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Während einer Rundreise durch das faszinierende Island hofft Hanna auf Ablenkung von ihrer Vergangenheit und quälenden Zukunftsängsten. Im abgelegenen FineHostel begegnet sie ihrem Ex-Freund Luki, der mit seiner Freundin Dalia dort lebt. Dalias plötzlicher Tod in der Nacht nach Hannas Ankunft löst im Hostel heftige Konflikte aus. Entschlossen, die Wahrheit über Dalias Tod aufzudecken, entdeckt Hanna verstörende Hinweise, die sie in ein Netz aus Intrigen ziehen. Zwischen den majestätischen Felsen und den geheimnisvollen Wasserfällen Islands wird ihre Suche immer gefährlicher. Die Spannungen im Hostel eskalieren, während dunkle Geheimnisse ans Licht kommen. Hanna muss nicht nur ihren eigenen Ängsten ins Auge blicken, sondern auch herausfinden, wem sie in dieser verwirrenden Situation noch vertrauen kann. Inmitten von Verdächtigungen und unerklärlichen Vorfällen steht die Frage im Raum: Wird es Hanna gelingen, die Wahrheit hinter Dalias Tod aufzudecken, bevor es zu spät ist?
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Seitenzahl: 487
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Für meine Familie, für meine Freunde. Und für alle, die mal zögern, zweifeln und zerdenken.
PROLOG
TEIL 1
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
TEIL 2
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
KAPITEL 31
KAPITEL 32
KAPITEL 33
KAPITEL 34
KAPITEL 35
KAPITEL 36
KAPITEL 37
KAPITEL 38
KAPITEL 39
KAPITEL 40
KAPITEL 41
KAPITEL 42
KAPITEL 43
KAPITEL 44
KAPITEL 45
KAPITEL 46
TEIL 3
KAPITEL 47
KAPITEL 48
KAPITEL 49
KAPITEL 50
KAPITEL 51
KAPITEL 52
KAPITEL 53
KAPITEL 54
KAPITEL 55
KAPITEL 56
KAPITEL 57
KAPITEL 58
KAPITEL 59
KAPITEL 60
KAPITEL 61
KAPITEL 62
KAPITEL 63
KAPITEL 64
EPILOG
„Elfen und Kobolde im Seljaland!“
Alvar Baldvin Garðarsson überflog die Schlagzeile der Zeitung und schenkte ihr keine große Beachtung, denn etwas anderes nahm seine Aufmerksamkeit in Beschlag.
Der Brief befand sich ganz oben auf dem Haufen Post, der auf dem Terrassentisch verteilt lag. Er war noch ungeöffnet. Alvars Blick streifte den unscheinbaren Umschlag und blieb am Namen des Absender hängen. Er nahm ihn in die rechte Hand, an der ihm seit seinem 39. Lebensjahr wegen eines Sägeunfalls zwei Finger fehlten. Mittlerweile war er 52 Jahre alt – an ihre Nutzung ohne Ring- und Mittelfinger hatte er sich längst gewöhnt. Er drehte und wendete das Schreiben, um es dann doch wieder zurück auf den Haufen zu werfen.
Heute nicht. Er strich sich eine grau melierte Haarsträhne aus dem Gesicht und wandte sich stattdessen wieder der Tageszeitung zu.
„Don’t worry, be happy – Island auf dem zweiten Platz des World Happiness Reports“, las er vor. Er gab einen verächtlichen Laut von sich und starrte in die Ferne. Es war sein täglicher Anblick: flaches Gras, welches kilometerweit reichte, die Gebirge, die sich in der Ferne erhoben und sich scheinbar in die Unendlichkeit zogen, sowie der schmale Streifen eines Wasserfalls, der aus der Entfernung nur mit Mühe zu erkennen war. Sie waren immer da, wenn er morgens auf der Terrasse seines Hostels in den Tag startete. Hinter den gigantischen Bergen schoben sich dunkle Wolken vorbei – schnell und wie ein dichter Vorhang, und Alvar wünschte sich, dass auch er ein Teil der Wolkendecke sein und mit ihr weiterziehen könnte.
Eigentlich hatte er Grund zur Freude. Es war Ende Juli, und sein Hostel war fast ausgebucht. Doch vertieft in seinen Gedanken, bemerkte er nicht einmal, wie einzelne Sonnenstrahlen hinter dem Dickicht an Wolken durchblitzten und sein Gesicht in ein warmes Licht tauchten. Missmutig dachte er an den bevorstehenden Tag, der wie jeder andere sein würde. Er musste die Schichten seiner Mitarbeiter einteilen, die Einkaufsliste für die kommende Woche prüfen sowie eine kleine Reparatur im Dach vornehmen, die er schon seit Wochen vor sich herschob. Und als ob das nicht schon genug wäre, musste er auch noch eine Gruppe Touristen zum Wasserfall Skógafoss begleiten. Mit seinem Pick-up brauchte er etwa 20 Minuten dorthin, und das Sightseeing gehörte zu einem der Services, die er seinen Hostelbewohnern anbot. Normalerweise drückte er diese Aufgabe an seine Mitarbeiter ab, doch heute würde er sich der Sache selbst annehmen.
Seine Truppe, bestehend aus fünf Personen, lebte im Hostel und half ihm, es am Laufen zu halten. Obwohl er es nicht zugeben wollte, hatte Alvar jede Hilfe nötig, seit seine Frau und die Kinder in Reykjavík wohnten. Mehr als ein Jahr war es nun her, seit sie ihn verlassen hatten.
Da kommt mir sogar dieser Italiener gelegen. Alvar hielt einen Moment inne und überlegte, ob er das gerade tatsächlich gedacht hatte. Emilio, der 29-jährige Italiener, verkörperte alles, was Alvar verabscheute. Er war ein lauter, oberflächlicher Frauenheld und hatte eine gekünstelte, dramatische Art an sich, die alles, was er von sich gab, in ein seltsames Licht warf. Ja, er packte an, aber würde auch nur ein Bewerber für den Posten auftauchen, den Alvar mehr leiden konnte, dann würde Emilio schneller aus dem FineHostel fliegen, als er das Wort „Spaghetti“ aussprechen konnte.
Dann war da noch Nuncio, der 21 Jahre junge Spanier, der sich hier – soweit Alvar es beurteilen konnte – total fehl am Platz fühlte. Der Junge machte seine Arbeit. Ansonsten verkroch Nuncio sich in seinem Zimmer. Ihm war andauernd kalt – sogar jetzt im Sommer bei milden 14°C. Alvar lachte kurz auf, denn das war für ihn T-Shirt-Wetter.
Hildur war etwas älter als Nuncio und die einzige Isländerin, die für ihn arbeitete. Zumindest eine Person, die meine Kultur versteht.
Und dann gab es natürlich noch Luki und Dalia. Luki kam aus Deutschland, Dalia aus Mexiko. Die beiden hatten sich während Dalias Studiensemester auf der Insel kennengelernt. Nach außen hin waren die beiden recht umgänglich. Sie erledigten ihre Aufgaben ordentlich und entsprechend Alvars Wünschen. Sie verhielten sich nicht auffälliger als notwendig wie ein Paar. Das gefiel Alvar. Denn wenn er eines noch weniger leiden konnte als aufgeplusterte Südländer, dann waren es verliebte Pärchen.
Alvar kannte die beiden mit Abstand am längsten. Seit drei Jahren arbeiteten sie mit ihm. Und der Grund dafür, dass es schon so lange funktionierte, war einfach: Er mischte sich nicht in ihre Angelegenheiten ein – und sie taten das ebenso wenig. Er kannte die Hostel-Gerüchte, die besagten, dass hinter Dalias und Lukis verschlossener Tür das eine oder andere Mal die Fetzen flogen. Solange sie keinen Streit mit ihm oder vor seinen Gästen anfingen, war es ihm egal, wann, wie und wo sich die beiden in die Haare bekamen.
Er hatte nie ein Problem damit, Luki und Dalia in eine Schicht zu stecken, denn erfahrungsgemäß lief die Arbeit wie ein geöltes Uhrwerk. Die beiden benahmen sich immer professionell – aber nicht am gestrigen Tag.
Laute Stimmen aus dem Empfangsbereich hatten ihn aufhorchen lassen, und er traute seinen Augen kaum: Luki und Dalia befanden sich in einer hitzigen Diskussion, und das auch noch vor einer Familie, die im selben Moment einchecken wollte. Alvar hatte die erschrockenen Blicke der Kleinkinder ignoriert. Schließlich wusste er, was für einen Angst einflößenden Eindruck er auf andere hatte. Seine knapp zwei Meter große Erscheinung, sein krateriges Gesicht, sein schulterlanges gräuliches Haar sowie seine abschreckenden Fingerstummel hatten schon so manches Balg in die Flucht geschlagen. Da sich Dalia und Luki nahezu anschrien, hatte er sie in sein Büro befohlen, um sie seinerseits zurechtzuweisen.
„So geht das nicht! Wir haben hier Regeln, und die beruhen primär auf Harmonie. Wie sollen sich meine Gäste wohlfühlen, wenn es nicht mal meine Mitarbeiter können? So etwas wie heute dulde ich kein weiteres Mal. Wenn ihr streiten wollt, dann geht in euer Zimmer. Für solche privaten Angelegenheiten ist es da!“
Luki hatte ihn mit verschränkten Armen angeschaut und dann seinen verärgerten Blick auf Dalia gerichtet, die lediglich auf ihre Füße gestarrt hatte. „Habt ihr verstanden, was ich damit sagen möchte?“ Stummes Nicken war ihre Antwort gewesen.
