Below Zero – Die unerwarteten Abgründe der Liebe - Ali Hazelwood - E-Book
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Below Zero – Die unerwarteten Abgründe der Liebe E-Book

Ali Hazelwood

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Beschreibung

Neues von Ali Hazelwood, der internationalen Bestsellerautorin: eine unwiderstehlich heiße, lustige, feministische Story über eine junge Ingenieurin und ihren Kampf um die Karriere – und die Liebe … 

Hannah, Mara und Sadie und sind beste Freundinnen – und als Naturwissenschaftlerinnen leidvoll darin erprobt, sich in männlich besetzten Domänen zu behaupten. Eines wissen sie nur zu genau: In Fragen der Wissenschaft – ebenso wie der Liebe – sind es stets die Gegensätze, die die heftigsten Reaktionen hervorrufen.

Und so hatte Hannah als Frau, die sich stets auf Algorithmen und automatisierte Steuerung statt auf Gefühle verlässt, nie vor, einen Mann in einer auch nur ansatzweise heldenhaften Rolle in ihr Leben zu lassen. Doch als sie sich in den frostigen Weiten der Arktis in einer mehr als misslichen Notlage wiederfindet, muss sie wohl nicht nur akzeptieren, dass es ausgerechnet ihr Widersacher und beruflicher Erzfeind Ian ist, der ihr zur Hilfe eilt – sondern auch, dass es in Fragen der Chemie zwischen ihnen heiß hergeht … 

Die Geschichten von Mara und Sadie sind in den Storys »Under One Roof – Liebe unter einem Dach« und »Stuck With You – An wem die Liebe hängen bleibt« zu finden.  

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Seitenzahl: 172

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Über das Buch

Hannah, Mara und Sadie und sind beste Freundinnen und wissen als Naturwissenschaftlerinnen nur zu gut, was für explosive Reaktionen extreme Gegensätze mitunter auslösen. Und dennoch findet sich Umweltwissenschaftlerin Mara mit dem unausstehlichen Liam, Konzernanwalt und Klimazerstörungs-Lobbyist der übelsten Sorte, in einer Zwangs-WG wieder – unkalkulierbar emotionale Folgeschäden nicht ausgeschlossen.

Genau deshalb meidet Sadie ihren Ex, einen wikingerhaften Alptraum namens Erik. Bis sie mit ihm in einem winzigen Aufzug steckenbleibt – und als gute Ingenieurin weiß sie leider, dass veränderte Variablen in einer Gleichung auch ein neues Ergebnis zur Folge haben.

NASA-Wissenschaftlerin Hannah verlässt sie ohnehin nicht auf Gefühle, sondern auf Algorithmen und automatisierte Steuerung. Doch als sie sich in den frostigen Weiten der Arktis in Not gerät, muss sie nicht nur die Hilfe ihres Erzfeinds Ian akzeptieren – sondern auch, dass es in Fragen der Chemie zwischen ihnen heiß hergeht … 

»Hazelwood ist ein absolutes Romance-Powerhouse.« Christina Lauren, New York Times-Bestsellerautorin

Über Ali Hazelwood

Ali Hazelwood hat unendlich viel veröffentlicht (falls man all ihre Artikel über Hirnforschung mitzählt, die allerdings niemand außer ein paar Wissenschaftlern kennt und die, leider, oft kein Happy End haben). In Italien geboren, hat Ali in Deutschland und Japan gelebt, bevor sie in die USA ging, um in Neurobiologie zu promovieren. Vor Kurzem wurde sie zur Professorin berufen, was niemanden mehr schockiert als sie selbst. Ihr erster Roman »Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe« wurde bei TikTok zum Sensationserfolg und ist ein internationaler Bestseller. Zuletzt erschien von ihr bei Rütten & Loening »Das irrationale Vorkommnis der Liebe«.

