Der deutsche Film. Band 5: 1940-1949 -  - E-Book

Der deutsche Film. Band 5: 1940-1949 E-Book

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Beschreibung

Dieses E-Book ist Teil einer zwölfbändigen Reihe, die die Geschichte des deutschen Films anhand der Sammlungsbestände der Deutschen Kinemathek von den Anfängen im Jahr 1895 bis zur Gegenwart dokumentiert. Jeder Band im ePUB-Format konzentriert sich auf eine Dekade und bietet einen prägnanten Überblick über die filmischen Meisterwerke und Meilensteine dieser Epoche, beleuchtet berühmte und wiederzuentdeckende Filme und würdigt das Kino, sein Publikum und die kreativen Köpfe hinter der Vielfalt des deutschen Films. Das Gesamtwerk, das über 2.700 Objekte aus allen Sammlungsbereichen umfasst und sich über 130 Jahre erstreckt, ist zudem als gedrucktes Buch und als PDF in deutscher und englischer Sprache erhältlich. DIE DEUTSCHE KINEMATHEK zählt zu den führenden Institutionen für die Sammlung, Bewahrung und Präsentation des audiovisuellen Erbes. In ihren Archiven werden dauerhaft Hunderttausende von Objekten erhalten und für die film- und fernsehgeschichtliche Forschung zur Verfügung gestellt. Die Bestände umfassen neben Drehbüchern, Fotos, Plakaten, Kostümen und Entwürfen unter anderem auch filmtechnische Geräte. Die Kinemathek kuratiert Filmreihen und Ausstellungen, sie restauriert und digitalisiert Filme. Ihre vielfältigen Angebote, darunter Installationen, Publikationen, Vermittlungsformate und Konferenzen, laden zur Entdeckung der Welt bewegter Bilder ein.

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Inhalt

Einleitung

Antisemitische Infamie: Veit Harlans Jud Süẞ

Filmplakate der 1940er-Jahre

Liebe an der „Heimatfront“

Die NS-Großproduktion Ohm Krüger

Drei Filmkomponisten: Michael Jary, Peter Iglhoff, Norbert Schultze

„Große Deutsche“ als Filmhelden im NS-Staat

Film-Europa unter dem Hakenkreuz

Späte Filme des „Dritten Reichs“ (I/II): Münchhausen

Insert: Afrodeutsche Mitwirkende im NS-Film

Späte Filme des „Dritten Reichs“ (II/II): Die Feuerzangenbowle

Der Antinazifilm Hangmen Also Die!

Kriegsalltag im Gewand der Revue: Die Frau meiner Träume

Junge Adler – Auf dem Boden der Kriegswirklichkeit

Zeugnisse einer Kinogängerin

Ästhetische Opposition: Der verzauberte Tag und Unter den Brücken360

Internationale Filmschaffende als Opfer des Nationalsozialismus

Letztes filmisches Aufgebot: Das Leben geht weiter

Das Jahr 1945

Schauspielausbildung für den Film

Aufbau Ost: Die Gründung der DEFA

Neuanfang West

Freies Feld – Trümmerfilme in Ost und West

Insert: Gert Fröbe

Marlene Dietrich im Nachkriegsdeutschland

Vergangenheit und Neustart: Die antifaschistische Grundhaltung der DEFA

Film und die Institutionen seiner Verwaltung

Filme über die jüngste Vergangenheit: Lang ist der Weg und Morituri

Die Bedeutung der Filmeditorinnen (I/II)

Filmkritik im Westdeutschland der Nachkriegszeit

Kulturfilmthemen: Atom und Natur

Remigrierte deutsche Filmschaffende

1940–1949

Einleitung

Gegen den „Flimmerzauber“

Mit dem entfesselten Krieg stellte das Propagandaministerium neue Forderungen an die Filmindustrie. In einer regelrechten Kampagne wurde die Kriegswochenschau zum Vorbild erklärt, der „Flimmerzauber“ sollte ein Ende haben. In der Konsequenz stieg der Anteil expliziter Propagandafilme in den ersten Kriegsjahren deutlich. Die zunächst noch improvisierte Kriegswochenschau entwickelte sich bis 1940 zu einer geschlossenen Form. Das darin verwendete Material der Propagandakompanien speiste auch drei abendfüllende Kompilationsfilme: Feldzug in Polen (D 1940, Regie: Fritz Hippler), Feuertaufe (D 1940, Regie: Hans Bertram) und Sieg im Westen (D 1941, Regie: Svend Noldan u. a.). Kriegsfilme inszenierten und heroisierten die Waffengattungen, so etwa U-Boote westwärts (D 1940, Regie: Günther Rittau), Kampfgeschwader Lützow (D 1941, Regie: Hans Bertram) und Stukas (D 1941, Regie: Karl Ritter).