„Alvar!“ Jemand riss ihn aus seinem Gedanken. Es war Emilio, und schon bei seinem Anblick sank Alvars Laune mit rasanter Geschwindigkeit auf einen neuen Tiefpunkt.
„Was ist?“, fragte er und versuchte, sich seine Genervtheit nicht anmerken zu lassen. Das war kontraproduktiv für das Arbeitsklima.
„Eine Toilette im Erdgeschoss ist verstopft“, sagte Emilio und fügte zerknirscht hinzu: „Der gesamte Raum steht unter Wasser.“ Bei diesen Worten sprang Alvar auf.
„Was?! Wer war das?“, fragte er und stampfte durch die gläserne Terrassentür in das Innere des Hostels.
„I… ich habe keine Ahnung. Das muss in der Nacht passiert sein. Dieser deutsche Gast hat mich gerade darauf hingewiesen.“
Alvar grunzte zornig. Er wusste genau, welchen Gast Emilio meinte. Es war dieser Geizhals aus Hamburg. Wie war sein Name noch mal? Hans-Peters? Jan-Ulli? Nein, Jan-Uwe! Dieser Deutsche war ihm nicht nur wegen seines eigenwilligen Namens im Gedächtnis geblieben. Zu Alvars Ärger steckte Jan-Uwe seine Nase in jegliche Angelegenheiten des Hostels.
Alvar hörte Emilios Schritte hinter sich. Seine Füße führten ihn quer zwischen Tischen und Stühlen des halb leeren Aufenthaltsraums zur Toilettentür. Er öffnete sie, und ein übler Gestank – eine Mischung aus Fäkalien, Kälte und süßlichem Raumspray – bohrte sich in seine Nase. Der Italiener hatte nicht übertrieben: Wasser, alles stand mehrere Zentimeter hoch unter Wasser, und es sickerte bereits über die Türschwelle in das Zentrum des Hostels.
Wütend funkelte er Emilio an.
„Worauf wartest du noch? Hol die Putzsachen aus der Kammer!“, bellte Alvar.
„Aber ich habe keinen Putzdienst. Dalia ist heute dran!“, maulte Emilio beleidigt und biss sich sogleich auf die Unterlippe.
Alvar baute sich in seiner gesamten Größe vor dem Italiener auf.
„Dalia ist offensichtlich nicht hier, du schon. Bring das Putzzeug und am besten schon gestern!“ Er erwartete keine Widerrede.
Kleinlaut machte sich Emilio auf den Weg zur Putzkammer. Dabei warf er seine gegelten Korkenzieherlocken theatralisch nach hinten.
Und dieses Getue soll eine unwiderstehliche Wirkung auf Frauen haben? Wie immer verstand Alvar den Wirbel um dieses Machogehabe nicht. Er versuchte, wieder in seinen ruhigen und ausgeglichenen Normalzustand zu gelangen. Doch er schaffte es nicht. Ungläubig starrte er durch den Türschlitz in den Raum, in dem die aneinandergereihten Toilettenkabinen im Abflusswasser standen.
Wer hatte sich an einer seiner Toiletten zu schaffen gemacht? Er tippte entweder auf ein Mitglied der versoffenen Fußballmannschaft, die sich hier vor drei Tagen einquartiert und seinen Vorgarten in einen Trainingsplatz verwandelt hatte, oder auf eines der spanischen Kinder, die gestern das Fiasko am Empfang miterlebt hatten. Sein Ärger brodelte unruhig in ihm weiter, während er durchsickerndes Wasser mit schmutzigen Lappen davon abhielt, in den Gemeinschaftsraum zu gelangen.
Wo blieb Emilio mit dem Mopp? Er schaute sich um, doch von seinem Mitarbeiter fehlte jede Spur.
„Alvar?“
Er erkannte Hildurs Stimme sofort. Was war denn jetzt schon wieder? Warum konnten ihn die Leute nicht zumindest am Morgen in Ruhe lassen?
„Hvað er að gerast?1“, fragte er sie. Widerwillig setzte er sich so etwas wie ein Lächeln auf. Schließlich konnte Hildur auch nichts gegen Emilios Lahmarschigkeit tun.
„Lögreglan er þar2“, antwortete sie tonlos. Ihr Gesicht war starr. Die Polizei war da? Wer rief hier denn die Polizei und warum?
Ein Gedanke schoss ihm in den Sinn. Jährlich starben ein Dutzend Menschen, weil sie die Naturgewalt der Insel nicht richtig einschätzen konnten. Die Frage war, wen es diesmal erwischt hatte.
„Ein Tourist?“, fragte er.
Drei Tage zuvor …
1 Isländisch für: „Was ist passiert?“
2 Isländisch für: „Die Polizei ist da.“
Eines Tages schwimmt die Wahrheit nach oben. Als Wasserleiche.
~ Wiesław Brudziński, polnischer Schriftsteller
„Alles tut weh! Geh nur, lass mich hier zurück“, stöhnte sie und verlangsamte ihre Schritte auf dem steinigen Parkplatz. Ihre langen Beine fühlten sich an wie wackelige Stelzen. Einerseits hatte sie das Gefühl, auf Wolken zu schweben, andererseits fühlte es sich an, als würden sich ihre Füße bei jeder Bewegung aus klebrigem Matsch befreien müssen.
Frida schaffte es als Erste ins Innere des Mietwagens und streckte ihre Hand aus.
„Komm schon, Hanna! Du kennst mich, ich lasse keine Frau zurück“, sagte sie lachend.
Eine fünfstündige Gletscherwanderung lag hinter Hanna Schäfer, und sie spürte jeden Muskel ihres Körpers pulsieren, als sie sich endlich auf den Beifahrersitz fallen ließ. Lange war es her, dass sie sich einer solchen Anstrengung ausgesetzt hatte. Ihre routinemäßigen Joggingrunden waren nicht zu vergleichen mit diesem Aufstieg, der ihren Puls auf ungewohnte Weise in die Höhe getrieben hatte.
„Ich kann nicht mehr. Das war’s für mich mit dem Touri-Kram für heute!“ Sie massierte ihre Zehen und Fersen, nachdem sie endlich aus den robusten Wanderschuhen befreit waren.
Frida überprüfte währenddessen ihr Aussehen im schmalen Rückspiegel. Wie immer fielen ihre schulterlangen blonden Haare in leichten Wellen. Anders als bei Hanna, die während eines flüchtigen Blicks in den Seitenspiegel ein braunhaariges Vogelnest auf dem Kopf und zerknautschte Stellen an den Wangen erhaschte, deutete bei Fridas Erscheinung nichts darauf hin, dass sie stundenlang einen engen Schutzhelm getragen hatte. „Ach, komm schon, wir haben heute nur noch einen klitzekleinen Stopp vor uns, bevor wir die Füße hochlegen können“, gab Frida bestimmt, aber mit einem Augenzwinkern zurück. Sie drehte sich zur Rückbank und suchte fieberhaft nach etwas. „Hanna, wo hast du die Landkarte hin?“ Frida klang leicht abgehetzt. Es war nicht das erste Mal auf ihrem Road-Trip, dass Hanna Fridas Ordnungsfimmel nicht nachkam.
„Ich habe sie in meinen kleinen Rucksack gepackt“, sagte Hanna und hielt ihr nach kurzem Wühlen triumphierend die Karte unter die Nase. Frida schnaubte kurz verächtlich und wandte sich dann dem Plan zu.
„Also … wir sind hier. In der Nähe des Jökulsárlón-See.“ Sie zeigte mit ihrem Zeigefinger auf den See, der unmittelbar vor dem Aufstieg des Gletschers lag.
Es war der Vatnajökull, der größte Gletscher Islands, den sie heute zu einem kleinen Teil bestiegen hatten. Seine gesamte Fläche beträgt 8.100 Quadratkilometer, wobei ein großer Teil des Gletschers aufgrund der globalen Erderwärmung schon geschmolzen war, wie es ihnen ihr isländischer Gletscher-Guide erklärt hatte. Nachdem sie, mit stacheligen Schuhaufsätzen und Eispickeln ausgestattet, gelernt hatten, wie man am Gletscher hoch- oder seitlich entlangkletterte, sich absicherte und sich mit klarem Gletscherwasser erfrischte, hatten sie den Aufstieg geschafft. Sie waren bei Weitem nicht am höchsten Punkt angekommen, doch die Aussicht von da oben war trotzdem atemberaubend. Vom weißen, frostigen Eis umgeben, hatte sich vor ihren Augen der nordatlantische Ozean ausgebreitet. Die frischen Luftzüge hatten Hannas Gesicht nach der Anstrengung mit einer Abkühlung belohnt. Der Jökulsárlón-See, den sie Stunden zuvor hatten passieren müssen, um an den Hang des Gletschers zu gelangen, erschien auf einmal winzig im Vergleich zum Ozean. Die Menschen, die den Aufstieg noch vor sich hatten, hätten Ameisen sein können. Sie lächelte bei dem Gedanken an diesen Moment. Dort oben war die Freiheit greifbar nah.
