Der dritte Tod - Dantse Dantse - E-Book

Der dritte Tod E-Book

Dantse Dantse

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Beschreibung

Der dritte Tod-Das Tagebuch eines hilflosen Mörders. Johnny Walker, ein erfolgreicher Rechtsanwalt aus guter Familie, heiratet seine Traumfrau – um dann von ihr betrogen zu werden. Er beruft sich auf die Tipps eines weisen Kameruners und lässt all seine Sorgen los, genießt das Leben und kümmert sich wenig um die Reaktionen seiner Mitmenschen. Doch dann kommen die Zweifel wieder und er fällt in alte Muster zurück. Sein Leben kippt, er hat nur noch seinen Freund Bell. Mit ihm beginnt ein neuer Lebensabschnitt: Johnny lernt die Clubszene kennen und damit auch seine Leidenschaft für schöne Frauen. Doch eine Nacht verändert alles, und Johnny begibt sich auf die Suche nach der Frau mit dem Teufel im Blut, die er vor wenigen Tagen in dem Club kennengelernt hat. Er weiß noch nicht, dass diese Suche sein Leben auf den Kopf stellen wird… Johnnys Vater kann es nicht begreifen. Sein Sohn, das Einzige, was ihm aus seiner Familie bleibt, ist tot. Aufgehängt in seiner Gefängniszelle gefunden. An seinen Händen klebt Blut, doch wie unschuldig war dieses wirklich? Aus seinem Tagebuch lesend, geht Mr. Walker den letzten Wochen auf den Grund, doch kommt er hinter das Geheimnis um die unerklärbaren Morde seines Sohnes?

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Dieses Buch ist ein Krimi im wahrsten Sinne des Wortes. Zwei Tote, ein Verdächtiger, kriminelle Verbände und ein rätselhaftes Motiv.

 

 

 

KriDar – Krimis aus Darmstadt

Besuche uns im Internet:

www.indayi.de

Roßdörfer Str. 26, 64287 Darmstadt

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

1. Auflage erschien unter dem Titel „Blackout“, 2. Auflage erschien unter dem Titel „Blutiger Tanz“

3. Auflage erschien unter dem Titel „Strudel der Verzweiflung“.

 

Auflage März 2021

 

© 2017 indayi edition, Darmstadt

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

 

Umschlaggestaltung, Satz, Lektorat: Jana Koschewoj

 

Dantse Dantse

 

Der dritte Tod

 

Tagebuch eines hilflosen Mörders

 

Die Suche nach der Frau mit dem Teufel im Blut

 

(„Im Strudel der Verzweiflung“ vierte überarbeitete Auflage)

 

Impressum

Roßdörfer Str. 26

64287 Darmstadt

 

Über den Autor

Dantse Dantse ist gebürtiger Kameruner, hat in Deutschland studiert und lebt seit über 25 Jahren in Darmstadt. Er ist Vater von fünf Kindern, eine Art Mensch, die man üblicherweise Lebenskünstler nennt. Unkonventionell, frei in seiner Person und in seiner Denkweise, unabhängig von Etabliertem, das er aber voll respektiert.

Als Kind lebte er mit insgesamt 25 Kindern zusammen. Sein Vater hatte drei amtlich verheiratete Frauen gleichzeitig, alle lebten in einer Anlage zusammen. Da bekommen Werte, wie Geben, Teilen, Gefühle, Liebe, Eifersucht, Geduld, Verständnis zeigen uvm. andere Akzente, als in einer sogenannten „normalen“ Familie. Diese Kindheitserlebnisse, seine afrikanischen Wurzeln, der europäische Kultureinfluss auf ihn und seine jahrelangen Coachingerfahrungen lassen ihn manches anders sehen, anders handeln und anders sein, das hat etwas Erfrischendes.

Als erster Afrikaner, der einen in Deutschland einen Buchverlag, indayi edition, gegründet hat und als unkonventioneller Autor schreibt und veröffentlicht er gerne Bücher die seine interkulturellen Erfahrungen widerspiegeln, Bücher über Werte und über Themen, die die Gesellschaft nicht gerne anspricht und am liebsten unter den Teppich kehrt, die aber Millionen von Menschen betreffen, wie zum Beispiel Homosexualität in Afrika, weibliche Beschneidung, Sexualität, Organhandel, Rassismus, psychische Störungen, sexueller Missbrauch usw. Er schreibt und publiziert Bücher, die das Ziel haben, etwas zu erklären, zu verändern und zu verbessern – seien es seine Ratgeber, Sachbücher, Romane, Kinderbücher oder politischen Blog-Kommentare.

Inspiriert von seinen Erkenntnissen und Kenntnissen aus Afrika, die er in vielen Lehren gelernt hat, von seinen eigenen extremen Erfahrungen und Experimenten – wie z.B. der übertriebene Aufnahme von Zucker, um die Wirkung auf die Psyche zu untersuchen – von wissenschaftlichen Studien und Forschungen und von Erfahrungen aus anderen Teilen der Welt hilft er durch sein Coaching sehr erfolgreich Frauen, Männern und Kindern in den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Karriere, Stress, Burnout, Spiritualität, Körper, Familie und Liebe. Mit Dantse Dantse meistert man sein Leben!

Sein unverwechselbarer Schreibstil, geprägt von seiner afrikanischen und französischen Muttersprache, ist sein Erkennungsmerkmal und wurde im Text erhalten und nur behutsam lektoriert.

 

 

 

 

Diese Geschichte beruht zu einem kleinen Teil auf wahren Begebenheiten. Sie ist aber in eine fiktive Rahmenhandlung eingebettet.

Die Erzählungen über die Beziehungen des Hauptakteurs, den One-Night-Stand und die Infektion sowie die Suche nach der Frau sind wahr. Im wahren Leben wurde sie aber nie gefunden. Das Blackout fand nicht statt. Wo ist der Mann heute? Lebt er noch? Es ist besser, es dabei zu belassen.

 

 

 

15 Wochen nach der Tat

Darmstadt Kurier

Mord in einer Disco in Sonderborg, Dänemark.

