Bon Voyage - Katharina Rosenplenter - E-Book

Bon Voyage E-Book

Katharina Rosenplenter

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Beschreibung

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Es geht dabei meist um exotische Abenteuer, je entlegener und unbekannter das Reiseziel, umso besser. und den Zusammenprall mit fremden Kulturen. Aber heute, wo es möglich geworden ist,von der Südsee bis zur Antarktis die entlegensten Orte aufzusuchen, spielt das kaum noch eine Rolle.Denn: das Aufregendste findet man nicht, je weiter man verreist, sondern es liegt ganz in der Nähe. Es kann am abenteuerlichsten sein, wenn man mit Freunden oder Verwandten wie Eltern verreist. Da können die Ziele auch direkt vor der Haustür liegen, man weiß nie, was da als nächstes passieren kann. Viel Vergnügen also bei der Schilderung dieser ausnahmslos selbst erlebten Reisegeschichten!

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Inhalt

Bon Voyage

Morgens Fango

Aber bitte ohne Sahne!

Würzburg

Die Schweiz

Lofer

Lofer- die Zweite

Alt-Nürnberg

Auf nach Österreich

Ich war gar nicht da

Wir gehen ins Einkaufen

Das ist das letzte Mal!

Wallgau

Ein Dorffest mit schlimmen Folgen

Reisebekanntschaften

Warnemünde

Reisen alternativ

Menschen im Hotel

Monsieur Jacques

Bon Voyage

Ja, wir sind mit ihr auch verreist. Auch mit beiden. Einfach war es nie, zumal sie über Reisen felsenfeste Grundsätze hatten. Als junge Leute haben wir darüber noch gelacht, aber einmal hat sie mir einen Sommerurlaub so versaut, dass ich mich wegen Depressionen in ärztliche Behandlung begeben musste. Unser Hausarzt hatte ein ähnliches Exemplar von Schwiegermutter und war deswegen voller Verständnis. Er hat die Sache auch mit einem milden rezeptfreien pflanzlichen Mittel wieder hingekriegt.

Ihr beider Grundsatz war: Wenn man ein Haus hat, verreist man nicht. Entweder – oder! Wir besaßen die Frechheit, trotz Haus zu verreisen. Wir sind nicht am Bettelstab gelandet.

Aber ganz früher hatten sie wirklich nicht die Möglichkeit, zu verreisen, und wenn, dann ganz bescheiden: Die Frühstückspension, mit mehr als bescheidenen Zimmern – wir sind ja sowieso nur zu Schlafen da – sowie dem berüchtigten Aufenthaltsraum, in dem Totenstille zu herrschen hatte, mit einem Haufen zerlesener Illustrierten; aber die meisten Gäste nahmen sich sowieso ihre eigenen Bücher mit. Ein paar Mutige spielten Canasta oder Doppelkopf, auch gab es Gesellschaftsspiele wie „Mensch ärgere dich nicht“ oder irgendwelche Quartettkarten. Man wanderte den ganzen Tag. Viel später lief auch ein Fernseher, aber da man sich selten auf ein Programm einigen konnte, oder ob er überhaupt laufen sollte, war das auch nicht so toll. Da war dann die Alternative, abends auf ein Glas Wein wegzugehen, dorthin, „wo die Einheimischen auch hingehen.“ Die Einheimischen gingen aber nicht in die Kneipen, sondern verdienten Geld mit den Touristen. Ansonsten bestand der Urlaub nur aus Wanderungen. Man ging nach dem Frühstück los, und dann war man stundenlang unterwegs. Über Mittag kehrte man ein in einem Landgasthof, da gab es dann irgendein Essen, was nicht allzu viel kosten durfte. Und der Weg dorthin ging durch die heiße Sonne, die Wanderwege waren ohne Schatten. Aber das machte ihnen nichts aus. Man lief „die Chaussee“ entlang, wenn man die Landstraße benutzen musste, Merkwürdigerweise gingen sie immer an der Straße entlang, Wanderwege benutzten sie selten, vielleicht weil sie sich da zu weit weg von der Zivilisation fühlten, obwohl der Weg durch den Wald höchstens eine Stunde dauerte und man immer in der Nähe von irgendwelchen Behausungen war. Aber sie taten so als ob sie auf einer Urwaldexpedition wären, „die Chaussee“ war da eben sicherer. Abends „hielten sie sich ihr Abendbrot selbst“, das heißt, sie hatten Butter und Aufschnitt im Gästekühlschrank. Die Frühstückspensionen waren darauf eingerichtet. Und abends weggehen, das war absolut nicht drin. Man saß höchstens im Aufenthaltsraum und sah sich einen langweiligen Film an. Das war übrigens ein ewiger Zankapfel zwischen uns weil sie meinten, wir „schmissen unser Geld zum Fenster raus“, wenn wir abends auf ein Glas Wein irgendwo einkehrten. Dass wir mittags so gut wie nie eine volle Mahlzeit zu uns nahmen, höchstens eine Kleinigkeit und unsere Hauptspeisezeit das Abendbrot war, das war ein weiterer Punkt, der ihre Missbilligung fand. Es war also nicht so einfach, mit ihnen zu verreisen. Sie machten uns ständig Vorschriften, wie wir uns zu verhalten hatten, und wehe, es war nicht genauso wie sie es taten.