1 Sieg im Westen

D 1941, Regie: Svend Noldan, Fritz Brunsch, Werner Kortwich, Edmund Smith

Außendekoration für die Uraufführung im Ufa-Palast am Zoo, Berlin

Spielfilme erfüllten die Forderung, „publizistische“, also propagandistische Funktionen zu erfüllen, in verschiedener Weise. Goebbels forderte und erhielt antibritische, antipolnische und antisemitische, nach dem Überfall auf die Sowjetunion auch wieder antisowjetische Filme, die nach dem sogenannten Hitler-Stalin-Pakt kurzzeitig aus dem Programm verschwunden waren. Der aufwendig produzierte Ohm Krüger (D 1941, Regie: Hans Steinhoff) beispielsweise verherrlichte den Burenpräsidenten in seinem Kampf gegen die Briten. Gegen Polen richteten sich Feinde (D 1940, Regie: Viktor Tourjansky) und Heimkehr (D 1941, Regie: Gustav Ucicky). Die Welle der antisemitischen Werke begann mit Die Rothschilds (D 1940, Regie: Erich Waschneck) und kulminierte bei den Spielfilmen in Jud Süẞ (D 1940, Regie: Veit Harlan), in vermeintlich dokumentarischer Form in Der ewige Jude (D 1940, Regie: Fritz Hippler). Verbrechen, die realiter seit dem Überfall auf Polen von deutscher Seite begangen wurden, unterstellten diese Filme den Gegnern und Opfern des Vernichtungskrieges.

2 Wunschkonzert

D 1940, Regie: Eduard von Borsody

Plakat: B. Arndt

Die Einheit von Front und Heimat beschworen höchst erfolgreiche Arbeiten wie Wunschkonzert (D 1940, Regie: Eduard von Borsody) und Die groẞe Liebe (D 1942, Regie: Rolf Hansen). Historienfilme stellten „große Männer“ und ihre Kämpfe in den Mittelpunkt als Beispiel für die Gegenwart. Zeitgemäß sollte die Perspektive sein, Titel wie Bismarck (D 1940, Regie: Wolfgang Liebeneiner) oder Der groẞe König (D 1942, Regie: Veit Harlan) lösten dies ein.

3 Die Ruine des Ufa-Palasts am Zoo, Berlin 1947/48

Richtungswechsel

Mit dem Ende der „Blitzkriege“, spätestens mit der Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad am 2. Februar 1943, schien Goebbels eine Veränderung der Produktionsstrategie unvermeidlich. Eindeutig propagandistische Filme wurden seltener. Aber auch Unterhaltungsfilme enthielten unterschwellig einschlägige Botschaften, so Veit Harlans Die goldene Stadt (D 1942) mit seiner Denunziation vermeintlich tschechischer Figuren. Er gehörte zu den größten filmischen Publikumserfolgen im Nationalsozialismus. Zu diesen zählten auch Revue- und Operettenfilme wie Der weiẞe Traum (D 1943, Regie: Géza von Cziffra), Wiener Blut (D 1942, Regie: Willi Forst) oder Die Frau meiner Träume (D 1944, Regie: Georg Jacoby). Als Komödie war Die Feuerzangenbowle (D 1944, Regie: Helmut Weiss) besonders populär, unter den Melodramen beispielsweise Damals (D 1943, Regie: Rolf Hansen) sowie der Jubiläumsfilm der Ufa, der mit vielen Stars, beeindruckenden Trickaufnahmen und Agfacolor aufwartende Münchhausen (D 1943, Regie: Josef von Baky).

4 Die Mörder sind unter uns

D (Ost) 1946, Regie: Wolfgang Staudte

Während der Dreharbeiten: Wolfgang Staudte (Mitte, mit erhobenem Arm) und gegenüber die Hauptdarstellerin Hildegard Knef

Werkfoto

Produktionsrückgang, Besucherrekorde

Am 10. Januar 1942 wurde die Ufa-Film GmbH (Ufi) gegründet. Diese Holding vereinte nun alle großen Produktionsgesellschaften und Verleihfirmen. Mit der Zentralisierung sollte eine Abstimmung sowie eine allgemeine Kontrolle der Produktion erreicht werden.

