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Die Kölnerin Anna zieht in den 80er-Jahren zu ihrem Freund, dem Ziegenhirten Ilías, in ein kretisches Bergdorf und trifft dort auf Ilías' Vater, der schwer unter der deutschen Besatzung Kretas im Zweiten Weltkrieg leiden musste. Während sich Anna mit harter Arbeit bei der Olivenernte bemüht, endlich von ihrem Schwiegervater akzeptiert zu werden, quält ihre beste Freundin Thalia ein nicht erfüllter Kinderwunsch. Geradezu unerträglich wird die Situation für Thalia, als sie erfährt, dass Anna schwanger ist. Thalia flieht aus dem Dorf und setzt damit ihre Ehe aufs Spiel. In "Der Duft von Oliven" beschreibt Sigrid Wohlgemuth, wie sich zwei Frauen ihren Schicksalen stellen, sich mit ihrer Identität, Herkunft, Heimat und der Gesellschaft auf Kreta auseinandersetzen.
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Seitenzahl: 566
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Das Buch
Die Kölnerin Anna zieht in den Achtzigerjahren zu ihrem Freund, dem Olivenbauern Ilías, in ein kretisches Bergdorf. Dort trifft sie auf Lámbros, Ilías’ Vater, der unter der deutschen Besatzung Kretas im Zweiten Weltkrieg gelitten hat. Als Anna deutsche Weihnachtsbräuche einbringen möchte, lässt Lámbros sie seine Vergangenheit spüren. Dadurch wird Annas Wunsch, eines Tages mit Ilías den Kölner Weihnachtsmarkt zu besuchen, nur umso stärker. Während sich Anna mit harter Arbeit bei der Olivenernte bemüht, endlich von ihrem Schwiegervater akzeptiert zu werden, quält ihre beste Freundin Thália ein unerfüllter Kinderwunsch. Viele Jahre hält sie diesen vor Anna geheim, versucht ihre innere Leere mit zwanghaftem Putzen zu bekämpfen und setzt schließlich sogar ihre Ehe aufs Spiel.
Einfühlsam und detailliert zeichnet Sigrid Wohlgemuth das Leben zweier Frauen, für die ihre innigsten Wünsche oft unerreichbar scheinen. Doch sie halten daran fest und kämpfen für ihre Träume.
Die Autorin
Sigrid Wohlgemuth wurde in Brühl bei Köln geboren. 1996 erfüllte sie sich ihren Traum und machte Kreta zu ihrer Wahlheimat. Die Mittelmeerinsel und das Schreiben wurden zu ihrem Lebensmittelpunkt. In ihren Erzählungen, bei Lesungen und in Kochshows möchte sie ihren Gästen die kretische Kultur sowie Land und Leute näher bringen. Zu ihren bisherigen Veröffentlichungen gehören neben »Bis am Baum die Lichter brennen. Weihnachtsanthologie« (2012) und »Drei Stühle. Köstliche kretische Geschichten mit Rezepten« (2013) auch zahlreiche Kurzgeschichten in Zeitschriften und Anthologien.
SIGRID WOHLGEMUTH
Der Duftvon Oliven
ROMAN
DER KLEINE BUCH VERLAG
Impressum
Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.
© 2015 Der Kleine Buch Verlag, KarlsruheProjektmanagement: Julia PrusLektorat: Susanne DöllnerKorrektorat: Natascha MatussekSatz & Layout: Beatrice HildebrandUmschlaggestaltung: Manuela Wirtz, www.manuwirtz.deUmschlagabbildung: grob/shutterstock.comDruck: Orga-Concept e.K., Filderstadt
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes (auch Fotokopien, Mikroverfilmung und Übersetzung) ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt auch ausdrücklich für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeder Art und von jedem Betreiber.
