Deep End – Die unausweichliche Unanständigkeit von Liebe - Ali Hazelwood - E-Book

Deep End – Die unausweichliche Unanständigkeit von Liebe E-Book

Ali Hazelwood

0,0
12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

So steamy war Sports Romance noch nie! Seit einer schweren Verletzung hat Turmspringerin Scarlett Vandermeer das Gefühl, immer gegen den Strom zu schwimmen. Introvertierter denn je, will sie sich auf ihr Studium fokussieren. Für so etwas Kompliziertes wie Beziehungen hat sie keine Zeit – meint sie zumindest. Für Lukas Blomqvist, das Schwimm-Ass von Stanford, ist Disziplin einfach alles. So gewinnt er Goldmedaillen, so bricht er Rekorde: volle Konzentration, unerbittliche Härte, bei jedem Zug. Und obwohl sie nichts gemeinsam zu haben scheinen, finden sich Lukas und Scarlett plötzlich in einem Arrangement wieder, das eigentlich nur kurzfristig und zur beiderseitigen Befriedigung sein soll. Bis Scarlett begreift, dass ihr Herz längst in einen gefährlichen Strudel geraten ist ... Spicy wie nie lässt Bestsellerautorin Ali Hazelwood eine traumatisierte Turmspringerin und einen unwiderstehlichen schwedischen Schwimm-Superstar in verbotene Gewässer abtauchen. Mit einem Wiedersehen mit Olive und Adam aus »The Love Hypothesis«

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 630

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover for EPUB

Über das Buch

So steamy war Sports Romance noch nie!

Seit einer schweren Verletzung hat Turmspringerin Scarlett Vandermeer das Gefühl, immer gegen den Strom zu schwimmen. Introvertierter denn je, will sie sich auf ihr Studium fokussieren. Für so etwas Kompliziertes wie Beziehungen hat sie keine Zeit – meint sie zumindest.

Für Lukas Blomqvist, das Schwimm-Ass von Stanford, ist Disziplin einfach alles. So gewinnt er Goldmedaillen, so bricht er Rekorde: volle Konzentration, unerbittliche Härte, bei jedem Zug.

Und obwohl sie nichts gemeinsam zu haben scheinen, finden sich Lukas und Scarlett plötzlich in einem Arrangement wieder, das eigentlich nur kurzfristig und zur beiderseitigen Befriedigung sein soll. Bis Scarlett begreift, dass ihr Herz längst in einen gefährlichen Strudel geraten ist ...

Spicy wie nie lässt Bestsellerautorin Ali Hazelwood eine traumatisierte Turmspringerin und einen unwiderstehlichen schwedischen Schwimm-Superstar in verbotene Gewässer abtauchen. 

Mit einem Wiedersehen mit Olive und Adam aus »The Love Hypothesis«

Über Ali Hazelwood

Ali Hazelwood hat unendlich viel veröffentlicht (falls man all ihre Artikel über Hirnforschung mitzählt, die allerdings niemand außer ein paar Wissenschaftlern kennt und die, leider, oft kein Happy End haben). In Italien geboren, hat Ali in Deutschland und Japan gelebt, bevor sie in die USA ging, um in Neurobiologie zu promovieren. Mittlerweile ist sie sogar Professorin, was niemanden mehr schockiert als sie selbst. Ihr erster Roman »The Love Hypothesis – Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe« wurde auf TikTok zum Sensationserfolg und ist ein internationaler Bestseller.

Mehr unter: AliHazelwood.com

Instagram: @AliHazelwood

Anna Julia Strüh übersetzte ihr erstes Buch mit fünfzehn, Autorinnen wie Lily Lindon, Ali Hazelwood, Julie Soto u. a. folgten. Sie lebt in Leipzig und überträgt auch Lyrik ins Deutsche, etwa von Rupi Kaur.

ABONNIEREN SIE DEN NEWSLETTERDER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

die besten Neuerscheinungen aus unserem vielfältigen ProgrammLesungen und Veranstaltungen rund um unsere BücherNeuigkeiten über unsere AutorenVideos, Lese- und Hörprobenattraktive Gewinnspiele, Aktionen und vieles mehr

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

http://www.aufbau-verlage.de/newsletter

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Ali Hazelwood

Deep End – Die unausweichliche Unanständigkeit von Liebe

Roman

Aus dem Amerikanischen von Anna Julia Strüh

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Motto

Liebe LESERIN, LIEBER LESER,

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Epilog

Dank

Impressum

Wer von diesem Roman begeistert ist, liest auch ...

Das hier ist für die AmsterDAMNS.

Liebe LESERIN, LIEBER LESER,

schon wieder – vielen Dank, dass Ihr Euch eins meiner Bücher ausgesucht habt. Dieses hier ist womöglich mein absoluter Liebling von denen, die ich bisher geschrieben habe, und ich bin so froh, dass es nun in der Welt ist! Bevor Ihr eintaucht, sollt Ihr wissen, dass in diesem Buch einvernehmliche, abgesprochene Erkundungen von Kinks vorkommen – genau genommen von Erotic Power Exchange. Falls ihr Euch entschließt, es zu lesen, hoffe ich, dass Euch die Erfahrung gefällt.

Love,

Ali

Prolog

Es fängt alles damit an, dass Penelope Ross sich über den massiven Holztisch des Restaurants beugt, den Zeigefinger hebt und verkündet: »Der zehnte Kreis der Hölle: Du findest die Liebe deines Lebens, aber der Sex ist absolut mittelprächtig.«

Vor dem gesamten Wassersprung-Team der Stanford University.

Um elf Uhr fünfzehn vormittags.

Beim Brunch zu meinem einundzwanzigsten Geburtstag.

Vor vier Sekunden haben wir noch too much information über unsere Verdauungsprobleme miteinander geteilt, und der Themenwechsel ist so urplötzlich, dass mir schwindlig wird. Ich habe meine neu erworbenen Rechte voll ausgenutzt, aber kein Alkohol der Welt könnte mich davon abhalten herauszuplatzen: »Was?«

Nicht mein taktvollster Moment. Zum Glück wird meine Fassungslosigkeit von den Reaktionen unserer Teamkolleginnen übertönt – Brees Ausprusten ihres Drinks, Bellas schockiertem Keuchen und Victorias skeptischem: »Ist Blomqvist nicht die Liebe deines Lebens?«

»Ist er.« Pen nickt.

Ich flute meinen Mund mit Mimosa. Was zwar viel schlechter als stinknormaler Orangensaft schmeckt, aber der Rausch ist umso willkommener.

»Pen. Honey.« Bree wischt sich mit dem Saum vom Shirt ihrer Schwester Bella ihren Espresso Martini von der Brille – die es widerspruchslos zulässt. Muss so ein Zwillingsding sein. »Wie viele Drinks hattest du schon?«

»Na ja, ungefähr die Hälfte von dieser Karaffe.«

»Ah. Vielleicht sollten wir …«

»Aber in mimosa veritas.« Pen beugt sich noch weiter vor, senkt die Stimme zu einem Flüstern und macht eine ausladende Geste. »Ich vertraue mich euch an, Leute. Zeige mich verletzlich. Wir haben hier gerade einen Moment.«

Victoria seufzt. »Pen, ich liebe dich über alles, ich würde dir nach Mordor folgen und all diesen Scheiß, aber was wir hier nicht haben, ist ein Moment.«

»Warum?«

»Weil du dir diesen Quatsch ausgedacht hast.«

»Warum?«

»Weil ein so fucking toller Kerl wie Blomqvist garantiert auch richtig toll fickt.«

Ich lehne mich in meinem angeschossenen Zustand zurück und zwinge mich, an Lukas Blomqvist zu denken – ein für mich seltenes Vorkommnis. Die Leute denken, mich würde alles faszinieren, was in einem Schwimmbecken vor sich geht, aber nein. Der einzige Sport, den ich auch nur ansatzweise interessant finde, ist Wasserspringen. Meinetwegen auch Landspringen (oder, wie die Normalos es nennen, Turnen). Der Rest geht mir am Arsch vorbei. In der Welt des Wassersports ist einfach zu viel los. Ich kann nicht mal den Überblick über Stanfords Wasserballteam behalten, geschweige denn die Schwimmer.

Und dennoch, Blomqvist ist schwer zu ignorieren. Vermutlich wegen der Wagenladung Medaillen. Oder wegen der Weltrekorde. Außerdem: Wenn die Kapitänin meines Teams Teil eines Sportler-Power-Couples ist, geziemt es sich einfach, sich der anderen Hälfte zumindest bewusst zu sein. Pen und Blomqvist sind schon ewig zusammen. Nach allem, was ich weiß, wurden sie schon bei ihrer Geburt vermählt, um die diplomatischen Beziehungen zwischen Schweden und den Vereinigten Staaten zu zementieren.

Ich schließe die Augen, um meine bruchstückhaften Erinnerungen an ihn heraufzubeschwören. Schwarze Speedos, Tattoos. Kurze braune Haare. Überdurchschnittliche Flügelspannweite. Die majestätische und unfassbare Statur jedes Division-1-Schwimmers, den die Welt je gesehen hat.

Victoria hat recht. Wir können fest davon ausgehen, dass Blomqvist richtig toll fickt.

»Ich habe nicht gesagt, dass er es nicht tut. Und ja, er ist ein toller Kerl. Nur nicht …« Pen sinkt in sich zusammen, und das steht in so krassem Gegensatz zu ihrer üblichen strahlenden Selbstsicherheit, dass es meinen Mimosa-Nebel durchbricht.