Mehr unter: www.AliHazelwood.com

Instagram: @AliHazelwood

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Ali Hazelwood

Below Zero – Die unerwarteten Abgründe der Liebe

Aus dem Amerikanischen von Anna Julia Strüh

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Widmung

Prolog — Spitzbergen, Norwegen Gegenwart

Kapitel 1 — Johnson Space Center, Houston, USA Ein Jahr zuvor

Kapitel 2 — Caltech Campus, Pasadena, Kalifornien Fünf Jahre und sechs Monate zuvor

Kapitel 3 — Spitzbergen, Norwegen Gegenwart

Kapitel 4 — Johnson Space Center, Houston, Texas Ein Jahr zuvor

Kapitel 5 — Spitzbergen, Norwegen Gegenwart

Kapitel 6 — Johnson Space Center, Houston, Texas Sechs Monate zuvor

Kapitel 7 — Spitzbergen, Norwegen Gegenwart

Kapitel 8

Kapitel 9

Epilog — Jet Propulsion Lab, Pasadena, Kalifornien Neun Monate später

Impressum

Wer von dieser Novella begeistert ist, liest auch ...

Für Shep und Celia. Immer noch ohne Eisbären, aber dafür mit viel Liebe

Prolog

Spitzbergen, Norwegen Gegenwart

Ich träume von einem Ozean.

Allerdings nicht von dem arktischen. Nicht von dem hier in Norwegen mit seinen dicht gedrängten, schäumenden Wellen, die ohne Unterlass an die Küsten des Archipels Spitzbergen branden. Womöglich tue ich der Barentssee unrecht. Denn sie ist es definitiv wert, von ihr zu träumen. Genau wie die überall herumtreibenden Eisberge und unwirtliche, von Permafrost überzogene Küste. Um mich herum ist nichts als schroffe himmelblaue Schönheit, und wenn ich hier sterbe, allein, frierend, verletzt und verdammt hungrig … na ja, dann habe ich keinen Grund, mich zu beklagen.

Schließlich war Blau immer meine Lieblingsfarbe.

»Dr. Arroyo? Hören Sie mich?«

Ich meine, das Ganze ist geradezu lachhaft. Ich bin Wissenschaftlerin bei der NASA. Ich habe einen Doktor in Luft- und Raumfahrttechnik und mehrere Publikationen im Bereich der Astrogeologie. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt herrscht in meinem Gehirn ein wilder Mahlstrom aus wirren Gedanken über gewaltige Vulkanausbrüche, die Fluiddynamik von Kristallen und die Art von Strahlungsschutzausrüstung, die man bräuchte, um eine Kolonie auf Kepler-452b zu gründen. Ich schwöre, es ist keine Angeberei, wenn ich sage, dass ich so ziemlich alles über den Mars weiß, was es zu wissen gibt. So auch die Tatsache, dass es dort keine Ozeane gibt und die Vorstellung, dass es jemals welche gegeben haben könnte, unter Wissenschaftlern äußerst umstritten ist.

Also: Meine Nahtodträume sind lächerlich und wissenschaftlich widerlegt. Ich würde darüber lachen, wenn ich mich nicht mit einem verstauchten Knöchel circa drei Meter unter der Erde befände. Vermutlich sollte ich mir die Energie lieber für das aufsparen, was auf mich zukommt. An ein Leben nach dem Tod habe ich nie wirklich geglaubt, aber wer weiß? Besser, ich gehe auf Nummer sicher.

»Dr. Arroyo, können Sie mich hören?«

Das Problem ist, dass der nicht existierende Ozean auf dem Mars nach mir ruft. Ich fühle seine Anziehungskraft tief in meinem Innern, und sie wärmt mich selbst hier, am eisigen Arsch der Welt. Sein türkisfarbenes Wasser und die rostroten Küstenlinien sind etwa zweihundert Million Kilometer von dem Ort entfernt, an dem ich sterben und verrotten werde, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass sie wollen, dass ich näher komme. Dort ist ein Ozean, ein Netzwerk von Zuflüssen, ein ganzer gigantischer Planet voller Eisenoxid, und all das ruft nach mir. Drängt mich aufzugeben. Mich ihm hinzugeben. Loszulassen.

