Der Blindenführhund als erweiterndes Wahrnehmungsorgan - Kathrin Müller - E-Book

Der Blindenführhund als erweiterndes Wahrnehmungsorgan E-Book

Kathrin Müller

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2006
Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Psychologie - Sonstiges, Note: 1, Fachhochschule für Kunsttherapie Nürtingen, Veranstaltung: Wahrnehmungspsychologie, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit dem Zusammenspiel des Blindenführhundes und seinem blinden Halter, wobei der Schwerpunkt auf die wahrnehmungspsychologischen Aspekte gelegt wird. Zunächst wird auf die Entwicklung der Mensch-Hund-Beziehung eingegangen. Anschließend wird die Wahrnehmung des Blindenführhundes und deren Unterschied zu der des Menschen näher betrachtet. Um die Situation und Probleme des Erblindeten nachvollziehbarer zu machen, beschäftigt sich das zweite Kapitel mit der Definition des Ausdrucks „blind“ sowie mit dem Thema Orientierung und Mobilität blinder Menschen. Bevor das vierte Kapitel die Zusammenarbeit von Hund und Mensch darstellt, veranschaulicht das dritte Kapitel kurz die Ausbildung des Blindenführhundes. Zur Berücksichtigung und Verdeutlichung des sozialen und therapeutischen Aspekts werden im Anhang zwei umfangreiche Interviews mit einer Blindenführhundhalterin und einem Blindenführhundhalter angeführt.

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Inhaltsverzeichnis

 

Einleitung

1.  Die Beziehung zwischen Mensch und Hund

1.1.  Die Fähigkeit zur Kooperation – Der Hund als soziales Lebewesen

1.2.  Die Wahrnehmungssinne des Hundes (im Vergleich zu denen des Menschen)

2.  Blinde und Mobilität

2.1.  Definition Blindheit

2.2.  Die Auswirkungen einer Erblindung oder starken Sehbehinderung

2.3.  Die Orientierung und Mobilität des Erblindeten

3.  Der Blindenführhund

3.1.  Die Ausbildung eines Blindenführhundes

4. Die Zusammenarbeit zwischen dem Blinden und dem  Blindenführhund

5.  Diskussion

6.  Anhang

6.1.  Interview mit Ulrike Krüger

6.2.  Interview mit Herrn V.

7.  Literaturverzeichnis

8.  Verzeichnis weiterer Quellen

8.1.  Internet

8.2.  Korrespondenz mit Führhundschulen

8.3.  Persönliche Kontakte

 

Einleitung

Der Blindenführhund erbringt als „lebendes Wahrnehmungsorgan“ eine außerordentliche Leistung: er führt seinen Menschen sicher durch die Öffentlichkeit, verschafft dem Blinden eine neue Mobilität und Lebensqualität und erleichtert ihm dadurch den Umgang mit seiner Behinderung.

Das Ziel meiner Arbeit ist es, zu erläutern, aus welchem Grund sich der Hund besonders dazu eignet, die „Wahrnehmungslücke“, die aufgrund des fehlenden Augenlichts beim blinden Menschen entsteht, zu füllen. Es soll verdeutlicht werden, welch nützliche Hilfe ein Führhund einem Blinden sein kann, da er viele Schwierigkeiten im täglichen Leben eines Blinden vereinfacht oder sogar löst.

Die Grundlage eines gut funktionierenden Führgespanns liegt im Verständnis der besonderen Art der Mensch-Tier-Beziehung, die zwischen dem Hund und „seinem“ Menschen besteht. Daher dient das erste Kapitel dazu, einen kurzen Einblick in diese Form der Beziehung zu vermitteln. Um beurteilen zu können, inwieweit ein Hund einem blinden Menschen als „erweiterndes Wahrnehmungsorgan“ dienen kann, wird anschließend untersucht, wie ein Hund seine Umwelt wahrnimmt und inwieweit sich diese Wahrnehmung von der Welt, wie wir Menschen sie wahrnehmen, unterscheidet.

