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Die Frage nach dem eigenen Stil bewegt alle Fotograf*innen, die über die Anfänge hinaus sind und regelmäßig fotografieren. Sie suchen Möglichkeiten, um sich in ihren Bildern persönlich ausdrücken und in ihnen wiedererkennbar sein zu können. Die wenigsten machen einfach ihr Ding - der Großteil ahmt andere nach, probiert dieses und jenes, grübelt über Ausrüstung und Bildbearbeitung und sieht erst viel später, was eigentlich offensichtlich ist: der Weg zum eigenen Stil beginnt mit dem Wissen über die eigene Persönlichkeit, dem Finden des eigenen Themas und den Entscheidungen zu seiner fotografischen Umsetzung.
Steffen Rothammel möchte Ihnen mit seinem neuen Buch helfen, diesen langen und oft auch teuren Weg abzukürzen. Nach einem Überblick über das, was Stil und Persönlichkeit im Kern ausmacht, führt er am Beispiel dreier Fotograf*innen in verschiedene Arbeits- und Ausdrucksweisen ein, und lädt Sie dabei ein, über sich und Ihre eigene Fotografie zu reflektieren. Und weil die Beherrschung von Fotohandwerk und -kamera die erste Voraussetzung für eine Umsetzung der eigenen Bildideen ist, erläutert er am Beispiel eigener Fotos verschiedene Motivsituationen und ihre technischen Umsetzungen. Mit diesem Wissen ausgestattet, können Sie sich dann auf die Suche begeben nach ihrem Thema und Ausdruck – Ihrem eigenen fotografischen Stil.
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Seitenzahl: 155
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Steffen Rothammel ist Fotograf und Ingenieur. Aufgewachsen in den bayerischen Alpen, war die Schönheit der Natur immer Teil seiner Kindheit. Die Liebe zur Natur und die Faszination der Technik brachten ihn schon als Jugendlichen zur Fotografie. Über die Jahre lenkten verschiedene Reisen sein Interesse weg von der Naturfotografie hin zu den Kulturen und ihren Menschen. Diese Kulturen und die unterschiedlichen Lebensweisen der Menschen kennenzulernen, war und ist Teil seiner Fotografie. Die Neugier darauf ist für ihn immer wieder Antrieb, in die Bereiche jenseits des Bekannten einzutauchen – ob in kleine Gassen oder entlegene Landstriche. Seine Kamera ist für ihn ein Werkzeug und Kommunikationsmittel, um mit den Menschen in Kontakt zu treten und ihre Geschichten zu erzählen.
Seine Bilder wurden bereits in der »National Geographic«, der »GEO«, der »PHOTOGRAPHIE« sowie im »fotoforum« veröffentlicht und erhielten Auszeichnungen bei den Photographers Forum Awards, den Sony World Photography Awards und den ipa Awards.
»Der eigene fotografische Stil« ist sein zweites Buch – im dpunkt.verlag erschien von ihm bereits »Das Gefühl ist der Auslöser«.
Mehr Bilder von Steffen Rothammel finden Sie auf seiner Website unter www.steffenrothammel.com. Sie erreichen ihn per E-Mail über [email protected].
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www.dpunkt.plus
Steffen Rothammel
Ihr Leitfaden zu persönlichem Thema und Ausdruck
Steffen Rothammel
Lektorat: Boris Karnikowski
Lektoratsassistenz: Anja Weimer
Copy-Editing: Kerstin Grebenstein, www.buch-fuer-buch.de
Satz: Veronika Schnabel
Herstellung: Stefanie Weidner
Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de (unter Verwendung eines Fotos des Autors)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
978-3-86490-841-5
978-3-96910-630-3
ePub
978-3-96910-631-0
mobi
978-3-96910-632-7
1. Auflage 2022
Copyright © 2022 dpunkt.verlag GmbH
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Für meinen Sohn Toni. Dass Du da bist, gibt mir immer wieder dieKraft und den Willen, etwas wie dieses Buch zu hinterlassen.