Die Sache ist die: Pen ist großartig. Ehrgeizig. Inspirierend. Einer dieser Menschen, die instinktiv wissen, wie man jemanden dazu bringt, sich wohlzufühlen. Sie erinnert dich daran, genug Wasser zu trinken. Bietet dir das Haarband von ihrem Handgelenk an, wenn deine Haare an deinen Lippen kleben. Denkt an deinen Half Birthday. Ich könnte Kurse in persönlicher Entwicklung nehmen, bis ich fünfzig bin, und mich von einem Team von Datenanalysten umprogrammieren lassen und hätte dennoch nicht ein Drittel ihres Charmes, denn Charisma wie ihres entstammt in Chromosomen eingebetteten Basenpaaren. Und jetzt kaut sie auf ihren Fingernägeln, als hätte sie gerade eine Sozialphobie an sich entdeckt? Das gefällt mir gar nicht.

»Nur nicht … was ich will. Und ehrlich gesagt geht es ihm genauso«, fügt sie leise hinzu.

»Und das wäre?« Zum Glück spricht Victoria die Frage aus, die ich nicht zu stellen wage. Das extrovertierte, ungefilterte Mitglied, das jedes Team braucht.

»O mein Gott. Ich will nur … ihr wisst schon, manchmal …« Pen stöhnt.

Ich erstarre, plötzlich alarmiert. »Zwingt Blomqvist dich etwa …«

»Nein. O Gott, nein.« Sie schüttelt den Kopf, aber ich sehe wohl nicht überzeugt aus, denn sie fährt fort: »Nein. Das würde er nie tun.« Die anderen haben sich aus dem Gespräch ausgeklinkt – die Zwillinge zoffen sich, welcher Drink wem gehört, und Victoria winkt die Kellnerin heran. »So ist Luk nicht. Es ist nur … Wie sagt man seinem Freund, mit dem man schon so lange zusammen ist, dass man eigentlich etwas anderes braucht?«

Warum fragt sie das ausgerechnet mich? Bilden die Fältchen auf meiner Stirn etwa die Worte: Hat schon mal jemand darum gebeten, ihr den Hintern zu versohlen?

Ganz ehrlich, das würde mich nicht wundern. »Sind Skandinavier nicht ziemlich aufgeschlossen?«

»Vielleicht? Er ist definitiv aufgeschlossen, wenn es um …« Doch sie unterbricht sich, denn in diesem Moment stimmt eine kleine Gruppe schräg singender Kellner Happy Birthday an, und dann passieren viele Sachen auf einmal.

Ich blase die Kerze aus, die ziemlich prekär auf einem Lavakuchen balanciert. Das Team überreicht mir mein Geschenk: ein neues Zugseil zum Trainieren. Ich bin kurz überwältigt, dass jemand so chronisch Introvertiertes wie ich Leute gefunden hat, die so … Gott, die so nett sind. Dann muss Victoria aufs Klo. Pen bekommt einen Anruf von ihrer Tante. Bree will wissen, welche Kurse ich im Herbst belegen werde.

Zu viel. In zu kurzer Zeit. Wir kehren nicht noch einmal zu Penelope Ross’ und Lukas Blomqvists mysteriöserweise nicht perfektem Sexleben zurück – und das ist besser so. Was für ein Problem die beiden auch haben mögen, wahrscheinlich ist es völlig banal. Sie mag die Kondommarke nicht, die er benutzt. Er schläft ein, ohne vorher mit ihr zu kuscheln. Sie sind nach dem Training müde und zanken darüber, wer sich oben abmühen sollte. Geht mich nichts an, also lasse ich das Thema aus meinem Kopf gleiten wie einen Langflossenaal.

Bis sich ein paar Wochen später alles ändert.

Kapitel 1

Das, wovor es mir im dritten Studienjahr am meisten graut, beginnt an einem Mittwochmorgen, ein paar Wochen vor dem Start des Herbstsemesters. Es belegt den Slot von zehn bis elf Uhr in meinem Google-Kalender, ein einziges Wort, das weit schwerer wiegt als die Summe seiner Buchstaben.

Therapie.

»Das ist ziemlich unkonventionell«, sagt mir Sam in unserer ersten Sitzung, ohne Urteil oder Neugier in ihrer Stimme. Sie scheint Neutralität in allen Belangen des Lebens gemeistert zu haben – ihr beigefarbener Hosenanzug, ihr mittelstarker Händedruck, ein altersloses, elegantes Aussehen, das irgendwo zwischen vierzig und siebzig liegen könnte. Ist es für mich zu früh in unserer Bekanntschaft, um sie sein zu wollen? »Ich dachte, Athleten an der Stanford University hätten ihr eigenes Team lizensierter Sportpsychologen.«

»Ja, haben wir«, sage ich und lasse den Blick über die Wände ihres Büros schweifen. Die Diplome sind den persönlichen Fotos zahlenmäßig überlegen, in einem Verhältnis von vier zu null. Vielleicht sind Sam und ich bereits dieselbe Person. »Sie sind toll. Ich habe die letzten paar Monate mit ihnen gearbeitet, aber …« Ich zucke die Achseln, versuche zu vermitteln, dass es an mir lag, wenn die Therapie nichts gebracht hat. »Ich hatte vor ein paar Jahren einige Probleme, die nichts mit dem Wasserspringen zu tun haben. Damals hat mir kognitive Verhaltenstherapie gut geholfen. Mein Coach und ich haben darüber gesprochen, und da das Ihr Spezialgebiet ist, habe ich beschlossen, es mit der psychologischen Betreuung der Uni zu versuchen.« Ich lächle, als hätte ich vollstes Vertrauen in diesen Plan. Schön wär’s.

»Verstehe. Und als Sie die kognitive Verhaltenstherapie gemacht haben, welche Probleme …«

»Nichts, was mit dem Sport zu tun hat. Es war … Familienkram. Meine Beziehung zu meinem Vater. Aber das ist alles Schnee von gestern.« Ich merke, dass ich zu schnell gesprochen habe, und rechne damit, dass Sam mich wegen dieser unausgegorenen Halbwahrheit zur Rede stellt, aber sie mustert mich nur eindringlich wie ein Raubvogel.

Sehr viel Aufmerksamkeit, einzig und allein auf mich gerichtet. Ich winde mich unter ihrem Blick, fühle den Schmerz, der meinen Muskeln immer anhaftet. Ihre Gegenwart ist nicht gerade beruhigend, aber ich bin hier, um in Ordnung gebracht zu werden, nicht, um getröstet zu werden.

»Verstehe«, sagt sie schließlich. Ein Hoch auf kognitive Verhaltenstherapie und ihren Mangel an Bullshit. Es gibt da diese Sache, die du machst, die schlecht für dich ist. Ich bringe dir bei, das nicht zu machen, deine Versicherung gibt mir Geld, und dann gehen wir beide unserer Wege. Bring einfach dein Trauma mit. Die Taschentücher gehen auf mich. »Und nur um sicherzugehen, Scarlett: Du willst hier sein?«

Ich nicke nachdrücklich. Zwar freue ich mich nicht auf die Qual, die damit einhergeht, all die weichen, verletzlichen Teile meiner Seele zu offenbaren, aber ich bin kein klischeehafter Detective in einer Polizeiserie aus den 80ern, der sich weigert, zu einem Seelenklempner zu gehen. Therapie ist ein Privileg. Ich habe Glück, welche zu bekommen. Vor allem habe ich sie dringend nötig.

»Ich muss zugeben, dass ich nicht viel übers Wasserspringen weiß. Es scheint eine sehr komplexe Disziplin zu sein.«

»Ist es.« Viele kompetitive Sportarten erfordern eine heikle Balance aus körperlicher und mentaler Stärke, aber Wasserspringen … Wasserspringen hat lange und hart trainiert, um zum größten Mindfuck der Welt zu werden.

»Könnten Sie mir das genauer erklären?«

»Natürlich.« Ich räuspere mich und sehe auf meine Jogginghose und mein Kompressionsshirt hinunter. Schwarz und purpurrot. Stanford Swimming & Diving: Fear the tree. Wer auch immer unsere Ausrüstung designt, will anscheinend, dass unsere Identität auf unsere sportliche Leistung reduziert wird. Vergiss niemals: Du bist, was du leistest. »Wir springen von Türmen. Stürzen uns in Pools. Machen zwischendurch ein bisschen Akrobatik.«

Ich versuche, sie zum Lachen zu bringen, aber Sam lässt sich nicht leicht amüsieren. »Ich nehme an, dazu gehört noch mehr?«

»Viele Regeln.« Aber ich will sie nicht langweilen oder als schwierige Patientin daherkommen. »Ich bin Leistungssportlerin in der ersten Division der NCAA. Ich trete in zwei Wettkampfdisziplinen an. Zum einen vom Sprungbrett, diesem federnden Brett aus Glasfaserstoff, das …« Ich mache die Auf-und-Ab-Bewegung mit der flachen Hand nach. »Das drei Meter hoch ist.« So hoch, wie ein Strauß groß ist, erinnert mich die Stimme meines ersten Trainers.

»Und die andere Disziplin?«

»Sprünge vom Turm. Der ist zehn Meter hoch.« Zwei Giraffen.