Hintergründe und Motiv des Mordes geklärt. Warum Johnny M. Walker die dänische Frau, die Frau „mit dem Teufel im Blut“, tötete: Es fing alles in einer Disco mit schöner Liebe an und endete in einer Disco mit blutiger Liebe. Das tragische Schicksal von J.M. Walker.

Darmstadt – Knapp 15 Wochen nach dem Mord in einer Disco in Sonderborg und dem anschließenden Selbstmord des Täters sind nun die Hintergründe und das Tatmotiv völlig aufgeklärt. Lange wurde gerätselt…

Redaktion Darmstadt Kurier, Paul. A.

Vor 15 Wochen

Darmstadt Kurier

Mord in einer Disco in Sonderborg in Dänemark. Deutscher aus Darmstadt als dringend tatverdächtig festgenommen

Darmstadt – Mit einer zerschlagenen Bierflasche wurde gestern Abend eine Frau in einer Disco in Sonderborg, einer dänischen Stadt nicht weit von der Grenze zu Deutschland, ermordet. Eine zweite männliche Person wurde schwer verletzt und in ein Krankenhaus transportiert. Der Mann liegt derzeit im Koma. Der Täter soll ein deutscher Mann aus Darmstadt sein, der sich erst seit zwei Tagen in der Stadt aufhielt. Er ließ sich noch vor Ort unbekleidet und mit Händen voller Blut ohne Widerstand festnehmen. Er sähe benommen aus, wie in einer anderen Welt, berichtete die Polizei. Weitere Details sowie die Identitäten des Täters und des Opfers wurden noch nicht bekannt gegeben.

Anne Schmidt

Vor 14 Wochen

Darmstadt Kurier

Discomörder könnte Opfer gekannt haben - Tatmotiv weiter unklar

Darmstadt – Eine Woche nach dem Mord an der 26-jährigen Freja Nielsen in Sonderborg sind am Donnerstag weitere Details zu dem möglichen Tatablauf bekannt gegeben worden. So haben die Ermittler inzwischen Indizien dafür, dass das zweite, schwer verletzte Opfer nicht im Visier des Mörders stand. War er nur auf dem Weg zur Toilette gewesen und dabei zufällig dazu gekommen, als der 32-jährige Darmstädter Johnny W. die Frau mit einer zerschlagenen Bierflasche tötete? Dazu hat die Polizei noch keine Erkenntnisse gewinnen können.

Es gibt unterschiedliche Berichte darüber, warum die beiden, die vorher noch Sex gehabt hatten, in Streit gerieten und dieser eskalierte. Nach derzeitigem Ermittlungsstand soll Johnny W. die junge Frau in der Disco angesprochen haben. Berichte, nach denen sich der Täter und Freja Nielsen bereits gekannt, oder sich schon früher getroffen hatten und es auch damals schon zum Sex gekommen sei, wollte die Polizei nicht bestätigen und nannte diese Berichte Gerüchte und Spekulationen.

Aber im Umfeld des Opfers wird berichtet, dass Freja Nielsen, bevor sie mit dem Täter Richtung Toilette verschwand, zu einer Freundin wortwörtlich gesagt hätte: „Mein Liebhaber aus Darmstadt ist da.“

Die Ermittler glauben, dass Johnny M. nach Sonderborg kam, um Freja zu treffen. Unklar bleibt aber, warum er dies tat. Johnny W. ist Rechtsanwalt, verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Anne Schmidt

Vor 11 Wochen

Darmstadt Kurier:

Bluttat von Sonderborg: zweites Opfer erliegt seinen schweren Verletzungen

Darmstadt – Vier Wochen nach der Bluttat ist der letzte und einzige Zeuge des Discomords von Sonderborg E. M. in Dänemark seinen Verletzungen erlegen. Der schwer verletzte 41-jährige alleinerziehende Vater starb im Krankenhaus, meldete eine dänische Zeitung am Montag unter Berufung auf einen Polizeisprecher. Der Mann war bei dem Mord einer dänischen Frau durch einen Mann aus Darmstadt vor 4 Wochen in einer Disco schwer verletzt worden und lag seitdem in einem örtlichen Krankenhaus im Koma. Er hinterlässt 3 Kinder im Alter von 3 bis 8 Jahren, deren Mutter schon vor 3 Jahren bei der Geburt des dritten Kinds gestorben ist. Warum der alleinerziehende Vater sich zu der Tatzeit am Tatort befand, bleibt unbeantwortet. Unterdessen untersucht die Polizei weiterhin die Motive für die Gewalttat. Diese bleiben auch weiter unklar, weil sich der Täter zu der Tat nicht äußern will.

Anne Schmidt

 

Vor 10 Wochen

Darmstadt Kurier

Selbstmord: Johnny M. W., der Discomörder von Sonderborg, ist tot

Darmstadt – Nur eine Woche nach dem Tod des zweiten Opfers des Discomords von Sonderborg, Emil M., ist nun auch der Täter tot. Er nahm sich das Leben. Wie die Polizei gestern Abend mitteilte, wurde Johnny M. W. in seiner Zelle mit zerschnittenen Pulsadern tot aufgefunden. In einem Abschiedsbrief, den der Tote bei sich trug, fanden sich keine Hinweise auf Motive und Erklärungen zu dem Mord in der Disco. Johnny M. Walker schrieb lediglich, der Tod von E. M. habe ihn dazu motiviert, sich selbst umzubringen. E. M. hätte mit der Sache nicht zu tun gehabt und sei ein unschuldiges Opfer gewesen, das sich zur falschen Zeit am falschen Ort befunden habe. Dass er der Vater von 3 Kindern gewesen sei, die er allein erzog, täte ihm sehr leid. Er habe es nicht gewollt. Es sei keine Absicht gewesen. Damit sind alle an der Tat Beteiligten tot und haben ihr Geheimnis mit ins Grab genommen. Wir werden vielleicht niemals wissen, was wirklich geschehen ist. Was ist passiert? Warum fuhr ein verheirateter Familienvater einer namhaften bürgerlichen Familie, erfolgreicher Rechtsanwalt von Beruf, nach Sonderborg, um auf der Toilette einer Disco mit einer fremden Frau zu schlafen und sie kurz danach brutal zu ermorden? Anne Schmidt.