ISBN: 978-3-7650-2125-1
Dieser Titel ist auch als Printausgabe erschienen:ISBN: 978-3-7650-9104-9
www.derkleinebuchverlag.dewww.facebook.com/DerKleineBuchVerlag
Für Irene, meiner Freundin seitKindheitstagen
Du scheinst durchs Sternenmeer …Ich musste dich loslassen, dochweiß ich, du bist immer da, immernah. Denn in meinen Erzählungen,Träumen, meinem Herzen; bleibstdu lebendig auf ewig.Die Erinnerung an unsere gemeinsamenJahre, kann mir niemandnehmen.
In LiebeDeine Sigrid
Der Roman entstand aus meiner Liebe zur InselKreta, dem Land und seinen gastfreundlichenBewohnern.
Το βιβλίο αυτό προέκυψε από την αγάπη (μου) γιατην Κρήτη και τους φιλόξενους κατοίκους της.
Es krachte. Anna fuhr zusammen. Direkt vor ihr löste sich ein Baum samt Wurzelballen aus der Böschung am Abhang über der Straße. Ruckhaft riss sie das Lenkrad herum. Der Baum stürzte knapp hinter ihrem Wagen auf die Fahrbahn. Sie hatte keine Zeit aufzuatmen, denn durch die plötzliche Bewegung war das Heck ins Schleudern geraten. Sie trudelte unkontrolliert um die eigene Achse, kam nun endgültig von der Straße ab, an der sich keine Leitplanke befand, und rutschte mit einem gellenden Schrei den Berg hinab. Dann hörte sie nur noch das Schrappen der Scheibenwischer, stierte wie betäubt auf die rasche Bewegung. Das Atmen fiel ihr schwer, der Sicherheitsgurt umspannte straff ihren Körper. Der Versuch, sich zu rühren, scheiterte schmerzlich. Sie schloss die Augen.
Nicht einschlafen. Ich muss wach bleiben, bis ich gefunden werde. Aber ich bin schrecklich müde und möchte schlafen. Es tut weh. Am besten zähle ich.
Doch als sie damit anfangen wollte, brachte sie die Lippen kaum auseinander. Sie schmeckte Blut.
»Helft mir!«, rief sie und hatte das Gefühl, als prallten die Worte an die Windschutzscheibe und schallten zu ihr zurück.
Sie werden mich bald finden. Ganz sicher! Der Regen hat nachgelassen. Nur eine Frage der Zeit, bis ein Auto vorbeikommt. Mit einem letzten Ratschen verstummten die Scheibenwischer.
Die Stille ist unerträglich, dachte sie und spürte Tränen, die ihr über die Wangen liefen. Ruhe bewahren. Ich darf nicht in Panik ausbrechen.
Anna atmete flach, um das Stechen in ihrem Leib gering zu halten.
»Verdammt!«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Nachdem sie im Reisebüro die Tickets für einen Familienurlaub in Köln zu Weihnachten freudig entgegengenommen hatte, war sie vor der Tür von einem leichten Nieselregen überrascht worden. Bald darauf öffnete der Himmel über Kreta seine Pforten und es begann, in Strömen zu gießen. Ein starker Wind aus Südosten fegte übers Land, und der Wagen schwankte auf der Rückfahrt von Sitía nach Tourlotí, ihrem Heimatdorf. Obwohl sie den Scheibenwischer auf höchste Stufe gestellt hatte, war der Asphalt durch die beschlagene Windschutzscheibe vor ihren Augen nur verschwommen zu sehen. An dem Teilstück der engen Straße, das sich im Bau befand, wurde es schlimmer. Eine Möglichkeit anzuhalten gab es nicht, allenfalls mitten auf der Fahrbahn. Anna war sicher gewesen, die Hürde zu schaffen, und ein Stück weiter hätte sie auf dem Standstreifen stoppen können, um das Unwetter abzuwarten.
