Der eingespielte Haushalt - Katharina Rosenplenter - E-Book

Der eingespielte Haushalt E-Book

Katharina Rosenplenter

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Beschreibung

"Unsere eingespielte Hausordnung" das war der Maßstab aller Dinge und Bewertungen. Wehe, jemand wagte, anderer Meinung zu sein. Welche Auswüchse diese vorgefertigten Meinungen haben können, wird hier in einer Fülle von Begebenheiten dargestellt, über die man lachen könnte, wenn, ja wenn man wirklich über den Dingen steht.

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Inhalt

Lebenserfahrung

Das bisschen Haushalt…

Freund oder Feind??

Besuch zum Kaffee

Empört

Faul

Essen gehen

Die Queen

Die Preußin

Fürst Rainier

Die lieben Kleinen

Die ollen Ausländer

Eine schöne Hilfe

Kriminell und asozial

Wie verhext

Was sollen denn die Leute sagen?

Jäger und Sammler

Das Erben

Wir haben nichts zu verschenken

Modern

Vornehm

Geschenke

Vertickt

Gesundheit

Ruhe in Frieden

Lebenserfahrung

Sie betonten ständig ihre Lebenserfahrung. Sie wussten alles besser als wir, und ständig hieß es: Ihr müsst noch sehr viel lernen! Dabei hatten sie sehr genaue Vorstellungen, wie man etwas macht, nämlich so und nicht anders. Etwa bei einem Handwerker muss man drei Kostenvoranschläge einholen. Dabei war es egal, wie teuer die jeweiligen Angebote waren, sie nahmen sowieso immer denselben Handwerker, den sie schon kannten. Warum also der ganze Aufwand? Auf unser schüchternes Argument hin, dass man das auch anders lösen könnte, hieß es dann: „Ihr habt ja noch keinen Krieg mitgemacht!“ Ja, Gottseidank, aber was hatte das mit der Art und Weise zu tun, wie man eine Überweisung tätigt oder eine Auseinandersetzung mit der Behörde führte? Ob man schrieb, anrief oder persönlich hinging. „Ihr müsst wirklich noch sehr viel lernen!“ Auch wie man Socken zusammenlegte, darüber gab es Auseinandersetzungen. Ich rollte das Paar von der Spitze her ein, so dass sich eine Art Ball bildete. Sie kringelte eine Socke zusammen und stopfte sie in der anderen. Als ich meinen Mann auf meine Art aufmerksam machte: versetzte er ganz empört: „Aber meine Mutter hat es immer so gemacht!“ Na ja, Socken waren Hausfrauensache, letztendlich hat er sich nicht weiter darum gekümmert. Im Übrigen waren sie „modern“, das bedeutet, sie waren auf der Stufe von Nierentischen und Tütenlampen stehengeblieben. Und von den Veränderungen der modernen Welt haben sie so gut wie nichts mitbekommen .Einmal, da boten sie uns Pralinen an, trotz der vielen Kalorien, oder sollte ich ihr Gewissen beruhigen, wenn ich auch welche aß? Sie schmeckten übrigens nicht mal schlecht, und ich erfuhr, dass es belgische Pralinen waren, und die sind nun mal tatsächlich etwas Besonderes. Sie werden etwa in Aachen, das ja nicht weit von der belgischen Grenze ist, in einem kleinen Laden nach Gewicht verkauft. Und sind eine Köstlichkeit. Sie prahlte damit, wie teuer sie gewesen seien. „Und da muss man einen Haufen Zoll dafür bezahlen, gerade für Pralinen aus Belgien!“ Nun wusste ich, dass die Zölle im Rahmen der europäischen Union vor Jahren abgeschafft worden waren. Ich sagte es ihr. „Was weißt du schon von Zöllen! Ich bin schließlich älter als du, und als wir zur Tulpenblüte geflogen sind, da haben wir alles verzollen müssen. „Ja, sicher aber das hatte sich inzwischen geändert, und ich wusste das ganz genau, weil ich das Thema gerade im Politikunterricht behandelt hatte. „Bild dir bloß nichts ein, weil du studiert hast! Du glaubst wohl, du bist war Besseres?“ Ich versuchte ihr die Grundzüge der europäischen Zollunion zu erklären, was sie mit der bekannten aggressivhässlichen Lache abtat. „Du bist nischt weiter als ein Klugscheißer! Hat man so was schon mal gesehen? Ich bin ein bisschen älter wie du, und du brauchst mir da nischt vormachen!“, also zwecklos. Mein Mann meinte später, meine Ausführungen wären wohl etwas zu akademisch gewesen, und ich sollte nicht immer darauf bestehen, Recht zu haben.