Vor 2 Wochen:13 Wochen nach der Tat, 7 Wochen nach dem Tod des Täters

„Hallo, Darmstadt Kurier, Anne Schmidt am Telefon. Was kann ich für Sie tun?“

„Frau Schmidt, hier Herr Walker. Sie haben mir vor 7 Wochen einen Brief geschrieben und wollten über meinen Sohn reden? Es geht um den Discomord von Sonderborg“, sagte Herr Walker mit einer müden, aber sicheren Stimme.

„Ah, Sie sind Herr Walker, ich kann mich gut erinnern. Sehr schön. Das ist gut, dass Sie angerufen haben. Wie geht es Ihnen inzwischen? Es tut mir sehr leid für Ihren Sohn“, antworte Frau Schmidt.

Frau Schmidt war Redakteurin bei einem großen Medienunternehmen, das den Darmstadt Kurier, eine Tageszeitung, herausgab. Sie hatte vor einigen Wochen einen Brief an Herrn Walker geschrieben und ihn wegen der traurigen Geschichte um seinen Sohn Johnny M. Walker um ein Interview gebeten, , der in Sonderborg in Dänemark im Gefängnis gesessen und sich das Leben genommen hatte. Er war inhaftiert worden, weil er in der Toilette einer Diskothek in Sonderborg eine Frau, mit der er angeblich gerade Sex gehabt hatte, auf brutalste Art mit einer Bierflasche umbrachte. Einen Mann, der ihr zur Hilfe geeilt war, verletzte er so schwer, dass dieser wenige Tage später seinen Verletzungen erlag. Der Tod dieses alleinerziehenden Vaters traf Johnny Walker so hart, dass er entschieden hatte, sich das Leben zu nehmen. Aber bis zu seinem Selbstmord hatte Johnny Walker kein Wort über seine Motive gesagt.

Anne Schmidt war von der Geschichte berührt und wollte mehr Einzelheiten erfahren, um im Darmstadt Kurier darüber zu schreiben.

Sie hatte sich deswegen an die Familie von Johnny M. Walker gewendet, um mehr über ihn zu erfahren. Seine Frau Carla Walker, mit der er zwei Kinder hatte, hatte sich vollständig zurückgezogen und war nicht auffindbar.

Sie hatte dann wenigstens einen Brief an seinen Vater Mike Walker geschrieben und in den Briefkasten geworfen. Das war schon so lange her, dass sie nicht mehr damit gerechnet hatte, dass er sich melden würde. Umso glücklicher war sie, als sie erfuhr, wer am Telefon war. Sie hatte die ominöse Geschichte nie vergessen und hatte die ganze Zeit immer und immer wieder daran gedacht. Warum hatte Johnny Walker diese unbekannte Frau getötet? Warum hatte er sich das Leben genommen? Niemand wusste es, auch die Polizei in Sonderborg hatte die Sache schon fast ad acta gelegt. Sie konnte keine Motive finden, und eine Verbindung zwischen Täter und Opfer konnte man nicht erkennen.

Die Ermittlungen hatten lediglich ergeben, dass Johnny M. Walker einen Tag vor dem Mord nach Sonderborg gekommen war und aktiv gezielt nach der Frau gesucht hatte. Er hatte sich ein Phantombild anfertigen lassen und in Cafés, Restaurants und Geschäften nach der Frau gefragt. Das war alles, was die Polizei klarstellen konnte. Es gab null Hinweise dazu, warum er die Frau gesucht hatte.

„Es tut mir leid, dass ich Sie nicht schon früher angerufen habe. Aber ich konnte damals einfach nicht viel dazu sagen. Ich wusste genauso wenig wie Sie und ich war …“, fing Herr Walker an.

Frau Schmidt unterbrach ihn.

„Herr Walker, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich habe vielleicht nicht besonders sensibel gehandelt. Ich hätte Ihnen diesen Brief nicht zu dieser Zeit schreiben sollen. Aber ich wollte unbedingt wissen, was los war und die Sache richtigstellen. Haben Sie sich wieder ein bisschen erholt?“, fragte sie.

„Danke der Nachfrage, Frau Schmidt. Ich habe etwas, was sie interessieren könnte. Jemand hat mir gestern einen Brief mitgebracht. Er war ein Mithäftling meines Sohnes. In dem Briefumschlag ist etwas, was Sie interessieren könnte.“

„Was ist das, Herr Walker? Ein Brief Ihres Sohnes?“, fragte die Journalistin.

„Es sieht aus wie ein Tagebuch. Ja, das ist es. Ein Tagebuch, das alles erklären und aufklären könnte“, antwortete Herr Walker ganz entspannt.

Anne tanzte vor Freude auf der Stelle.

„Steht in dem Tagebuch mehr über den Mord und das Motiv? Das Motiv, warum er diese Frau ermordet hat?“, fragte sie.

„Kommen Sie, wenn Sie wollen. Ich glaube es steht alles drin, was Sie wissen wollten. Ich hatte noch nicht den Mut, mehr als eine Seite zu lesen“, sagte Herr Walker.

„Ich bin unterwegs, Herr Walker. Warten Sie auf mich. Ich bin gleich bei Ihnen“, antwortete Anne und legte auf.

Sie rief schnell ihren Kollegen.

„Jörg, ich muss dringend weg. Erzähl dem Chefredakteur irgendwelchen Blödsinn. Ich weiß nicht, wie lange es bei mir dauern wird. Mein Handy ist aus. Du weißt, was das heißt. NICHT ERREICHBAR.“

„Tss, geh doch, sofort, verschwinde, bevor ich dich denunziere. Aber komm mit einer top Geschichte zurück. Wir brauchen unbedingt noch eine top Geschichte diese Woche“, sagte der Bürochef.

„Na klar, Chef. Du kennst mich doch. Ich bin deine Jobgarantie“, lachte sie und machte sich auf den Weg.