Aus den Augenwinkeln hatte sie die Bäche gesehen, die von den Bergen herunterstürzten und Gesteinsbrocken mit sich rissen. Im ersten Gang, mit dreißig Stundenkilometern, lenkte sie den Wagen am Bagger vorbei. Bloß nicht heftig bremsen, hatte sie sich ermahnt, denn gerade an dieser Stelle schien es am gefährlichsten, auf der Straße lag ein Kieselsandgemisch. Doch trotz aller Vorsicht hatte es sie erwischt, als der Baum herunterkrachte.
Anna wimmerte. Warum kam denn keiner, um sie zu retten?
Denk an etwas Schönes. Sie holte Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit hervor. Damals, als sie Studentin gewesen war und das erste Mal Urlaub auf der griechischen Insel gemacht hatte.
Ilías! Anna versuchte, den Mund zu einem Lächeln zu verziehen. Aber die kleinste Bewegung tat weh.
Was hat mich damals derart fasziniert, dass ich hergezogen bin? Diese Frage versetzte Anna sogleich in die Bilder der Vergangenheit, spülte den Schmerz und ihre verzweifelte Lage fort.
Anna blinzelte in die Spätnachmittagssonne. Sie setzte sich auf und strich den inzwischen getrockneten Sand von ihren Beinen. Dann hielt sie sich die Hand schützend über die Augen und sah zu, wie der leichte Wind die Wellen ans Land trieb.
War es die Liebe zu Ilías, dem kretischen Bauern, die sie alles im rosaroten Licht sehen ließ? Wenn sie an Zuhause dachte, an Köln, die Stadt mit ihrem oft deprimierend grauen Himmel, an den herrischen Vater, dem sie nichts gut genug machen konnte, fröstelte sie. In diesem Moment stieg Ilías aus dem Wasser. Er kam im Laufschritt auf sie zu, ließ sich neben ihr auf das Badetuch fallen und zog sie in seine Arme.
»He!«, schrie Anna, »du machst mich wieder total nass.« Sie stieß ihn in die Rippen. Ilías schüttelte sein Haar. Anna quiekte, als die Wassertropfen sie trafen. Er lachte und streckte sich aus, schlug die Füße übereinander, verschränkte die Arme im Nacken.
Kaum zu glauben – Anna ließ ihre Augen über Ilías’ Körper schweifen – dieser Mann möchte mit mir zusammenleben.
Im Schneidersitz schob sie sich neben ihn.
»Und, hattest du genug Zeit, um darüber nachzudenken?« Ilías stützte sich auf die Ellbogen und sah Anna liebevoll an.
»Worüber?«
»Anna, ich meine es ernst.«
»Ich soll zu dir nach Kreta ziehen?«
»Liegt es an meinem Griechisch, dass du mich nicht verstehst?«
»Scherz nicht rum.« Anna verzog den Mund zu einer Schnute.
»Nun gut. Du willst es nicht anders.« Er richtete sich auf. Anna bemerkte ein schelmisches Zucken um seine Mundwinkel. »Du bist die Frau meiner Träume! Wenn ich dich anschaue, mit deinen langen blonden Haaren und dem athletischen Körper, könnte ich vor Glück verrückt werden! Deine himmelblauen Augen ziehen mich magisch an, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe!« Anna lachte verlegen, um nicht vor Rührung zu weinen, und entgegnete schnippisch: »Ach, es geht dir nur um mein Aussehen?«
Ilías griff nach ihrer Hand. »Lass mich ausreden. Ich bewundere deine Intelligenz, deine Aufgeschlossenheit, dein Einfühlungsvermögen. Ich liebe dich, vertraue dir und will dich nicht mehr loslassen.« Anna wollte ihm die Hand entziehen, doch Ilías verstärkte den Griff. »Wir kennen uns lang genug, um eine Entscheidung zu treffen. Seit zwei Jahren liegen dreitausend Kilometer zwischen uns. Das langt jetzt, Anna!«
»Es gibt viel zu bedenken«, warf sie ein.