Morgens Fango

Es gab allerdings eine Möglichkeit, „mal rauszukommen“. Man konnte sich eine Kur verordnen lassen. Mein Schwiegervater, der bei der AOK arbeitete, kannte sich da bestens aus, und der Sozialstaat warf den Leuten Kuraufenthalte förmlich hinterher. Allerdings konnte es passieren, dass sie getrennt zur Kur mussten, und ganz früher musste man sogar mit einer fremden Person das Zimmer teilen. Wehe, man erwischte einen Schnarcher.

Besonders Sie genoss die Kuren. Wovon sie sich erholen musste, ist mir nie ganz klar geworden. Sie arbeitete nicht, und wenn sie sich in eine Dreizimmerwohnung kaputt schuftete, war das ihr Problem. Alle zwei Jahre musste es sein. Natürlich hatte sie dann über alles zu meckern, die Zimmer, die schlechte Verpflegung, die unaufmerksamen Ärzte, kurz, alles. Die Umgebung war eine einzige Enttäuschung. „Ich glaube, da fahr ich nie wieder hin!“ Aber zwei Jahre später ging es wieder los, nur eben woandershin. Was sie am jeweiligen Ort eigentlich außer Massagen oder Gymnastik so interessant fand, wissen wir nicht. Sie lernte Leute kennen, mit denen sie spazieren ging und sich auch noch nach der Kur Briefen schrieb. Nur einmal…

„Er war Oberfinanzdirektor und er hat mich sehr verehrt….“Es stellte sich heraus, dass er zwar bei der Oberfinanzdirektion beschäftigt war, aber „nur“ Inspektor. Da die Oberfinanzdirektion eine Berliner Behörde war, wohnte er logischerweise in Berlin. Und er kam eines Tages tatsächlich an und stand bei ihr auf der Matte. Bloß gut, dass mein Schwiegervater an diese Tag unterwegs war zum Briefmarkensammlertreff und damit den ganzen Tag außer Haus. Der hat die Sache nicht mitgekriegt.

Aber bitte ohne Sahne!