1Einleitung
2Drei Fotograf*innen
Kein Künstler denkt an Stil
Stil in der Fotografie – drei Ansätze
Entscheidungen, die zum Stil führen
Nick Fancher – Inspirationen holen
Sandra Bartocha – Limitierungen aufheben
DuChemin – Faszination des Fremden
Den eigenen Stil entwickeln und umsetzen
Persönlichkeit und Stil
3Der Fotograf als Mensch
Ihre Persönlichkeit ist das Fundament
Offenheit
Gewissenhaftigkeit
Extraversion
Verträglichkeit
Neurotizismus
Eine kurze Selbstanalyse anhand der »Big Five«
Lebensstil und Komfortzone
Ort
Zeit
Ereignisse annehmen und transportieren
4Ausrüstung und Handwerkszeug
Die Ausrüstung macht nicht das Bild, aber sie kann es verhindern
Technik
Kamera
Objektive
Haptik
Stilmittel – Ihr Handwerkszeug
Dynamik durch »kurz zu lang belichtet«
Dynamik durch Freihand-Mitziehen
Mitlaufen für den richtigen Hintergrund
Die Wirkung von Nebenmotiven
Motiv betonen durch Vorder- und Hintergrundunschärfe
»Durchschauen« mit dem Teleobjektiv und Offenblende
Nähe vortäuschen mit langen Brennweiten
Porträts mit Kontakt
Schwarz-Weiß/Monochrom
Momente abwarten
Mit Gegenlicht reduzieren
Dynamikumfang nutzen und Tiefen aufhellen
Robustes Werkzeug bewusst einsetzen
Tiefe durch Offenblende und Bildkomposition
Der goldene Schnitt
Authentizität durch Schnappschusssimulation
5Von der Idee zum Stil
Am Anfang steht die Idee
Vorbereitung
Persönlichkeit einsetzen
Ihr Auftreten und die Wahrheit der anderen
Dranbleiben/Ziele verfolgen
6Das Ziel ist der Anfang
Anhang Die Interviews
Sandra Bartocha
Nick Fancher
David duChemin
Bei allem Dank an alle, die mir bei diesem Projekt geholfen haben (Esther Horst, Petra Ostler, meine Frau Katrin und v. a.), geht dieses Mal ein besonderer Dank an meinen Lektor Boris Karnikowski. Intensive und spannende Gespräche über das Thema »Stil« machten dieses Buch in dieser Form erst möglich.
In einer Zeit der »Hyperkonsumkultur«, wie sie Harald Welzer nennt, sind kreative Auszeiten selten geworden, in denen Gemälde, Musik oder ein Buch entstehen können. Ich bin dankbar, gesund in einem Land und zu einer Zeit zu leben, in dem bzw. zu der das überhaupt möglich ist. Es liegt an uns, diese Freiräume selbst zu schaffen, die Informationsflut zu blocken und Stille einkehren zu lassen, damit Kreativität überhaupt erst entstehen kann – das habe ich beim Schreiben dieses Buches gelernt.
Insofern danke ich zu guter Letzt Ihnen, dass Sie sich die Zeit nehmen, dieses Buch zu lesen. Und ich hoffe, dass Sie sich im Anschluss wiederum Zeit nehmen, um selbst kreativ zu werden. Zu Ihrem eigenen Stil zu finden braucht Zeit und ist weit entfernt von der »instant gratification« unserer Tage. Vielmehr ist es in den Worten des Fotografen Michael Kenna eine »delayed gratification« – und genau in dieser Zeitspanne zwischen dem Erkennen und dem Stillen Ihrer kreativen Bedürfnisse liegen die Momente, die Ihnen in Erinnerung bleiben werden.
Hôi An – Vietnam
»Ihre Zeit ist begrenzt, also verschwenden Sie sie nicht damit, das Leben eines anderen zu leben. Lassen Sie sich nicht von Dogmen in die Falle locken. Lassen Sie nicht zu, dass die Meinungen anderer Ihre innere Stimme ersticken. Am wichtigsten ist es, dass Sie den Mut haben, Ihrem Herzen und Ihrer Intuition zu folgen. Die wissen schon, was zu tun ist. Alles andere ist nebensächlich.«
– Steve Jobs
Craig Reynolds untersuchte in den 80er-Jahren das Verhalten von Schwärmen im Tierreich. Er ist kein Wissenschaftler. Er ist ein Pionier der Computergrafik in der Filmindustrie Hollywoods. Um Schwärme in Filmen lebensecht darstellen zu können, suchte er nach Algorithmen, mit denen sich ein Schwarmverhalten programmieren ließ. Schlussendlich fand er drei Gesetze, nach denen grundsätzlich alle Schwärme funktionieren:
Bewege dich in Richtung Mittelpunkt derer, die du siehst.