5 Morituri

D (West) 1948, Regie: Eugen York

Plakat: Zwierzchowski/Stengel

Ziel war es ferner, Kosten einzudämmen und eine genügende Anzahl von Filmen fertigzustellen. Das aber misslang; die Produktionskosten blieben hoch, und 1943 wurden nur 78, 1944 dann bloß noch 64 Spielfilme hergestellt. 1939 waren dagegen noch über 100 deutsche Filme in die Kinos gekommen, diese Zahl wurde in keinem Kriegsjahr auch nur annähernd erreicht. Wegen des Krieges fehlten zudem im Angebot ausländische Titel weitgehend.

6 Die Handkamera Arriflex II, gebaut ab 1941 Seriennummer: 1381

Nachfolgemodell der seit 1937 gebauten ersten Spiegelreflex-Filmkamera

Filmformat: 35 mm

Hersteller: Arnold & Richter, München

Die Zahl der Kinobesuche aber stieg ungeachtet all dessen an. Waren 1934/35 noch 250 Millionen Eintrittskarten verkauft worden, stieg die Zahl der Besuche 1942/43 und 1943/44 auf über eine Milliarde. Das war nur zum Teil der durch den Eroberungskrieg erweiterten Abspielbasis geschuldet; auch im Gebiet Deutschlands in den Grenzen von 1937 wurden noch immer jeweils über 800 Millionen Besuche gezählt.

7 Irgendwo in Berlin

D (Ost) 1946, Regie: Gerhard Lamprecht

Während einer Drehpause: Gerhard Lamprecht (l.) mit den jugendlichen Darstellern, neben ihm Charles Knetschke

Werkfoto

Gerhard-Lamprecht-Archiv

Das Phänomen höherer Publikumszahlen bei weniger angebotenen Filmen hat mehrere Gründe. Im Vergleich zu den Anfangsjahren der Diktatur konnten sich breitere Schichten einen Kinobesuch leisten. Bei den in den Kriegsjahren reduzierten Konsumangeboten verblieben gegenüber Filmen tendenziell weniger Alternativen. Zugleich stieg die Zahl der durchschnittlichen Besuche an – es gingen mehr Menschen ins Kino, und sie taten dies häufiger als zuvor.

Die deutsche Filmindustrie erreichte Dominanz in den eroberten Gebieten – nach Goebbels’ Worten weniger aufgrund eigener Stärke als dank des Vormarsches der Wehrmacht. Die Prager Barrandov-Studios, die zu den modernsten ihrer Art gehörten, wurden für deutsche Produktionen genutzt, und in Paris etablierte sich die von Alfred Greven geleitete, formal französische, aber von Deutschland kontrollierte Firma Continental Films.

Letzte Aufgebote

Im letzten Kriegsjahr kamen Filme, die als pessimistisch galten, nicht mehr zur Aufführung. Helmut Käutners Groẞe Freiheit Nr. 7 (D 1944) durfte nur im Ausland gezeigt werden, Via Mala von Josef von Baky, 1944 abgedreht, wurde im März 1945 verboten und erst 1946 in Zürich uraufgeführt. Der poetisch-leichte, sich wie aus seiner Entstehungszeit hinwegstehlende Unter den Brücken, ebenfalls von Käutner, passierte zwar im März 1945 noch die Zensur, kam aber nicht mehr zur Aufführung und erlebte seine Premiere bei den Filmfestspielen in Locarno 1946. Eine besondere „Filmproduktion“ schilderte später Erich Kästner: Ein Team agierte im Tiroler Mayrhofen unter der Leitung Harald Brauns für ein Werk mit dem Titel Das gestohlene Gesicht im Als-Ob-Modus. Filmmaterial gab es nicht mehr, es ging darum, dem Krieg fern zu bleiben: eine Überlebensstrategie. Dagegen konnte Veit Harlans Durchhaltestreifen Kolberg, hergestellt ohne Rücksicht auf Kosten und Ressourcen, am 30. Januar 1945 seine Premiere feiern: in der „Atlantikfestung“ La Rochelle, wo deutsche U-Boote ihre Basis hatten, und im Berliner Tauentzienpalast sowie im U.T. Alexanderplatz. Der prächtige Ufa-Palast am Zoo stand nicht mehr zur Verfügung, er war bereits, wie viele andere Kinos, von Bomben getroffen und zerstört worden. Einen gewissen Ersatz boten noch intakte Theater – deren Spielbetrieb war 1. September 1944 eingestellt worden.