»Dr. Arroyo.«

Und dann höre ich die Stimmen. Beliebige, unglaubwürdige Stimmen aus meiner Vergangenheit. Okay, eigentlich nur eine Stimme. Es ist immer die gleiche tiefe, grollende Stimme, ohne hörbaren Akzent, mit perfekt ausgesprochenen Konsonanten. Wenn ich ehrlich bin, stört sie mich gar nicht so sehr. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, warum mein Gehirn sie mir gerade jetzt vorgaukelt, da sie zu jemandem gehört, der mich nicht besonders mag – jemandem, den ich wohl sogar noch weniger mag –, aber es ist eine ziemlich gute Stimme. Eins plus. Definitiv wert, ihr an der Schwelle des Todes zu lauschen. Obwohl Ian Floyd nie wollte, dass ich hierher nach Spitzbergen komme. Obwohl er bei unserer letzten Begegnung ausgesprochen stur, unfreundlich und unvernünftig war, selbst wenn er jetzt so …

»Hannah.«

… nah klingt. Ist das wirklich Ian Floyd? In meiner Nähe?

Unmöglich. Mein Hirn ist vor Kälte in Dummheit erstarrt. Anscheinend ist es wirklich vorbei mit mir. Meine Zeit ist abgelaufen, das Ende ist nah, und …

»Hannah, ich komme dich holen.«

Meine Augen öffnen sich schlagartig. Ich träume nicht mehr.

Kapitel 1

Johnson Space Center, Houston, USA Ein Jahr zuvor

An meinem ersten Tag bei der NASA, irgendwann zwischen der Aufnahme in der Personalabteilung und einer Tour durch das Forschungsgebäude für Elektromagnetische Verträglichkeit, dreht sich ein übereifriger, frisch eingestellter Wissenschaftler zu uns um und fragt: »Habt ihr nicht auch das Gefühl, dass euch euer gesamtes Leben zu diesem Moment geführt hat? Als wäret ihr dazu bestimmt, genau hier zu sein?«

Neben diesem Streber fangen vierzehn von uns heute hier an. Vierzehn Leute aus den Top-Five-Promotionsprogrammen, aus prestigeträchtigen Praktika und lebenslaufaufmotzenden Jobs, die sie ausschließlich deshalb angenommen haben, um in der nächsten Einstellungsrunde besser rüberzukommen. Vierzehn von uns sind hier, und alle dreizehn, die nicht ich sind, nicken enthusiastisch.

»Ich wusste spätestens mit fünf, dass ich bei der NASA landen würde«, sagt ein schüchtern wirkendes Mädchen. Sie weicht schon den ganzen Morgen nicht von meiner Seite, wahrscheinlich, weil wir die einzigen beiden Nicht-Kerle der Gruppe sind. Was mich nicht sonderlich stört. Vielleicht, weil sie Computertechnikerin ist, während mein Spezialgebiet die Luft- und Raumfahrttechnik ist, weshalb die Chancen gut stehen, dass wir uns nach dem heutigen Tag kaum wiedersehen werden. Sie heißt Alexis und trägt eine NASA-Kette über einem NASA-T-Shirt, unter dem ein NASA-Tattoo auf ihrem Oberarm hervorlugt. »Ich wette, bei dir war es genauso, Hannah«, fügt sie hinzu, und ich lächle sie an, weil Sadie und Mara mir das Versprechen abgerungen haben, dass ich nun, da wir in verschiedenen Zeitzonen wohnen, mein gewohnt angeödetes Resting-Bitch-Ich nicht mehr so ungefiltert offenbaren sollte. Sie sind überzeugt, dass ich neue Freunde finden muss, und ich habe widerwillig zugestimmt, mir Mühe zu geben, damit sie endlich die Klappe halten. Also nicke ich Alexis zu, als wüsste ich genau, was sie meint, während ich im Stillen denke: Nicht wirklich.