Bewege dich weg, sobald dir jemand zu nahe kommt.
Bewege dich in die gleiche Richtung wie deine Nachbarn.
Erkennen Sie sich hier wieder? Auf uns als Angehörige der modernen Zivilisation treffen diese drei Punkte viel zu oft zu. Bei unseren Zielen lassen wir uns gerne von anderen leiten und rennen dorthin, wo viele hinwollen, beklagen dann aber wieder den Verlust unserer Individualität. In einer gefährlichen Umwelt hat uns dieses Verhalten als große Gemeinschaft über Jahrhunderte gute Dienste geleistet. In der Fotografie jedoch wird Sie dies nirgendwo hinführen, wo nicht schon andere waren. Ein Schwarm besteht zwar aus Individuen von Fischen oder Vögeln, aber durch deren kollektives Verhalten liegt ihre jeweilige Individualität brach.
Nach seiner ersten Krebsoperation schnitt Steve Jobs dieses Thema in seiner bemerkenswerten, sehr emotionalen Rede (aus der das obige Zitat stammt) vor einem Abschlussjahrgang der Stanford Universität im Jahr 2005 an. Unsere Zeit ist begrenzt. Ihre Zeit, in der Sie für die Fotografie brennen, auch. Sie befinden sich gerade in einer Lebensphase, in der Sie sich aus irgendeinem Grund für Fotografie interessieren. Sogar so sehr, dass Sie sich Gedanken machen, wie Sie bei aller technischen Beherrschung einen eigenen Stil finden können. Das weiß ich, weil Sie gerade dieses Buch in den Händen halten. Was mich im Übrigen sehr freut.
Ich möchte Sie an die Hand nehmen und auf eine kleine Reise zu Ihrem Ich und zu Ihren Neigungen mitnehmen. Dieses Buch ist dabei ein sicherer Ort: Nutzen Sie diese Reise, um sehr ehrlich zu sich selbst zu sein. Was sich anhört wie eine Psychoanalyse ist vielmehr der Weg, den jeder von uns gehen muss, um das zu finden oder um zumindest Raum zu schaffen für das, was uns im Innersten ausmacht und fasziniert. Dies ist die Voraussetzung, um Ihren eigenen Stil zu kreieren. Sie können Stil nur in etwas finden, was Ihnen entspricht. Etwas, wo allein Ihre Gefühle und Ihre Intuition herrschen, und zwar zu Ihrem Vorteil.
Kreativität entsteht, wenn Sie etwas, was Ihnen leicht und gern von der Hand geht, immer wieder tun. Wenn Sie dabei genug Muße haben und die Zeit vergessen, begegnen Ihnen Szenen, Motive oder einmalige Situationen. Sie sehen die Welt um sich herum mit eigenen Augen und gelangen zu Ihrer ganz eigenen Art, damit zu arbeiten. In diesen Momenten, in denen Sie eins sind mit sich und einer Umgebung voller Bilder, kommen Sie auf Ideen. Diese Ideen können Sie durchdenken und schließlich in Momenten festhalten. Ihren Momenten! Niemand sonst findet diese Momente. Sie tun, was nur Sie auf diese Art tun können. Hier kann Ihr ganz persönlicher Stil entstehen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass ich Ihnen in den folgenden Kapiteln keinen definierten Weg zu diesem Ziel aufzeigen kann. Aber ich möchte Ihren Weg zum eigenen Stil etwas effektiver gestalten. Ich beginne damit, dass ich Ihnen die Arbeit dreier ganz unterschiedlicher Fotograf*innen vorstelle und beschreibe, wie die drei erst zu ihrem Thema und dann zu ihrem Stil gelangt sind. Anschließend helfe ich Ihnen, herauszufinden, welches Thema und welche fotografische Herangehensweise zu Ihnen passen könnte. Schließlich gebe ich Ihnen handwerkliche Anregungen zur Umsetzung mit Ihrer Kamera.