Aber einmal, da ist ihm doch der Kragen geplatzt. Wir waren auf dem Weg in den gemeinsamen Urlaub, und da die Strecke nach Österreich doch sehr weit ist, hatten wir einen Zwischenstopp in Augsburg eingeplant. Das bedeutet, dass wir auf der Höhe von Nürnberg die Autobahn verlassen mussten und auf der Landstraße weiter fuhren. Dabei passierten wir südlich von Nürnberg die Reste des Parteitagsgeländes, dessen größenwahnsinnige Überreste noch immer eine Ahnung davon spüren ließen, was sich hier abgespielt hatte. Warum man sie nicht restlos gesprengt hatte, war mir rätselhaft. Es war ein trüber Tag, und die monumentalen Überreste bildeten eine etwas gespenstische Kulisse. Sie sagte gar nichts, aber dann plötzlich: „Hier ist ja nichts, aber wenn am Wochenende die ganzen Veranstaltungen stattfinden, dann ist hier ja ordentlich was los!!“ Mein Mann hatte vor Verblüffung das Auto beinahe in den Straßengraben gelenkt. „Mutter, hier ist seit 1945 nichts mehr los!! Tote Hose. Das war mal!“ Sie erwiderte: „Ach so“, aber glaubte offensichtlich nicht, dass wir Grünschnäbel recht hatten.

Ganz besonders fiel uns auf, dass sie in ihrer Lebenserfahrung meinten, als Westberliner etwas ganz Besonderes zu sein. Als unser Studium sich dem Ende näherte, da gab es unheilvolle Prophezeiungen, dass wir mit unseren Fächern nie eine Anstellung als Lehrer finden würden, da das Fach Latein sowieso abgeschafft würde. Eine tote Sprache! Nur ein junger Kollege in meinem Fachseminar, der tönte, als SPD- Mitglied hätte er als einziger die Aussicht auf eine Stelle, weil er den damaligen Regierenden Bürgermeister aus seinem Ortsverband kennen würde. Wir anderen wären alle Idioten, und wir würden in die Röhre gucken. Nur er, der sich mit dem Regierenden duzte, hätte die Aussicht auf einen Job. Dass sie SPD damals ein Selbstbedienungsladen war, nur mit Parteibuch bekam man eine Wohnung, einen Schrebergarten, eine Beförderung, das wussten wir, und es kotzte uns an. Daher waren wir sehr erfreut, als das Land Niedersachsen eine riesige Anzeigenkampagne startete, in der händeringend Lateinlehrer gesucht wurde. Wir schrieben an die entsprechende Adresse, und es wurden uns Dutzende von Angeboten gemacht. Als wir nun im trauten Familienkreise andeuteten, dass wir eventuell nach Braunschweig gehen würden, da brandete die Empörung auf. „Wie könnt ihr so was machen, als Berliner ist man doch etwas ganz Besonders! Der Sowieso ist auch nach Westdeutschland gegangen, und ganz schnell zurückgekommen. Es geht nichts über Berlin! Und da kennt ihr keinen, ihr werdet das schon noch bitter bereuen!“ Na ja, sie waren über fünfzig Jahre nicht umgezogen, und hatten sich nichts, aber auch gar nichts zugetraut. Mein Schwiegervater hätte eine Laufbahn Prüfung machen können, die ihn zur Beförderung berechtigte. Er tat das nicht, und wenn man ihn nach dem Grund fragte, nun dann wurde er aggressiv. Weil sie sich nichts zugetraut hatten, durften wir das auch nicht. Dabei wäre es interessant gewesen, mal aus dem miefigen Westberlin herauszukommen, wo doch alles im eigenen Saft schmorte und wo man wie in einem Käfig eingesperrt war. Störend war, dass die Westdeutschen in vielen Fällen von einer bodenlosen Ignoranz waren. So fragten sie meistens, ob wir aus West-oder Ostberlin kämen. Unsere Antwort, dass wir, aus Ostberlin kommend, kaum hier wären, wurde mit Erstaunen begleitet. Und wir wurden gefragt, ob wir denn genug zu essen hätten und ob wir überhaupt Apfelsinen und Bananen kriegten. Man konnte darüber nur den Kopf schütteln. Jedenfalls ergab sich, als wir dann soweit waren, doch eine Möglichkeit, auch in Berlin eine Stelle als Lehrer zu bekommen, wir konnten uns sogar die Schule aussuchen. Aber wir hätten doch ganz gerne mal etwas ganz anders kennengelernt. Von den Lebenserfahrungen meiner Schwiegereltern konnten wir jedenfalls nichts lernen. Wenn wir uns nach denen gerichtet hätten, dann wären wir heute arbeitslos und würden ihnen auf der Tasche liegen. Das haben sie sich aber immer verbeten.