Wenn die Leute hören, dass ich einen Doktor habe, nehmen sie meistens an, ich wäre schon immer ein akademisch überambitioniertes Kind gewesen. Dass ich mein ganzes Leben als Überflieger durch die Schule gecruist bin. Dass ich eine so gute Schülerin war, dass ich beschlossen habe, selbst noch dabeizubleiben, als ich schon längst die Flucht hätte ergreifen und mich von der Last der Hausaufgaben und des nächtelangen Ackerns für nie enden wollende Prüfungen befreien können. Die Leute haben feste Vorstellungen, und in der Regel lasse ich sie glauben, was sie wollen. Sich darum zu kümmern, was andere Leute denken, bedeutet eine Menge Arbeit, und – mit einer Handvoll Ausnahmen – bin ich kein Fan von harter Arbeit.

Doch der Wahrheit entspricht das genaue Gegenteil. Ich habe die Schule von Anfang an gehasst – was zur Folge hatte, dass die Schule jenes mürrische, lustlose Kind, das ich damals war, ebenfalls hasste. In der ersten Klasse weigerte ich mich zu lernen, meinen Namen zu schreiben, obwohl Hannah nur aus drei Buchstaben besteht, die dazu noch doppelt vorkommen. In der Mittelstufe stellte ich einen Rekord für die höchste Anzahl aufeinanderfolgender Nachsitztage auf – was passiert, wenn man sich entscheidet, eindeutig Stellung zu beziehen und keine Hausaufgaben für welches Fach auch immer mehr zu machen, da man sie zu langweilig, zu schwierig, zu nutzlos oder alles auf einmal findet. Zum Ende des neunten Schuljahres konnte ich es kaum erwarten, meinen Abschluss zu machen und die Schule und einfach alles, was dazugehört, hinter mir zu lassen: die Bücher, die Lehrer, die Noten, die Cliquen. Alles. Ich hatte nicht wirklich einen Plan für das Danach, außer dem Jetzt zu entfliehen.

Schon mein ganzes Leben hatte ich das Gefühl, nie genug zu sein. Ziemlich früh begriff ich, dass ich niemals so gut, so schlau, so liebenswert, so gewollt sein würde wie mein perfekter großer Bruder und meine makellose große Schwester. Nach mehreren missglückten Versuchen, mit ihnen mitzuhalten, beschloss ich, es gar nicht mehr zu versuchen. Und mich auch nicht mehr darum zu scheren. Als ich dann ein Teenager war, wollte ich nur noch …

Na ja, ehrlich gesagt bin ich bis heute nicht sicher, was mein fünfzehnjähriges Ich wollte. Vielleicht, dass meine Eltern aufhörten, sich über meine Unzulänglichkeiten aufzuregen. Dass meine Klassenkameraden aufhörten, mich zu fragen, wie es sein könne, dass jemand wie ich mit zwei ehemaligen Musterschülern verwandt war. Ich wollte mich nicht mehr so fühlen, als würde ich in meiner eigenen Planlosigkeit verrotten, und ich wollte auf keinen Fall mehr, dass sich mir der Kopf die ganze Zeit drehte. Ich war verwirrt, voller Widersprüche und rückblickend wahrscheinlich ein ziemlich ätzender, schwer erträglicher Teenager. Sorry, Mom und Dad und der Rest der Welt. War nicht mit Absicht.

Jedenfalls habe ich mich als Kind ziemlich verloren gefühlt. Bis Brian McDonald, ein Elftklässler, auf die Idee kam, ich werde bestimmt mit ihm zum Abschlussball gehen, wenn er behauptete, meine Augen seien »so blau wie der Sonnenuntergang auf dem Mars«.

Fürs Protokoll: Das ist eine ganz furchtbare Anmache. Nicht zu empfehlen. Nur ganz sparsam zu benutzen. Am besten gar nicht benutzen, vor allem nicht, wenn die betreffende Person – wie ich – braune Augen hat und sich dessen durchaus bewusst ist. Aber was als Tiefpunkt in der Geschichte des Flirtens begann, erklomm letztlich, wenn ich mir diese etwas selbstgefällige Metapher erlauben darf, die Höhen eines Meteoriten: Es krachte in mein Leben und brachte es dazu, seine Flugbahn zu ändern.