Nach 20 Minuten erreichte sie das schicke Villenviertel von Darmstadt, das Steinbergviertel mit seinen riesigen, stilvollen Häusern und prächtigen, großen Gärten.

In einer ruhigen Nebenstraße befand sich die Villa von Herrn Walker. Anne parkte direkt vor dem Haus und stieg aus. Es war ein schönes, nicht ganz so großes Haus, aber sehr stilvoll gebaut. Etwas älter, aber modernisiert. An den Details konnte man sehen, wie viel Geld da hineingeflossen war.

Sie wollte klingeln, als sie eine Stimme hinter sich hörte.

„Sind Sie Frau Schmidt? Ich bin Herr Walker, hallo“, sagte der Mann.

„Hallo Herr Walker, Sie haben mich erschreckt! Ich bin Frau Schmidt vom Darmstadt Kurier“, sagte sie freundlich.

„Es tut mir leid, ich habe den Müll rausgebracht und danach ein bisschen mit dem Nachbarn geplaudert. Ich habe Sie auch nicht so früh erwartet. Sind Sie hierher geflogen?“, sagte Herr Walker und streckte die Hand aus. Dabei schaute er ihr direkt in die Augen ohne mit der Wimper zu zucken.

Sie lächelte ihn an und drehte sehr schnell den Kopf weg. Sie ertrug seinen klaren Blick nicht.

Sie war sehr überrascht. Sie hatte einen alten, gebrochenen, dicklichen reichen Mann erwartet, aber vor ihr stand ein reicher, sehr gut aussehender Mittfünfziger, ein sportlicher Mann. Ein echt schöner Mann, dachte sie.

„Es ist schön hier, Herr Walker. Überall grün, wie auf dem Land und trotzdem ist man mitten in der Stadt“, versuchte sie ihre Gedanken abzuschütteln.

„Ja, es ist wirklich traumhaft hier. Ich wohne hier seit 10 Jahren und ich kann Ihnen sagen, dass es nicht einfach war. Das ist das Ergebnis von 20 harten Jahren Arbeit“, sagte er stolz und bat sie, mit herein zu kommen.

„Das kann ich mir vorstellen. Die Details gefallen mir sehr gut. Wow, was für ein Garten!“, staunte Anne Schmidt, als sie hereinkam.

„Gefällt es Ihnen? Meine Frau hat das so hinterlassen. Die Form und die Architektur hat sie selbst entworfen. Sie war Architektin, wissen Sie? Ich habe einen Gärtner, der sich darum kümmert, aber ich möchte langsam alles anders gestalten. Der Mut dazu fehlt mir noch“, sagte Herr Walker.

„Lebt Ihre Frau nicht mehr mit Ihnen?“, fragte Anne Schmidt.

„Oh, nein“, lächelte Herr Walker ein bisschen bedrückt. „Nein, sie ist schon vor 12 Jahren gestorben. Einige Wochen, nachdem wir das Haus gekauft haben. Johnny Walker war gerade 20 geworden, nein, es war kurz vor seinem zwanzigsten Geburtstag“, antwortete er.

„Das tut mir leid. Das habe ich nicht gewusst“, entschuldigte sich Anne Schmidt schon fast.

„Das nächste Mal müssen Sie besser recherchieren, Frau Schmidt“, sagte er scherzend und lud Anne Schmidt weiter ins Haus ein. „Kommen Sie mit!“

Das Wohnzimmer war sehr luxuriös, wobei aber der Luxus nicht im Vordergrund stand, sondern die Kunst. Es war voller Bilder und Skulpturen aus der ganzen Welt.

Man konnte erkennen, dass Herr Walker sehr viel gereist war und schon viele verschiedene Orte dieser Welt gesehen hatte.

Faszinierend fand sie die Nacktskulpturen aus Afrika, die die Klischees vom dicken Schwanz oder den festen, spitzen Brüsten der Frauen voll bestätigten, sowie die alten handgefertigten Porzellane aus China.

„Wir sind hier in einem Museum“, sagte Anne Schmidt fasziniert.

„Schauen Sie sich mal um“, sagte Herr Walker stolz. „Sehen Sie, hier, ja hier, das war in Chile, das hier ist aus Argentinien. Diesen kleinen Korb habe ich von einem Indianer in Venezuela bekommen. Ja, das ist China. Diese Vasen wollte ich eigentlich nicht. Aber sie haben meiner Frau gefallen. Sie sind sehr alt, mindestens 1000 Jahre. Meine Frau war von der chinesischen Architektur sehr begeistert. Wir waren sehr oft in Asien. Ich mag China sehr, hmm, das leckere Essen. Sehr nette Menschen im Allgemeinen, aber im Geschäft sehr harte Kontrahenten. Dort war ich in Rumänien und habe von einem Minister das Bild bekommen, ein Geschenk, weil er mich nicht bezahlen konnte. Das Bild ist sehr wertvoll. Ich sage Ihnen lieber nicht, von wem das stammt. Kommen Sie her, kommen Sie, sehen Sie hier? Wissen Sie, wo das ist?“, fragte er, als ob die Antwort nicht offensichtlich wäre.

„Das ist Afrika, oder?“, fragte Anne Schmidt freundlich, um seine Begeisterung nicht zu stoppen.