»Nicht federnd?«

»Nein. Statisch.«

Sie macht ein nachdenkliches Geräusch. »Läuft die Wertung wie beim Turnen ab?«

»So in etwa. Eine Jury von Wettkampfrichtern sucht nach Fehlern und zieht dementsprechend viele Punkte ab.«

»Und wie oft müssen Sie bei einem Wettbewerb springen?«

»Kommt drauf an. Und es ist nicht … Es geht nicht wirklich darum, wie oft man springt.« Ich kaue auf der Innenseite meiner Wange. Sam lässt mir Zeit, bleibt aber aufmerksam. »Sondern um die Gruppe.«

»Die Gruppe?«

»Die … Art von Sprung.«

»Und wie viele Gruppen gibt es?«

»Insgesamt sechs.« Ich zupfe an meinem Pferdeschwanz herum. »Vorwärts. Rückwärts. Auerbachsprünge. Schraubensprünge. Handstandsprünge.«

»Verstehe. Und in Ihrer Mail haben Sie erwähnt, dass Sie sich von einer Verletzung erholen?«

Therapie ist ein Privileg. Allerdings eines, was mir nicht gefällt. »Korrekt.«

»Wann ist das passiert?«

»Vor ungefähr fünfzehn Monaten. Am Ende des ersten Studienjahrs.« Ich balle die Fäuste unter meinen Oberschenkeln, warte, dass sie nach den grässlichen Details verlangt, mache mich bereit, meine Liste herunterzurattern.

Doch Sam verschont mich. »Sie sagten, es gebe sechs Sprunggruppen?«

»Ja.« Der Themenwechsel überrascht mich, so dass ich unachtsam werde.

Ein Fehler katastrophalen Ausmaßes.

»Und diese Verletzung, Scarlett … Hat die etwas damit zu tun, dass Sie nur fünf Gruppen aufgezählt haben?«

Kapitel 2

Du hast verkackt«, sagt Maryam in der ersten Studien woche, und alles, woran ich in meiner Verzweiflung denken kann, ist, dass ich Besseres von meiner Mitbewohnerin verdient habe. Ich habe ihr geholfen, das Blut aus unzähligen Wrestling-Trikots rauszuwaschen – kann sie wirklich kein Mitgefühl für mich aufbringen? Oder zumindest Missbilligung der weniger expliziten Art?

»Ich bin zu einem Viertel deutsch«, kontere ich. »Meine Mutter ist dort geboren. Ich sollte gut darin sein.«

»Deine Mutter ist gestorben, als du zwei warst, Vandy. Und deine Stiefmutter, die dich aufgezogen hat, stammt aus dem hinterletzten Kaff in Mississippi.«

Hart. Aber fair. »Mein Erbgut …«

»… ist völlig irrelevant und prädisponiert dich nicht dafür, deinen Deutschkurs zu bestehen«, sagt sie in dem verächtlichen Ton von jemandem, der zweisprachig aufgewachsen ist. Mir fällt gerade nicht ein, welcher Teil des Gehirns für die Fähigkeit zuständig ist, Sprachen zu lernen, aber ihrer läuft auf jeden Fall bestens und wie eine Turbine. Eine exzellente Quelle erneuerbarer Energie, mit der man ein kleines Land in Europa versorgen könnte.

Derweil: »Ich bin einfach nicht gut darin«, jammere ich. Warum sollte ich auch? »Es ist so lächerlich, dass man fürs Medizinstudium Fremdsprachen lernen muss.«

»Nein, ist es nicht. Was, wenn du zu Ärzte ohne Grenzen gehst und deine Chance, ein Leben zu retten, davon abhängt, dass du weißt, ob Skalpell männlich oder weiblich oder was auch immer ist?«

Ich kratze mich am Hals. »Die Skalpellen?«, rate ich, ahnungslos, wie ich bin.

»Zack, Patient tot.« Maryam schüttelt den Kopf. »Du hast es vermasselt, Alter.«

Mit ein bisschen Hilfe meines akademischen Beraters, als ich ihn um Rat für den Zulassungstest zum Medizinstudium fragte. Mach zuerst die vorbereitenden Kurse, meinte er. Du wirst das ganze Wissen brauchen, um den Medical College Admission Test zu bestehen, fügte er hinzu. Das ist der beste Weg, schlussfolgerte er.

Und ich habe auf ihn gehört. Weil ich immer alles im Griff haben wollte. Weil ich Hochschulsportlerin bin und mein Stundenplan eine Mischung aus einem Jenga-Turm und einem Shibari-Tutorial auf dem höchsten Fesselkunstniveau ist. Spontanität? Muss ich vorher einplanen. Ich habe einen Fünfzehnjahresplan erstellt, als ich meinen Highschool-Abschluss gemacht habe, in der festen Überzeugung, mich daran zu halten: mehrere NCAA-Titel, Medizinstudium, Orthopädie, Verlobung und Heirat, Glück verpflichtend.

Natürlich habe ich diesen Plan verbockt, indem ich Chemie und Bio in mein erstes und zweites Studienjahr gepackt habe – ohne zu bedenken, dass Naturwissenschaften nie mein Problem waren. Auftritt des dritten Studienjahrs, und prompt zittert mein Notendurchschnitt wie Espenlaub. Psychologie ist beunruhigend vage. Der deutsche Dativ verfolgt mich in meinen blutrünstigsten Alpträumen. Und in Englisch soll ich mit stichhaltigen Argumenten über kaum fassbare, schwammige Themen aufwarten – Lyrik, die Ethik der Schädlingsbekämpfung, eine Mandatsobergrenze für Regierungsbeamte, existieren Menschen, wenn wir sie nicht sehen können?

Es ist leichter für mich, wenn Bälle ordentlich in ihre zugehörigen Körbe fallen. Schwarz oder weiß, richtig oder falsch, kohlenstoffbasiert oder anorganisch. Dieses Jahr jedoch schimmert in allen erdenklichen Grautönen, überall auf dem Boden verstreuten Murmeln und der deutschen Sprache, die wie eine Öllache darunter ausgelaufen ist.

Früher war ich ein Student Athlete mit Topnoten. Früher hatte ich alles unter Kontrolle. Früher habe ich nach Spitzenleistungen gestrebt. Jetzt versuche ich nur noch, explosive Misserfolge zu vermeiden. Wäre es nicht schön, wenn ich es schaffen würde, nicht ständig alle um mich herum zu enttäuschen?

»Wechsel zu einer anderen Sprache«, schlägt Maryam vor, als hätte ich nicht schon jeden Fluchtweg ausgekundschaftet.

»Geht nicht. Sie überschneiden sich alle mit irgendwas.« Wie dem morgendlichen Training. Dem Training am Nachmittag. Irgendeiner der unzähligen anderen Aktivitäten, für die mich Stanford rekrutiert hat. Und dieses Jahr sollte ich eigentlich mein Potenzial als Athletin voll ausschöpfen. Wenn ich es überhaupt noch habe. Wenn ich es denn jemals hatte.

Damals, an der Highschool im hinterletzten Kaff (in Missouri, nicht Mississippi, aber ich habe es aufgegeben, Maryam zu berichtigen) fühlte es sich so an. Ein halbes Duzend Division-1-Trainer rangelte aggressiv darum, mich an ihr College zu locken, weil ich eine Medaille bei den Olympischen Jugendspielen und den FINA World Junior Diving Championships gewonnen hatte und in der Nationalmannschaft war. Eine mehr als begehrte Kandidatin. Jeder Trainer, dem ich seit meinem sechsten Lebensjahr begegnet war, hatte mir Honig ums Maul geschmiert: Du machst das hervorragend, Vandy. Du wirst Großes erreichen, Vandy. Die vielversprechende junge Wasserspringerin Vandy. Ich suhlte mich in diesem Honig wie eine ekstatische Wühlmaus – bis zum Studium. Als ich eines Besseren belehrt wurde.

Genau genommen wurde es mir brutal eingebläut.

Mein Hirn hat wohl beschlossen, mir einen Gefallen zu tun, denn ich habe keinerlei Erinnerung an jene dreißig Sekunden, die mein Leben verändert haben. Was habe ich für ein Glück, dass es eine Aufzeichnung gibt, die sich jeder ansehen kann, weil es beim NCAA-Finale passierte. Sogar kommentiert.

»Und das war Scarlett Vandermeer von der Stanford University, die Bronzemedaillengewinnerin bei den Olympischen Jugendspielen. Definitiv die große Durchstarterin dieser Saison, auf dem besten Weg zu einem neuen Rekord. Vor diesem Sprung, versteht sich.«

»Ja, sie hat es mit einem zweieinhalbfachen Delphinsalto gehechtet versucht, den sie heute Morgen in der Vorrunde noch fehlerfrei hinbekommen hat. Genauer gesagt hat sie dafür Achter- und Neuner-Wertungen eingeheimst. Aber diesmal ist schon beim Absprung etwas schiefgegangen.«

Es sind immer die, denen man am meisten vertraut, was?

»Ja. Das war eindeutig ein misslungener Sprung – dafür gibt es sicher null Punkte von den Kampfrichtern. Aber sie ist im völlig falschen Winkel im Wasser aufgeschlagen, also hoffen wir mal, dass sie sich wenigstens nicht verletzt hat.«

Wozu mein Körper sagte: Scheiß auf die Hoffnung.

Es ist schon komisch auf eine bemerkenswert unwitzige Art. Ich erinnere mich genau an die Wut – auf das Wasser, auf mich selbst, auf meinen Körper –, aber ich habe keinerlei Erinnerung an den Schmerz. Das Mädchen in dem Video, das aus dem Schwimmbad humpelt, ist eine Doppelgängerin, die meinen Körper gestohlen hat. Der lange Zopf, der über ihren roten Badeanzug hängt, gehört zu einer Nachahmerin. Die Grübchen in ihren Wangen, als sie sich zum Lächeln zwingt, weisen eine erschreckende Ähnlichkeit auf. Und warum sieht die kleine Lücke zwischen ihren Frontzähnen genauso aus wie meine? Die Kamera folgt ihrem taumelden Gang erbarmungslos, gafft selbst dann noch, als Coach Sima und seine Assistenten ihr zu Hilfe eilen.