Es gab noch eine andere Möglichkeit, umsonst zu verreisen. Oma war Kriegerwitwe und hatte eine behinderte Tochter, die schon erwähnte Tante Pauline. Deswegen hatte sie jedes Jahr Anspruch auf eine Urlaubsreise in die Fränkische Schweiz. Meine Schwiegermutter moserte zwar, weil sie der Auffassung war, eigentlich stünde nur ihr das zu. Das ist aber eine andere Sache. Jedenfalls waren wir mal in Bamberg, und da wir mit dem Auto unterwegs waren, kamen wir auf die Idee, wir könnten doch mal die beiden besuchen. Der Weg dorthin war recht abenteuerlich, kurvig und eng, so dass wir erst mal im Straßengraben landeten. Ein netter Bauer zog uns mit seinem Traktor wieder raus und überschüttete uns mit einem Wortschwall, von dem wir kein Wort verstanden. Geld wollte er jedenfalls keins. Endlich kamen wir an. Die Gegend heißt nicht umsonst Fränkische Schweiz. Man bewegte sich am besten mit einem längeren und mit einem kürzeren Bein, wegen der steilen Hänge. Was Oma und Tante Pauline dort eigentlich wollten, war uns schleierhaft. Tante Pauline war schwer gehbehindert, sie bewegte sich nur vom Bett an den Tisch zum Essen oder auf die Terrasse. Oma war zwar nicht gehbehindert, aber verließ ihre Berliner Wohnung so gut wie nie, nicht mal zum Einkaufen. Das machte mein Mann, jede Woche, und bekam dafür eine Mark und ein Bier, und Später, als er nicht mehr kommen konnte, weil er verheiratet war und am anderen Ende der Stadt wohnte, da machte das Tante Käthe , die Nachbarin. Also, die Fränkische Schweiz war eine reine Verschwendung. Tante Pauline thronte auf der Terrasse, las Schmöker und rauchte, dabei schaufelte sie tonnenweise Kuchen in sich hinein. Sie waren überrascht, als wir sie besuchten, und da die anderen Rentner zu einer Wandertour aufgebrochen waren, langweilten sie sich. Oma zeigte uns ihr Zimmer, nicht sehr komfortabel, aber für umsonst, na ja, und sie lobte das gute Essen. – „ Ich habe schon zwei Kilo zugenommen. Paulinchen muss aufpassen!“ Tatsächlich war Paulinchen nach der Reise so unbeweglich geworden, dass sie auf der besagten Terrasse stolperte und sich das Bein brach.- Aber davon war jetzt noch keine Rede. – „wollt ihr Kaffee trinken?“ Ja, natürlich, aber den mussten wir selbst bezahlen, nur die Vollpension war frei. Ja, wollten wir, und der Apfelkuchen war offensichtlich selbst gebacken, und keine Industrieware. Paulinchen wollte ein Eis. „Sechs Bälle Eis bitte!“ Die Bedienung verzog keine Miene. – „ Mit Sahne?“ - Völlige Empörung. „Natürlich ohne Sahne, dann nehme ich ja noch mehr zu!“

Würzburg

Wie sind sie nur auf Würzburg gekommen? Das war das Ergebnis einer Kur. Sie hatte dort eine Dame kennengelernt, die in Würzburg ein großes Haus hatte, und die hatte sie dann auch eingeladen, Das Haus war tatsächlich sehr groß, weil es ein Mietshaus mit zehn Wohnungen war, das die Dame geerbt hatte. Sie bekam als Quartier eine Mansarde ohne fließendes Wasser zugewiesen.

Jedenfalls zogen beide beim nächsten Besuch in Würzburg ein Hotel vor. Dass es in Franken zuweilen sehr rustikal zugehen konnte, wussten wir nur zu gut. Da mein Mann an seiner Doktorarbeit über einen mittelalterlichen Dichter aus Bamberg schrieb, haben wir diese Stadt oft besucht. Und lieben gelernt. Zwar war die ganze Gegend in den 70ern sehr arm und wenig entwickelt, aber die malerischen Winkel der Stadt, die schöne Landschaft und die fränkische Gastfreundschaft wogen das allemal auf. Die Speisen waren deftig, aber schmackhaft. Und das Bier ein Genuss. Dafür nahm man in Kauf, dass der Umgangston rau, aber herzlich war. In Bamberg gingen die Uhren einen Tick langsamer, das wog die nahezu unverständliche Sprache auf. Auch wenn es saugrob klang, war es doch nicht so gemeint.

Wir machten einmal einen Ausflug von Bamberg nach Würzburg mit dem Auto. Das hätten wir besser sein gelassen. Es war ein echtes Problem, im Parkhaus am Bahnhof ein Plätzchen zu bekommen, Und damit das nächste Problem; Würzburg ist ein wichtiger Bahnknotenpunkt. Also eine hektische Großstadt. Und wenn fränkische Grobheit sich mit Großstadtstress verbindet, dann ist das Ergebnis verheerend. Unfreundliche, hektische und meckernde Leute kann man auch in Berlin haben, da muss man nicht extra verreisen. Und man versteht die Sprache der Leute. Jedenfalls waren wir froh, abends wieder in unserem geliebten Biergarten in Bamberg zu sitzen. Da war alles eben doch einen Tick gemütlicher.