In den kommenden Jahren würde ich herausfinden, dass all meine Kolleginnen und Kollegen bei der NASA ihre ganz persönliche Herkunftsgeschichte haben – ihren eigenen Weltraumfelsen, der den Kurs ihrer Existenz neu definierte und sie dazu brachte, Ingenieur, Physiker, Biologe oder Astronaut werden zu wollen. Normalerweise ist es ein Schulausflug ins Kennedy Space Center. Ein Buch von Carl Sagan unter dem Weihnachtsbaum. Ein besonders inspirierender Naturwissenschaftslehrer im Ferienlager. Meine Begegnung mit Brian McDonald gehört auch in diese Kategorie. Obwohl sie diesen Typen beinhaltet, von dem später behauptet wurde, dass er auf dem Höhepunkt seiner Karriere Internetforen für Männer moderiert haben soll, die keine Frauen abbekommen. Was es ein bisschen weniger cool macht.

Leute, die vom Weltraum besessen sind, lassen sich grundsächlich in zwei Lager aufteilen. Die einen wollen unbedingt selbst ins All und sehnen sich nach der Schwerelosigkeit, den Raumanzügen und danach, ihren eigenen recycelten Urin zu trinken. Und auf der anderen Seite gibt es Leute wie mich: Wir wollen – meistens schon seit unsere Frontallappen noch so unterentwickelt waren, dass wir dachten, Zehenschuhe seien ein richtig tolles Modestatement – mehr über das Weltall wissen. Anfangs nur simple Sachen: Woraus besteht das Universum? Wo hört es auf? Warum fallen uns die Sterne nicht auf den Kopf? Und dann, wenn man genug gelesen hat, werden die ganz großen Themen aufgefahren: Dunkle Materie. Das Multiversum. Schwarze Löcher. An diesem Punkt wird dir klar, wie wenig wir von diesem riesigen Ding, zu dem wir gehören, verstehen. Und du fängst an dir zu überlegen, ob du vielleicht helfen kannst, neues Wissen zu erlangen.

Und so landest du bei der NASA.

Also, zurück zu Brian McDonald. Ich bin nicht mit ihm zum Abschlussball gegangen. (Ich war überhaupt nicht auf dem Abschlussball, denn das war echt nicht meine Szene, und selbst wenn das anders gewesen wäre, hatte ich Hausarrest, weil ich in einer Englischprüfung durchgefallen war, und selbst wenn ich keinen gehabt hätte: Scheiß auf Brian McDonald und seine schlecht recherchierten Anmachsprüche.) Doch irgendetwas an der ganzen Sache blieb mir im Gedächtnis. Warum sollte ein Sonnenuntergang blau sein? Noch dazu auf einem roten Planeten? Das klang wie etwas, das sich zu wissen lohnte. Also verbrachte ich die ganze Nacht in meinem Zimmer und googelte Staubpartikel in der Atmosphäre des Mars. Bis zum Ende der Woche hatte ich mich in einer Bibliothek angemeldet und drei Bücher zu dem Thema verschlungen. Bis zum Ende des Monats lernte ich Infinitesimalrechnung, um Konzepte wie das des Schubs, also der Kraft pro Zeit, und die Kombinationen der harmonischen Reihe zu verstehen. Bis zum Ende des Jahres hatte ich ein Ziel. Diffus, wirr, noch nicht klar definiert, aber dennoch ein Ziel.

Zum ersten Mal in meinem Leben.