»Vandy – alles okay?«

Die Antwort ist unverständlich, aber Coach Sima erzählt liebend gern die Geschichte, wie das Mädchen antwortete: »Ja, aber vor meinem nächsten Sprung brauche ich Ibuprofen.«

Wie sich herausstellte, hatte sie recht. Sie würde vor ihrem nächsten Sprung Ibuprofen brauchen. Und mehrere Operationen. Und eine Reha. Ihre Schlussrechnung?

Gehirnerschütterung.

Geplatztes Trommelfell.

Verrenkter Hals.

Labrumläsion der linken Schulter.

Lungenquetschung.

Verstauchtes Handgelenk.

Verstauchtes Fußgelenk.

Ein schweres, gewaltiges Gewicht lastet mir auf der Brust, wann immer ich das Video anschaue und mir vorstelle, was sie durchgemacht haben muss – bis ich mich erinnere, dass dieses Mädchen ich bin.

Jeder Typ, mit dem ich je auf einer Dating-App ein Match hatte, hat mich gefragt: »Wasserspringen ist eigentlich so was wie Schwimmen, oder?« Aber Wasserspringen ist eher wie Boxen, Eishockey und Lacrosse – ein Kontaktsport. Jedes Mal, wenn wir im Wasser landen, hämmert der Aufschlag auf unser Skelett, unsere Muskeln, unsere inneren Organe ein.

Damit kannst du nicht mithalten, NFL.

»Du musst dich auf die sehr reale Möglichkeit gefasst machen, dass du nie wieder springen kannst«, sagte Barb vor der OP zu mir. Verdammt schwierig, das, was deine Stiefmutter sagt, als pessimistisches Geschwafel abzutun, wenn besagte Stiefmutter eine brillante orthopädische Chirurgin ist.

»Ich weiß«, sagte ich und heulte wie ein Baby, erst mit ihr, dann allein im Bett.

Doch Barb war übervorsichtig – und ich hatte Glück. Wie sich herausstellte, lag eine vollständige Genesung im Bereich des Möglichen. Im zweiten Studienjahr nahm ich als Redshirt an keinem Wettbewerb teil, behielt aber meine Berechtigung, im Trainingsprogramm zu bleiben. Ich ruhte mich aus. Nahm meine Medikamente. Hielt mich an meine entzündungshemmende Diät. Konzentrierte mich so eifrig auf die Physiotherapie, die Dehnübungen und die Reha wie eine Nonne, die ihre Nachtgebete spricht. Ich visualisierte meine Sprünge, hegte meine Schmerzen, erschien trotzdem zum Training und sah dem Rest des Teams beim Trainieren zu, den vertrauten Chlorgeruch in der Nase, das schimmernde Blau des Beckens nur wenige Meter entfernt und doch unerreichbar.

Dann, vor zwei Monaten, wurde ich fürs Training freigegeben. Und es war …

Na ja, es gibt einen Grund, dass ich eine Therapie mache.

»Ich glaube, ich habe eine Idee, wie du dein Fremdsprachenproblem lösen könntest.«

Ich sehe Maryam argwöhnisch an – und beuge mich dennoch vor, ganz Ohr und Augen und Hoffnung. »Du wirst mir sagen, dass ich ein Säurebad nehmen soll, oder?«

»Lass mich ausreden: Latein für Fortgeschrittene.«

Ich stehe auf. »Ich muss los.«

»Überleg doch mal, wie hilfreich das wäre, wenn Ärzte ohne Grenzen dich ins Römische Reich schickt.«

Ich knalle die Tür hinter mir zu und gehe vierzig Minuten zu früh zum Training, nur um zu verhindern, dass ich meine Mitbewohnerin erdrossele.

Wir wurden im ersten Studienjahr zusammen einquartiert, und trotz Maryams unverzagter Gehässigkeit und meiner Unfähigkeit, leere Toilettenpapierrollen rechtzeitig auszutauschen, wollen wir beide nicht mehr getrennt leben. Letztes Jahr sind wir (freiwillig?) zusammen in eine Wohnung außerhalb vom Campus gezogen, und wir haben gerade (freiwillig??) unseren Mietvertrag verlängert, womit wir uns zu vierundzwanzig weiteren Monaten miteinander verdammt haben. Die Wahrheit ist: Zusammenzubleiben ist einfach und verlangt uns beiden wenig emotionale Arbeit ab. Und wenn man wie ich ist (eine zielstrebige, kontrollsüchtige, überambitionierte Perfektionistin), ist es ein Geschenk, jemanden wie Maryam zu finden.

Kein wirklich tolles Geschenk, aber immerhin.

Das Avery Aquatic Center ist die beste Einrichtung, in der ich je trainiert habe. Es liegt komplett im Freien, vier Schwimmbecken und ein Sprungturm, und hier üben alle Wassersportteams der Stanford University. In der Frauenumkleide herrscht heute geradezu wundervolle Stille. Eine seltene habitable Zone – die Schwimmerinnen sind schon beim Training, und die Springerinnen machen sich noch nicht bereit. Die Wasserballspielerinnen wurden vor Kurzem in ein anderes Gebäude verbannt, und endlose Tränen der Dankbarkeit wurden vergossen.

Ich ziehe meinen Badeanzug an. Streife ein T-Shirt und Shorts über. Stelle meinen Wecker, setze mich auf die unbequeme Bank und grüble über meine Lebensentscheidungen nach. Genau zehn Minuten später vibriert mein Handy, und ich stehe auf, ohne Klarheit oder inneren Frieden erlangt zu haben. Ich gehe zum Wäschedienst, um mir ein frisches Handtuch zu holen, als ich eine bekannte Stimme höre.

»… nicht okay«, sagt Penelope.

Sie steht im Flur, nur ein paar Meter entfernt, aber bemerkt mich nicht.

»Ganz und gar nicht okay«, fährt sie fort, ihre Stimme von Tränen erstickt. Genau wie bei dem Dual Meet in Utah, als sie einen Hechtsprung vorwärts vermasselte, eine Bauchlandung wie ein Flughörnchen hinlegte und vom ersten auf den neunten Platz rutschte. »Nicht für uns.«

Die Antwort klingt leiser, tiefer. Weniger aufgewühlt. Lukas Blomqvist steht vor Pen, mit freiem Oberkörper und verschränkten Armen, eine Taucherbrille um den Hals und eine Badekappe in den Fingern. Anscheinend kommt er direkt vom Training, denn er tropft noch. Sein leichtes Stirnrunzeln ist schwer zu interpretieren – könnte eine finstere Miene sein oder einfach sein Resting Swede Face. Ich kann nicht hören, was er sagt, aber das spielt auch keine Rolle, denn Pen unterbricht ihn.

»… dafür gibt es keinen Grund, wenn …«

Noch eine tiefe, volltönige Antwort. Ich ziehe mich zurück. Dieses Gespräch geht mich nichts an. So dringend brauche ich das Handtuch auch wieder nicht.

»Es ist besser so.« Pen beugt sich näher zu ihm. »Das weißt du.«

Blomqvist atmet tief ein, und seine nass glänzenden Schultern heben sich, wodurch er noch größer wirkt. Ich sehe die Anspannung in seinem Kiefer, wie er den Kopf neigt und sich die Muskeln in seinen Oberarmen straffen.

Einschüchternd. Bedrohlich. Beängstigend. Das ist er. Neben ihm wirkt Pen klein und durcheinander, und mein Gehirn schaltet in einen neuen Modus.

Es ist mir völlig egal, ob mich dieser Streit was angeht. Ich marschiere auf die beiden zu, nehme Blomqvist ins Visier. Meine Hände zittern, also balle ich sie zu Fäusten, und obwohl er wahrscheinlich viermal stärker ist als Pen und ich zusammen, obwohl das wahrscheinlich eine ganz schlechte Idee ist, frage ich: »Pen, ist alles in Ordnung?«

Kapitel 3

Meine Stimme hallt von den Fliesen wider. Pen und Lukas sehen mich gleichermaßen überrascht an.

Ich schlucke schwer und zwinge mich, erneut zu fragen: »Brauchst du irgendwas, Pen?«

»Vandy? Ich wusste nicht, dass du …« Ihr Gesicht nimmt einen verwunderten Ausdruck an. Dann registriert sie wohl, wie argwöhnisch ich Lukas anstarre, denn ihre Augen werden groß. »O mein Gott, ich … O nein. Nein, er hat mich nicht … Wir waren nur …« Sie stößt ein atemloses Lachen aus, dann wendet sie sich ihrem Freund zu, um sich mit ihm gemeinsam über das Missverständnis zu amüsieren.

Doch Lukas’ Blick ruht auf mir. »Es ist alles in Ordnung, Scarlett«, sagt er. Ich bin nicht unbedingt geneigt, ihm zu glauben, aber er klingt weder defensiv noch genervt oder wütend wegen meiner offensichtlichen Annahme, dass er eine Gefahr für Pen darstellt.

Außerdem scheint er meinen Vornamen zu kennen. Obwohl ich für die gesamte Sportgemeinschaft seit meinem achten Geburtstag immer nur Vandy war. Faszinierend.

»Ich wollte nicht stören«, sage ich, ohne Reue zu zeigen. Vielleicht bin ich überempfindlich, was solche Situationen angeht – okay, ich bin ein Haufen Hypersensibilitäten in einem Trenchcoat –, aber ich habe meine Gründe, und ich mache mich lieber zum Narren und gehe auf Nummer sicher, als … was auch immer die Alternative sein mag. »Ich wollte nur sichergehen, dass …«

»Ich weiß«, sagt Lukas leise, seine blauen Augen noch immer auf mich gerichtet. »Danke, dass du auf Pen aufpasst.«

Das sanfte Lob lässt mein Hirn eine Sekunde aussetzen. Als ich mich wieder erholt habe, drückt er zärtlich Pens Schulter und rauscht an mir vorbei. Ich verfolge das Spiel der Muskeln in seinem breiten Rücken, bis er um die Ecke biegt, die feuchten Härchen in seinem Nacken, die schwarzen Linien, die sich über seine linke Schulter kräuseln und seinen Arm hinunterwinden. Ein Sleeve-Tattoo, aber ich kann es nicht richtig erkennen. Bäume vielleicht?