Frida stöhnte und fuhr sich mit der Hand durch ihr Haar. „Ich fühle mich wie eine 80-jährige Oma. Es tut sogar weh, meinen Zeigefinger auf diese Karte zu halten“, ächzte sie.
„Glücklicherweise haben wir bis dahin ja noch 50 Jahre!“, erwiderte Hanna grinsend. Frida hob eine Augenbraue.
„51 Jahre für mich“, brummte sie, und beide mussten lachen, „Also, wo war ich? Hier sind wir ungefähr.“ Ihr Zeigefinger zitterte leicht, als sie auf ihren Standort zeigte. „Dann wollen wir hoch zum Leuchtturm Dyrhólaey. Von da aus hat man anscheinend eine schöne Sicht auf einen der Black Beaches. Danach geht’s zur Unterkunft. Wir können früh schlafen gehen, damit wir morgen erfrischt …“, sie fuhr mit ihrem Finger entlang der Hauptstraße in Richtung Westen zum nächsten markierten Punkt, „… den Skógafoss besichtigen können! Von hier aus ist es nur ein Katzensprung zum FineHostel. Dort haben wir ein paar Tage Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Lange ist es nicht mehr, bis wir die Heimreise antreten“, murmelte Frida vor sich hin.
Hanna nickte zustimmend.
Die zwei Wochen waren wie im Flug vergangen. In weniger als einer Woche würden sie am isländischen Flughafen Keflavík sitzen und nach Deutschland fliegen. Bei dem Gedanken daran bildete sich ein schwerer Kloß in ihrem Hals. Ich will nicht zurück. Immer noch lag Fridas Blick auf ihr, und Hanna sah, was sie dachte. Nach fast 25 Jahren Freundschaft kannte Frida sie manchmal besser als Hanna sich selbst.
„Schau nicht so besorgt … Ich wusste ja, dass die Zeit auf Island irgendwann vorbei sein würde“, murmelte Hanna.
Frida nickte ernst. Hanna machte sich nichts vor, ihre Rückkehr und die damit verbundenen Entscheidungen bereiteten ihr Sorge. Ohne dass sie es wollte, schossen Bilder in ihren Kopf, die sie mit einem Kopfschütteln verstreute. Dennoch spürte sie, wie Beklemmung und Panik sich in ihrer Brust ausbreiteten.
Haut ab! Der heutige Tag war gut. Sie hatte sich frei gefühlt, ihren Kopf abschalten können. Solange es ging, würde sie daran festhalten. Mit einem Blick verständigten sie und Frida sich darauf, dass es nun weiterging.
„Auf geht’s zum Leuchtturm!“, rief Frida enthusiastisch.
Hanna schnallte sich an. Sie war gespannt, was der Weg für sie bereithalten würde.
Jan-Uwe Ingomar Maassen war 41 Jahre alt, ledig und Buchhalter. Zu seinem letzten Geburtstag schenkte ihm seine Mitbewohnerin eine Reise nach Island. Nicht die gesamte Reise, sondern lediglich die Hin- und Rückfahrt. Mit dem Zug aus Hamburg in das dänische Hirtshals und von da mit der Fähre an eine isländische Anlegestelle. Ganze zwei Wochen lagen zwischen seinem An- und Abreisedatum. Seine Mitbewohnerin war seine Mutter und was sie ihm damit sagen wollte, blieb für ihn schleierhaft.
Im Vorfeld hatte er sich bereits über Island, das Land aus Eis und Feuer, gründlich informiert. Auf der Insel leben etwa 357.000 Einwohner. Das ist gerade einmal ein Fünftel der Einwohner, die in seiner Heimatstadt Hamburg leben! Die Einwohnerzahl verbreitet sich auf einer Fläche von 100.250 Quadratkilometern, wobei die meisten Isländer in der Hauptstadt Reykjavík leben. Island ist bekannt für seine unverwechselbare Landschaft, Vulkanismus und seinen Wasserreichtum. Und nach zahlreichen Recherchen stellte Jan-Uwe fest, dass es sich wohl lohnte, Isländer zu sein, denn sie genießen einen der höchsten Lebensstandards sowie Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Seine Reise ging von Ende Juli bis Mitte August, und deswegen stellte er sich auf Temperaturen zwischen 12 und 16 Grad ein. Es war kein typisch sommerliches Klima, aber als gestandener Norddeutscher war er wechselhaftes Wetter und kühle Temperaturen gewöhnt.
Vor fünf Tagen war er in Seyðisfjörður, dem sogenannten „Fjord der Feuerstelle“, angekommen. Die Stadt im Osten der Insel ist bekannt für ihre bunten Häuschen und ihre eisblau gestrichene Kirche Seyðisfjarðarkirkja.
Vor Ort hatte er sich einen Kia Picanto als Mietwagen geholt, mit dem er sich seither fortbewegte. Die ersten Tage waren wie geschmiert verlaufen. Noch nie hatte er so unbewohnte Stellen und frei laufende Tiere gesehen. Die lange Hauptstraße schlängelt sich seitlich an steilen Klippen und durch klaffende Schluchten hindurch, was seiner Reise den Hauch eines waschechten Abenteuers gab.
Seine Begeisterung wurde nur von einem Aspekt abgedämpft: Zu Hause in Hamburg war er die Zweisamkeit gewöhnt. Seine Mutter war zwar nicht die unkomplizierteste Frau, aber sie könnte ihn mit ihrer schroffen, doch gleichzeitig liebevollen Art niemals verjagen. Hier auf Island war er allein, und die Einsamkeit prägte so manche seiner Abende. Umso mehr freute er sich deshalb auf das nächste Hostel, das laut Internetbewertungen für seinen Komfort, sein reichhaltiges Frühstück sowie das herzliche Personal bekannt war.
Diese Unterkunft befand sich auf der Strecke zwischen zwei der vielen Wasserfällen Islands: dem Skógafoss und dem Seljalandsfoss. Vor Ersterem stand er nun und konnte sein Glück kaum fassen. Der Wasserfall war eine wahre Pracht der Natur! Skógafoss heißt aus dem Isländischen übersetzt „Waldwasserfall“. Er ist 60 Meter hoch und sein Wasservorhang 25 Meter breit – bei Weitem nicht der größte Wasserfall des Landes. Aber er hatte etwas Anziehendes an sich. Einst war dies die südlichste Küstenlinie des Landes gewesen, doch heute befindet sich das Meer mehr als fünf Kilometer südlich. Das schimmernde Wasser ergießt sich von der steilen Fallkante in die Mündung einer mit Moos bekleideten Felswand und auf grauen Kies.
Es hätte der Schauplatz eines Märchens sein können, wären da nicht die ganzen Touristen, die sich um den Wasserfall tummelten. Er wollte sich gerade zu einer Gruppe asiatischer Touristen drehen, die ihm mit ihren Handy-Stöcken die Sicht vermiesten, als etwas Unglaubliches geschah: Sonnenstrahlen fielen auf den Wasserfall ein, und direkt von seinen Augen bildete sich ein kleiner Regenbogen. Die schnatternde Menge um ihn herum war vergessen, und pure Begeisterung machte sich in ihm breit. Gleich unter dem ersten bildete sich ein zweiter, wenn auch weniger gut sichtbarer Regenbogen.
„Mama wird Augen machen!“, sagte er laut und bat einen nebenstehenden Mann mit seinem gebrochenen Englisch darum, ein Foto von ihm zu machen. Der Fremde war vermutlich um die 30 Jahre alt. Er war leger in Jeans und einer grauen Sweatjacke mit Kapuze gekleidet.
„Klar, mache ich ein Bild“, gab der Dunkelhaarige auf Deutsch zurück. Lediglich so gute Ohren, wie Jan-Uwe sie hatte, konnten den Hauch eines nordischen Akzents heraushören.
„Oh, Sie sprechen meine Sprache! Das ist eine Erleichterung. Wissen Sie, dieses Englisch und ich – wir waren schon zu Schulzeiten nicht die besten Freunde. Das wird mit dem Alter kaum besser“, sagte er witzelnd und wartete darauf, dass der Fremde etwas erwiderte.
Dieser nickte ihm verständnisvoll zu und stellte sich in Position, um ihn abzulichten.
„Achten Sie bitte darauf, dass die beiden Regenbogen zu sehen sind, ja?“
Der Mann murmelte etwas vor sich hin und machte die Bilder.
„Da wird sicher etwas dabei sein!“, sagte er. Der Mund des Mannes lächelte, doch seine grünen Augen musterten ihn abschätzig.
Jan-Uwe bemerkte das nicht, sondern betrachtete die Bilder.
„Oh, wunderbar! Vielen Dank, Herr …“, setzte er an und musterte seinen Fotografen. Dieser hielt zunächst inne.
„Luki. Einfach Luki. Hier benutzen wir keine Nachnamen“, sagte der Mann, schaute sich in der Menge um, als suche er etwas, und kratzte sich beiläufig am Handrücken.
„Na, wenn das so ist … Vielen Dank, Luki“, sagte Jan-Uwe und grinste dabei von einem Ohr zum anderen, „Und du lebst hier? – Dein Akzent, der ist isländisch, oder?“, erklärte Jan-Uwe, als Luki sich überrascht zu ihm drehte.
„Ich lebe seit sechs Jahren auf Island und seit drei Jahren hier in der Gegend“, antwortete er knapp.
