Der BassSpieler - Stefan Lasch - E-Book

Der BassSpieler E-Book

Stefan Lasch

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Beschreibung

Nach einem Abend mit einer »Telefonkapelle« kommt »Der BassSpieler« nach Hause. Erschöpft vom Konzert, lässt er die letzten Stunden noch einmal Revue passieren. Erinnerungen werden wach. Er erzählt über sein Leben mit dem Kontrabass, Frauen, seinen Einstieg in den Oldtime Jazz, Riverboat Shuffle, Musiker und Konzerte. Episodenhaft durchlebt er die Zeit zwischen ›MV3 und Gallien-Krueger‹, ›Osten und Westen‹, ›Bandausstieg und -neugründung‹, ›Festivals, Film & Theater‹. Pointiert und kurzweilig blickt er auf all das zurück, was er mit seinem Instrument erlebt hat und hilft, so ganz nebenbei, den Kontrabass kennenzulernen. Wenn Sie schon immer mal wissen wollten, was so alles mit einem Kontrabass und seinem Spieler passieren kann, »Der BassSpieler« gibt Ihnen amüsante Antworten

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Ruth, Elke, Ines

Hedda, Manne&Frau, Claudia

Heike, Renee, Rainer, HaRo, Mona

Ohne Euer Feedback wäre

»Der BassSpieler«

gestorben.

»Bassisten sind immer von der intellektuellen Art, aber niemand weiß es.«

(Stanley Clarke)

Inhaltsverzeichnis

»Moanin'«

»Happy Birthday (to You)«

»Just One of Those Things«

»Honeysuckle Rose«

»Embraceable You«

»My Favorite Things«

»In the Mood«

»Bourbon Street Parade«

»Things Ain’t What They Used to Be«

»East Side West Side«

»When You're Smiling«

»Nobody Knows You When You're Down and Out«

»Days of Wine and Roses«

»Riverboat Shuffle«

»Desafinado«

»Goody Goody«

»A Foggy Day»

»I Found a New Baby«

»Polka Dots and Moonbeams«

»After You've Gone«

»Trouble in Mind«

»Careless Love«

»Auld Lang Syne«

»Rudi Ratlos«

I »Moanin'«

Geschafft.

Diese Schlepperei.

Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz.

Ich muss mich erst einmal setzen.

Sänger müsste man sein.

Schau'n Sie sich das an.

Das Gigbag mit dem Verstärker, ein Alukoffer mit Notenständer, Tablet und diese Stehhilfe. Massiver Stahl, zusammenklappbar. Vom Bass und meiner Umhängetasche mit Rauchzeug und Bürokram gar nicht erst zu reden.

Da jubelt der Rücken und meldet sich.

Mir reicht's.

Unfassbar.

Das alles schleppst du in den 3. Stock. Ohne Fahrstuhl. Zur Belohnung darfst du dir anschließend noch einen Parkplatz suchen. Zum Glück sind nachts kaum Fahrradfahrer unterwegs. Deren Gezeter hätte mir gerade noch gefehlt. Die haben kein Verständnis für einen Bassspieler, der um Mitternacht nach einem Konzert völlig ausgepowert seine Gerätschaften ausladen muss. Hoffentlich klebt unterm Scheibenwischer kein Knöllchen wegen Parkens in der zweiten Reihe.

Mein letztes Knöllchen habe ich vorgestern erst bezahlt. Auf der Heimfahrt gequatscht.

Eine Dreißigerzone übersehen, patsch, siebzig »Ocken« weg. Bearbeitungsgebühr und Spritkosten hinzugerechnet, eine »Nullnummer-Mugge«.

Ich will ja nicht rumstöhnen, mein Rücken ist des Schleppens müde. Fünf Stunden leicht verdreht und gebeugt am Bass stehen, das über Jahre, hinterlässt nun mal »Rücken«. Im Alter wird das zur Quälerei. Also kaufst du zur Linderung eine Stehhilfe, das ist so eine Art Barhocker, und darauf hockst du, wenn du spielst.

Ein Segen.

Die Wirbelsäule wird entlastet.

Wie alles Gute im Leben, es hat seinen Preis, und der liegt so bei zwölf Kilogramm.

Was dich beim Spielen entlastet, hebt das Schleppen wieder auf.

Noch eine Nullnummer.

Lernen Sie nie Kontrabass, Schlagzeug ist noch viel beschwerlicher. Sie buckeln mehr, als Sie musizieren.