„Richtig, waren Sie schon mal in Afrika? Ich meine nicht in Ägypten, oder Tunesien, oder in diesen Urlaubscamps in Kenia, Südafrika oder dem Senegal. Ich meine das richtige Afrika, das die Kameras nicht erreichen können. Wo es kaum Touristen gibt. Ja, das ist Afrika. Afrika für mich sind nicht solche großen Städte, wie wir sie in Europa haben. Das ist nichts für mich. Aber das tiefe Afrika ist schön, es ist wunderbar und ist so natürlich. Von allen Orten, an denen ich weltweit war, ist Afrika mein Favorit und Kamerun mein Herzensland. Wir sagen, dass die Menschen in Afrika das Leben nicht so schwernehmen. Nein, ich habe entdeckt, dass sie einfach anders mit Problemen umgehen. Sie haben einfach einen Weg gefunden, um mit Schwierigkeiten zu leben, ohne das Lachen zu verlieren. Es sieht unbekümmert aus, aber es ist eine große wissenschaftliche Lebensphilosophie. Es wäre schön, wenn wir so etwas bei uns hätten. Sehen Sie, wie schlecht es vielen Menschen hier geht, obwohl wir fast alles haben? Es fehlt das Lachen. Ja, das Lachen ist sehr wichtig. Ich habe dort viel gemacht und viel erreicht. Ich war mehrmals dort im Urlaub, eigentlich fast jedes Jahr. Das sind die Skulpturen der Bamileké, besser gesagt, der Banganté in Westkamerun. Das ist ein Volk in Kamerun, sie nennen sich NDE, das steht für noblesse, dignité und elegance und bedeutet Adel, Würde und Eleganz. Stellen Sie sich das mal vor? So nennen die sich. Ich habe da die meisten Skulpturen gekauft. Sind sie nicht schön?“, frage er begeistert.

„Ja, besonders diese da. Sie bestätigt unsere europäische klischeehafte Vorstellung des afrikanischen Mannes“, sagte sie ironisch.

„Das müssen wir uns selbst vorwerfen. Sie machen nur Kunst, wir interpretieren sie so“, erwiderte Herr Walker.

Sie gingen zwei Treppen hoch, dann machte er eine Tür auf und sagte:

„Kommen Sie rein, bitte. Dies ist mein Arbeitszimmer und gleichzeitig mein Ausruhzimmer. Hier verbringe ich sehr viel Zeit. Setzen Sie sich. Was wollen Sie trinken? Tee, Kaffee, Saft? Leider habe ich aus Prinzip keinen Alkohol und keine Zigaretten zu Hause“, sagte Herr Walker.

„Leitungswasser haben Sie aus Prinzip aber sicher, oder?“, fragte sie lächelnd.

Ein paar Minuten später kam er wieder mit einem Serviertablett herein, auf dem alles Mögliche stand.

Er machte die Tür zu und öffnete das Fenster, man sah nur Grün, weit und breit. Es war ein schöner Junitag und es war draußen schön warm, während es drinnen noch erfrischend kühl blieb.

Er stellte das Serviertablett auf einem kleinen niedrigen Tisch vor Anne Schmidt ab, damit sie sich allein bedienen konnte.

„Was machen Sie beruflich, Herr Walker? Wie ich sehe, sind Sie sehr viel unterwegs und Geldmangel scheint bei Ihnen ein fremdes Wort zu sein?“, fragte sie.

„Jetzt bin ich gar nicht mehr so viel unterwegs. Früher ja, viel, auch mit meiner Frau. Beruflich bin ich in der Finanzbranche tätig. Es ist schwer zu erklären. Ich beschaffe Geld für Firmen, Institutionen und Staaten“, sagte er.

„Das heißt ja, Sie müssen unglaublich reich sein, um Staaten Geld leihen zu können“, stellte sie sich absichtlich dumm.

„Nein, nein, nein, Sie haben mich falsch verstanden. Ich beschaffe Geld. Ich leihe kein Geld, um Gottes Willen, selbst Bill Gates oder Ingvar Kamprad, der Gründer von Ikea, könnten sich das nicht leisten. Ich bin wie eine Art Vermittler zwischen denen, die Geld haben und noch mehr wollen und denen, die nicht genug haben und noch mehr wollen. Sehen Sie, alle wollen immer nur noch mehr, noch mehr. Niemand will sich mit dem zufrieden geben, was er hat. Der, der weniger hat, will einfach nicht so leben, wie er es sich leisten kann. Er will so leben wie der, der mehr hat. Dem, der mehr hat, geht es aber genauso. Es genügt ihm nicht. Er will noch mehr als alle anderen haben. So entsteht eine synergetische Kraft, die das Geld so stark macht. Und Leute wie ich profitieren dann von den Krümeln, die diese immer-mehr-haben-wollenden Menschen beim Essen auf den Boden fallen lassen“, erklärte er.

„Diese Krümel scheinen aber nicht so klein zu sein, dass Leute wie ich nicht von den Krümel von Leuten wie Ihnen noch glücklich leben könnten“, sagte Anne Schmidt.

„So ist der Lauf der Welt, vielleicht sind Sie dagegen glücklicher“, meinte Herr Walker.

„Es muss nicht immer unbedingt so sein, dass Leute, die mehr haben, unglücklich sind. Geld muss nicht unbedingt unglücklich machen, oder?“, konterte Anne Schmidt.

„Geld und Reichtum allein machen nicht glücklich“, sagte Herr Walker.

„Not und Armut allein machen noch unglücklicher“, erwiderte Anne Schmidt.

„Naja, bei mir sieht es so aus, dass ich es trotz allem, was Sie hier sehen, seit Jahren nicht geschafft habe glücklich zu werden“, verteidigte er seine Meinung.

„Vielleicht liegt es nicht am Geld, sondern an den Umständen, wie dem Tod Ihrer Frau und Ihres Sohnes, zum Beispiel?“

„Wissen Sie, Frau Schmidt, es war und ist nicht einfach für mich. Ich habe alles verloren. Und das Geld nützt mir gar nicht. Ich hätte lieber all dieses Geld nicht gehabt und meine Frau, meine Tochter und meinen Sohn behalten. Hätte der liebe Gott mich gebeten, zwischen meiner Familie und dem Geld zu wählen – ich hätte meine Familie genommen, ich hätte meinen Sohn gewählt und alles anderes weggeschmissen. Was hilft Ihnen alles Geld der Welt, wenn die Seele weint?“, sagte er ganz traurig.

Und fuhr fort – …

„Es würde Ihnen nicht helfen. Sehen Sie, ich habe dieses Haus mit meiner Frau gekauft. Sie hat alles entworfen. Viel gekauft, bestellt. Tag und Nacht sich Gedanken gemacht. Sie ist um die Welt gereist, um Kleinigkeiten für das Haus zu ersteigern. Unsere Ehe wäre fast in die Brüche gegangen, nicht weil es am Geld mangelte, nein, gerade weil es zu viel Geld gab. Wir wollten einfach alles kaufen und auch immer genau das, was man hier nicht hatte. Es war einfach Stress, Stress und wieder Stress. Und nun? Sie hat nicht einmal eine Nacht hier verbracht. Sie ist weg und das Haus steht immer noch.