Ich spare mir die grausamen Details, aber den Rest meiner Schulzeit habe ich mir so was von den Arsch aufgerissen, um all die Jahre wettzumachen, in denen ich mir so was von gar nicht den Arsch aufgerissen hatte. Man stelle sich den Zusammenschnitt von Trainingseinheiten aus einem Achtziger-Jahre-Film vor, wobei ich, statt durch den Schnee zu rennen und mit einem umfunktionierten Besenstiel Klimmzüge zu machen, Bücher wälzte und mir haufenweise Vorträge auf YouTube reinzog. Und es war verdammt harte Arbeit: dass ich komplexe Konzepte wie das Hertzsprung-Russell-Diagramm, astronomische Konstellationen wie Syzygie oder synodische Perioden verstehen wollte, machte es kein bisschen leichter, sie dann auch wirklich zu begreifen. Bisher hatte ich es nie auch nur versucht. Und nun wurde ich im zarten Alter von sechzehn Jahren mit dem unerträglichen Gefühlschaos konfrontiert, das damit einhergeht, sein Bestes zu geben und sich dennoch eingestehen zu müssen, dass das manchmal einfach nicht reicht. Sosehr es mich schmerzt, es zugeben zu müssen: Ich habe keinen IQ von 130. Um die Bücher, die ich las, wirklich zu verstehen, musste ich dieselben Konzepte immer und immer wieder durchgehen. Anfangs ritt ich auf der Begeisterungswelle, dass ich etwas Neues! für mich! entdeckte!, aber nach einer Weile ließ meine Motivation nach, und ich begann mich zu fragen, was ich überhaupt vorhatte. Ich lernte eine Menge grundlegendes Wissenschaftszeug, um mich mit fortgeschrittenerem Wissenschaftszeug auseinandersetzen zu können, damit ich irgendwann alles Wissenschaftszeug über den Mars wissen würde und … und was dann? Würde ich bei Jeopardy! mitmachen und das Weltall für 500 wählen? Das schien mir die Sache nicht wert zu sein.

Dann kam der 6. August 2012.

Als der NASA-Rover Curiosity sich dem Mars näherte, blieb ich bis ein Uhr nachts wach, stürzte zwei Flaschen Cola light hinunter, futterte Erdnüsse als Glücksbringer, und als das Landemanöver losging, biss ich mir so fest auf die Lippe, dass sie zu bluten begann. Als Curiosity sicher auf dem Boden aufsetzte, schrie ich, lachte, weinte und bekam eine Woche Hausarrest, weil ich meine gesamte Familie in der Nacht vor der großen Friedenskorps-Reise meines Bruders aufgeweckt hatte, doch das war mir egal.

In den darauffolgenden Monaten verschlang ich jede noch so kleine Nachricht über Curiositys Mission, und während ich mich angesichts der Bilder des Marskraters Gale, der Auswertung der Rohdaten, der Berichte über die molekulare Zusammensetzung der Ebene von Aeolis Palus fragte, was für eine Welt sich dahinter verbarg, begann mein diffuses, undefiniertes Ziel immer klarere Gestalt anzunehmen.

Die NASA.

Die NASA war es, wo ich hinmusste.

Im Sommer zwischen den beiden letzten Schuljahren fand ich eine Rangliste der hundert besten ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge der USA und beschloss, mich für die besten zwanzig zu bewerben. »Du solltest deine Auswahl vielleicht ein bisschen ausweiten. Noch ein paar Sicherheitsoptionen hinzufügen«, riet mir meine Betreuerin. »Ich meine, dein Notendurchschnitt hat sich deutlich gebessert, aber du hast einige« – eine lange Pause, ein Räuspern – »akademische Warnflaggen in deinen Akten.«

Ich dachte einen Moment darüber nach. Wer hätte gedacht, dass es Konsequenzen haben würde, dass ich die ersten anderthalb Jahrzehnte meines Lebens ein kleiner Scheißer gewesen war? Ich auf jeden Fall nicht. »Okay. Gut. Dann die besten dreißig.«

Wie sich herausstellte, war das nicht nötig. Ich wurde von (Trommelwirbel bitte!) genau einer der zwanzig besten Schulen angenommen. Ein wahrer Triumph, was? Ich weiß nicht, ob sie meine Bewerbung falsch abgeheftet, all meine Unterlagen verlegt oder einen so weitreichenden Hirnausfall hatten, dass die gesamte Zulassungsabteilung kurzzeitig vergaß, wie eine vielversprechende Studentin aussehen sollte. Ich leistete sofort die vorgeschriebene Anzahlung, und etwa fünfundvierzig Sekunden, nachdem ich die Zusage bekommen hatte, teilte ich der Georgia Tech mit, dass ich mich einschreiben würde.