Es sei denn, Roadies übernehmen die Schlepperei.

Als Bassspieler in der Amateur-Kreisklasse findest du niemand, der dir nur für gute Worte ohne Geld hilft.

Schluss mit dem Rumgestöhne.

Augen auf bei der Instrumentenwahl.

Ich hab mir's ja ausgesucht.

Wobei, ausgesucht habe ich mir den Bass gar nicht. Der Kontrabass wurde mir zugewiesen. Damals in der Musikschule gab es keine Freiwilligen für den Bass. So wie heute, über ein halbes Jahrhundert später.

Kennen Sie die Statistiken über die Beliebtheit von Instrumenten unter Schülern?

Da finden Sie keinen Kontrabass. Klavier und Gitarre sind beliebt. Das Schlagzeug wird immer beliebter. Akkordeon, Flöte, Cello sind fest in der Beliebtheitsskala verankert. Vom Kontrabass keine Spur. Der wird gar nicht erst genannt. Obwohl er 2010 zum Instrument des Jahres gekürt wurde. Einen Boom für den Kontrabass-Nachwuchs hat das jedenfalls nicht ausgelöst. Wo doch jedes siebte Kind in unseren Breiten kräftigt gebaut sein soll. Die körperlichen Voraussetzungen wären gegeben. Wie bei mir, vor über sechzig Jahren.

Ich war etwas dicklich und da meinten die Lehrer: »Der passt gut zum Bass.«

So gut nun auch nicht. Mit einer Körpergröße von schlappen 1,55 Metern sah ich neben einem Kontrabass mit 1,90 Meter Höhe recht mickrig aus. Um das auszugleichen, schob man mir ein kleines Podest unter die Füße, damit ich das Griffbrett einigermaßen fassen konnte. Grausam. Und erst die Saiten.

Haben Sie schon mal Bass-Saiten niedergedrückt?

Die dünne G-Saite mag ja noch gehen.

Die E-Seite ist dreimal so dick. Ein ordentlicher Darm, und der verlangt Kraft. Mein Einstieg in die Welt des Kontrabasses lief noch über Darmsaiten. Kein Wunder, dass meine Fingerchen da noch nicht so wollten, wie sie sollten. Mehr oder weniger quälte ich mich über das Instrument.

Das Schlimmste dabei, es kam nichts Gescheites dabei raus. Mal ein schönes Stück vorspielen, ein frommer Wunsch. Das Kratzen des Bogens auf den Saiten beileibe kein musikalischer Genuss. Es war eher eine akustische Umweltverschmutzung.

Jetzt werden Sie sagen:

»Geige oder Klavier lernen ist auch mühsam und kein Ohrenschmaus.« Stimmt.

Doch nach ein, zwei Jahren lässt sich schon mal ein kleines Stück vorspielen. Opa und Oma drückt das garantiert vor Stolz auf den Kleinen Bewunderungstränchen in die Augen. Schleppst du den Bass zu Oma und Opa und streichst über die Saiten, erzeugst du bestenfalls Mitleid: »Das arme Kind, das kann das Instrument gar nicht richtig halten. Das muss doch schwer sein. Brauchst du Hilfe?« Dieses »Spiel doch mal was« hatte sich bei mir rasch erledigt.

Für Oma und Opa offensichtlich auch. Es blieb bei einem häuslichen Vorspielen. Bei Prüfungen in der Musikschule half das Davonstehlen nicht, da musste ich ran. Zwischen »3« und »4« lag meine Erfolgsquote. Recht ordentlich, gemessen an meinem Übungsfleiß.

Noch gefährlicher als Prüfungen sind Vorspiele im Orchester.

Folgende Situation: Ein Kammerorchester, zusammengestellt aus den besten Musikschülern aller Altersgruppen, bekam die Aufgabe, »Jugendweihen« – die Alternative zur Konfirmation – musikalisch zu umrahmen. Warum ausgerechnet ich dafür ausgewählt worden war, lag sicherlich daran, dass sich keiner außer mir mit den vier Saiten herumplagen wollte. Meine Freude, in diesem Orchester mitspielen zu dürfen, war riesig.

Auf dem Pult lag die Nationalhymne von Hanns Eisler – richtig, die mit dem Aufstehen aus den Ruinen und der zugewandten Zukunft. Am Dirigentenpult ein weißhaariger, hagerer Generalmusikdirektor. So wie man sich einen GMD vorstellt. Eine Bilderbucherscheinung. Er hob den Taktstock und die Hymne erklang.