Das bisschen Haushalt…

Sie hielt sich auf jeden Fall für etwas Besseres: Und sie renommierte mit ihrer vornehmen Schwiegertochter. Leider ist das gründlich schiefgegangen, weil ich so gar nicht vornehm - so wie sie das sah - war. Aber ein Studium ist eben ein Statussymbol. Und angeben wollte sie ja mit ihren akademischen Kindern. Aber das hieß nicht, dass sie mir nicht etwa folgendes unter die Nase rieb: Du hast vielleicht studiert, aber als Hausfrau kannst du mir nicht das Wasser reichen. Das stimmte sogar. Sie war Weltmeister im Saubermachen, das machte niemand gründlicher als sie. Die Vorbereitungen für den großen Putz, der am Freitag stattfand, begannen schon am Donnerstag. Alles, was an Möbeln tragbar war, wurde auf das Treppenpodest im Hausflur geräumt. Da sie im zweiten und damit obersten Stock wohnten, störte das auch keinen weiter. Ihre Nachbarin, Luischen, schlich ohnehin lieber über den Trockenboden, von dem aus alle Aufgänge des Hauses zu erreichen waren, ins Haus Nummer 16 zu Herrn Haferkamp, damit man nicht sehen konnte, wohin sie ging. Wenn sie nämlich durch ganz normal durch die Haustür gegangen wäre, dann hätten das alle gesehen. Gelegentlich kam Herr Haferkamp auch zu ihr, dann wurde Klavier gespielt. Und nicht nur das, irgendwann schwieg das Klavier, das Haus hatte auch sehr dünne Innenwände. Jedenfalls störte sich Luischen nicht an der Möbelparade im Treppenflur. Am Freitag dann der eigentliche Hausputz, bei dem das Unterste zu Oberst gekehrt wurde. Wenn ihr Sohn dann aus der Schule kam, empfing ihn eine heulende und tobende Megäre: Ich bin mit meinem Plan völlig hinterher, und jetzt kommst du blöder Bengel auch noch! Kein Wunder, dass mein späterer Mann den größten Teil seiner Kindheit und Jugend auswärts, bei Schulfreunden verbracht hat. Bei Hoffmanns war er so zu Hause wie ein zweites Kind, Mutter Hoffmann machte es nichts aus, noch einen weiteren Jungen mit Kaffee und Kuchen zu versorgen und bei Ehrenbergs war es sowieso egal, ob da drei, vier oder mehr Bengels durch den Garten tobten. Vielleicht war dieses Nestflüchterdasein mit eine Ursache dafür, dass wir später so oft umgezogen sind, weil mein Mann sich in der Wohnung, die die eigene war, nie heimisch gefühlt hat. Übrigens fand dieses Saubermachspektakel nicht nur vor hohen Feiertagen oder einmal im Monat statt, sondern jede Woche. Dafür konnte man bei ihr, wie es so schön heißt, vom Fußboden essen. Allerdings habe ich die Notwendigkeit nie eingesehen, warum man vom Fußboden essen musste, als normaler Mitteleuropäer pflegt man dazu an einem Tisch zu sitzen und seine Mahlzeiten auf Tellern angerichtet mit Besteck zu sich zu nehmen. Auf dem Fußboden sitzt man bei Berberstämmen im Hohen Atlas oder in mongolischen Jurten, wo aber immerhin eine Art Teppich In die Mitte gelegt wird und das Essen auf tragbaren Platten und Schalen angerichtet wird, die nachher wieder weggeräumt werden. Das wird heute als Studienreise und als sanfter Tourismus angeboten. Jedenfalls wusste ich, dass man am Donnerstag und Freitag absolut unerwünscht war. Was den Zeitplan anging, so musste sie allerdings mit ihrem Tun fertig sein, wenn mein Schwiegervater von der Arbeit nach Hause kam, weil der eine ordentlich eingerichtete Wohnung verlangte. Sie schaffte das auch, aber…“ich sitze erst seit fünf Minuten!“ Zu essen gab es dann eine Tütensuppe, weil sie ja keine Zeit zum Kochen gehabt hatte. In diesem Zusammenhang sind mir zwei Begebenheiten noch in Erinnerung: Nach dem Studium dauerte es etwas, bis wir eine feste Anstellung bekamen, und so überbrückten wir die Zeit mit Nachhilfeunterricht und Kursen an der Volkshochschule. So ergab es sich einmal, dass ich als Vertretung an der Volkshochschule Tegel zu tun hatte, und sie schlug vor, dass ich sie dann doch einmal besuchen könnte. Da es sich bei diesem Tag um einen Dienstag handelte, dachte ich an nichts Böses und sagte zu. Nach dem Ende der Stunde an der Volkshochschule machte ich mich dann auf den Weg, es waren nur fünf Minuten und stieg die zwei Treppen hoch zu ihrer Wohnung. Das ganze Treppenpodest war vollgeräumt mit den Möbeln aus dem Arbeitszimmer meines Schwiegervaters. Ich war zunächst unsicher, ob ich mich im Datum geirrt hatte, aber wurde dann gleich aufgeklärt: „Der Alte ist zu seiner Briefmarkenbörse gegangen, jetzt habe ich endlich Zeit, dem seine Dreckbude aufzuräumen!“ Auf meine bescheidene Frage, ob ich denn ungelegen käme, bekam ich die Antwort: „Du weißt doch, dass der Dienstag für mich ein ganz normaler Arbeitstag ist. Da kann ich keinen Kaffee machen! Das habe ich dir doch vorher gesagt!“ Hatte sie zwar nicht, und meine Fähigkeiten zum Hellsehen sind auch sehr begrenzt, jedenfalls bin ich recht bald wieder gegangen.