»Scheiße«, sagt Pen.

Ich wende mich ihr zu. Sehe, wie sie sich mit der Hand über das Gesicht fährt.

Ich bin definitiv zu weit gegangen. »Tut mir echt leid. Ich wollte nicht neugierig …«

»Es liegt nicht an dir, Vandy.« Ihre grünen Augen glänzen, kurz davor überzulaufen. Ich war voll und ganz bereit, Pens menschlicher Schutzschild zu sein, wenn es nötig sein sollte, aber sie trösten? Ich bezweifle, dass ich dazu fähig bin.

»Willst du … Soll ich Victoria rufen?« Sie sind beide im vierten Studienjahr, und sie ist Pens engste Freundin im Team. Allerdings ist die Auswahl auch ziemlich begrenzt: Die Zwillinge sind aufeinander fixiert, und ich war kaum da. »Oder ich könnte Lukas bitten, zurückzukommen?«

»Warum sollst du mich rufen?« Victoria erscheint. Eine Fliegersonnenbrille auf der Nase, selbst hier drinnen. Einen lila Smoothie in der Hand. Dieser dunkle, lockige Vokuhila, der ein Gräuel sein sollte, sieht an ihr einfach nur großartig aus. »Ich hab euch doch gesagt, ich werde keine Beihilfe beim Spinnenmord mehr leisten – was zum …?«

Es passiert alles so schnell. Pen bricht in Tränen aus. Victoria keucht erschrocken. Die Stimmen des Wasserballteams erschallen im Gang. Bevor ich mich davor zurückziehen kann, was immer hier geschieht, stürzen wir drei in den Geräteraum.

Victoria schließt die Tür und lehnt sich dagegen. »Was zur Hölle ist passiert?«

Sie starrt abwechselnd Pen (mit Mitgefühl) und mich (mit … Mordlust?) an, und mich überkommt plötzlich Mitleid mit Lukas. Vielleicht sollte man doch nicht rumlaufen und wahllos andere Leute böse anstarren.

»Ich hab mich mit Luk gestritten.« Pen wischt sich mit dem Handrücken über die Wange.

»Aww, Babe. Worüber?«

»Ich lasse euch allein«, murmle ich und greife nach der Türklinke.

Pens Finger schließen sich um meine Hand. »Nein, bitte bleib. Ich will nicht, dass du denkst, Luk könnte je …« Sie holt tief Luft. Ich trete von einem Fuß auf den anderen und denke sehnsüchtig an die Umkleide, ein muskelentspannendes Bad, eine gruslige Puppenfabrik … irgendwas anderes als das Hier und Jetzt. »Er könnte nie gewalttätig oder auch nur gemein sein. Er ist der beste Mensch, den ich je … Wir waren nur gerade im Begriff …«

»O Gott. Geht es etwa um diese ganze Trennungssache?«, fragt Victoria. Alles andere als behutsam.

Geht mich nichts an. Geht mich nichts an. Geht mich ganz und gar nichts an.

Doch Pen nickt mit Tränen in den Augen.

»Hör zu.« Victoria seufzt, als hätten sie das schon hundertmal durchgekaut. »Babe. Honey. Ich weiß, Lukas und du seid zusammen, seit ihr ungefähr zwölf wart …«

»Fünfzehn.«

»… und habt euch gegenseitig entjungfert, und jetzt fragst du dich, wie sich ein unbeschnittener Penis anfühlen würde.«

Ein leises Schniefen. »Eigentlich sind die meisten Männer in Schweden nicht …«

»Too much information. Der Punkt ist: Warum zur Hölle tust du das?«

Ich fand Victorias Unverblümtheit immer köstlich, aber das erscheint mir doch ein bisschen hart. Und Pen stimmt mir anscheinend zu, denn ihr Schluchzen geht in ein grimmiges Stirnrunzeln über. »Du solltest auf meiner Seite sein.«

»Das bin ich. Als jemand, der auf deiner Seite ist und sich die letzten zwei Jahre in der Dating-Szene rumgetrieben hat, sage ich dir, dass du diesen Mann nicht verlieren willst. Da draußen gibt es eine Menge Arschlöcher, und Lukas ist ein smarter, anständiger, heißer Typ, der den Toilettensitz runterklappt und sich noch nicht mit Syphilis angesteckt hat. Das ist viel seltener, als du denkst.«

»Aber ich bin nicht glücklich. Und ihm gibt diese Beziehung auch nicht, was er braucht.«

»Pen. Komm schon. Wenn er dir gesagt hat, dass es okay für ihn ist, dieses Zeug nicht zu machen …«

»Er gibt sich zufrieden. Ebenso wie ich. Wenn wir zusammenbleiben, werden wir heiraten, ein Haus in einem Vorort und zweieinhalb zweisprachige Kinder haben, die ich nicht verstehe, und wir werden uns immer fragen, was uns entgangen ist. Ich werde nie wissen, wie es sich anfühlt, jung und frei zu sein, und er wird verbittert sein, weil er den ganzen kinky Scheiß aufgeben musste, wie Leuten den Hintern zu versohlen, sie zu fesseln und sie herumzukommandieren.«

Ich erstarre. Ich sollte wirklich nicht hier sein, aber ich kann mich nicht rühren, weil meine Füße eine Million Kilo wiegen und jeder Tropfen Blut in meinem Körper nach oben fließt, um in meinen Wangen abzuhängen.

»Ich verstehe schon.« Victoria klingt entnervt. »Aber du musst dich entscheiden …«

Ein lautes Klopfen an der Tür. Wir zucken alle zusammen. »Hey? Ist da jemand?«

»Ja, einen Moment noch!«, schreit Victoria.

»Ich hab meine Ausrüstung da drin liegen lassen, also wenn ihr eure Orgie unter die Dusche verlegen könntet …«

Victoria verdreht die Augen, öffnet aber die Tür. Wir marschieren an dem Ausrüstungsmädel vorbei – Victoria mit trotzigem Gesicht, Pen, während sie die restlichen Tränen wegwischt, und ich in sturer Verweigerung, Blickkontakt aufzunehmen. Vielleicht hätten wir das Gespräch wieder aufgenommen, aber die Zwillinge kommen auf uns zu. »Wo wart ihr?«, fragt Bella, woraufhin ich Panik bekomme, doch Victoria erfindet aus dem Stehgreif irgendetwas über ein Shammy, das abhandengekommen ist, und die Dramatik eines fehlenden Handtuchs zum Abtrocknen leuchtet jeder Turmspringerin sofort ein. Ihre Lügen erfordern offensichtlich keine tagelange, sorgfältige Vorbereitung, und wir gehen uns alle aufwärmen wie eine große, glückliche Familie.

Mein Gesicht ist noch immer hochrot. Mein Puls rast. Die Zahnräder in meinem Kopf rattern. Alles, was ich denken kann, ist: Pen war immer so nett zu mir.

Nach meiner dritten Operation, als Barb sich nicht mehr als eine Woche freinehmen konnte, ohne dass das gesamte Gesundheitssystem zusammengebrochen wäre, kam Pen jeden Tag vorbei, um nach mir zu sehen. »Um sicherzustellen, dass deine böse Mitbewohnerin keine Gürtel aus deiner Haut herstellt«, sagte sie mit einem Zwinkern, aber sie ist einfach eine von Natur aus fürsorgliche Person. Nach meinem ersten Turnier setzte sie sich zu mir und erinnerte mich daran, dass ich keine schlechte Turmspringerin war, nur weil es bei meinen ersten Sprüngen ein bisschen mehr gespritzt hatte, dass wir uns nur manchmal zu viele Gedanken machten, dass sie selbst auch schon in diesem chaotischen, nervösen Modus gefangen war, durch den sich die Plattform auf einmal wie ein Drahtseil anfühlt und sich dein Körper in einen unzuverlässigen Erzähler verwandelt. Diesem Moment, wenn sich deine Konzentration in Panik auflöst und der Sprung im Arsch ist, bevor er auch nur angefangen hat.

Das hat mir damals, im Herbst meines ersten Studienjahres, so viel bedeutet. Alles war neu und fremd und zu gewaltig, aber Penelope Ross, Weltmeisterschafts- und Pan-Am-Medaillengewinnerin, NCAA-Champion, hielt meine Hand und sagte mir, dass sie sich genauso gefühlt habe wie ich.

Daran denke ich beim Pilates, bei den Trockenübungen und während ich die unzähligen Stufen des Sprungturms erklimme. Ich denke daran, während ich jeden Muskel in meinem Körper dehne, wobei ich besonders auf meine empfindliche, dämliche Schulter achte, die all meinen Ärzten zufolge verheilt ist, aber mindestens zweimal die Woche in meinen Alpträumen zerschellt wie ein Champagnerglas.

Als das Training vorbei ist, habe ich einen Entschluss gefasst. Und während der Rest des Teams noch in der Umkleide plaudert, gehe ich zu ihr, hole tief Luft und frage: »Könnten wir einen Kaffee trinken gehen? Nur wir beide.«

Kapitel 4

Ich dachte, es würde mir schwerfallen, es laut auszusprechen, vor allem, weil ich es noch nie getan habe, jedenfalls vor niemandem, der nicht … auf sehr intime Art involviert gewesen wäre. Doch die Worte strömen nur so aus mir heraus, so reibungslos wie ein perfekter Sprung. Keine Fehlstarts, kein Stammeln, nur ein rasiermesserscharfer Schnitt durch gekräuseltes Wasser. Ich stelle mir sieben lächelnde Kampfrichter vor, die alle Zehner-Wertungen hochhalten.