„Und wo wohnst du?“, hakte Jan-Uwe weiter nach. Er konnte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen. Stundenlang hatte er stumm in seinem Auto gesessen, und nun stand hier jemand, für den er sich nicht einmal zum Englischsprechen bemühen musste!
„Im FineHostel. Dort arbeite ich und …“ Luki wollte gerade noch etwas hinzufügen, doch Jan-Uwe konnte sich nicht zurückhalten.
„Du arbeitest in FineHostel? Das ist ja ein Zufall! Ich checke dort heute ein. Ich bin übrigens Jan-Uwe.“
Keine halbe Stunde später zog Jan-Uwe seinen Reisekoffer und seinen Rucksack aus dem Auto. Ein weißes Schild mit der Aufschrift ‚Verið velkomin í FineHostel‘3 hatte ihm den Weg zu dem weißen Haus mit dem hellroten Dach geleitet. Das Angebot, ihn mit seinem Kia mitzunehmen, hatte Luki ausgeschlagen. Er sei selbst mit einem Minivan unterwegs. Luki war definitiv kein Mensch der gesprächigen Sorte, das hatte Jan-Uwe direkt gemerkt und ihn deshalb auch nicht mehr angesprochen.
Jeder Mensch ist nun einmal aus einem anderen Holz geschnitzt, dachte er und steuerte auf den Eingang des Hostels zu. An der weiß gestrichenen Tür hing ein verschnörkeltes „Welcome“-Schild. Er drückte die ebenfalls weiße Türklinke nach unten und trat ein.
Der Duft von Kaffee und frisch gebackenen Keksen stieg ihm schlagartig in die Nase. Am Empfang saß ein eine junge südländische Schönheit und lächelte erwartungsvoll.
„Hello, nice to meet you!4“, sagte sie und stand mit dieser Begrüßung auf, um ihm eine Hand zu reichen.
Jan-Uwe setzte zum nächsten Schritt an, doch statt wie gewohnt auf seiner Fußsohle aufzusetzen, passierte etwas anderes: Er fiel der Länge nach hin. Einigermaßen sanft landete er auf einem in die Jahre gekommenen Teppich. Hatte er tatsächlich vergessen, einen Schritt vorwärtszugehen? Nervös kicherte Jan-Uwe und spürte, dass seine Ohren heiß wurden. Sein Mund war trocken.
Eilige Schritte näherten sich ihm, und jemand half ihm auf.
„Are you okay?“
Ach herrje, wie peinlich! Samt Rucksack auf dem Rücken und Koffer in der linken Hand stützte er sich auf.
„It‘s okay. Thank you“, sagte er, so tapfer er konnte. Ein schmerzliches Ziehen in seinem rechten Ellenbogen verriet ihm, dass er damit wohl den Fall abgefangen hatte.
Die Frau, nun sah er, dass sie ein Namensschild an ihrem türkisfarbenen Pulli trug, hieß Dalia. Sie schaute ihn immer noch besorgt an. Sie könnte etwas Eis für den Ellenbogen holen, meinte sie, doch er winkte mit einer Handbewegung ab. Zumindest etwas Männlichkeit wollte er bewahren. Er lächelte und sagte, dass er gerne einchecken möchte. Sie nickte und prüfte die Reservierung.
„Jan-Uwe Ingomar Maassen?“
Er nickte.
Und sie fuhr fort: „One bed, 4-beds-dorm, two nights. Correct?“
Nein, das war nicht korrekt! Es stimmte, dass er zwei Nächte in FineHostel bleiben wollte, allerdings hatte er sein Bett in einem 8-Bett-Zimmer gebucht. Er schüttelte energisch den Kopf und suchte in seinem Gedächtnis nach den richtigen Worten.
„I … want room with eight bed. Because … cheaper.“ Er machte eine Handbewegung, um zu symbolisieren, dass er in das 8-Bett-Zimmer wollte, weil es günstiger war.
Dalia schien verstanden zu haben. Sie schaute noch einmal in ihren Computer und antwortete ihm etwas, das er nicht verstand. Er hörte, dass sie irgendetwas mit „voll“ und „Fußball“ sagte, doch sie sprach so schnell, dass seine Übersetzungskünste auf der Strecke blieben.
In diesem Moment öffnete sich die Eingangstür, und Luki kam herein. Jan-Uwe lächelte ihm zu, doch dieser schenkte ihm nur einen hastigen Blick und schaute dann rüber zum Empfang. Dalia fing an, auf ihn einzureden.
Luki kam zu ihr herum und schaute in den Computer.
„Dalia meinte gerade, du hättest dich wegen deines Zimmers beschwert?“, fragte er mit einem prüfenden Blick.
Jan-Uwes Nervosität war schlagartig zurück.
„Na ja, nicht direkt beschwert. Ich habe ihr lediglich gesagt, dass ich mein Bett in einem anderen Zimmer reserviert habe. Ich wollte in das 8-Bett-Zimmer“, erwiderte er mit einem Seitenblick auf einen großen Mann, der plötzlich den Treppenabsatz zu ihnen an den Empfang emporstieg.
Der Mann war ihm auf den ersten Blick nicht geheuer. Seine Haare waren ungekämmt, und in seinem Blick lag etwas Wildes. Er sah aus wie ein Wolf, der Gefahr witterte. Grimmig näherte er sich und ließ Jan-Uwe dabei nicht aus den Augen.
Luki sah den Mann ebenfalls und nickte ihm beschwichtigend zu.
„Das ist Alvar. Er ist der Besitzer des Hostels.“
„Ah.“ Jan-Uwes Stimme klang hohl und versagte im Abgang. Er reichte Alvar die Hand. „Hello … I am Jan-Uwe.“
Der Hostelbesitzer streckte ebenfalls seine Rechte aus, und bei dem Anblick fiel Jan-Uwes Herz in die Hose: Seinem Gegenüber fehlten zwei Finger! Was war mit diesem Mann passiert? Er gab sich alle Mühe, so zu tun, als hätte er das nicht gesehen. Als er zum Handschlag zudrückte, durchfuhr Jan-Uwe ein lähmender Schmerz, der sich in seinem gesamten rechten Arm ausbreitete.
Aaargh! Seine kleinen, wurstigen Finger wurden gegen ihren Willen aneinandergepresst und gaben dem Druck nach, den Alvars Pranke auf sie ausübte. Er hatte zwar nicht mehr alle Finger, aber das hielt ihn nicht davon ab, Jan-Uwes Knochen zu zerquetschen. War das eine isländische Begrüßung, von der er im Internet nichts gelesen hatte? Oder war Alvar einfach stärkere Männerhände gewohnt? Jan-Uwe lächelte gequält, und sein Arm knickte ein. Er versuchte, immer noch gelassen auszusehen, doch sein zitternder Mund und seine tränenden Augen verrieten ihn.
Eine Woge der Erleichterung durchfuhr ihn, als der Besitzer endlich lockerließ. Er wandte sich wieder Luki und Dalia zu. Sie schienen in der Zwischenzeit in eine Meinungsverschiedenheit geraten zu sein. Er räusperte sich.
Luki blickte auf.
„Unsere beiden 8-Bett-Zimmer sind voll. Es muss wohl einen Fehler im System gegeben haben. Eine Fußballmannschaft aus Deutschland hatte beide Zimmer schon vor Monaten gebucht. Das nächstgünstigere Zimmer, das wir dir anbieten können, ist das 4-Bett-Zimmer“, erklärte Luki sachlich.
Dann habe ich wohl keine andere Wahl, dachte Jan-Uwe ernüchtert. Da kam ihm eine Idee.
„Schade. Ich habe meine Finanzen kalkuliert und jetzt habe ich diese unerwartete Ausgabe … Wäre es möglich, aufgrund dieser Unannehmlichkeit einen Preisnachlass auf mein neues Zimmer zu erhalten? Das kommt in einer Bewertung im Internet sicher besser rüber …“, säuselte Jan-Uwe und blickte Luki fragend an.
Alvar schnaubte, als Luki ihm den Sachverhalt in isländischem Singsang erklärte. Nach kurzem Überlegen nickte er, wenn auch verärgert.
„In Ordnung. Du bekommst das Zimmer für den Preis des 8-Bett-Zimmers“, sagte Luki.
Jan-Uwe lächelte triumphierend. Tja, wenn das Leben dir eine Zitrone gibt, dann mach einfach Limonade daraus. Jan-Uwes Kreditkarte steckte bereits im Einlesegerät. Heute schien sein Glückstag zu sein.
„König, Arthur.“
Jan-Uwe war gerade dabei, sich eine Kelle des Lammeintopfs in den Teller zu schöpfen, als neben ihm ein kraushaariger Mann mit hervorgestreckter Hand erschien, um ihn zu begrüßen. Arthur König war Mitte 40, hatte braune Haare, die langsam ins Grau fanden, und war der Trainer der deutschen Fußballmannschaft. Trotz seiner sportlichen Beine kam unter seinem roten Jogginganzug der deutliche Ansatz eines Bäuchleins zum Vorschein. Sein rundes Gesicht zierte ein breiter, geradezu grotesk großer Mund, um den ein buschiger Bart wuchs. Schnell kamen sie ins Gespräch.