Kontinuitäten und Neuanfänge

Die bedingungslose Kapitulation brachte den Sieg der Alliierten, die sich nur anfangs auf eine gemeinsame Politik zu einigen vermochten. Die Systemkonkurrenz und der beginnende Kalte Krieg teilten auch Deutschland in Ost und West. Dass mit der Kapitulation auch für die Deutschen die Befreiung von der nationalsozialistischen Diktatur erreicht worden sei, diese Sichtweise nahmen sie erst spät und zögerlich an. Die Filmproduktion war vollständig eingestellt worden, eine Wiederaufnahme nur mit Lizenz einer der Besatzungsmächte möglich. Die verbliebenen Kinos dagegen nahmen recht bald wieder den Spielbetrieb auf. Angeboten wurden Filme aus der jeweils eigenen Produktion der Sektorenmächte, ergänzt um Wiederaufführungen älterer deutscher Beiträge. Verboten blieben Filme mit nationalistischen, militaristischen oder offen nationalsozialistischen Aussagen, wobei diese Kategorisierung sowohl in der jeweiligen Zone wie auch im Verlauf der Zeit Änderungen unterlag. Eine frühe Liste aus der britischen Zone führte 312 solcher Titel von insgesamt rund 1000 während des Nationalsozialismus hergestellten Spielfilmen auf.

In den ersten Nachkriegsjahren nahmen verschiedene Firmen mit Lizenzen der jeweiligen alliierten Macht die Produktion auf. Den Auftakt markierte die Gründung der DEFA am 17. Mai 1946 in der sowjetischen Zone mit dem Produktionsstandort Babelsberg. Sie blieb bis zum Ende der DDR die zentrale Produktionsfirma dort. Ihr erster Film wurde Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns, uraufgeführt am 15. Oktober 1946. Nur drei Tage später startete Gerhard Lamprechts Irgendwo in Berlin, ein ebenfalls von der DEFA produzierter Trümmerfilm.

In den westlichen Besatzungszonen fehlte ein Babelsberg vergleichbarer Studiokomplex. Hier entstanden Produktionsstätten an verschiedenen regionalen Standorten. Artur Brauner gründete die CCC-Film am 16. September 1946 und baute seine Studios in Spandau auf. Mit dem Film Morituri (D/West 1948, Regie: Eugen York) verband Brauner ein persönliches Anliegen, erstmals behandelte ein deutscher Spielfilm das Grauen eines KZs. In Göttingen nahm die Filmaufbau GmbH von Hans Abich, Rolf Thiele und Friedrich Böhmecke am 12. Oktober 1946 die Arbeit auf. Im kleinen Bendestorf bei Hamburg begann Rolf Meyers Junge Film-Union die Tätigkeit (1. April 1947), in Hamburg die Real-Film GmbH von Gyula Trebitsch und Walter Koppel (10. Januar 1947), in Unterföhring nahe München (13. August 1947) die neue deutsche Filmgesellschaft (ndF) von Harald Braun, Jacob Geis und Wolf Schwarz. Insgesamt aber entstanden bis Ende 1949 nur gut 120 Filme, davon 26 bei der DEFA. Der Anteil reiner Unterhaltung überwog dabei deutlich die zeitkritischen Arbeiten oder die Versuche, sich der Vergangenheit zu stellen.

Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes für die Bundesrepublik (24. Mai 1949), den Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag am 24. August und der Gründung der DDR am 7. Oktober dieses Jahres wurde die deutsche Teilung staatliche Realität. Die Entwicklung des Films in beiden deutschen Staaten schlug, trotz mancher Möglichkeiten zum Austausch, damit verschiedene, oft genug diametrale Wege ein. Die Filmschaffenden beider Seiten begegneten sich auf ihnen selten. rr

Antisemitische Infamie: Veit Harlans Jud Süẞ

Noch vor Kriegsbeginn mit dem Überfall auf Polen entstand der Plan zu einem explizit antisemitischen Spielfilm. Das erste Drehbuch stammte von Ludwig Metzger, für die Regie war der damalige Produktionschef der Terra Film, Peter Paul Brauer, vorgesehen. Goebbels billigte diese Fassung nicht, nach anfänglicher Zustimmung auch nicht die Version des im Propagandaministerium als Theaterreferent beschäftigten NS-Autors Eberhard Wolfgang Möller. Erst als Veit Harlan Ende 1939 das Projekt übernahm, zeigte sich der Minister vollauf zufrieden. Harlan habe das Drehbuch nun „großartig umgearbeitet“, notierte er am 5. Dezember 1939 in seinem Tagebuch.