Volle Punktzahl, Ms. Vandermeer. Eine tadellos ausgeführte Enthüllung Ihres Sexlebens. Und jetzt ab unter die Dusche.

Ganz ehrlich, ich bin ziemlich stolz auf mich. Leider ist Pen nicht im Geringsten beeindruckt. »Du stehst darauf?« Sie blinzelt verblüfft und sieht sich im Coupa Café um. Diese Woche hat das Semester angefangen, und der Campus ist überfüllt. Rucksäcke baumeln über gebräunten Schultern, überall mit Stickern beklebte Trinkflaschen, eine neue Kohorte von Studienanfängern, die es in zwei Ausführungen gibt: unbesiegbar und in Todesangst. Ich habe als Ersteres angefangen, bin allerdings schnell zu Letzterem übergegangen.

Zufrieden mit unserem Maß an Privatsphäre, stützt Pen die Ellbogen auf den kleinen Holztisch. »Du stehst auf dieselben Sachen wie Luk.«

»Na ja, da bin ich mir nicht sicher.«

»Aber du hast doch gesagt …«

»Beim Kink und BDSM gibt es viele, viele Facetten.«

»Okay.«

»Ich habe vor heute Morgen nie mit Lukas geredet. Ich habe keine Ahnung, was er mag.«

»Soll ich es dir sagen? Er …«

»Ich – nein, das ist nicht …« Ich räuspere mich. Allmählich fange ich an, das Ganze zu bereuen. »Das geht über den, äh, Rahmen dieses Gesprächs hinaus.«

»Ah.«

»Ich will dir nicht das Gefühl geben, du müsstest mir erklären, was ihr … Aber ich war nun mal dabei« – nicht freiwillig –, »als du mit Victoria darüber geredet hast, und sie schien nicht besonders, ähm, verständnisvoll …«

»Eine Hall-of-Fame-würdige Untertreibung. Aber sag schon.«

»Ich wollte mich nur als Informationsquelle anbieten, weil ich Erfahrung mit … so was habe.«

»Und mit ›so was‹ meinst du …?«

»Eine feste Beziehung, in der nur eine Partei an Kink interessiert ist. Um etwas zu finden, was ihr beide mögt, womit ihr beide vollkommen einverstanden seid. Natürlich nur, wenn du das willst«, füge ich lächelnd hinzu.

Sie lehnt sich zurück, um mich zu mustern, und ich weiß, was sie sieht: feuchte dunkle Haare, verschlossene dunkle Augen, eine unerwartet dunkle Sexgeschichte. Ich habe nie viel Nabelschau betrieben, wenn es darum ging, was mich antörnt – sie könnte mich unter ein Mikroskop schieben und mich als Perversling abstempeln, und ich würde nicht mal mit der Wimper zucken. Dennoch ist es schön, mehr Neugier als Verurteilung in ihrem Gesicht zu erkennen.

»Luk will das Sagen haben. Willst du das auch, oder …?«

Ich schüttle den Kopf. »Eigentlich genau das Gegenteil.«

»Ah.« Sie zwirbelt sich eine Strähne ihrer rotbraunen Haare um den Finger. Ihre schillernden Farben waren mit das Erste, was mir an ihr aufgefallen ist. Ihre auffallende Schönheit – und Großherzigkeit. Bei Wettkämpfen, zwischen den Sprüngen, vermeiden Sportler es normalerweise, einander anzusehen. Aber nicht Pen. Immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Nie arrogant, obwohl sie allen in unserer Altersgruppe weit voraus war. Die Fahnenträgerin bei den Olympischen Jugendspielen. Sie sprang mit pinken, dann mit blauen Haaren. Trug Armbänder, die ihre Fans für sie gemacht hatten. Nageldesigns. Ich fand sie unglaublich cool und werde nie an den Punkt kommen, an dem ich nicht zumindest ein bisschen eingeschüchtert von ihr bin.

»Wie hast du es rausgefunden?«

»Wie habe ich rausgefunden …?«

»Dass du darauf stehst.«

In diesem Moment kommt ein Typ vorbei, der Dr. Rodriguez’ faschistischem Lehrassistenten unheimlich ähnlich sieht, der mir bei meiner Abschlussprüfung in Organischer Chemie einen Punkt abgezogen hat, weil ich ein falsches Datum geschrieben habe. Bestimmt würde er dieses Gespräch nur zu gern belauschen. »Irgendwie wusste ich es schon immer. Also, nicht so, dass ich in der Mittelschule auf Ebay nach Latexmasken gesucht hätte, aber seit ich, ähm, an Sex interessiert bin, hatte ich immer … Phantasien. Vorstellungen.« Ich zucke die Achseln und füge nicht hinzu: Und es hat sich richtig angefühlt. Es fühlt sich richtig an.

»Verstehe.« Pen nickt nachdenklich. »Und wie kam es, dass du es tatsächlich, du weißt schon, tust?«

»Mein Freund in der Highschool und ich waren ungefähr drei Jahre zusammen.« Ich überspringe den Teil, dass wir Nachbarn waren, dann beste Freunde in der siebten Klasse und uns dann ineinander verliebten. Ich habe ihm vertraut, und es war ein leichtes Gespräch, so leicht wie alles mit Josh. Alles außer diesem einen Telefonat in meinem ersten Studienjahr. Sein verhaltener Ton, als er erklärte: Es ist nicht nur ihretwegen … Um ehrlich zu sein, die Distanz macht mir viel aus. Und vielleicht sind wir einfach zu verschieden, als dass das mit uns von Dauer sein könnte? Das war alles andere als leicht. »Ich habe ihm gesagt, was mich interessiert.«

»Und er … hat ihn das auch interessiert?«

Ich feile an der perfekten Formulierung. »Nicht die gleichen Sachen. Darum dachte ich, meine Erfahrung könnte für dich und Lukas relevant sein.« Denn Lukas Blomqvist ist kinky. Lukas-Goldmedaillengewinner-Liebling-der-Schwimmwelt-Rekordhalter-skandinavischer-Nationalschatz-Blomqvist. Was ist das für eine Welt?

»Und wie seid ihr damit umgegangen?«

»Ich habe ihm gesagt, was ich heiß fände. Josh hat dasselbe getan. Wir haben nach Gemeinsamkeiten gesucht.« Das daraus resultierende Mengendiagramm hatte nicht viele Überschneidungen, aber immerhin.

»Das ist so Fifty Shades of Grey, Vandy.«

»Ja, oder?« Unsere Blicke begegnen sich, und die schiere Unwahrscheinlichkeit des Ganzen bringt uns beide zum Lächeln. Doch Pen wirkt viel entspannter.

»Könntest du mir erklären, was dir daran gefällt, jemand anderen die Kontrolle übernehmen zu lassen?«

Könnte ich das? »Es ist ein Mix aus so vielen Sachen.« Die Erleichterung, eine soziale Interaktion im Voraus verhandeln zu können. Ausnahmsweise genaue Anweisungen zu haben. Die Stille in dem nie enden wollenden Chaos meines Gehirns. Die Befriedigung, etwas richtig zu machen und es genau gesagt zu bekommen. Von der Welt losgelöst zu sein und sich treiben zu lassen. Und ja: Ich bin mir nicht sicher, warum ich so bin, aber Schmerz und Lust waren in meinem Kopf immer verbunden, und es fühlt sich gut an, wenn jemand, dem ich vertraue, mir in die Nippel kneift. Manchmal ist es tatsächlich so einfach. »Mir gibt das ein Gefühl von Freiheit.«

Sie schnaubt. »Die Freiheit … sich sagen zu lassen, was man tun soll?«

»Ich weiß, das klingt widersprüchlich, aber normalerweise denke ich immer viel zu viel nach. Versuche verzweifelt, bloß nichts falsch zu machen, und gerate in Panik.« Nehme ich zu viel Raum ein? Langweile ich dich? Enttäusche ich dich? Wärst du lieber woanders, mit jemand anderem? »Überwältigt von der Last, mich ständig zu fragen, ob ich es richtig mache.«

»Ob du was richtig machst?«

Ich lache. »Ich bin mir nicht sicher. Sex, aber auch im Allgemeinen – Mensch zu sein?« Ich zucke die Achseln, denn das ist doch letztlich das Problem – es gibt keine richtige oder falsche Art zu existieren. Fürs wahre Leben gibt es keine Gebrauchsanweisung. Für Sex glücklicherweise schon. Zumindest für meine Art Sex. »Wenn mir jemand, bei dem ich mich sicher fühle, Anweisungen gibt …«

»Dir gefällt die Struktur.«

»Gut formuliert.« Ich lächle. »Ich kann nicht für Lukas oder die Leute auf der … dominanten Seite sprechen.« Das Wort schwingt eigenartig zwischen uns. Ehrlich gesagt fühle ich mich nicht ganz wohl dabei, mit BDSM-Begriffen um mich zu werfen. Wie bei jeder anderen Community hege ich Zweifel, ob ich wirklich dazugehöre. Labels muss man sich verdienen, und ich scheine nie genug in der Tasche zu haben, um den Eintritt zu bezahlen. »Aber sie haben bestimmt auch was davon.«

»Bestimmt. Bist du noch mit deinem Freund zusammen?« Ihr Blick schärft sich. »Irgendwie hab ich das Gefühl, nur sehr wenig über dich zu wissen.«

Was für ein Zufall. Ich weiß auch nur sehr wenig über mich. »Wir haben uns getrennt.«

»Und der Typ, mit dem du jetzt zusammen bist …?«

»Bin ich nicht. Mit irgendjemandem zusammen, meine ich.«

»Aber das liegt nicht daran, worauf du stehst?«

»Nicht wirklich.« Jedenfalls nicht nur. Ich rede mir und allen, die danach fragen – hauptsächlich Barb –, gern ein, dass ich zu viel um die Ohren hätte und zu beschäftigt mit meiner Karriere wäre, um zu daten. Aber meine enthaltsame Phase hält schon so lange an, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob ich das freiwillig tue, und ich erwähne lieber nicht, dass ich mich nach dem, was mit meinem Dad passiert ist, in Gesellschaft von Männern manchmal unwohl fühle.