Mein Sohn wollte vor einem halben Jahr auch so ein Haus wie meines kaufen, hier in der Nähe. Er kam und bat mich, ihm dabei zu helfen. Er wollte nicht mehr am Woog leben. Als anerkannter Rechtsanwalt aus einer reichen Familie wollte er gern ein prestigeträchtiges Haus kaufen. Er hoffte auch, dass er damit seine Ehe festigen könne. Er verstand nichts, als ich ihm sagte: „Weil ich dich liebe, mein Sohn, kann und werde ich dir nicht helfen. Wenn es um ein Familienhaus für 500.000€, oder auch 800.000€ ginge, würde ich dir das Geld sofort geben. Geld ist ja genug da. Aber eine Villa für fast 3 Millionen Euro, 3 Stockwerke plus Dachboden, mit 6 Schlafzimmern, 5 Bädern, 3 Gästetoiletten, 6 Balkons, 2 Küchen, 3 Wohnzimmern und so vielem mehr, für nur 4 Personen? Nur, weil du Prestige willst? Das kann dir nicht guttun, sogar wenn du selbst das Geld dafür hättest.“

Er verstand nicht und war wütend auf mich. Er verstand nicht, dass gerade so ein Haus seine Ehe zerstören würde. Er verstand nicht, dass gerade so ein Haus seine Seele vergiften und verwirren und ihn sehr einsam machen würde. Sein schon leerer Körper würde noch leerer sein. Er war wütend und ist ausgerastet und einfach gegangen. Er war 6 Monaten lang sauer und wollte nicht mit mir reden. Er wollte mich auf diese Weise erpressen. Aber da ich ihn liebte, blieb ich hart, und das Haus wurde an jemand anderen verkauft. Der Käufer will aus dem Haus nun mehrere Wohnungen machen und vermieten. Ich habe gerade mit ihm geredet, als Sie kamen. Ich habe ihn gefragt, warum er das Haus umbauen und mehrere Wohnungen daraus machen will. Wissen Sie, was er gesagt hat? Er hat gesagt: „Herr Walker, seien Sie ehrlich, wer kann in so einem Haus glücklich sein? Wenn vielleicht eine Familie mit 8 Kindern Interesse und Geld dafür hätte, okay. Aber so ein Haus für nur 3 Personen? Für mich, meine Frau und mein Kind? Nein, das kann nicht glücklich machen. Ich spreche aus eigener Erfahrung. In 3 oder 4 Zimmerwohnungen mit großem Garten werden Familien glücklicher.“ Sehen Sie? Das ist ein Mann mit Lebenserfahrung. Er meinte genau das gleiche wie ich.“

Er machte eine Pause und goss sich eine Apfelschorle ein.

„Hätten Sie sich vor zehn oder zwanzig Jahren auch so entschieden, ich meine für die Familie, für Ihren Sohn? Hätten Sie damals das Geld und den Ruhm fallen lassen, für Ihre Familie?“, wollte Anne Schmidt wissen.

„Ich weiß es nicht. Leider weiß man das erst, wenn es zu spät ist, uns das Glück verlassen hat und die Traurigkeit dein Freund geworden ist. Sehr wahrscheinlich, sehr, sehr wahrscheinlich hätte ich mich nicht für meine Familie entschieden. Aber ich hätte doch als Ausrede genommen, dass ich gerade wegen der Familie nicht auf Geld und Ruhm verzichten könne. Ja, das wäre wohl die Antwort gewesen, glaube ich. Ich weiß jetzt, dass eine Familie schon Geld braucht, aber erst glücklich ist, wenn es mehr Liebe, mehr Zusammenhalt, mehr gegenseitige Unterstützung gibt und die Familienmitglieder mehr Zeit füreinander haben und der eine für den anderen da ist, wenn es ihm schlecht geht. Ja, das braucht eine Familie viel mehr als großes Geld. Geld allein, ohne Zeit füreinander, ohne ein feinfühliges Ohr, ist Gift für die Familie. Das verleitet zu Exzessen und erzeugt eine innere Leere. Alles, was zu viel oder zu wenig ist, tut nicht gut. Genau das wollte ich Johnny ersparen. Den gleichen Fehler wie ich sollte er nicht machen. Aber er verstand das nicht. Ich bin selbst schuld, dass er nicht verstanden hat, warum sollte er es denn auch verstehen? Durch welches Beispiel? Von welchem Vorbild hätte er lernen sollen? Sein Vorbild war Geld, Geld und nochmals Geld. Das war mein Fehler“, antwortete er ganz ehrlich.

„Heißt das, dass Sie seit dieser Diskussion bis zu seinem Tod keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt hatten?“, fragte sie.

„Ja, das stimmt leider. Er war ein zerrissener Junge, trotzdem kann ich nicht verstehen, warum er das gemacht hat“, lamentierte er.

„Wann haben Sie das Tagebuch bekommen?“, fragte sie.

„Vor drei Tagen erst“, antwortete er.

„Von wem denn?“, wollte sie wissen.

„Von einem Mann, der behauptet, mit ihm im gleichen Gefängnis gewesen zu sein. Ein Däne. Er ist vor einer Woche rausgekommen und extra hierhergefahren, um den Umschlag persönlich abzugeben. Er wollte nicht, dass er in der Post verloren geht. Johnny hätte ihm gesagt, dass das lebenswichtig für mich wäre“, antwortete er fast kindlich.

„Warum haben Sie es dann nicht gelesen?“, fragte sie noch.

„Er hat mir eigentlich nicht geschrieben. Ich habe nur die ersten Seiten gelesen und wusste schon, dass ich Ihren Beistand brauche. Ich habe nicht viel mehr gelesen. Ich wollte nicht allein sein, wenn ich erfahre, ob es stimmt, dass er gemordet hat und ob es stimmt, dass er sich selbst getötet hat. Aber nun bin ich bereit, weil Sie da sind“, sagte er.