Da die gesundheitlichen (und auch psychischen) Verhältnisse eines blinden Menschen eine entscheidende Rolle bei der möglichen „Ausstattung“ mit einem Führhund spielen, gehe ich im zweiten Kapitel kurz auf die Definition des Ausdrucks „blind“, sowie auf die Unterschiede, die zwischen Geburtsblinden und Späterblindeten bestehen, ein. Die Ausführungen zur Orientierung und Mobilität des Erblindeten sollen die auftretenden Schwierigkeiten und Probleme, die sich aus seiner Situation ergeben, verständlich machen.

Im dritten Kapitel soll die Darstellung der Ausbildung eines Hundes zum Blindenführhund veranschaulichen, welche Fähigkeiten der Hund zum Zeitpunkt der Übergabe an den Blinden besitzen sollte.

Im abschließenden vierten Kapitel steht die direkte Zusammenarbeit zwischen dem ausgebildeten Führhund und dem blinden Menschen im Mittelpunkt. Es soll deutlich werden, welche Möglichkeiten der Hund dem Menschen bietet und wie sie zusammen als sich ergänzendes Team erfolgreich agieren können.

1.  Die Beziehung zwischen Mensch und Hund

 

1.1.  Die Fähigkeit zur Kooperation – Der Hund als soziales Lebewesen

 

Die Beziehung zwischen Menschen und Tieren sowie die Stellung des Tieres in der Gesellschaft sind jeher geprägt von der soziokulturellen Entwicklung des Menschen.

 

Aufgrund der ähnlichen sozialen Organisationsform von Hund und Mensch ist das Zusammenleben beider Arten seit langem bewährt. Das Verhalten von Hunden ist durch die Sozialordnung im Rudel geprägt. In einer Familie oder auch mit nur einem Menschen als Partner ist der Hund prinzipiell eingepasst wie in ein Rudel von Artgenossen. Laut Urd Feddersen-Petersen liegt aber kein echter Zoomorphismus (= Vertierlichung oder, exakter, „Verhundlichung“ des Menschen) vor, Hunde können zwischen Menschen und ihren Artgenossen unterscheiden. Bedingt durch den Prozess der Domestikation (Haustierwerdung) ist der Hund stark an den Menschen gebunden.[1]

 

Eine überaus wichtige Komponente für eine gute Mensch-Hund-Bindung ist das Fachwissen des Menschen über die Kommunikationsweise und das Sozialverhalten des Hundes.[2] Hunde können die menschliche Sprache nicht erlernen, jedoch sind sie aufgrund ihrer angeborenen, guten Beobachtungsgabe in der Lage, die Ausdrucksmittel des Menschen zu interpretieren.[3] Gelingt es dem Partner Mensch die „Sprache“ des Hundes zu „verstehen“ und zu „sprechen“, steht einer Zusammenarbeit nichts mehr im Wege.[4] Die Sicherheit des Hundes dem Menschen gegenüber steigt und gleichermaßen auch seine Neigung zur Zusammenarbeit.[5] Je schlechter sowohl der Mensch als auch der Hund die jeweils andere Sprache „versteht“, desto größer ist die Möglichkeit von „missverstehen“, was durchaus gefährlich werden könnte.

 

Zwischen Mensch und Hund besteht ein wechselseitiges Verhältnis, beide Partner beeinflussen sich gegenseitig. Diese Beeinflussung geschieht von Seiten des Menschen meist im Sinne der Befriedigung seiner Bedürfnisse, er setzt den Hund für seine Zwecke ein.[6]

 

Die Fähigkeit des Hundes sich in eine Gemeinschaft einzuordnen, sein Hang zur Geselligkeit und sein Bindungsvermögen ermöglichen erst die Ausbildung eines Hundes zu einem „Gebrauchshund“.[7]

 

1.2.  Die Wahrnehmungssinne des Hundes (im Vergleich zu denen des Menschen)

 