»Ich nehme an, das sollte ich nicht so fragen, aber ich habe keine Ahnung, wie ich es anders formulieren könnte, also werde ich einfach … Hat dir dein Ex je wehgetan? Beim Sex, meine ich.«

Ich nicke. »Manchmal. Ein bisschen.«

»Und das war okay für dich?«

»Absolut. Es war alles vorher abgesprochen. Wir haben einander ständig gefragt, ob alles in Ordnung ist, und hatten ein Safe Word.«

»O mein Gott, so Fifty Shades. Hast du dich dabei je …«

»Je was?«

»Gefühlt, als würdest du siebzig Jahre Feminismus im Klo runterspülen?« Ihr Gesicht verzieht sich zu einer schuldbewussten Grimasse, aber das ist nichts, was ich mich nicht auch selbst schon gefragt hätte.

»Für mich hat die Entscheidung, mich sexuell unterzuordnen, nichts mit Geschlechterrollen zu tun. Und ich trete nicht von meinen Rechten zurück. Josh hat aufgehört, wenn ich ihn darum gebeten habe – und andersrum.« Ich zucke erneut die Achseln. »Ich verstehe, wie verletzend es sein kann, über solche Sachen zu reden. Für dich. Selbst für Lukas. Außerdem haben kinky Leute manchmal einen schlechten Ruf, als wären wir alle von Natur aus aggressiv oder sexuell übergriffig.«

»Ich weiß, dass ihr das nicht seid«, versichert sie mir, die Hände erhoben. »Und ich bin nicht prüde, das schwöre ich dir. Ich glaube nicht, dass Luk gestört oder verdorben ist, weil er darauf steht.«

Meine Erleichterung ist aufrichtig. »Gut.«

»Es geht lediglich darum, dass ich nicht darauf stehe.«

»Und das ist dein gutes Recht.« Ich kratze mich am Hals, wo ich vergessen habe, vor dem Tauchen Lotion aufzutragen. Hallo, Chlorausschlag, mein alter Freund. »Und wenn du Lukas gesagt hast, dass du kein Interesse daran hast, diese sexuellen Dynamiken zu erkunden, und er trotzdem darauf besteht, ist das eine Red Flag, die …«

»Das ist es ja gerade. Genau das tut er nicht. Wir haben es versucht. Weil es … na ja, es war offensichtlich, dass er es wollte. Also habe ich es angeboten.« Sie legt eine Hand um ihren unangetasteten Eiskaffee, trinkt jedoch nichts. »Ich hasse es einfach, wenn mir jemand sagt, was ich tun soll. Um Erlaubnis zu bitten. Mir dröhnen schon ständig Coach Simas Kommentare über meine Sprungtechnik in den Ohren – ich will nicht auch noch ›Du machst das so toll, Pen‹ hören, wenn wir ficken.« Sie verdreht die Augen. »So ein patriarchalischer Scheiß. Nicht böse gemeint.«

Das ist womöglich das am wenigsten Nachvollziehbare, was je jemand zu mir gesagt hat. »Schon gut. Hast du ihm gesagt, dass es dir nicht gefallen hat?«

»Jepp. Und er hat sofort aufgehört. Hat nie wieder davon angefangen. Aber er will es immer noch. Das weiß ich.«

Dieses Gespräch entwickelt sich allmählich vom Kink-Einführungskurs zur GQ-Sex-Ratgeber-Kolumne. Womit ich womöglich überfragt bin. »Also hat er die bewusste Entscheidung getroffen, die Beziehung zu dir und dein Wohlbefinden über seine sexuellen Vorlieben zu stellen, was vorbildlich ist …«

»Es ist dumm.« Das Wort ist ein scharfes, frustriertes Zischen. Sie beugt sich näher zu mir, ihre Augen wieder dieses flüssige Grün. »Ich liebe ihn. Wirklich. Aber …« Sie schluckt schwer. Richtet sich auf. »Ich habe auch andere Dinge, die ich will. Ich will auf eine Party gehen und rumflirten. Ich will angemacht werden, ohne mich zu fühlen, als würde ich jemanden betrügen. Ich will Spaß haben.« Ein tiefer Atemzug. »Ich will mit anderen Leuten schlafen. Sehen, wie das ist.«

Das alles hört sich so spaßig an, wie meine Achseln mit einem Dosenöffner zu rasieren. Aber Pen ist nicht ich. Pen ist offen und unternehmungslustig. Pen hat eine gute Work-Life-Balance. Pen weiß immer, was zu tun ist und wann sie es tun sollte. Alle mögen Pen. »Was hält Lukas davon? Ist er wütend? Oder eifersüchtig?«

Sie verdreht die Augen. »Luk ist zu selbstbewusst für solche niederen Gefühle.«

Ich habe absolut keine Ahnung, wie sich das anfühlen mag. »Was ist mit dir? Wärst du eifersüchtig, wenn er mit anderen schlafen würde?«

»Nicht wirklich. Lukas und ich haben schon einiges zusammen durchgemacht. Ganz ehrlich, selbst wenn wir uns trennen, gehe ich davon aus, dass wir irgendwann wieder zueinanderfinden werden. Wir sind so was wie füreinander bestimmt.«

Woher kriegen diese Leute bloß ihren unerschöpflichen Vorrat an Selbstbewusstsein? Aus einem Topf am Ende des Regenbogens? »Füreinander bestimmt … abgesehen von dem mittelprächtigen Sex?«

»Er ist nicht – der Sex ist gut.« Zum ersten Mal in diesem sehr errötungswürdigen Gespräch errötet Pen. »Luk ist … er ist sehr zielstrebig. Es geht eher darum, dass …« Ihr Handy vibriert und bringt den gesamten Tisch zum Erzittern. Pen wirft mitten im Satz einen Blick darauf. Dann sieht sie noch einmal genauer hin. »Fuck.«

»Alles okay?«

»Das ist meine BWL-Studiengruppe. Ich hab vergessen, dass wir uns heute treffen.« Sie springt auf und sammelt schnell ihre Sachen zusammen. Inhaliert ihren Eiskaffee in Rekordzeit und wirft den Becher in den Müll. »Tut mir leid. Es ist echt dreist, mich zwanzig Minuten bei dir auszuheulen und …«

»Kein Problem. Mach dein Ding.«

»Okay. Scheiße, ich muss den ganzen Weg zu Jackie rennen.«

Ihre Stimme verklingt, als sie aus dem Café hastet. Ich bleibe allein zurück und grüble über die schiere Seltsamkeit dieses Gesprächs, die schiere Idiotie, dass ich mich in diese Situation gebracht habe, die schiere Undurchdringlichkeit der Beziehung zwischen Penelope Ross und Lukas Blomqvist.

Dann kommt Pen wieder zurückgelaufen und hält vor meinem Stuhl. »Hey, Vandy?«

Ich blicke auf. »Hast du was vergessen?«

»Ich wollte nur sagen …« Sie grinst breit. Erst dadurch erkenne ich, wie angespannt ihr Lächeln vorhin war. »Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mit mir zu reden. Dafür, dass du so cool bist und uns nicht verurteilst. Ich bin froh, dass du wieder fit und zurück im Team bist.«

Ich schaffe es kaum zu nicken, dann sprintet sie schon wieder hinaus und lässt mich mit dem Gedanken allein, ob je irgendjemand das Wort »cool« in Zusammenhang mit mir benutzt hat.

Kapitel 5

Eine Woche später beginne ich, die Ufer der akademischen Welt am Horizont zu erkennen.

Englisch ist nicht unmöglich (meinen Professor interessiert es nicht, ob meine Ansichten richtig sind, solange ich sie mit fester Überzeugung vertrete). Psychologie ist nicht so schwammig, wie ich zuerst dachte (der Wahnsinn des menschlichen Verhaltens hat tatsächlich Methode). Bioinformatik ist ein Kinderspiel (obwohl Dr. Carlsens permanent grimmiger Blick durchaus beunruhigend ist). Und dann ist da noch Deutsch. Ein mörderischer Sumpf, verseucht mit Haien, Vogelspinnen und empfindsamer Currywurst, die alle darauf lauern, mich zu zerfleischen.

»Gibt es kein Tutorenprogramm für Leute, die … in Fremdsprachen alles andere als begabt sind?«, fragt Barb bei unserem wöchentlichen Telefonat, nachdem ich in meiner Verzweiflung dreißig Minuten lang anti-germanische Propaganda vom Stapel gelassen habe.

»Keins, das in meinen Stundenplan passt. Ich hätte mir schon früher Hilfe suchen müssen.« Idealerweise noch im Mutterleib. »Aber ich komme schon klar.« Bei der ersten Aufgabe hatte ich zwei von zehn Punkten, bei der zweiten drei von zehn. Juhu, ein Aufwärtstrend.