Er holte einen Schlüssel aus seiner Tasche, stand auf und ging zum Tresor hinter der Tür. Er kam mit einem grünen Buch zurück und legte es auf den Tisch.

„Wollen wir nun wissen, warum er es getan hat?“, fragte er.

„Wenn Sie bereit sind. Soll ich lesen?“, fragte sie.

„Nein, ich will selbst lesen. Ich werde laut vorlesen, wie eine Geschichte. Sie können mich jederzeit unterbrechen, wenn Sie eine Frage haben. Jetzt gibt kein Zurück mehr. Mein lieber Sohn Johnny, warum hast du das getan? Wollen wir?“, fragte Herr Walker.

„Ja, das wollen wir“, antworte Anne Schmidt entschieden.

 

Warum tötete Johnny M. Walker die schöne dänische Frau mit dem Teufel im Blut?

Das Tagebuch von Johnny M. Walker

Aus dem Gefängnis von Sonderborg.

Mein Zerwürfnis, meine Zerrissenheit, die Suche nach Liebe und Glücklichsein, meine Tat und mein Tod, meine Erlösung oder die Hoffnung, es danach zumindest besser zu haben.

Als ich geboren wurde, wurde mir der Name Johnny Mackebrandt Walker gegeben. Man sollte stolz sein, diesen Namen zu tragen, würden viele Leute sagen, aber dieser Name wurde zu meinem Verhängnis.

Mein Vater heißt Walker und meine Mutter Mackebrandt. Wie ich mitbekommen habe, wollte die Familie Mackebrandt unbedingt, dass dieser Name auch auf meiner Geburtsurkunde steht, aber meinem Vater gefiel das weniger. Am Ende stand er doch darauf, aber ausgesprochen wurde er nie. Überall stand immer nur Johnny M. Walker.

Mein Vater ist Halbamerikaner, mein Großvater war ein hoher Offizier der amerikanischen Armee und später Diplomat, und meine Großmutter war eine Deutsche.

Meine Großeltern lernten sich während eines Aufenthalts meiner Oma in Kalifornien kennen. Das war am Flughafen, auf dem Weg zurück nach Deutschland. Mein Großvater, der Offizier, wurde gerade als Diplomat nach Bonn beordert.

Zurück in Deutschland verliebten sie sich schnell und kurze Zeit später wurde meine Oma schwanger. Sie wollte den Mann aber nicht heiraten, weil sie keine Lust hatte, als Ehegattin eines Diplomaten gezwungen zu sein, ein Nomadenleben zu führen. Das Kind aber wollte sie und freute sie sich sehr darüber. Sie nannte den Jungen Willy Hans Walker und sie lebten zunächst als Familie in Bonn.

Als mein Vater 4 Jahre alt war, wurde mein Opa nach Ägypten versetzt. Meine Oma lehnte ab, mit ihm dorthin zu gehen, und so begann langsam die Trennung. Meine Oma zog mit meinem Vater nach Darmstadt, um in der Nähe ihrer Familie zu sein. So wurde Darmstadt zu unserer Heimat, in der mein Vater aufwuchs.

In Darmstadt lernte mein Vater auch meine Mutter Margot Mackebrandt kennen. Sie war eine sehr schöne Frau. Ich bewunderte meine Mutter immer für ihre Schönheit und wünschte mir, später auch so eine Frau haben.

Meine Mutter studierte Architektur und mein Vater Volkswirtschaft. Nach ihrem Studium heirateten sie und kurze Zeit später wurde meine große Schwester Mia geboren. Erst 3 Jahre später kam ich zur Welt, der kleine Johnny M. Walker.

Wir lebten damals im Bessungen, in der Nähe des schönsten Parks Darmstadt, der Orangerie.

Wir verbrachten im Sommer wie im Winter sehr viel Zeit in diesem Garten, leider nicht mit unseren Eltern, sondern mit unseren verschiedenen Kindermädchen.

Mein Vater war kaum zu Hause, und wenn er spät abends nach Hause kam, war er immer schon sehr müde. Er spielte ein bisschen mit uns, dann musste er sich die Nachrichten ansehen, und davor mussten wir schon ins Bett gehen.

Meine Mutter kam immer erst, wenn wir vom Kindergarten abgeholt worden waren. Damals, in der Kindergartenzeit, hatte sie einerseits schon mehr Zeit für uns als Papa, aber ich war andererseits immer traurig, dass sie uns kaum selbst abholte, wie es die Mütter meiner Freunde taten. Als wir in die Schule kamen, hatten wir auch mit unserer Mama immer weniger Zeit. Sie arbeitete viel und kam jetzt auch immer spät nach Hause, genau wie Papa.

Wenn wir darüber klagten, warum sie und mein Vater wenig Zeit für uns hatten, sagte sie nur, dass der Papa und sie viel arbeiten müssten, damit es uns gut ginge. Ich sperrte mich dann immer in mein Zimmer ein und fragte mich, warum sie denn jetzt nicht sah, dass es uns nicht gut ging? Sie wollten doch, dass es uns gut ginge, sagte sie – warum ließen sie dann zu, dass es uns schlecht ging?

Aber ich wollte meiner Mutter nichts vorwerfen. Ich wollte ihr nie zeigen, dass ich so traurig war. Ich wollte meine Eltern nicht belasten. Meine Schwester hielt das genauso wie ich. Wir versuchten, das Verhalten unserer Eltern als etwas Gutes zu sehen. Sie wollten uns doch nur Gutes tun. Deswegen taten wir immer so, als ob wir uns freuten, dass unsere Eltern so viel arbeiteten. Im Gegenzug bekamen wir fast alles, was wir wollten, aber auch vieles, was wir nicht wollten oder brauchten. Unsere Eltern zwangen uns regelrecht zu konsumieren, als ob sie damit etwas in uns betäuben wollten. Es kam oft vor, dass mein Vater, wenn er tagelang nicht da war, darauf bestand, mit uns am Samstag in die Stadt zu fahren und shoppen zu gehen.