Arthur König war anders als Jan-Uwes Freunde in Hamburg. Er war ein in die Jahre gekommener Sportler – kein „Sesselfurzer“, wie König Jan-Uwe bezeichnete, als dieser dem Trainer von seinem Beruf als Buchhalter erzählte. Klar, Jan-Uwe hätte aufgrund dieses Ausdrucks beleidigt sein können, doch er genoss es viel zu sehr, endlich in Gesellschaft zu essen und sich zu unterhalten. Obwohl König den einen oder anderen schmutzigen Witz brachte, den Jan-Uwe nicht verstand, stellte sich der Trainer als geselliger Gesprächspartner heraus.
Jan-Uwe war ohnehin auf andere Dinge fokussiert. Seit frühester Kindheit ärgerten ihn die anderen wegen dieses einen Charakterzugs – lediglich seine Mutter empfand Jan-Uwes Interesse an anderen Menschen als „eine besondere Auffassungsgabe“. Diese verleitete ihn dazu, sein Umfeld intensiv zu begutachten. Er versuchte, hinter die Fassade der anderen zu blicken, und war stets darauf gewappnet, scheinbar unlösbare Rätsel zu lösen und Lügner zu entlarven. Seinem Scharfsinn war es zu verdanken, dass der Kaugummidieb seiner Schule auf frischer Tat ertappt worden war oder dass das rätselhafte Verschwinden seiner Nachbarskatze hatte gelöst werden können. Wo er auch war: Jan-Uwe war immer auf der Hut. Auch nun achtete er auf Königs Mimik und Gestik.
Schnell erfuhr er, dass der Fußballtrainer Inhaber einer Schreinerei war und in seiner Freizeit die Fußballmannschaft trainierte. Ihm entging kein bisschen die Leidenschaft, die König für seine Tätigkeit als Coach verspürte. Seine braunen Augen funkelten regelrecht, als er von seinen Sporteinheiten erzählte. Wie er die Jungs um das Gebäude des Hostels jagte oder sie morgens aus den Betten trommelte. So viel Enthusiasmus für Fußball, das stand für Jan-Uwe fest, konnte niemand vorspielen!
Jan-Uwe freute sich schon darüber, dass er endlich die erste nette Bekanntschaft im Urlaub gemacht hatte, da tat Arthur König etwas, das Jan-Uwe zutiefst anekelte. Nachdem sie sich zum dritten Mal am Eintopf bedient hatten, legte König die Füße auf einen nebenstehenden Stuhl hoch und zog unter dem Tisch zwei Dosen Bier heraus. In wenigen Schlucken leerte er erst das eine, dann das zweite Gesöff, um direkt nach zwei weiteren Dosen zu greifen und das Prozedere zu wiederholen. Der scheußliche Geruch des billigen Biers löste in Jan-Uwe den Wunsch aus, sich zu übergeben. Er wollte nicht mehr länger mit König reden, denn Betrunkene waren ihm zuwider. Nicht dass er selbst keinen Alkohol trank – gelegentlich ein Gläschen Wein mit seiner Mutter, während sie eine Dokumentation anschauten –, doch exzessiven Alkoholkonsum hatte er nie unterstützt. Es machte ihn krank, jemandem dabei zusehen zu müssen, wie er seinen Körper auf diese Weise beschädigte. Warum er so stark darauf reagierte? Sein Vater war Alkoholiker, und deswegen wusste Jan-Uwe aus erster Hand, wohin diese Art des Kontrollverlustes führen konnte: zu gewalttätigem Verhalten, Leberproblemen und schlussendlich einem frühzeitigen Tod.
Unter dem Vorwand, urplötzlich von Erschöpfung übermannt worden zu sein, begab er sich auf sein Zimmer und ließ Arthur König mit seiner fünften Dose Bier allein.
3 Isländisch für: „Willkommen im FineHostel.“
4 Englisch für: „Hallo, schön dich kennenzulernen!“
Es war kurz vor Mitternacht, und die letzten Momente der Dämmerung brachen an. Es war die vierte Nacht in Folge, in der sie sich nachts aus dem Haus geschlichen hatte, um einen Spaziergang zu machen.
Das Gras der Weide ging ihr bis zum Knie. Das war an sich nichts Besonderes, da sie eine kleine Person war. Sie setzte Schritt vor Schritt. Ihr festes Schuhwerk trotzte dem unebenen Boden unter ihren Sohlen. Auf Island kamen ihre leichten Espadrilles oder Sandaletten selten zum Einsatz. Hinter ihr lagen riesige Gebirge, die dieser Landschaft erst ihren einmaligen Charakter geben. Es überkam sie immer ein nervöser Schauer oder ein Flattern in ihrer Magengegend, wenn sie sich fragte, was sich wohl noch alles unter diesen Schichten aus Erde und Stein befand. Sie kehrte dem Gebirge den Rücken zu, denn ihr Ziel war ein anderes.
Weit und breit war kein anderes Haus zu sehen. Sie war bereits lange gelaufen, vielleicht schon eine Stunde. Sobald sie sich nachts aus dem Haus schlich, verlor sie auf unerklärliche Weise das Zeitgefühl. Der Wind pfiff ihr um die Ohren und wehte ihr langes Haar nach hinten. Sie griff nach einer pechschwarzen Strähne und wickelte sie um ihre Finger. Normalerweise hatte sie sehr lockiges Haar, doch der Wind war manchmal so stark, dass es glatt wurde.
Ein frostiger Hauch lief ihr über die Arme. Ihr flauschiger Pulli spendete zwar Wärme, ersetzte aber nun einmal keine Jacke. Nach den drei Jahren, in denen sie bereits auf Island lebte, hatte sich Dalia Salcido Herrera bereits fast daran gewöhnt, dass die recht frischen Sommertage lang und die Nächte kurz waren, aber eben nur fast. Heute war wieder einer dieser schrecklichen Tage, an denen sie ihre Heimat vermisste – mehr als sonst. Sie sehnte sich nach warmen Sommernächten, ihrer Muttersprache, Tacos am Straßenrand, Salsa tanzen und vor allem nach ihrer Familie. Besonders jetzt, besonders in den vergangenen Tagen. Sie hatte Heimweh und obwohl sie sich immer eingeredet hatte, dass es besser werden würde, wurde es das nicht.
Seit Wochen hatte sie keinen Appetit und kämpfte stattdessen mit einer anhaltenden Übelkeit. Sie verkroch sich in ihrem Zimmer, übernahm unbeliebte Schichten oder schlich aus dem Haus. Täglich standen ihr Tränen in den Augen, und schon die kleinsten Herausforderungen stiegen ihr über den Kopf. Diese innere Leere – Dalia hatte sie bereits akzeptiert. Sie quälte sich täglich aus dem Bett und sah der Arbeit im Hostel mit großem Grauen entgegen, obwohl ihr der Kontakt mit Menschen eigentlich immer gefiel und sie darin aufging. Es war das Umfeld, das ihr keine Freude mehr bereitete, zumindest nicht mehr so wie zu Beginn ihrer Zeit auf Island. Sie ertrug es wegen der Bezahlung, der Unterkunft und natürlich Luki, der die Arbeit im Hostel um keinen Preis aufgeben wollte, obwohl auch er nicht mehr zufrieden zu sein schien. Mit voller Gewissheit wusste sie das nicht. Dalia spürte nur seinen Unmut. Sie verstand ihn ja! Auch sie hatte keine Lust mehr, die gut gelaunte Mexikanerin zu spielen, die sie von Natur aus eigentlich war. Im Gegensatz zu Luki wollte sie über ihren Gemütszustand reden. Doch sie schafften es seit Wochen nicht einmal, eine halbe Stunde lang miteinander zu sprechen, ohne dass Aufgaben im Hostel dazwischenkamen oder sie anfingen, sich zu streiten. Es war anscheinend unmöglich, ihn zu einem Zeitpunkt anzutreffen, an dem er nicht genervt, distanziert oder eifersüchtig war. Seit geraumer Zeit begleitete sie das Gefühl, ihn nicht mehr zu kennen. Sie dachte viel darüber nach, über dieses ewig gleiche Problem. Es gab scheinbar nur einen Ausweg.
Sie kam zum Stehen. Vor ihr breitete sich schwarzer Sand aus – das Ergebnis der Erosion von vulkanischem Gestein – und dahinter das endlose Meer. Die Nacht war klar. Nur einzelne Sterne reflektierten auf der dunklen Wasseroberfläche. Obwohl sie fröstelte, zog sie zunächst ihre Schuhe aus und entledigte sich danach ihrer Kleidung. Ihre entblößten Füße berührten den erkalteten Sand, der sofort in die Ritzen ihrer Zehen drang. Sie näherte sich dem Wasser und spürte die starke Meeresbrise, die sie in Empfang nahm. Jeder Zentimeter ihres splitternackten Körpers war mit einer Gänsehaut übersät. Ein Lächeln huschte ihr über das Gesicht: das erste echte Lächeln des Tages.
Diese Insel barg viele traumhaft schöne Orte. Dalia liebte ihre geheimnisvollen Seiten und die Natur. Doch sie allein und die wenigen Freundschaften, die sie hier geknüpft hatte, konnten ihren inneren Konflikt nicht mehr aufhalten. Sie war hier nicht mehr glücklich.