Anlässlich einer späteren Reise haben sie uns einmal in Bamberg besucht, als wir dort waren. Gefallen hat es ihnen überhaupt nicht. Aber das war wohl aus Prinzip.

Sie schwärmten so sehr von Würzburg, dass wir uns breitschlagen ließen, einmal dort drei Tage zu verbringen. Sie besorgten uns ein Zimmer in dem Hotel, in dem sie auch sonst zu wohnen pflegten. Es lag unter dem Dach, hatte schräge Wände und war im Juli brüllend heiß. Das Hotel insgesamt war so lala, nur nicht, was die Preise anging. Damals hatte man noch nichts vom Frühstücksbuffet gehört, also wurden einem die Wurstscheiben zugeteilt. Ein Ei kostete extra. Am zweiten Tag hatten wir alles gesehen, Fußgängerzone rauf und runter. Würzburg ist im Gegensatz zu Bamberg im Krieg stark zerstört worden und in den Nachkriegsjahren in einem nichtssagenden und austauschbaren Fußgängerzone-Modernen-Stil wieder aufgebaut worden.

Ja, die schönen Geschäfte! Naja, für irgendwelches kitschiges Porzellan hatte ich damals nicht so richtig Interesse. Was nützt ein Nobel-Service, wenn man sich nicht traut, es im Alltag zu benutzen, und dass Queen Elizabeth sich zum Dinner die Ehre gibt, ist bei uns eher unwahrscheinlich.

Auch die Confiserien reizten mich nicht – Pralinen habe ich noch nie gemocht, und Probleme mit den Kalorien habe ich nie gehabt, weil ich mich eben nicht mit Pralinen vollgestopft habe. Sie haben auch jeden Tag Eis gegessen. Auch nicht so mein Ding. Gelegentlich ganz gerne, aber täglich würde es mir schnell über.

Das Theater ging mal wieder los, als wir am Abend zusammen speisten. Frankenweine sind etwas Feines, und wir leistete uns noch ein zweites Glas. Wenn der Würzburger Stein gut ist, dann ist man eben neugierig auf die Lage vom Juliusspital. Am nächsten Morgen wurde mein Mann von seinen Eltern zum Verhör einbestellt. Diesmal ging es nicht um Geldzumfensterrausschmeißen – zwei Studienräte waren wohl in der Lage, sich im Urlaub zwei oder mehrere Gläser Wein zu leisten –nein, sie befürchteten, wir würden als Säufer unter der Brücke oder zumindest früh mit einem Leberschaden enden. Das ist jetzt über dreißig Jahre her.

Ach ja, noch etwas zur Qualität des Hotels. Das haben sie uns nach ihrer Rückkehr erzählt. „Da hat doch das Fremdenverkehrsamt von Würzburg einen Neger geschickt. Gottseidank haben sie gesagt, sie haben nichts frei, wo kämen wir denn da hin?“ Natürlich hatte sie etwas frei. „Aber das ist doch mal ein gutes Hotel, nicht wahr?“

Würzburg hat eine schöne Umgebung Die Weinberge an den Steilhängen des Maintals sind schon imponierend, besonders wenn man da zu Fuß rauf soll. Wir waren durch unsere Aufenthalte im Bayerischen Wald durchaus geübte Wanderer, aber zwei Stunden immer nur bergauf, das ist heftig. Mein Schwiegervater, der zu 100% schwerbehindert war, unter anderem wegen Rücken-und Herzproblemen, stöhnte schon, wir schwächelten, aber sie stiefelte gnadenlos vorneweg. Es war im August und ohne schattenspendende Bäume; und in Würzburg ist das Klima wärmer als hierzulande. Ziel war das „Käppele“, eine kleine Kapelle in den Weinbergen, die aber eigentlich gar nichts Besonderes war, nur eine edelkitschige Marienfigur im Inneren. Gottseidank gab es eine Gaststätte, wo man sich stärken konnte. Die Besonderheit war, dass man auf der Toilette 50 Pfennig in das Türschloss stecken musste, um sie aufzukriegen. In Franken gehen die Uhren eben anders. Wenn man wieder rauskam, fiel die Tür zu, bereit für das nächste Geldstück.