Ein anderes Mal ging es um die Schrankwand. Endlich, endlich konnten sie sich so ein Möbelstück in Eiche dunkel, „altdeutsch“ leisten. Wir als junge Studenten lehnten ein solches Möbel als Inbegriff des Spießbürgertums ab und besaßen demzufolge auch keine Schrankwand, ebenso wenig wie eine plüschige Couchgarnitur. Das nahmen sie uns persönlich sehr übel. Jedenfalls hatten sie sich so ein Teil ausgesucht, und nun sollte es geliefert werden. Knippenberg, der Hauswart, Knippi, der mit dem Weihnachtsbaum, kam mit einer Riesenwerkzeugtasche, um den alten Schrank abzubauen und im Arbeitszimmer meines Schwiegervaters wieder aufzustellen. Das ging auch ganz gut, weil der trotz seiner 50er Jahre und „modernem“ Stil grundsolide Tischlerarbeit war und sich weder verzog noch Probleme bei den Verschraubungen machte. Jeder, der heutzutage Möbel kauft und sie dann in einem Karton in Einzelteilen geliefert kriegt, weiß, wovon ich rede. Als der Schrank nun aus dem Wohnzimmer raus war, kam sie mit einem Putzeimer, Wischlappen und Schrubber. „Endlich kann ich da mal richtig saubermachen!“ Mir war nur nicht ganz klar, wieso sie es vorher nicht gekonnte hatte. Der alte Schrank hatte nämlich Beine, die etwa vierzig Zentimeter hoch waren, da kam man ganz bequem drunter. Ich staune auch, dass der Fußboden das mitmachte. Aber der bestand aus Dielen, die mit dunkelbrauner Ölfarbe gestrichen waren, das war wirklich gute Qualität. Nur der Schrubber, der hatte das nicht so ganz mitgemacht, der bestand nämlich nur noch aus einem Stil mit einem Querholz dran. Die ursprünglich eingesetzten Borsten waren längst verschwunden, abgewetzt bei der ständigen Putzerei. Das war übrigens das letzte Mal, dass dort gewischt wurde. Die Monteure von Möbelkunst bauten die Schrankwand auf, und da blieb sie auch, bis meine Schwiegermutter aus der Wohnung auszog. Als es Jahre später modern wurde, Auslegware im Wohnzimmer zu verlegen, wurde diese um die Schrankwand herumgeschnitten, ebenso wurde die jeweils neue Tapete herumtapeziert, man sah es ja nicht. Übrigens, Respekt, die Schrankwand hat über vierzig Jahre überdauert, und sie ist nur auf den Sperrmüll gegangen, weil die Wohnung nach dem Tod meiner Schwiegermutter aufgelöst wurde und keiner sie haben wollte.