Als ihre Füße das eiskalte Wasser berührten, beschleunigte sich ihr Atem. Wie immer versuchte sie, wieder Kontrolle über ihn zu erlangen, indem sie tiefe Züge der frischen Nachtluft in sich aufsaugte und ebenso tief wieder ausatmete. Sie ließ sich von ihren Füßen tragen. Das kalte Nass nahm sie ein. Es schloss sich um ihre Beine. Als der Wasserstand ihren Unterleib erreichte, machte sie halt und streichelte sanft über ihren Bauch. Er war ihre sensibelste Stelle. Die helle Dunkelheit der Nacht umgab sie, und der raue Wind brachte ihren Oberkörper zum Beben. Ihre Haare peitschten entlang ihres Rückens. Sie atmete tief ein, ihre Beine gaben nach, und sie sank vollends ins Wasser. Ein überwältigender Schauer übermannte sie. Ihr Atem ging wieder schneller und flacher. Konzentriert schloss sie ihre Augen. Ihr Kopf war leer. Ihr Geist war frei. Nach etwa zehn Sekunden regulierte sich ihr Atem. Die Kälte machte ihren Körper taub. Endlich spürte sie wieder Frieden in sich. Sie dachte an Vergebung und endlich sah sie klar. Ihr Entschluss war gefasst. Das alles würde bald vorbei sein.
Ein lautes Geräusch riss Dominik Ebersbach aus seiner traumlosen Nacht. Es war der schrille Weckruf seines Trainers.
„Sollte das nicht ein Urlaub werden?“, fragte er schlaftrunken. Er nahm das flauschige Kissen und vergrub sein Gesicht darin. Es roch angenehm nach Waschmittel. Um ihn herum regten sich die ersten seiner sieben Zimmergenossen.
„Also ich bin schon seit einer Stunde wach und höre mir den neuen Rechtswissenschafts-Podcast an“, gab René, der im Stockbett unter ihm lag, von sich.
„Klappe, René!“, tönte es aus unterschiedlichen Richtungen.
Dominik stöhnte in Gedanken. René konnte eine Nervensäge sein! Immerzu betonte er, dass er sich für Jura interessierte oder dass er Jurastudent war. Manchmal wünschte Dominik sich, selbst mit der gleichen Passion hinter seinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens zu stehen. Obwohl er mit seinen 25 Jahren zwei Jahre älter war als René, war er sich seines Weges nicht sicher.
Arthur König trat wieder in das Zimmer.
„Aufstehen, Männer! Das Frühstück steht bereit, und ich habe heute eine anstrengende Trainingseinheit geplant!“, rief er in das noch abgedunkelte Zimmer. Ohne Vorwarnung riss er die Vorhänge vor den beiden Fenstern des Zimmers zur Seite und erntete daraufhin gequältes Stöhnen. Arthurs militärischer Ton machte deutlich, dass er keine Trägheit duldete. Er nahm die Mitte des Raums ein und beobachtete, wie sich die Jungs aus den Betten hievten. Die Hände stützte er in seine runden Hüften und grinste jeden Einzelnen mit seinem breiten Lächeln an. Die wild abstehenden Haare waren wie immer ungekämmt, und sein Bart hatte seit Beginn des Urlaubs keine Rasierklingen mehr gesehen. Scheinbar genoss er es, dass seine Frau ihm nicht befahl, ihn zu stutzen.
Arthur gefiel es, die Jungs herumzukommandieren. Es war anstrengend, doch vermutlich war es das, was Arthur zu einem solch guten Coach machte. Nichtsdestotrotz war Dominik über die Tatsache, dass er zumindest räumlich von Arthur getrennt war, nicht unglücklich. Das hätte mir den Rest gegeben. Er kletterte die Treppen des Hochbetts herunter und drückte sich vorbei am wartenden Arthur auf den Weg in das Gemeinschaftsbad.
Stunden später fand sich Dominik im Gemeinschaftsraum des FineHostels wieder. Das Training lag hinter ihm, und der anstehende Nachmittag stand dem Team zur freien Verfügung. Nachdem das Training der vergangenen Tage hauptsächlich aus Technik bestanden hatte, lag der Fokus der heutigen Einheit auf Crossfit für die allgemeine Fitness. So hatten er und seine Teamkollegen über Hürden springen, Liegestütze machen oder sprinten müssen. Für Dominik war das kein Problem, denn Bewegung und Sport gehörten in sein Leben wie die Luft zum Atmen. Er liebte es, sich zu verausgaben und sich dann mit einer eiskalten Dusche zu belohnen.
Seine rotblonden Haare waren noch nicht ganz trocken, als er sich neben zwei Teamkollegen niederließ.
„Und, was ist der Plan?“, fragte er neugierig. Paul schaute von seinem Smartphone hoch.
„Wir könnten mit dem Van zum Gullfoss fahren. Das ist ein Wasserfall, den wir in etwa eineinhalb Stunden erreichen würden. Ansonsten gibt es in der Nähe noch andere Wasserfälle wie den Seljalandsfoss, den Skógafoss oder den Gljúfrabúi…“
„Ihr wollt mir doch nicht weismachen, dass ihr den typischen Touristenkram machen wollt“, ertönte René hinter Dominik und pflanzte sich auf den Stuhl neben ihn.
Dominik stöhnte leise.
„Mit dir redet niemand“, gab Paul trocken zurück.
„Ich meine ja nur … Hier gibt es einige wilde Trekkingrouten, da würden wir auf viel weniger Menschen treffen“, erklärte René.
„Willst du uns etwa still und heimlich umlegen oder warum stehst du auf Orte fernab der Zivilisation?“, fragte Paul mit einem überheblichen Lächeln.
Paul war bei Weitem der breiteste seiner Mannschaftskollegen, und allein bei dem Gedanken daran, wie René Paul überwältigen wollte, hätte Dominik unter normalen Umständen aufgelacht. Doch in genau diesem Moment traten zwei Frauen an den Empfang.
Die beiden waren vermutlich ein paar Jahre älter als er selbst. Beide trugen große Rucksäcke, die sie elegant vor sich abstellten. Dalia, die hübsche Mexikanerin, saß mal wieder dort. Nur mit einem Ohr hörte Dominik, wie Paul und René ihn in ihre Diskussion einbeziehen wollten. Mit dem anderen hingegen belauschte er das Gespräch, das ein paar Meter von ihm entfernt stattfand.
„Hallo, wir sind Frida Vogt und Hanna Schäfer. Wir haben ein 2-Bett-Zimmer reserviert“, sagte die Brünette auf Englisch und kramte ihren Ausweis hervor.
Dalia schien ihn mit den Daten der Reservierung zu vergleichen und nickte. Dominik kam nicht umhin zu bemerken, dass Dalia müder als sonst aussah. Sie schien ungeschminkt zu sein, weshalb die dunklen Schatten unter ihren Augen deutlich zum Vorschein kamen.
„Euer Zimmer ist im oberen Stockwerk. Es wird gleich jemand kommen, der euch alles zeigt“, erklärte sie. Obwohl Dalia in den vergangenen Tagen immer mit einem Lächeln auf den Lippen durch die Flure gestreift war und dem FineHostel damit seine Lebendigkeit verlieh, hatte Dominik eine gewisse Melancholie um sie wahrgenommen. Ihm fiel auf, dass sie gerne redete. Noch an seinem ersten Tag im Hostel erzählte sie ihm von ihrer Heimat und ihrer Familie, die sie seit mehr als zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Dieses Gespräch, wie auch wenige weitere, hatte jedoch ein jähes Ende gefunden, als Dalias Freund sich ihnen genähert hatte. Dominik hatte das Gefühl, dass Luki nicht wollte, dass Dalia mit anderen sprach. Luki redete selbst nicht viel. Es war eher so, als umgebe ihn eine allgegenwärtige Kälte. Man sagt ja, dass Gegensätze sich anziehen, doch Dominik schien es, als versuchte Luki, auch Dalia in eine Einzelgängerin zu verwandeln.
Dominik beobachtete die beiden Frauen und wie sie sich im Aufenthaltsraum umschauten. Auf einmal traf sein Blick den der Blonden. Sie lächelte verschmitzt. Dalia verschwand im Korridor hinter dem Empfang. Soviel Dominik wusste, befanden sich dort die Zimmer der Mitarbeiter.
Nach wenigen Minuten kam sie zurück.
„Eigentlich sollte Emilio euch herumführen, aber ich habe ihn nicht finden können. Ihr könnt euer Gepäck gerne ablegen und euch ein Heißgetränk im Kaffeeautomaten rauslassen. Ein anderer Kollege kommt sofort“, versicherte Dalia mit einer beschwichtigenden Handbewegung.
Die beiden Frauen nickten und unterhielten sich. Sie hatten es anscheinend nicht eilig. Stattdessen schien die Blonde einen Witz zu machen, denn ihre Freundin lachte kurz auf, nur um noch im selben Atemzug schlagartig zu erstarren.
„Wow, hier sieht es gemütlich aus!“ Seit Betreten des Hostels umgab Hanna ein wohliges Gefühl. Das FineHostel schien wie ein Ort, um die Seele baumeln zu lassen. Ihr Blick flog über den großen Gemeinschaftsraum, der vier Treppenstufen unter dem Empfang lag. Seine weite Fensterfront auf der linken Seite ermöglichte einen Blick auf die Terrasse und das Gebirge. Die Wände des Raums waren in einem hellen Blau gestrichen. Frida nickte zustimmend, doch etwas anderes schien ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben.
„Und paar nette Typen gibt es hier wohl auch …“, fügte Frida mit einem Seitenblick auf die jungen Männer an einem der Tische hinzu.
