayatou wissen, ganze zwei Monate vor Anpfiff konnten Obiang und seine Leute mit den Turniervorbereitungen beginnen. Und klar: Natürlich durfte das Team Äquatorial Guineas statt Marokko teilnehmen. Die Mannschaft hatte zwar in den Vorrunden einen nicht zugelassenen Spieler eingesetzt und war vom Wettbewerb disqualifiziert worden. Aber natürlich durfte das Team als kleines Dankeschön an den Landesvater nun doch wieder teilnehmen an der großen Show.
Und Obiang, der in seinem Land eine kleine politische Elite an seinem Reichtum teilhaben lässt, während der Großteil der Bevölkerung in Armut lebt, zeigte sich großzügig: Er kaufte aus eigener Tasche 40.000 Tickets für das Turnier, um sie unter den Bedürftigen zu verteilen.
Das Chaos rund um die Stadien konnte das Staatsoberhaupt mit dieser Aktion allerdings nicht verhindern.
Schon vor dem Anpfiff des Eröffnungsspiels zwischen Gastgeber Äquatorial Guinea und der Republik Kongo kam es zu turbulenten Szenen rings um das Stadion in Bata. Das Vorhaben, jeden Fan beim Einlass einzeln zu kontrollieren, scheiterte offenbar am großen Andrang. Sicherheitsberater aus Israel ordneten mehrfach an, die großen Tore zu öffnen, um für Entlastung zu sorgen. Fans strömten daraufhin unkontrolliert aufs Stadiongelände. Die Polizei versuchte parallel dazu, das Gedränge mit Tränengas aufzulösen. Die Sicherheitsmaßnahmen rings um die 37.500 Zuschauer fassende Arena waren enorm: Die Polizei hatte alle Zufahrtswege mit Betonblöcken versperrt, Fahrzeuge mussten einen Metalldetektor passieren. Polizisten mit Ganzkörperschutz und Gewehren durchsuchten die Fans. Dennoch konnte das Chaos unter den tausenden aufgebrachten Anhängern nicht verhindert werden.
Glücklicherweise kam es nicht zur Massenpanik, obwohl der Spielausgang Böses befürchten ließ. Nach der Führung der Gastgeber durch Nsue (19.) kam der Außenseiter kurz vor Schluss der Partie durch Bifouma (87.) noch zum 1:1-Ausgleich. In der zweiten Partie des Tages zwischen Gabun und Burkina Faso waren allerdings kaum noch Fans im Stadion, obwohl beim 2:0-Sieg der Gabuner der weitaus bessere Fußball geboten wurde. Aubameyang (19.) und Evouna (72.) sorgten mit ihren Treffern für die Tabellenführung Gabuns in Gruppe A.
Alles sah nach einem problemlosen Einzug der Gabuner in die K.O.-Runde aus, doch die weiteren Partien sollten Überraschendes bringen: Zunächst unterlag Gabun im nächsten Spiel der Republik Kongo mit 0:1, Oniangue (48.) hatte kurz nach dem Seitenwechsel für den Außenseiter getroffen.
Äquatorial Guinea hatte auch in seinem zweiten Gruppenspiel gegen Burkina Faso (0:0) ein Unentschieden erreicht und brauchte nun einen Sieg über Gabun, um in die nächste Runde einzuziehen. Und das schafften die Gastgeber: Balboa per Strafstoß (55.) und Iban (85.) erzielten die Tore beim 2:0-Sieg in Bata, der dem Gastgeber für das Viertelfinale reichte. Äquatorial Guinea führte damit den Beweis, dass man auch mit einer Mannschaft erfolgreich sein kann, die erst zwei Wochen vor dem Turnier zusammengestellt worden war. Der argentinische Coach Esteban Becker wurde erst Anfang Januar verpflichtet und tauschte erst einmal ein Drittel des bestehenden Kaders aus. In der Stammelf der Gastgeber fanden sich plötzlich Spieler wieder, die teilweise monatelang nicht gespielt hatten und lediglich Erfahrung aus unterklassigen europäischen oder südamerikanischen Ligen mitbrachten.
Die noch größere Überraschungsmannschaft der Gruppe A blieb aber die Republik Kongo. Im abschließenden Spiel gegen Burkina Faso gelang ein 2:1-Sieg, der dem Team den Gruppensieg brachte. Bifouma (51.) hatte die Mannschaft von Erfolgstrainer Claude Le Roy kurz nach dem Seitenwechsel in Führung geschossen, Bancé (86.) für die Burkiner zum vermeintlichen Remis ausgeglichen. Doch nur eine Minute später markierte Ondama (87.) den Siegtreffer für den Kongo.
Hauchdünn fiel die Entscheidung über das Weiterkommen in der ausgeglichenen Gruppe B. Sowohl bei Sambia gegen die Demokratische Republik kam es nach Toren von Singuluma (2.) für Sambia und Bolasie (61.) für Kongo als auch bei Tunesien gegen die Kapverden (1:0 Manser, 70., 1:1 Heldon, 78.) zu 1:1-Unentschieden.
Den Big Point machte Tunesien im zweiten Gruppenspiel. Im der Partie gegen Sambia waren die Nordafrikaner in der 60. Minute durch Mayukas Treffer in Rückstand geraten, sahen gegen dominante Sambier schon wie die sicheren Verlierer aus. Doch Akaichi (70.) und Chikhaoui (89.) drehten die Partie noch mit einer Energieleistung und brachten Tunesien den 2:1-Sieg und die Tabellenführung. Denn im zweiten Spiel des Tages trennten sich die Kapverden und DR Kongo 0:0.
Für die Kapverden war dies ein fatales Resultat, denn gegen Sambia würde ihnen nun womöglich ein weiteres Unentschieden nicht zum Weiterkommen reichen.
Gegner Sambia stand ohnehin unter Druck: Nach der Niederlage gegen Tunesien konnte nun nur noch ein Sieg weiterhelfen. Doch beide Teams verkrampften unter dem Druck. Nach langweiliger Partie ohne große Höhepunkte blieb es auch bei Kapverden gegen Sambia beim 0:0. Was für beide Teams das Aus nach der Vorrunde bedeutete, denn parallel zu diesem Spiel brachten DR Kongo und Tunesien ein 1:1 zustande. Akaichi (31.) hatte Tunesien in Front geschossen, Bokila erzielte in der 66. Minute den Ausgleich zum 1:1, das auch DR Kongo das Viertelfinale einbrachte.