Der Weg zu Ihrem eigenen Stil ist naturgemäß ein steiler. Wichtig ist: Eilen Sie nicht empor. Vielleicht halten Sie es eher mit Harald Leschs Worten: »Irren Sie sich empor«. Sie müssen auch erfahren, was Ihnen nicht entspricht. Sie werden es spüren, wenn Sie angekommen sind. Auch wenn Ihre Zeit begrenzt ist, nehmen Sie sich so viel Zeit für die faszinierende Welt der Fotografie, wie Sie wollen oder können. Es ist Ihre Zeit!
Und nun wünsche ich Ihnen viel Freude und Erfolg auf Ihrem Weg zu Ihrem eigenen fotografischen Stil.
Todra Schlucht - Marokko
»Man lerne den Stil aus dem Sprechenund nicht Sprache aus künstlichem Stil.«
– Johann Gottfried von Herder
»Stil« ist eines der Wörter, die sich seit ihrem Auftreten in der deutschen Sprache im 15. Jahrhundert etwas von ihrem ursprünglichen Sinn entfernt haben. Wenn wir im Duden unter »Stil« nachschlagen und zur Wortherkunft kommen, steht dort: Der Ursprung im Lateinischen war das Wort stilus (spitzer Pfahl, Schreibgerät, Griffel, Stiel). Die Schreibgeräte waren damals in den meisten Fällen individuell hergestellte Federn oder kleine Holzstäbe. Zusammen mit der Handschrift des Erstellers ergab sich ein unverwechselbares Schriftstück. Allein das ergibt aber noch keinen Stil im heutigen Sinne. Der entsteht erst durch den intuitiven, vertrauten Gebrauch des Werkzeugs unter Einfluss von Persönlichkeit und gestalterischer Intention. Aber dass »Stil« heutzutage immer noch mit »persönlicher Handschrift« gleichgesetzt wird, zeigt, dass die Verbindung zum Ursprung des Begriffs noch lebt.
Kein Künstler denkt am Anfang seiner Karriere an einen Stil. Wir können nur tun, was wir sind. Es mag Ihnen möglich sein, einen Job in einem Unternehmen zu übernehmen und diesen nach Vorschrift zu erfüllen. Wenn Sie aber außerhalb Ihres Jobs versuchen, etwas Eigenes zu gestalten, stehen Sie oft vor einer Wand, die vollgeschrieben ist mit Zweifeln, Ängsten und Fragen. Was dort nicht steht, ist das, was Sie tun sollten, um in einer Kunstform erfolgreich zu sein. Dabei können Sie nur Sie selbst sein.
Jeder Mensch ist ein Individuum mit eigenen Gedanken, Erfahrungen und Gefühlen. Doch genau diese Individualität liegt oft brach hinter einer Fassade, die viele von uns aufziehen, um dem Alltag zu begegnen. Und da müssen Sie durch, denn genau dort steckt Ihr Potential als Fotograf. Nehmen Sie Ihre Kamera und gehen Sie raus! Schauen Sie sich um und fotografieren Sie das, was in Ihnen etwas auslöst. Suchen Sie nach Szenen, die bei Ihnen Ideen auslösen, und machen Sie sich frei von allem, was Sie bis dahin an Fotografie gesehen haben. Inspiration und Vorbilder sind wichtig, aber erst wenn Sie sich nicht mehr diesem Fotografen oder jenem Stil zuzuordnen versuchen, entsteht in Ihren Bildern Platz für Sie selbst.
Ob Sie einen Song im Radio hören, ein Gemälde betrachten oder Fotografie sehen – wenn Sie das Werk zuordnen können und einen Menschen dahinter wahrnehmen, hat Ihnen dabei etwas geholfen: der Stil des jeweiligen Künstlers, also die Art und Weise, wie er sein Instrument – Stimme, Gitarre, Pinsel und Leinwand oder eben eine Kamera – einsetzt, um sich und sein Thema auszudrücken. Diese Wiedererkennbarkeit ist eine Voraussetzung für Sichtbarkeit oder sogar Erfolg. Wenn Sie es schaffen, einen persönlichen Stil auszubilden, der sich durch Ihre Arbeiten zieht, hebt Sie das aus der Masse heraus (ob Sie damit sichtbar oder erfolgreich werden, hängt noch von vielen anderen Faktoren ab, aber es ist ein Anfang).