Für Hunde und Menschen sind generell die gleichen Reize adäquat. Jedoch liegt die Schwelle, die zur Auslösung eines Reizes überschritten werden muss, bei Hunden oft sehr viel niedriger, was bedeutet, dass diese ein größeres Spektrum an Sinneseindrücken wahrnehmen können.[8] Zudem haben Hunde ein ausgesprochen gutes Orientierungsvermögen, das es ihnen ermöglicht, auch aus größeren Entfernungen ein bestimmtes Ziel zu erreichen – so haben Hunde, die bei einem Ortswechsel zurückgelassen wurden, manchmal den neuen Wohnsitz des Besitzers finden können.[9]

 

Die Beurteilung der Ausprägung der Sinne bei Mensch und Hund ist immer relativ, denn alle Messgrößen müssen in Hinblick auf ihren Nutzen gesehen werden.

 

Das Geruchsorgan ist beim Hund weitaus besser ausgeprägt als beim Menschen. Der Hund ist ein erstklassiges „Nasentier“ und der Mensch ein eher mittelmäßiges „Augentier“, was im Vergleich deutlich wird:

 

1. Der Mensch nimmt seine Umwelt hauptsächlich optisch wahr - der Hund geruchlich.

2. Beim Menschen dominiert das Bildgedächtnis - beim Hund das Geruchsgedächtnis.

3. Der Mensch sieht in seiner „Sichtwelt“ wesentlich weniger als der Hund in seiner „Geruchswelt“. [10]

 

Mithilfe des ausgeprägten Geruchssinns ist es dem Hund möglich, sich an Orte und Wege zu erinnern. Dadurch kann er z.B. den Befehl „zurück zum Ausgangspunkt“ - „a casa“[11] ausführen. Dieser Befehl bedeutet, dass der Hund seinen Halter entweder zu dessen Wohnsitz oder zu der Stelle, an der beide ihren Weg begonnen haben, zurückführen soll. Dieses Kommando kann auch eine Art „Notbefehl“ darstellen, wenn seine Anwendung bedeutet, dass der Blinde die Orientierung verloren hat oder es ihm gesundheitlich nicht gut geht.[12]

 

Auch das Richtungshören ist beim Hund besser ausgeprägt. Für den Blindenführhund ist die akustische Lokalisation von Geräuschquellen von großer Bedeutung. Der Hund kann aus ca. 4-mal größerer Entfernung Geräusche hören als der Mensch.[13]

 

Obwohl der Hund ein Nasentier ist, orientiert er sich auch mit den Augen. Die Übereinstimmung des optischen Orientierungsverhaltens bei Mensch und Hund ermöglicht also erst den Einsatz des Hundes als Führhund. Viele Teile der „Menschenwelt“ sind der „Hundewelt“ im Prinzip ähnlich. Diese Übereinstimmung zeigt sich auch in der generellen Strukturierung des Raumes. Der Sehraum, der für den Menschen die überragende Bedeutung hat, ähnelt dem Sehraum des Hundes durchaus, wie laut Riederle[14] Untersuchungen an Führhunden bewiesen.

 

Durch die Blindheit verliert der Mensch den Sehraum, der ihm das Vorausplanen und Ordnen auf weite Sicht ermöglicht und wird auf den Tastraum, eine Entfernung von maximal einem Meter, begrenzt. Aber auch im Tastraum orientiert sich der Mensch, wie auch der Hund, dreidimensional (rechts-links, oben-unten, hinten-vorn). Diese Gliederung beruht auf dem aus drei senkrecht zueinander angeordneten Bogengängen des Gleichgewichtsorgans.[15] Diese dreidimensionale Orientierung ist von großer Bedeutung für die Ausbildung eines Führhundes, denn nur so kann dieser verstehen, welche Objekte für den Menschen Hindernisse darstellen und sie richtig bewerten.

 

Der Hund besitzt zudem ein größeres Blickfeld als der Mensch. Um ein Objekt im Auge zu behalten, welches sich schräg hinter ihm befindet, braucht er den Kopf kaum zu wenden. Auf diese Weise kann auch der Blindenführhund das Geschehen hinter seinem Halter gut beobachten und entsprechend reagieren.