Im Übrigen, mit der perfekten Hausfrau stimmte eigentlich auch nicht so ganz, zum Beispiel stellte sich heraus, dass eigentlich nur mein Schwiegervater Kartoffeln schälen konnte. Nach seinem Tod hat sie sich nur noch von Reis und Nudeln ernährt, Wir waren entsetzt, was sie sich da für einen Fraß zusammenkochte, aber den Hinweis auf Essen auf Rädern blockte sie damit ab, dass die nur Kantinenessen lieferten. Das stimmte gar nicht, wir haben genug Angebote gesehen von Schonkost über vegetarisch, Diabetiker-und Vollwertkost, Menüwahl usw. Als das Argument nicht zog, war das Essen viel zu „teuaa“. Bloß wenn man die Kosten dazurechnete, wenn man die Zutaten selber kaufte, kam es aufs selbe raus, und dazu musste man drei Tage hintereinander dasselbe essen oder die Hälfte wegschmeißen. Als letztes Rückzugsgefecht kam dann, „die stellen das Essen vor die Tür anne Erde, das ist so unhygienisch“. Irgendwann hat sie dann doch Essen auf Rädern bestellt, aber sich gehütet, uns das zu sagen. Wir haben es erst viel später mitgekriegt. Im Übrigen hatten die Lieferanten vom Essensdienst einen Generalschlüssel vom Servicebüro in ihrer Wohnanlage und stellten das Essen auf dem Küchentisch ab.

Ein weiterer Punkt war, dass sie bis zu ihrem Lebensende nie gelernt hat, Spargel zu schälen. Sie aß ihn nur als Konserve aus dem Glas. Was ihr da entgangen ist, hat sie nie gewusst. Und was das Kochen angeht, da ist eine Episode bezeichnend. Ein Kumpel meines Schwiegervaters, genannt „der Dicke“ verdient seine Brötchen als Pharmareferent, und so kamen meine Schwiegereltern in den Besitz einer Großpackung von Zupavitin-Suppen. Das ist eine Diätnahrung, so ähnlich wie Almased, man ersetzt damit reguläre Mahlzeiten. Und da sie sowieso immer daraus aus war, abzunehmen, gab es jetzt fünfmal die Woche Diätsuppe, mit künstlichen Geschmacksstoffen als Gemüse- Champignon oder Kräutersuppe aufgepeppt. Das macht ja keine Arbeit. Ebenso hat sie nie gebacken, auch deswegen, weil der Backofen danach stundenlang gereinigt werden musste. Es gab also immer nur gekauften Kuchen. Und was die Betreuung von Fenstern und Gardinen anging, da kam ein bis zweimal im Jahr der Fensterputzer und für die Gardinen der Dekorateur. Ob sie es nun für ein Zeichen von Vornehmheit hielt, sich Gardinen anzuschaffen, die ein normaler Mensch nicht bändigen konnte, das habe ich nie rausgekriegt. Ein Argument war: „Ick mit meine Wirbelsäule, ick kann das nicht!“ Also musste mein Schwiegervater auf die Leiter, und der hatte es nun wirklich mit der Wirbelsäule, konnte aber mit den Stores umgehen, ohne gelernter Dekorateur zu sein. Also mit der Superhausfrau, ganz so doll war es wohl doch nicht.