Die gute Nachricht ist: Mit viel Beharrlichkeit und Reflexion werden Sie zu Ihrem Stil finden. Ihre Persönlichkeit wird Ihnen den Weg aufzeigen. Dieser Weg wird allerdings voller Abzweigungen, Stolpersteinen, Fehltritten und Sackgassen sein. Daher soll es im weiteren Verlauf dieses Buches darum gehen, diesen Weg etwas abzukürzen und angenehmer zu gestalten. Sehen wir uns aber zunächst Stil in der Fotografie etwas genauer an. Woran macht sich ein eigener Stil fest? Wie beschreiben Fotografen ihren eigenen Stil und wie haben sie ihn ausgebildet? Um meine eigene, durch meine Art zu arbeiten geprägte Sicht auf das Thema auf eine breitere Basis zu stellen, habe ich drei erfolgreiche Fotograf*innen zu diesem Thema interviewt. Da die drei einen jeweils sehr unterschiedlichen fotografischen Stil haben und auf sehr unterschiedlichen Wegen dorthin gelangt sind, ergibt sich ein recht breites Bild. Lassen Sie mich Ihnen zunächst alle drei kurz vorstellen.
Sandra Bartocha bezeichnet sich selbst als Naturfotografin. Sie hat in Potsdam Medienwissenschaften, Anglistik und Erziehungswissenschaften studiert. Das künstlerische Festhalten von Momenten im Wald und am Wasser sind zu ihrer Leidenschaft geworden. Sie ist Vizepräsidentin der GDT – Gesellschaft für Naturfotografie e. V., Chefredakteurin der Zeitschrift »forum naturfotografie« und Buchautorin. Mehr über sie und ihre Arbeit erfahren Sie auf www.bartocha-photography.com.
© Sandra Bartocha, mit freundlicher Genehmigung
© Sandra Bartocha, mit freundlicher Genehmigung
Nick Fancher ist ein Fotograf, Autor und Pädagoge, der sich unter anderem auf Musiker-Porträts spezialisiert hat und dabei oft dramatisches Licht, kräftige Farben und experimentelle Kameratechniken einsetzt. Er arbeitet meist mit minimaler Ausrüstung und an unkonventionellen Orten. Nick schloss sein Studium der Fotografie an der Ohio State University im Jahr 2005 mit einem BFA ab und hat mehrere Bücher über seine Techniken verfasst, darunter »Studio Anywhere« 1 & 2 (Teil 2 erschien im dpunkt.verlag unter dem Titel »Hartes Blitzlicht«) und »Chroma«. Auf seiner Website www.nickfancher.com finden Sie neben seinen Arbeiten auch die Möglichkeit, seinen Newsletter zu abonnieren.
© Nick Fancher, mit freundlicher Genehmigung
© Nick Fancher, mit freundlicher Genehmigung
David duChemin ist ein kanadischer Fotograf, Abenteurer und (wie er selbst sagt: zu seiner eigenen Überraschung und Freude) ein Bestsellerautor. Seine Bücher »Within The Frame«, »The Soul of the Camera« und »The Heart of the Photograph« wurden weltweit übersetzt (letztere beim dpunkt.verlag erschienen als »Die Seele der Kamera« und »Das Herz der Fotografie«) und für ihren unter Fotolehrbüchern seltenen Fokus auf Kreativität und Vision (statt auf Ausrüstung) gelobt. Auf seiner Website www.davidduchemin.com erfahren Sie mehr über ihn und seine Bilder. Ich empfehle Ihnen, duChemins sehr inspirierenden Newsletter »The Contact Sheet« zu abonnieren.
© David duChemin, mit freundlicher Genehmigung
© David duChemin, mit freundlicher Genehmigung
Folgende Fragen habe ich den dreien gestellt (ihre Antworten können Sie im O-Ton im Anhang »Die Interviews« ab Seite 169 nachlesen):
Wie würden Sie Stil in der Fotografie definieren?