1 Jud Süẞ

D 1940, Regie: Veit Harlan

Während der Dreharbeiten: Veit Harlan (l. vorne), der Kameramann Bruno Mondi (l., hinter der Kamera), der Kameramann Erich Grohmann (Mitte), der Darsteller Theodor Loos (2. v. r.) und die Darstellerin Kristina Söderbaum (r.)

Werkfoto

Der Regisseur veränderte die Konzeption Möllers, indem er die Rolle des Süß Oppenheimer facettenreicher und etwas weniger holzschnittartig anlegte. Zugleich zeichnete er ihn als skrupellosen Machtmenschen, Vergewaltiger und Mörder. Harlan zielte nicht auf eine Überarbeitung (und antisemitische Verschärfung) der gleichnamigen Novelle Wilhelm Hauffs, sondern entfernte sich von dieser Vorlage grundlegend. Seine Version aktiviert antisemitische Ressentiments en masse: Oppenheimer plündert die schwäbische Bevölkerung systematisch aus, seine Politik erzwingt die Aufhebung des „Judenbanns“ für Stuttgart. Der Einzug in die Stadt wird im Film wie eine feindliche Invasion inszeniert. Oppenheimer stachelt den Herzog angesichts wachsender Unzufriedenheit mit dem von ihm verantworteten Regime zur Waffengewalt gegen die eigenen Untertanen auf und vergewaltigt eine junge Frau, die daraufhin Selbstmord begeht. Sie wird von Harlans Gattin Kristina Söderbaum gespielt – diese Rolle war in der früheren Drehbuchfassung eher unbedeutend gewesen. Der Regisseur griff zu erprobten Mustern und Klischees, setzte auf bekannte Schauspieler wie Heinrich George und Ferdinand Marian sowie eine emotionalisierende Story.

2 Jud Süẞ

D 1940, Regie: Veit Harlan

Während der Dreharbeiten: Werner Krauß (l.) und Ferdinand Marian (Mitte)

Werkfoto

Das perfide Kalkül ging auf. Mehr als 20 Millionen Zuschauer:innen sahen den Hetzfilm, der damit zu einem der größten Publikumserfolge des NS-Kinos wurde. Bei Aufführungen kam es nach Berichten des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS wiederholt „zu offenen Demonstrationen gegen das Judentum“. Heinrich Himmler erkannte das Potenzial dieses Spielfilms, der mörderischen Antisemitismus als Kinounterhaltung anbot, und ordnete an, der Film sei allen Mitgliedern der SS und auch Wachmannschaften der Konzentrationslager vorzuführen.

3 Jud Süẞ, D 1940, Regie: Veit Harlan

Aktuarius Faber (Malte Jaeger, Mitte) mit seiner Verlobten Dorothea (Kristina Söderbaum) auf dem Arm, Szenenfoto

Veit Harlan behauptete nach dem Krieg, gegen seinen erklärten Widerstand zur Mitarbeit gezwungen worden zu sein. Die Tagebücher von Goebbels und weitere Akten zeugen jedoch von seiner engagierten Arbeit am Film. Dass Ferdinand Marian sich zunächst gegen die Übernahme der Rolle des Jud Süß Oppenheimer sträubte – wie andere Kollegen vor ihm –, ist dagegen in Goebbels’ Tagebuch dokumentiert.

Harlan wurde nach Kriegsende vor Gericht gestellt. Der Vorwurf lautete, der Film sei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu werten, weil er offenkundig zum Rassenhass aufrufe. In zwei Verfahren wurde der Regisseur jedoch freigesprochen und setzte seine Karriere in der Bundesrepublik Deutschland fort. Jahrzehnte später griffen Horst Königstein (Jud Süẞ – Ein Film als Verbrechen?, D 2001) und Oskar Roehler (Jud Süẞ – Film ohne Gewissen, D 2010) den Fall Harlan filmisch wieder auf. rr

Filmplakate der 1940er-Jahre

1 Ein Mann auf Abwegen

D 1940, Regie: Herbert Selpin

Hans Albers als John Percival Patterson, Plakat: Siegfried Trieb

2 Quax, der Bruchpilot

D 1941, Regie: Kurt Hoffmann

Heinz Rühmann als Otto „Quax“ Groschenbügel

3 Lache Bajazzo

D 1943, Regie: Leopold Hainisch

Paul Hörbiger als Canio, Plakat: Georg Tscherepoff

4 Peter Voss, der Millionendieb