»Und was?«
»Wo werden wir wohnen? Und wie sieht es mit einem Job aus?«
»Ist dir das wichtig?«
»Ja.«
»Mein Einkommen wird für uns beide reichen. Und ich bin sicher, du wirst an der Schule arbeiten können mit deinem perfekten Griechisch und den vielen anderen Sprachen.«
Er wollte sie in seine Arme ziehen, doch Anna entschlüpfte ihm, rannte zum Meer.
Am Ufer entlangschlendernd, die Füße im kühlen Wasser, schaute sie auf die Wellen. Dann streiften ihre Augen die Landschaft. Umschlossen von hohen Bergen lag die Thólos-Bucht, wenige Kilometer vom Dorf Kavoúsi entfernt. Nach Süden breiteten sich Olivenhaine aus, vom salzigen Sturm gebeugte Äste trugen kleine Früchte. Tamarisken standen am Strand und spendeten den überwiegend griechischen Badegästen Schatten. Um eine kleine Süßwasserader herum schwirrten Hornissen. Ein holländisches Pärchen hatte seinen Wohnwagen im Schutz der Sträucher geparkt. Die beiden saßen gerade an einem Campingtisch beim Essen. Griechische Musik schallte aus einem Holzhaus herüber, einige Tische und Stühle standen davor. Der Besitzer der Taverne stellte gerade Erfrischungen auf ein Tablett. Eine Gruppe Einheimischer stand im Meer und unterhielt sich Wasser tretend. Zwischendurch tauchten sie tiefer hinein oder schwammen auf dem Rücken, ohne das Gespräch zu unterbrechen.
Anna blickte auf die Weite des Meeres, das sich bis zum Horizont erstreckte.
Die Frau seiner Träume. Nein, ich zweifle nicht. Weder an Ilías’ Liebe noch daran, dass ich genau hier mein Leben führen will. Sie drehte sich zu dem Mann um, der fortan alles mit ihr teilen wollte. Er winkte, und sie schrie über die Brandung hinweg: »Ich will!«
Mit ausgebreiteten Armen lief sie auf ihn zu. Sie sah, wie er aufsprang und einen Freudentanz aufführte, dass der Sand hochspritzte. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl ergriff Besitz von jeder Faser ihres Seins.
Ágios Nikólaos, Frühjahr 1980
Langsam erwachte Thália aus der Narkose. Sie schaute auf die Uhr, die im Aufwachraum an der sonst kahlen Wand hing. Dreizehn Uhr zehn.
Eine Schwester saß am Schreibtisch, vertieft in eine Krankenakte. Zeit, dass ich nach Hause komme, dachte Thália. Vorsichtig erhob sie sich, doch ein leichter Schwindel drückte sie sofort zurück ins Kissen. Beim nächsten Versuch stützte sie sich vorsorglich auf die Ellbogen. Mit Schwung flog die Tür auf und der Arzt eilte herein. Sogleich erhob sich die Schwester und stellte sich ans Bettende.
Der Gynäkologe zog sich einen Stuhl heran. Seine Augen ruhten auf Thália.
»Wie fühlen Sie sich?«, fragte er.
»Ein wenig schummrig.«
»Das kommt von der Narkose.«
Thália nickte.
»Haben Sie Schmerzen?«
»Nein.«
»Der Eingriff ist ohne Komplikationen verlaufen. Sie werden in den nächsten Tagen Schmierblutungen haben. Sollten diese verstärkt auftreten, dann kommen Sie bitte zur Untersuchung. Ansonsten erst in zehn Tagen zur Kontrolle.«
Sie nickte ein weiteres Mal.
»Thália, ich möchte Ihnen vorschlagen, die Pille zu nehmen.«
Sie schaute auf.
»Das war Ihre zweite Abtreibung innerhalb von achtzehn Monaten. Sie sind neunzehn Jahre alt. Auch in den ersten Schwangerschaftswochen ist jeder Eingriff eine Belastung und eine hormonelle Umstellung für den Körper. Haben Sie die Pille schon einmal ausprobiert?«
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