Freund oder Feind??

Sie hielten sich offensichtlich für sehr wertvolle Mitglieder der menschlichen Gesellschaft. Anders war es wohl nicht zu erklären, dass sie sich so in ihrer Wohnung verbarrikadierten. Neben dem gewöhnlichen Drücker, mit dem man die einfach nur zugeschlagene Tür öffnen konnte, gab es da noch ein dickes Kastenschloss mit einem Schlüssel, so gewaltig wie man ihn sonst nur bei Domkirchen oder Königspalästen findet. Auf eigene Kosten hatten sie sich noch ein zweites Schloss einbauen lassen, mit einem Sicherheitsschlüssel, der verdächtig nach Banksafe aussah. Uns ist nie klar geworden, wozu das Ganze notwendig war, schließlich wohnten sie im zweiten Stock, und jeden Abend um 20 Uhr kam der Hauswart und schloss die Haustür mit einem Generalschlüssel ab. Die Haustür konnte man nur mit einer merkwürdigen Vorrichtung verschließen, die aus nicht wie ein normaler Schlüssel aussah, sondern aus einer Stange mit Schlüsselbart an beiden Enden bestand. Zudem bestand ihre Wohnungstür aus massivem Holz. Wir dagegen wohnten damals in einem Neubau, hatten nur ein Schloss an der Wohnungstür, das sowohl als Türdrücker diente als auch abschließbar war. Allerdings wohnten wir in einem sogenannten geschlossenen Haus, das heißt es gab draußen ein Brett mit Klingelschildern, aber die Tür stand sowieso immer auf, weil in unserem Haus viele Mütter mit kleinen Kindern wohnten und nicht die Zeit fanden, mit Kinderwagen und mindesten zwei Kleinen auch noch die Haustür zuzumachen. Außerdem hätte ein kräftiger Windstoß unsere Tür in ihre Einzelteile zerlegt. Aber wir dachten uns nichts dabei, und es ist auch nie etwas passiert.

Jedenfalls, wenn wir sie besuchten, gab es ein ausgeklügeltes Ritual. Wenn wir vor der Wohnungstür standen und geklingelt hatten, dann sah man, wie sich jemand hinter der Tür bewegte und durch den Spion guckte. Dann kam die Frage: Freund oder Feind? Wie antworteten: wir sind’s. Eigentlich blödsinnig, denn sie hatten uns mit Sicherheit kommen sehen und uns im Treppenhaus gehört, der Weg in den zweiten Stock nimmt ja etwas Zeit in Anspruch, und vermutlich hatten sie schon hinter der Gardine gestanden und die Straße beobachtet, wer da kommt. Und da wir um Punkt 15 Uhr verabredet waren, hätten wir es nicht gewagt, eine Minute zu spät zu kommen. Also, wer anders als wir konnte das wohl sein?

Dann erfolgte ein Gerassel, das erste Schloss wurde herumgeschlossen, das zweite Schloss wurde herumgeschlossen, die Klinke wurde von innen heruntergedrückt, dann konnten wir endlich eintreten. Hinter uns wurde das erste Schloss wieder herumgeschlossen und der Schlüssel steckengelassen, das zweite…. Als wir fragten, warum das eigentlich so gehandhabt wurde, da erwiderte man uns: Ihr Gänseköppe werdet es noch erleben, dass man euch die ganze Bude ausräumt!, es folgte ein Lachen, das kein Zeichen der Freude war, sondern sehr hässlich klang, so als ob sie in ihrer Altersweisheit schon immer prophezeit hatten, dass uns so wegen unserer Lebensunerfahrenheit etwas passieren würde. Es ist aber nie passiert, nur diese Diskussion um die Schlösser wiederholte sich pausenlos. Einmal, als ihre Schwester auch zu Besuch war, und es wieder um die Einschließerei ging, und sie betonten, dass sie auf eigene Kosten das zusätzliche Schloss ... da gab Tante