Ein rotblonder Typ musterte die beiden besonders neugierig. Außer den jüngeren Männern saß ein hellblonder Mann Anfang 40 in einer Leseecke neben den Stufen. Hanna erkannte, dass die Ecke aus einem gut befüllten Bücherregal sowie einem grünen Sofa und einem roten Sessel mit samtigen Armlehnen bestand. Neugierig reckte der Mann seinen Kopf aus dem ausladenden Sessel und starrte sie durch seine Hornbrille an.
„Ernsthaft, Hanna! Vielleicht findest du gegen Ende des Urlaubs ja noch eine Ablenkung anderer Art.“
„Die Typen am Tisch sind doch mindestens fünf Jahre jünger als wir“, sagte Hanna lachend und schaute zu ihrer besten Freundin. Das Lachen blieb ihr im Hals stecken, als sie hinter Frida eine Person erblickte.
Ihre Umgebung veränderte sich augenblicklich. Die Bewegungen, Menschen und Geräusche um sie herum waren ausgeblendet. Sie befand sich in einem schwarzen Tunnel. Ihr Mund war staubtrocken. Ihr blieb die Luft weg. Sie hätte sich gerne die Augen gerieben, doch stattdessen starrte sie vollkommen regungslos auf ein Kind. Was machte es hier? Was machte das Kind hier? Es war verängstigt. Und auch Hanna hatte Angst. Sie hörte ihr Herz in ihren Ohren pulsieren. Ihre Hände waren eiskalt. Schwitzig. Ihre Knie weich wie Butter, doch gleichzeitig schwer und an den Boden getackert. Ein leise einsetzendes Summen wurde lauter. Der Schmerz in ihren Ohren wuchs, doch sie nahm ihn nicht wahr. Sie war fokussiert auf die Silhouette vor ihr. Sie wusste, was gleich passieren würde. Sie wusste, was sie gleich tun würde. Doch nichts.
Das ist nicht die Realität. Eine Stimme in ihrem Kopf erlöste sie aus dem tauben Zustand. Das Bild vor ihrem inneren Auge verschwamm. Sie blinzelte und stellte fest, dass sie immer noch in ein schockiertes Gesicht sah. Sie erkannte diese Person, doch es war kein Kind. Ihre schwarzen, fast schulterlangen Haare schmiegten sich um das bleiche Gesicht. Sie war immer noch so blass wie früher.
Obwohl der ohrenbetäubende Schmerz verblasste, hatte sie die Befürchtung, an Ort und Stelle in sich zusammenzusacken. Doch sie tat es nicht. Stattdessen fixierte sie die Person, die hinter Frida im Korridor erschienen war.
„L… Luki?“, entfuhr es ihr. Sie war nicht imstande, ihren eigenen Augen zu trauen.
Als Frida diesen Namen hörte, drehte sie sich ruckartig um und starrte den Mann mit den leuchtend grünen Augen mindestens genauso verdattert an.
Luki fing sich als Erster wieder und löste ihren Blickkontakt auf. Er runzelte die Stirn, kratzte sich am Kopf und rang sich ein vorsichtiges Lächeln ab. Während er näher an sie herantrat, straffte er die Schultern. Obwohl Hanna mit ihren 1,70 Meter selbst nicht klein war, war Luki mindestens einen Kopf größer. Seine Augen klebten an ihr. Es sah so aus, als würde er fieberhaft überlegen, was er sagen sollte.
„Hallo, Hanna, hallo, Frida. Ich bin … überrascht, euch hier anzutreffen“, sagte er nüchtern. Es war schwer zu erkennen, ob er dies für eine gute oder schlechte Überraschung hielt.
Hannas Gedanken überschlugen sich, aber immerhin hatten ihre Knie wieder die gewohnte Form angenommen. Sie stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Wie lange war es her? Sechs oder sieben Jahre? Sie war sich nicht mehr sicher, wann sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte – nur, wo. Sie sah, wie Frida ihre Schultern straffte, um sich zu strecken, und tat es ihr gleich. Immer noch hielt sie ihren Atem an. Dann ergriff Frida das Wort.
„Hallo, Lukas, du arbeitest hier?“, fragte sie. Schon damals hatte sie ihn nicht leiden können, und an dieser Einstellung hatte sich anscheinend nichts geändert.
Lukis Blick löste sich von ihr. Hanna atmete aus. Luki nickte in Fridas Richtung.
„Ja, genau. Ich bringe euch gleich in euer Zimmer und erkläre euch alles. Hattet ihr eine angenehme Reise?“ Frida zuckte mit den Achseln. Hanna seufzte. Bis jetzt schon.
Lukas Knapper, den alle nur Luki nannten, hasste Streit. Und dennoch war es nicht das erste Mal in dieser Woche, dass er und Dalia in einen Konflikt geraten waren. Es war aber das erste Mal, dass sie es nicht vor Alvar verheimlichen konnten und er sie daraufhin in seinem Büro zurechtgewiesen hatte.
Normalerweise konnte Luki sich zusammenreißen, wenn ihn jemand verärgerte, aber nicht heute. Vorbei an den neugierigen Blicken stampfte er aus der Eingangstür hinaus in die Freiheit.
Während er sich vom Hostel entfernte, kickte er den Kies vor sich weg. Die Worte seines Chefs geisterten durch seinen Kopf.
So etwas wie heute dulde ich kein weiteres Mal! Was wollte Alvar denn machen? Dalia und ihn rausschmeißen? Dann könnte er das Hostel doch gleich dichtmachen! Alles, was Luki wollte, war, in Ruhe seiner Arbeit nachzugehen. Doch schon seit Wochen ging das nicht mehr. Dalia klammerte schrecklich, und er bekam kaum noch Luft. Die ganze Situation raubte ihm nicht nur den Schlaf, sondern auch den letzten Nerv. Dabei hatte es so gut begonnen. Was sollte er nur tun? Ratlos schüttelte er seinen Kopf. Erst mal weg hier!
Wie die meisten Häuser stand auch das FineHostel fernab von jeglicher Zivilisation. In der Umgebung gab es keine engen Städte, keine belebten Einkaufsstraßen, keine überfüllten Stadtparks. Das Hostel war auf ein Plätzchen Erde gepflanzt, das kilometerweit wilde Natur bot. Als Alvar vor etwa 15 Jahren das damals erfolglose Gasthaus übernommen hatte, hatte seine Frau, eine Architektin, eine Komplettrenovierung vornehmen lassen. Luki und Dalia kannten die Geschichten des Umbaus sowie Bilder von modrigen Dielen und schimmeligen Wänden. Alvars Frau hatte es geschafft, ein unbewohnbares Loch in eine moderne Unterkunft zu verwandeln. Die lange Fensterfront im Gemeinschaftsraum sowie die Terrasse sind Alvars Ideen gewesen, denn er liebte es, den Morgen mit dem Ausblick auf das Land zu beginnen. Alvars Familie und er hatten im ersten Obergeschoss gewohnt. Seitdem sie weg waren, hatte er sie als zusätzliche Hostelzimmer zur Verfügung gestellt. Die Abgeschiedenheit der Häuser mochte Luki. Bei Bedarf war der nächste Supermarkt oder die nächste Tankstelle nur etwa eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt, und die Hauptstadt war in knapp zweieinhalb Stunden erreichbar.
Er näherte sich der Hauptstraße. Zu Fuß war er in etwas mehr als 20 Minuten im Nachbarort. Das Laufen machte ihm nichts aus. Er mochte Fußmärsche sogar sehr. Denn wenn es eine Sache gab, auf die er sich verlassen konnte, dann darauf, dass seine Füße ihn trugen, egal, wohin er wollte.
Die Hauptstraße verlief einmal um die gesamte Insel. Er lief in Richtung Westen. Rechts neben ihm machte sich das Gebirge breit. Während der langen kalten Monate bedeckte glitzerndes Weiß jedes noch so kleine Stück. Im Sommer blühte alles in verschiedenen Grün-, Gelb- und Brauntönen. Bäume gab es in dieser Region kaum. Es war überwiegend flach und überschaubar – eines der weiteren Dinge, die Luki mochte. Sein Blick löste sich von der Landschaft und wanderte zum bewölkten Himmel. Die frische Luft und das Alleinsein kühlten seinen hitzigen Zustand allmählich ab. Sein Herz pumpte weniger schnell, und er hatte endlich die Möglichkeit, seine Gedanken zu sortieren.
„Wer ist das? Woher kennst du diese Frauen?“, hatte Dalia ihn aufgeregt gefragt, nachdem er den Neuankömmlingen ihr Zimmer gezeigt hatte.
Das Gespräch mit wenigen Worten zu beenden, wie es seine Intention gewesen war, hatte nicht funktioniert. Dalia hatte nicht lockergelassen. Daraufhin folgte die lautstarke Auseinandersetzung in Hörweite einer Familie und Alvar. Luki schüttelte den Kopf.
In seinen Ohren hallte Dalias Stimme unaufhörlich weiter.
„Deine Exfreundin aus Deutschland? Was macht sie hier?“
Genau diese Frage war ihm auch in den Kopf geschossen, als sie vor ihm gestanden hatte. Wie zuvor konnte er auch jetzt nichts dagegen tun, dass sein Herz raste. Diese Begegnung rief Erinnerungen auf, die er vergessen wollte: Momente aus seinem Studium, seinem Leben in Mainz und den drei Jahren mit Hanna fanden schlagartig ihren Weg zurück in seine Gegenwart.