Ich kapierte meine Bassstimme nicht, spielte immer wieder falsch. Der GMD brach ab, schaute mich an und forderte: »Spiel deine Stimme mal vor!«

Allein vor einem Orchester zu spielen, ist wie beim Fremdgehen ertappt werden. Ich bekam einen roten Kopf. Das Orchester verkroch sich kichernd hinter die Notenpulte. Nach dem dritten Versuch spürte ich, wie die großväterliche Toleranz am Dirigentenpult langsam umkippte. Der GMD nahm seinen Dirigentenstab und klopfte den Rhythmus meiner Bassstimme vor.

Ich musste mitspielen.

Nach dem vierten Ton war ich raus.

»Noch mal und noch mal und noch mal«, der GMD geriet immer mehr in Rage. Er schlug derart sein Dirigentenstöckchen auf die Notenpultkante, dass es in zwei Teile auseinanderflog. Ich grinste zur Seite und sah, wie alle anderen hinter ihren Pulten erschrocken hervorlugten. Damit nicht genug.

Der GMD knallte mir noch einen Spruch an den Kopf:

»Wenn du keine Kritik aushältst: Bleib zu Hause und sammle Briefmarken. Probenton ist ein harter Ton!«

Zu Hause blieb ich nicht.

Briefmarken sammeln, langweilig.

Den Probenton konnte ich verkraften.

Der Bass siegte.

Eine pädagogisch wertvolle Maßnahme damals.

Mir hat die Probeneskalation mit dem GMD geholfen. Die Basslinie der Nationalhymne kann ich heute noch aus der Lamäng spielen. Sie will nur keiner mehr hören.

Kritikfähigkeit ist in der Kunst unerlässlich. Egal, ob du ein Bild malst, fotografierst oder musizierst. Du bekommst Lob, Ablehnung oder gar nichts. Die einen sagen »toll«, die anderen »Scheiße« und die, die schweigen, sind das Letzte.

Es gab Zeiten, da wurden Musiker sogar verprügelt, wenn sie nicht das spielten, was der »Saal« forderte.

Einmal stellten unbekannte Dorfburschen den »Trabbi« eines Musikers mit den Rädern hochkant an eine Wand. Was für ein Gaudi! Dorfburschen waren immer zu Scherzen aufgelegt und prahlten mit ihrer Kraft. Wenn schon keinen »Trabbi« an die Wand lehnen, dann wenigstens den Saal aufmischen.

Der Schlagzeuger aus meiner Beatband sprang beim kleinsten Handgemenge sofort auf. Er griff sich einen Mikrofonständer, rannte von der Bühne und stürzte sich in das Gerangel, um es aufzulösen. Dahinter steckte die pure Angst, verboten zu werden. Krachte es im Saal, schuldig war immer die Band. So die Argumentation der damaligen Administration. Die hatte ohnehin etwas gegen diese aufputschende »Beatmusik«. Von den »Animals« bis »Zappa« spielten wir fast alles nach, was der Empfang von Hitparaden-Klassengegner-Sendern zuließ, und das wurde sehr kritisch beobachtet. Der kleinste Vorfall, und wenn es eine harmlose Rauferei war, konnte ein Bandverbot auslösen.

Schön war's trotzdem.

Zurück zum Kontrabass.

Auf dem Bass klingen Solostücke immer etwas sonderlich. Ohnehin hat das menschliche Ohr mit den tiefen Tönen so seine Mühe.

Schau'n Sie sich mal ihre häusliche Tonwiedergabe beim Fernsehgerät an. Ohne Soundbar und Subwoofer können Sie den Fernsehton vergessen.

Und wo steht der Subwoofer?

Irgendwo in der Ecke.

Trotzdem hören Sie die tiefen Töne, ohne genau wahrzunehmen, woher sie kommen. Sie sind einfach da.

Das ist wie mit dem Salz in der Suppe, man bemerkt es erst dann, wenn es fehlt.

Genauso ist es mit dem Kontrabass.

Der fällt erst dann auf, wenn er nicht vorhanden ist, oder wie schon der erwähnte Hanns Eisler zu trefflich sagte:

»Hör ich den Bass nicht, scheiß ich auf die Melodie.«

Einen großen Vorteil hat der Kontrabass.