Wir gingen von Geschäft zu Geschäft. „Sieh mal, Johnny, ist das nicht schön? Das ist das neuste Handy, willst du das nicht?“ „Schau mal hier, Johnny, mein Liebling, sind das nicht spannende Spiele da? Oh, das sind Computerspiele, was meinst du? Ich kaufe dir dann auch einen Computer.“ „Du brauchst eine neue Jacke, die hier sieht aus wie im Katalog, das willst du doch, oder?“ So ging es dann immer weiter, ums Kaufen, Schenken, Geben und Haben. Aber ein neues Handy brauchte ich nicht. Mit wem sollte ich denn dann telefonieren? Ich war erst 10 und unter meinen Freunden verabredeten wir uns direkt nach der Schule. Wozu brauchte ich noch ein Handy? Ich hatte schon drei davon, noch unverpackt in meinem Schrank. Ich wollte nicht Computer spielen. Ich wollte lieber mit ihm in der Orangerie verstecken oder Fußball spielen. Ich liebte Fußball sehr. Mit meinen Freunden traf ich mich oft in der Orangerie, um Fußball zu spielen. Manchmal waren ihre Papas mit dabei, meiner aber fast nie.

Da ich im Fußball gut war, wurde ich beim SV98 aufgenommen. Wir trainierten drei Mal die Woche und hatten am Wochenende mindestens ein Spiel.

Damit ich es einfacher hatte, wie meine Mutter zu mir sagte, wurde ein Auto gekauft und ein Chauffeur eingestellt, der mich ins Training und zu den Spielen am Wochenende fuhr. Nur wenige Male war mein Vater bei einem Spiel dabei.

Ich war traurig, während dem Spiel niemanden zu hören, der meinen Namen rief und mich anfeuerte, wie es die anderen Mamas und Papas an der Seite ihrer Söhne taten.

Ich schämte mich ein bisschen, wenn in der Pause alle Eltern mit der Trinkflasche zu ihren Söhnen liefen, ihnen die Flaschen reichten und mit ihnen über das Spiel redeten, um sie aufzubauen.

Es war zum Kotzen, wenn ich nach dem Spiel niemanden hatte, der mir sagen konnte: „Hey Johnny, das war gut, das hast du gut gemacht, du hast den einen da gut ausgedribbelt, deine Flanken waren super!“ Oder auch mit mir schimpfte: „Da hast du Fehler gemacht, dort hättest du mehr kämpfen müssen, schieße nicht immer sofort!“

Ich fühlte mich sehr einsam und der Fahrer redete kaum mit mir. Er fuhr mich hin, verschwand und kam erst wieder, wenn das Spiel fertig war. Unterwegs hörte er seine Musik aus seinem CD-Player. Wenn wir zu Hause ankamen, gab er mir die Schlüssel und verschwand. Er war ein Student aus Kamerun. Wir hatten nur eine einzige richtige Unterhaltung, es ging darum, wer der beste Spieler der Welt war. Er sagte Roger Milla aus Kamerun; ich dachte eher an Maradona.

Ich war glücklich, wenn ich zu den Spielen gehen konnte und unglücklich, wenn ich nach Hause kam. Meine Eltern fragten nur: „Wie war es? Habt ihr gewonnen?“ Wenn ich ja sagte, sagten sie auch „Das ist toll“ und fragten weiter, wie ich denn gespielt hätte. Ich antwortete: „Ich weiß es nicht“ und sie kommentierten nicht weiter. Wenn ich aber sagte, wir hätten verloren, dann kam die fast schematisch abgespulte Antwort: „Das ist normal, Verlieren gehört dazu. Man kann nicht immer nur gewinnen.“ Ich verschwand dann sofort wütend in mein Zimmer. War das alles, was sie mir zu sagen hatten?

Meine Mutter kam zu diesen Gelegenheiten in mein Zimmer und versuchte, mich wieder aufzumuntern.

Es klang für mich paradox, als meine Eltern mir sagten: „Johnny, wir sind stolz auf dich. Johnny, du machst das gut.“ Ich sagte mir, wie können sie behaupten, dass ich etwas gut mache, wenn sie gar nicht wissen, nicht sehen, was ich überhaupt mache? Sie versuchten immer, die Familie als etwas Besonderes darzustellen. Wenn wir zum Beispiel im Urlaub waren, klang es in meinen Ohren fast zynisch, wenn sie sagten: „Wir haben es schön, wir sind doch eine glückliche Familie, wir haben es geschafft, wir können uns alles leisten und wir haben zwei tolle Kinder. Wir müssen auf uns alle stolz sein.“ Bei solchen Komplimenten an uns selbst versuchten Mia und ich auch zu lachen und am Ende waren wir fast überzeugt, dachten wir, dass wir doch eine gute Familie waren.

Damals schien es toll, so früh solche Freiheit zu haben. Wir durften alles tun, was wir wollten. In der Schule mussten wir nur die Fächer wählen, die uns gefielen. Ausgehen durften wir, wann wir wollten, mit wem wir wollten. Wir kamen nach Hause, wann wir wollten. Wir waren unabhängig.

Heute sehe ich die Sache total anders. Wir waren noch nicht so weit. Diese verfrühte Unabhängigkeit und so früh Verantwortung zu tragen hat uns mehr Schaden zugefügt, als es uns geholfen hat.

Herr Walker hörte auf zu lesen, schaute nach Anne Schmidt und sagte exklamatorisch: „Aber wir dachten immer, sie freuten sich, das zu tun, was die anderen nicht durften. Das war für uns ein Zeichen, dass wir ihnen vertrauten. Wir wollten, dass sie selbst für sich Entscheidungen treffen konnten und früh erkannten, was sie wollen und was sie nicht wollen, dass sie schon sehr früh ihren Weg erkennen können!“

„Haben Sie sie jemals nach ihrer Meinung gefragt, ob sie das überhaupt wollten? Diese frühe Verantwortung zu tragen?“, fragte Anne.

„Wir dachten, es tut ihnen gut“, antwortete Herr Walker leise und las weiter.