Die Stimmung während der Begrüßung war angespannt gewesen. Er hatte zunächst geglaubt, dass seine Augen ihm einen Streich spielten. Für ein paar Sekunden hatte er Hanna nur regungslos anstarren können, ohne zu wissen, ob er sich freuen oder flüchten sollte. In diesen wenigen Sekunden – so stellte er nüchtern fest – hatte er auch Dalia vergessen.
Hanna schien sich nicht verändert zu haben. Ihr braunschwarzes Haar fiel locker in einem Pferdeschwanz auf ihre Schulter. Sie hatte zwar müder ausgesehen als in seiner Erinnerung, aber ihr Lachen hatte er schon auf dem Korridor vernommen. Erst bei ihrem Anblick hatte er sich wieder daran erinnert. Ob sie sich wohl gefreut hatte, ihn zu sehen? Er zuckte mit den Achseln. Er wusste es selbst nicht, aber eigentlich war es auch nicht wichtig. In wenigen Tagen würde sie weiterziehen, und ihre Erinnerungen aneinander würden wieder verblassen. Er vernahm ein unangenehmes Ziehen in seiner Brust, doch er schenkte dem keine große Beachtung.
Ein Wassertropfen landete auf seiner Wange. Nach einem prüfenden Blick in den Himmel beschleunigte er seine Schritte und näherte sich einem überdachten Unterschlupf. Es war die alte und teilweise zerfallene Scheune, bekannt als Gömul hlaða5. Sie stand dort seit den letzten Jahren der dänischen Herrschaft bis in die 1940er-Jahre. Er beeilte sich, aber nur Sekunden später ergoss sich strömender Regen über ihm.
5 Isländisch für: „Alte Hütte“.
„Aufgepasst! Es könnte ungemütlich werden“, warnte Alexander, der auf dem Beifahrersitz des gemieteten Geländewagens saß. Meggie, die am Steuer saß, erschrak kurz wegen der unerwarteten Wucht des einsetzenden Windes.
Alexander beruhigte sie.
„Keine Sorge, das ist normal. Man sagt, auf Island ändert sich das Wetter alle 15 Minuten“, sagte er lachend und dachte an seinen ersten Besuch während seiner frühen Zwanzigerjahre zurück.
Ein paar Studienfreunde und er hatten sich damals dazu entschlossen, die Insel mit Campingausrüstung zu bereisen. Es hätte ein wunderbarer Trip werden können, wenn sie das nächtliche Klima nicht unterschätzt hätten. Sie hatten drei Nächte auf Campingplätzen verbracht, doch wären sie in ihren durchlässigen Schlafsäcken und der bedürftigen Ausrüstung fast erfroren. Tagsüber hatte sich niemand etwas anmerken lassen, was ihrem unberechtigt großen Ego zuzuschreiben war. Doch die unbarmherzige Kälte, die ihnen Energie für den Tag gestohlen hatte, hatte sie eines Besseren belehrt. Nach wenigen Tagen hatten sie begonnen, sich Schlafplätze im Warmen zu suchen.
Heute, rund 50 Jahre später, war er nicht nur um diese Erfahrung reicher. Mit seinen 78 Jahren hatte er mehr erlebt als manch andere in fünf Leben zusammen. Schon immer ist er ein Mensch gewesen, der stets der Nase nach ins nächste Abenteuer gesteuert war. Mit den Jahren ist er vorsichtiger geworden. Ein Aufstieg auf den Himalaya, wie er ihn in seinen Dreißigern mit großer Anstrengung gemeistert hatte, war nicht mehr denkbar. Doch ohne seine Abenteuerlust und Neugier wäre er nicht Alexander James Ross. Und er fühlte sich immens dankbar dafür, dass er diese Leidenschaft an seine Familie hatte weitergeben können. Es war das dritte Mal in seinem Leben, dass er auf Island war, und dieses Mal – er fühlte ein wehleidiges Ziehen in seiner Brust, als ihn der Gedanke kreuzte – war es mit seinen Enkelkindern Jack und Meggie.
Es kam ihm vor, als läge eine halbe Ewigkeit zwischen dem Aufbruch in seinem Londoner Appartement und dem Flug vom Heathrow Airport nach Island. Und doch ist es erst gestern gewesen. Direkt nach der Ankunft waren sie losgedüst, um den Thingvellir Nationalpark zu besuchen. Der Park liegt 40 Kilometer außerhalb der Hauptstadt im Südwesten der Insel und ist ein historisch bedeutender Ort, da hier im Jahr 1944 die Republik Island ausgerufen wurde. Außerdem liegt der Park in einer Grabenbruchzone, die von vier aktiven Vulkansystemen umgeben ist. Dort treffen auch die amerikanischen und eurasischen Kontinentalplatten aufeinander.
Mit diesem Hintergrundwissen war der Park für Jack, der sich wie Alexander für Geografie interessierte, ein Ort purer Faszination. Doch auch Meggie war begeistert von der unberührten Naturschönheit, die sie als Großstadtkind selten in dieser Form erlebte. Erschöpft waren die drei in die Betten ihrer Unterkunft gefallen, denn heute war das Abenteuer direkt weitergegangen.
Nachdem sie die Geysire sowie die Wasserfälle Bruarfoss und Gullfoss gesehen hatten, waren sie nun auf dem Weg zu ihrer nächsten Bleibe. Im Lauf der Fahrt wechselten sich Meggie und Jack mit dem Fahren ab. Alexander hatte währenddessen das Privileg, den Road-Trip auf dem Beifahrersitz zu genießen.
Es war bereits früher Abend und die Unterkunft in unmittelbarer Nähe, da traf sie ein heftiger Regenschauer. Willkürlich – so ist nun mal das isländische Wetter. Stürmische Regenfälle und kraftvoller Wind wechseln sich manchmal im Minutentakt mit klarem Himmel und Sonnenschein ab.
„Das ist die Magie der Insel“, fügte Alexander hinzu und blickte durch das Fenster des Fahrzeugs. Der Himmel sah unheilvoll und fast schwarz aus, und doch schaute Alexander nicht wirklich hinaus, sondern betrachtete vielmehr sein eigenes Spiegelbild. Auf seinem Kopf lag seine grünblau karierte Schiebermütze auf und verdeckte seine Halbglatze. Die verbliebenen weißen Haare ragten zu beiden Seiten hervor und vermittelten den Eindruck einer vollen Haarpracht. Er blickte in sein gealtertes Gesicht und auf seine von Altersflecken gezeichnete Haut. Hinter seiner großen runden Brille flackerten leuchtend grüne Augen, und er lächelte sich selbst milde zu. Dieser Anblick machte ihn nicht traurig, brachte ihn aber stets auf den Boden der Tatsachen zurück. Obwohl er innerlich noch das Gefühl hatte, ein abenteuerlustiger Junge zu sein, stellte er dennoch bei jedem Blick in den Spiegel das Gegenteil fest.
Unterdessen kämpfte Meggie weiterhin damit, das Lenkrad unter Kontrolle zu halten. Der Regen peitschte immer stärker gegen die Windschutzscheibe. Die Lichtkegel des Wagens waren ihre einzige Lichtquelle. Laternen suchte man entlang der Hauptstraße vergebens. Die Scheibenwischer quietschten schon längst auf höchster Stufe, nichtsdestotrotz ergoss sich das Wasser unaufhörlich auf das Sichtfeld. Der aufkommende Wind machte die Angelegenheit für Meggie nicht leichter. Sie hielt das Lenkrad so stark fest, dass fast das Weiß ihrer Knochen zu sehen war.
„Wenn du wechseln willst, dann sag Bescheid“, ertönte es von der Rückbank. Jack war die meiste Zeit der Fahrt ruhig gewesen.
Meggie antwortete mit einem Schnauben auf die Bemerkung ihres älteren Bruders.
„Es sind nicht mal mehr zehn Minuten, bis wir am Ziel sind“, gab sie genervt, aber konzentriert zurück. Sie war wie immer erpicht darauf zu zeigen, dass sie allein zurechtkam.
Alexander war stolz auf ihren starken Willen. Er wusste allerdings auch, dass Meggie vor allem Jack ihre Unabhängigkeit beweisen wollte und seine Hilfe deshalb nur selten annahm.
„Hey, schaut mal ihr beiden! Da läuft jemand zu Fuß die Straße entlang“, sagte er. Die Person joggte die verregnete Hauptstraße entlang. Weit und breit war noch kein Haus zu sehen.
Er wird noch ein gutes Stück vor sich haben, dachte Alexander. Sie kamen dem Jogger näher, und Meggie verlangsamte die Geschwindigkeit des Wagens. Der Mann hatte schon längst bemerkt, dass sie hinter ihm fuhren, denn seine gesamte Gestalt war in das Scheinwerferlicht des Geländewagens getaucht. Er drehte sich zum Wagen und beäugte die Insassen.
Meggie hielt nun vollends an, und Alexander ließ die Scheibe des Beifahrersitzes hinunter.
Der Regen prasselte geräuschvoll auf das Autodach, und die Scheibenwischer pfiffen aufgeregt von einer Seite zur anderen.
„Hallo. Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit?“, fragte Alexander den Fremden.
Dieser blickte unter seiner triefenden Kapuze hervor.
„Ich bin tropfnass“, sagte er nach einer Weile, „Ich würde nur das Innere des Wagens verschmutzen.“