»Das wirst du bestimmt, Scar.« Nachdem sie Dad verlassen hatte, nach dem Rechtsstreit, bei dem sie das Sorgerecht für mich gewonnen hatte, als unser Leben endlich uns gehörte, zog Barb mit mir nach St. Louis, wo sie die orthopädische Chirurgie leitet wie einen despotischen Nationalstaat. Bei ihrem Job steht unfassbar viel auf dem Spiel, sie verdient übelkeitserregend viel Geld und ist so schockierend beschäftigt, dass meine Lehrer in der Mittelschule den Verdacht hegten, ich wäre von zu Hause ausgebüxt und würde heimlich allein leben.

Ohne jeden Zweifel ist sie der Grund, dass ich Ärztin werden will. Ganz schön Klischee, ich weiß, aber es kam nicht gerade unerwartet. Ich hatte immer eine Vorliebe für Naturwissenschaften, aber erst, als ich anfing, meine Hausaufgaben in Barbs Büro zu machen, erkannte ich, wie bewundernswert ihre Arbeit ist. Wie viel sie bewirkt. Wie breit gefächert ihr Wissen ist und wie weit ihre Fürsorge reicht.

»Warum kann sich nicht Dr. Madden oder Dr. Davis um deine Patientin kümmern?«, jammerte ich einmal, als sie sagte, sie könne nicht zu meinem Wettkampf kommen.

»Weil …« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Dr. Madden ist ein Arschlo-, ein Anus, und Dr. Davis ist so spektakulär inkompetent, dass ich nie sicher bin, ob er sich eigentlich gerade um die Patienten kümmert oder um die Krankheit. Mrs. Reyes hat schon sehr lange Schmerzen. Sie verdient es, dass sich jemand um sie kümmert, der nicht nur mittelmäßig ist und der sie ernst nimmt. Würdest du mir da nicht zustimmen?«

Zu der Zeit war ich vierzehn, aber ihre Worte ergaben absolut Sinn. Ich war nicht nur stolz darauf, wie badass Barb war, ich wollte nichts mehr, als eine nicht-mittelmäßige Ärztin sein, die die Leute ernst nimmt.

Und jetzt bin ich hier. Und träume von akutem Leberversagen, um dem MCAT, dem Zulassungstest fürs Medizinstudium, zu entfliehen.

»Ach, übrigens«, sagt Barb, »ich bin letztens Coach Kumar begegnet.«

Ich zucke zusammen. Er war mein Highschool-Trainer. »Wie geht’s ihm?«

»Gut. Ich soll dir liebe Grüße ausrichten. Er hat nach dir gefragt.«

»Und du hast gelogen und ihm erzählt, ich hätte zwölfmal die NCAA-Meisterschaft gewonnen und wäre die Hoffnungsträgerin für Olympia?«

»Ich hab es in Erwägung gezogen, aber dann ist mir eingefallen, dass dieser Kram ja öffentlich einsehbar ist. Online. Nur eine Google-Suche entfernt.«

Ich seufze. »Schämt er sich für mich? Bringe ich Schande über meinen alten Verein?«

»Was? Nein. Du bist doch kein korrupter, Schlips tragender Anwalt für diese Oxy-Sacklers, Scarlett. Du warst schwer verletzt. Alle wünschen dir nur das Beste.«

Ich kann es kaum erwarten, sie wieder zu enttäuschen. »Wie geht es der Liebe meines Lebens?«, frage ich.

»Sie ist gerade damit beschäftigt, sich den Sack zu lecken.«

»Wichtige Geschäfte.«

»Moment, ich glaube, sie will mit dir reden.«

Pipsqueak, die Husky-Mops-Mischung, die auf Facebook Marketplace angeboten wurde, weil sie ein »übles Temperament« (Lügen, Verleumdung) und die Angewohnheit hat abzuhauen (nach wie vor ungebrochen), jault ihre Liebe zu mir heraus und versucht, über Barbs Telefon mein Gesicht zu lecken. Ich brabbele eine Viertelstunde auf sie ein, dann gehe ich zum Training.

Es ist Vorsaison, und das bedeutet Konditionstraining. Und Verfeinerung der Abläufe. Absprünge, Eintauchen, Körperpositionen, Rotationen, Korrekturen – Stunden im Gym, im Tauchbecken, im Kraftraum, und dann noch mehr Stunden zu Hause, im Unterricht, im Bett, wo die nagende Sorge, dass all das Training nicht genug sein wird, mir keine Ruhe lässt.

Ich bin eine gute Athletin. Ich habe meine Sprünge schon oft genug auf Video gesehen, um das zu wissen. Mein Körper ist endlich wieder stark und gesund. Aber mein Gehirn …

Mein Gehirn hasst mich manchmal. Vor allem, wenn ich auf dem Sprungturm stehe, zehn Meter über dem Rest meines Lebens.

Denn zehn Meter sind hoch, aber wie hoch, begreift man erst, wenn man über fünfzig Stufen emporsteigen muss, um einen Sprungturm zu erklimmen. Man kommt oben an, sieht nach unten und bekommt plötzlich dieses flaue Gefühl im Magen. Hoch wie ein dreistöckiges Gebäude. Eine ganze Riesenvilla, die sich zwischen dir und dem Wasser erstreckt. Auf einer Strecke von zehn Metern kann viel passieren – zum Beispiel kann ein Körper auf fünfzig Stundenkilometer beschleunigen, und das Wasser kann so schwer zu durchbrechen sein wie die härteste Eierschale des Universums.

Beim Turmspringen folgen die Strafen schnell und erbarmungslos. Es gibt keine Fehlertoleranz. Ein schlechter Sprung ist nicht nur unschön und peinlich – ein schlechter Sprung kann eine Sportlerkarriere beenden. Ein schlechter Sprung kann der letzte Sprung sein.

»Der Pool schließt um acht, aber lass dir Zeit, Vandy«, ruft Coach Sima zu mir hoch.

Ich lächle, die Handflächen flach auf die raue Oberfläche gedrückt, und hebe die Beine langsam zu einem Handstand. Meine Schultern, mein Rumpf, meine Oberschenkel, alles schmerzt auf diese gute, angespannte Art, die Kontrolle bedeutet. Ich verharre dort, eine perfekte gerade Linie, nur um mir zu zeigen, dass ich es kann. Ich habe das Zeug dazu. Es ist befreiend, wie klein und unbedeutend alles von hier oben aussieht.

»Keine Eile! Ich langweile mich nicht zu Tode.«

Ich schnaube und lasse den Rest des Sprungs aus mir herausströmen. Hechtposition. Halbe Drehung. Salto. Noch einer. Ich tauche mit nur wenigen Luftblasen ins Wasser ein. Als ich wieder auftauche, hockt Coach Sima am Rand des Beckens. »Vandy.«

Ich ziehe mich hoch und betaste meine Schulter. Tut nicht weh. Blutet nicht. Noch intakt. »Ja?«

»Das war NCAA-würdig.«

Ich drücke Wasser aus meinem Zopf.

»Das Problem ist: Das war nicht der Sprung, um den ich dich gebeten habe.«

Ich blicke mich um. Wo habe ich mein Shammy hingeworfen?

»Vandy. Sieh mich an.«

Mache ich. Muss ich.

»Klar, du kannst weiter deine Sprünge zum emotionalen Support machen. Aber wir haben andere Probleme, um die wir uns kümmern müssen.« Er tippt mir mit den Knöcheln auf die Stirn, als würde er eine Kokosnuss im Lebensmittelladen aussuchen. »Du musst daran arbeiten.«

»Ich weiß.«

»Dann tu, was ich sage, und ändere nicht den verdammten Sprung, wenn du da oben bist.« Er seufzt und schüttelt den Kopf. »Ist schon okay, Kid. Wir haben Zeit. Geh dich umziehen. Ihr kommt ja heute Abend vorbei.« Die Grillparty. Eine jährliche Team-Building-Tradition. Er zwinkert mir zu, und die Fältchen um seine Augen verzehnfachen sich. »Es gibt keine Party wie die Coach-Sima-Party.«

Tragischerweise entspricht das der Wahrheit. Denn eine Coach-Sima-Party ist Pflicht.

Ich mache mich auf den Weg zur Umkleide und sehe noch ein letztes Mal zu den Zwillingen hinüber, die gerade ihren gehockten Vorwärtssprung üben. Damals in St. Louis habe ich auch Synchronspringen gemacht, aber im Stanford-Team sind wir nur zu fünft, was mich zum fünften Rad am Wagen macht. Bella und Bree treten zusammen an (zwei Sportlerinnen, die den gleichen Sprung durchführen und noch dazu gleich aussehen? Auf diesen Scheiß fahren die Kampfrichter ab.) Pen und Victoria sind seit drei Jahren Partnerinnen und passen gut zusammen. Vielleicht kann ich mich nächstes Jahr mit einem Neuzugang zusammentun. Oder vielleicht werde ich allein in einem Tal der Tränen sterben, das deutsche Perfekt auf Karteikarten umklammernd. Wer weiß?

Victoria holt mich zu der Grillparty ab und verbringt die gesamte Fahrt damit, mich über einen kürzlich bestätigten Fall der Beulenpest bei einem Menschen zu informieren. Wir kommen als Letzte an und sind die einzigen beiden Loser, die ohne Begleitung aufkreuzen. »Ich liebe diesen Vorgeschmack darauf, wie meine Thanksgiving-Feste die nächsten fünfzig Jahre aussehen werden«, grummelt sie, setzt ein Lächeln auf und umarmt Mrs. Sima zur Begrüßung.

Ich unterhalte mich mit Leo, dem dreizehnjährigen Sohn von Coach Sima, der ungefähr genauso unbeholfen ist wie ich, bis er so tut, als wären ihm gerade seine unerledigten Hausaufgaben eingefallen, und sich ins Haus zurückzieht. Dann mache ich mich auf die Suche nach was zu trinken – und pralle gegen eine Wand.

Genauer gesagt, Lukas Blomqvist.