Kein Zurück mehr.

Ich zog nach Atlanta und hängte mich voll rein. Ich wählte genau die Haupt- und Nebenfächer, von denen ich wusste, dass die NASA sie auf einem Lebenslauf sehen wollte. Machte Praktika auf Bundesebene. Lernte so viel, dass ich die Prüfungen mit Bestnote bestand, betrieb Networking, bewarb mich für ein Promotionsstudium, zog noch einmal um, schrieb meine Dissertation. Wenn ich auf die letzten zehn Jahre zurückblicke, war da nichts außer Arbeiten und Studien und Studienarbeiten – mit der bemerkenswerten Ausnahme, dass ich Sadie und Mara getroffen habe, denen ich etwas widerwillig dabei zusah, wie sie einen Platz in meinem Herzen einnahmen. Und mein Gott, wie viel Platz die beiden einnehmen.

»Man könnte meinen, das Weltall bestimme deine ganze Persönlichkeit«, meinte das Mädchen, mit dem ich im dritten und vierten Semester meines Undergrad-Studiums ab und zu ins Bett ging, nachdem ich abgelehnt hatte, ihre Freunde auf einen Kaffee zu treffen, weil ich mir eine Vorlesung über Kalpana Chawla anhören wollte, die erste Frau indischer Herkunft im All. »Hast du keine anderen Interessen?«, fragte sie. Ich warf ihr ein rasches »Nö« zu, winkte zum Abschied und war nicht im Geringsten überrascht, dass sie nicht reagierte, als ich ihr in der Woche darauf vorschlug, sich zu treffen. Offensichtlich konnte ich ihr nicht geben, was sie brauchte.

»Ist das wirklich genug für dich? Nur hin und wieder mit mir Sex zu haben, wenn dir gerade danach ist, und mich den Rest der Zeit zu ignorieren?«, fragte mich der Typ, mit dem ich im letzten Semester meines Promotionsstudiums schlief. »Du wirkst einfach so … ich weiß auch nicht … emotional extrem unzugänglich.« Er mag recht gehabt haben, denn das Ganze ist erst ein Jahr her, und ich kann mich nicht einmal mehr an sein Gesicht erinnern.

Genau zehn Jahre nachdem Brian McDonald die Farbe meiner Augen derart unpassend umschrieben hatte, bewarb ich mich auf eine Stelle bei der NASA. Ich wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, bekam das Jobangebot, und hier bin ich. Doch im Gegensatz zu den anderen Neulingen habe ich nicht das Gefühl, als wären der Mars und ich schon immer füreinander bestimmt gewesen. Es gab nie eine Garantie, keine unsichtbaren Fäden des Schicksals, die mich zu diesem Job hingeführt haben, vielmehr weiß ich genau, dass ich mir diesen Weg mit roher Gewalt bahnen musste, aber ist das von Bedeutung?

Nein. Überhaupt nicht.

Also wende ich mich Alexis zu. Diesmal entlocken mir ihre NASA-Kette, ihr NASA-T-Shirt und ihr NASA-Tattoo ein echtes Lächeln. Es war eine lange Reise mit ungewissem Ausgang, aber nun habe ich das Ziel erreicht, und darüber bin ich uncharakteristisch aufrichtig glücklich. »Fühlt sich an wie mein Zuhause«, sage ich, und ihr enthusiastisches Nicken hallt tief in meiner Brust wider.

Jedes einzelne Mitglied in der Geschichte des Mars Exploration Program hatte irgendwann seinen ersten Tag bei der NASA