Die Spieler sind so rar wie Fliesenleger, Installateure oder andere Handwerker. Als ich mit dem Bass anfing, war ich weit und breit der Einzige, der das Instrument halten und damit Töne erzeugen konnte. Für ansässige Orchester ein Glücksfall.

Meine ersten orchestralen Erfahrungen machte ich in einem Zupf- und Streichorchester der Musikschule. Da saßen sie, mit ihren Mandolinen, Geigen und Gitarren, Violinen und Akkordeons und klimperten vor sich hin. Ich verharrte dahinter mit meinem Kontrabass. Auffällig und allein, ein »Außensaiter«. Das regte meine Mitspieler zu besonders »lustigen« Sprüchen an:

»Wie spielt es sich auf einer Oma?«

»Ist deine Geige gewachsen?«

»Heute spielt er Bass, morgen spielt er bässer!«

Musikerwitze gibt es für jedes Instrument.

Die Bassspieler kommen dabei noch glimpflich weg.

Lesen Sie mal Bratscher-Witze!

Was mich immer genervt hat, ist, den Bass als Bassgeige zu bezeichnen. Das ist nun völlig daneben.

Der Kontrabass ist eine Mischung aus Gambe und Geige. Er gehört nicht in die Familie der Violinen!

Jetzt koche mir erst mal einen Kaffee.

Nach der Mugge heute brauche ich das.

Mugge, nicht Muckefuck.

Sie haben schon richtig gelesen.

Muckefuck ist der koffeinfreie und herzfreundliche Ersatzkaffee, der fürchterlich schmeckt.

Mein Kaffee ist echt, schwarz und stark und hat überhaupt nichts mit einer Mugge zu tun.

Sie wissen, was eine Mugge ist?

Mugge mit Doppel-»g« und nicht mit »ck«!

Mugge ist ein musikalisches Gelegenheitsgeschäft. Ein Begriff, der zurückgeht auf eine Zeit, als sich Musikanten neben ihrer Festanstellung in einem Orchester zusätzlich Geld verdienten. Ob Tanzveranstaltungen, Hochzeiten, Beerdigungen oder sonstige Belustigungen, Musik wurde immer gebraucht, deshalb gab es musikalische Gelegenheitsgeschäfte.

Heute ist das nicht anders.

Wer hat schon was gegen ein gelegentliches Zubrot?

Komischerweise benutzen den Begriff Mugge nur ältere Musiker mit »Ostsozialisation«. Junge Menschen nennen ihre Auftritte »Gig«.

Sind sie nur Konsumenten, wird Mucke mit »ck« gleich zum Sammelbegriff für die gesamte Musik. Vielleicht beziehen sie sich auf des Wortes wahre Bedeutung: »muck« – »Dreck«. Manchmal ist Musik richtiger Dreck, wenn sie schlecht gespielt wird. Wobei »dreckig« auch anerkennend gemeint sein kann. Klingt der Gesang so richtig schön »dreckig«, so aus dem Bauch heraus, mit kratziger Stimme, im Blues zum Beispiel, dann geht das unter die Haut, da kann's nicht »dreckig« genug sein.

Genug der semantischen Klimmzüge.

Gönnen Sie mir den Schluck Kaffee, ohne Milch und ohne Zucker.

Zu meinem Kaffee passt nur »Black Coffee«.

Kennen Sie nicht – 1949 mit Sarah Vaughan, Ella Fitzgerald und drei Jahre später mit Peggy Lee veröffentlicht?

Ein wunderbarer Blues, in dem es heißt:

»Bei Kaffee und Zigaretten

Ich stöhne den ganzen Morgen

Stöhnen die ganze Nacht

Und dazwischen ist es Nikotin

Schwarzer Kaffee«

Es geht doch nichts über einen starken, schwarzen

Kaffee und eine Pfeife.

Herrlich.

II »Happy Birthday (to You)«

War das heute eine komische Veranstaltung!

Vorgestern rief mich der Chef einer befreundeten Band an, ob ich eine Aushilfe machen könne. Die Gage passte und weit fahren musste ich auch nicht. Ich sagte zu.

Ein Gasthof mit Saal, kleine Bühne. Da ich ein Zeitmensch bin, stand ich viel zu früh vor der Saaltür.

Ich war der Erste.

Warten auf den Bandchef.

Freundliche, herzliche Begrüßung.