Was waren rückblickend aus Ihrer Sicht die Weichenstellungen in Ihrer Karriere, die Sie zu der Art von Fotografie gebracht haben, die Sie heute betreiben?
Ist Stil etwas, über das Sie sich im Klaren sind und das Sie bewusst einsetzen? Wenn ja, würden Sie behaupten, Ihren Stil gezielt erreicht zu haben? Oder hat er sich im Laufe Ihrer Entwicklung als Fotograf ergeben? Welches waren dabei die maßgeblichen Faktoren? Oder ist Ihr Stil eine Zuschreibung durch Dritte, die keinen Einfluss auf Ihre Arbeit hat?
Wie würden Sie Ihren Stil charakterisieren? Nennen Sie dazu bitte ein paar Merkmale, an denen aus Ihrer Sicht dieser Stil erkennbar ist.
Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Kameraausrüstung zusammengestellt? Und inwiefern prägt diese Ausrüstung Ihren Stil? Haben Sie eine Lieblingskamera oder ein Lieblingsobjektiv?
Ist für Sie ein Stil abhängig von bestimmten Aufträgen oder Locations oder zieht sich ein Stil durch all Ihre Arbeiten gleichermaßen hindurch? Wie wirken spezielle Ideen oder Aufträge auf Sie und Ihre Art zu arbeiten?
Wie würden Sie Ihre Arbeitsweise charakterisieren, wie gehen Sie ein Projekt an?
Wie hängt Ihr Stil, zu fotografieren, mit Ihrer Persönlichkeit zusammen? Welche Ihrer Eigenschaften finden wir in Ihren Bildern wieder? Wenn Sie sich mithilfe der »Big Five« (Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus) charakterisieren: Wo liegen Ihre Stärken?
Der Reisefotograf und Buchautor duChemin fasst es für sich mit einem Satz von Paul Klee zusammen: »Er hat seinen Stil gefunden, denn er konnte nichts anderes«. DuChemin sagt aber auch, dass viele Fotografen sehr lange brauchen, um an diesen Punkt zu gelangen. Der authentische Ausdruck unserer Vorlieben ist oft tief verborgen und muss durch sorgfältiges Ausprobieren erst gefunden werden. Wenn sich etwas richtig anfühlt, ist man auf dem richtigen Weg. Auch ist Stil in der Fotografie für duChemin keine Mode oder gar ein Trend, sondern etwas Tieferes. Er spricht von der inneren Stimme, die unsere Persönlichkeit widerspiegelt. Eine sehr authentische Art, in unseren Bildern zu zeigen, was wir sagen wollen.
Auch für die Naturfotografin Sandra Bartocha ist Stil etwas, das wir alle in uns tragen, geprägt durch unsere Kultur und unsere persönlichen Erfahrungen. Doch wir müssen den Mut aufbringen, dies auch zu zeigen. Wenn wir in unserer Art, uns auszudrücken, nur anderen folgen, wird unsere Persönlichkeit nie unseren Stil prägen. Wir sind eben, was wir sind, und dort steckt unser Potential – in der Individualität jedes einzelnen. Aus Betrachterperspektive ist ein fotografischer Stil für Bartocha etwas, das sich als markantes Merkmal durch alle Bilder eines Künstlers zieht und somit für einen Wiederkennungswert sorgt.
Für den Porträtfotografen Nick Fancher ist Stil etwas bewusst Gewähltes. Er spricht von der konsistenten Perspektive in den Werken eines Fotografen, einer bewusst gewählten Sicht auf die Dinge, einem Design. Dieses kann in der Wahl der Motive oder bestimmter Objektive oder Blickwinkel liegen. Auch Farben oder eine bestimmte Bildbearbeitung sind für Fancher Möglichkeiten, den eigenen Stil auszudrücken. Das bewusste und definierte Handeln steht für ihn dabei immer im Zentrum. Eigenen Ideen und Sichtweisen münden in einem eigenen fotografischen Ausdruck.
Sehen wir uns nun die jeweiligen Stile der drei Fotograf*innen im Detail an (je zwei ihrer Bilder finden Sie auf den Seiten 10–17