Ich erfuhr, dass wir heute als »Telefonkapelle« spielen würden. Musiker der Stammbesetzung konnten nicht oder hatten keine Lust. Die Mugge absagen wäre auch blöd gewesen. Per Anruf eine Band zusammenstellen, fertig war die »Telefonkapelle«. Ich war heute eine von drei Aushilfen. Musikalisch kein großes Problem, denn im Dixieland sind Standards angesagt, und die haben die meisten Jazzer drauf. Proben sind deshalb kein »Muss«. Vorausgesetzt, man hält beim Spielen die Ohren offen. Wer da Probleme hat, bekommt Noten und eine Setliste, eine Abfolge der geplanten Titel. Daraus erfährt man ohne großes Nachfragen die Tonart, in der das Stück gespielt wird.

In »Telefonkapellen« lernt man Musiker kennen, mit denen man freiwillig nie gespielt hätte. Selten sind es jene, die einen begeistern.

Heute Abend war es weder noch.

Die Mitspieler trudelten langsam ein.

Nicht alle kannte ich.

Der Bandchef konfrontierte uns mit seinem Problem:

»Wir spielen heute ohne Schlagzeug. Keiner hatte Zeit. Einen Trompeter konnte ich auch nicht auftreiben. Dafür ein zweiter Klarinettist mit Saxofon.«

Warum nicht Bass, Gitarre, zwei Holzbläser, Klavier, Posaune? Glenn Miller spielte auch nicht in der typischen Big-Band-Besetzung und wurde trotzdem weltberühmt. Dass unsere Besetzung heute etwas Ähnliches reißen würde, schloss ich kategorisch aus.

Wir waren als musikalisches Geschenk für eine Geburtstagsfeier eingekauft worden. Der Jubilar liebte Dixieland und seine Gattin schenkte ihm die Musik.

Er war begeistert.

Das fehlende Schlagzeug fiel ihm nicht auf.

Nach einem kurzen Anspiel, so was wie ein Soundcheck, ging's erst mal zum Bier. Da ich kein Bier trinke, bewegte ich mich nach draußen, um eine zu rauchen.

Selig die Zeiten, als in den Jazzclubs und Kneipen noch geraucht werden durfte. Wobei, einen lästigen Nebeneffekt hatte das Rauchen im Raum schon. Abgestandener Zigarettenqualm und Bierdunst, ein Affront für jede Nase.

Als meine Pfeife einen letzten Zug hergab, waren meine Mitspieler bereits beim zweiten Bier und prosteten dem Geburtstagskind zu.

Ich schloss mich den Glückwünschen zum Tag der Geburt unbekannterweise an. Damit war auch der Eröffnungstitel klar: »Happy Birthday«.

Den versaut kein Dutzend Glas Bier.

Die Musikantenrunde blödelte vor sich hin. Der alte Spruch, dass nach jedem Bier die Titel schöner klingen würden, durfte natürlich auch nicht fehlen. Der Gastgeber scherzte mit und freute sich auf die Musik.

Ich bin nicht der Mitplauderer und flüchtete in die Setliste. Die meisten Titel hatte ich im Kopf und in den Fingern. Für diesen Abend wollte ich noch etwas ausprobieren. Angeregt von jungen Musikern griff ich zu meiner neuesten Investition, einem Tablet.

Warum noch kiloweise Notenblätter durch die Gegend transportieren, wenn ein paar Hundert Gramm Hightech den gleichen Zweck erfüllen?

Die Zeichen der Zeit würden noch besser erkannt, wenn es Pflicht wäre, alles aus dem Kopf zu spielen, mit dem Lastenrad anzureisen, kein Mikro, keine Boxen, keinen Verstärker zu benutzen und mit einem Bio-Smoothie Kraft zu tanken.

Ist das nicht authentisch, nachhaltig, emotional, empathisch, narrativ und zeitenwendegerecht?

Dem Himmel sei's gedankt, noch bleibt mir das Strampeln zur Mugge erspart.

III »Just One of Those Things«

Ich nahm mir die Setliste des Abends, suchte die entsprechenden gespeicherten »Piecen« im Tablet und schob sie in einen eigens für diesen Abend angelegten Ordner. Antippen und schwupp, das Notenbild erschien. Die »Phase eins« meiner Tablet-Premiere war erfolgreich.

Richtige Entscheidung, der Tablet-Kauf.