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Stell dir vor ...
Was, wenn dein größter Feind
zugleich dein Bruder ist -
du weißt es nur nicht mehr?
Um seine Freunde und seine Heimat vor dem Geist des Großen zu schützen, der seit über 900 Jahren im Amulett namens Auge des Ra gefangen ist, muss Simon alle Register seiner Vorstellungskraft ziehen und sogar die Grenze zwischen Leben und Tod überschreiten. Dabei erfährt er mehr über sich selbst sowie seine besondere Verbindung zu diesem mächtigen Feind, als ihm lieb ist. Ihre Schicksale sind erschreckend eng miteinander verwoben. Darüber hinaus hat Ra dafür gesorgt, dass sein gefährliches Erbe an einen Ort gelangt ist, an dem es möglichst viel Unheil anrichten kann ...
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Michaela Göhr
Der Fantast und das Erbe des Ra
Band 2
Urban-Fantasy-Roman
Zur Autorin
1972 geboren und aufgewachsen in einer sauerländischen Kleinstadt studierte sie nach dem Abitur Sonderpädagogik, arbeitet seit vielen Jahren an einer Förderschule Sehen und lebt mit Mann und Kind gegenüber ihres Elternhauses. Das Schreiben begann sie schon in ihrer Kindheit, wo sie ihre Gedanken in Gedichten, Liedern und kurzen Geschichten ausdrückte. Ihre Leidenschaft für längere Texte fand sie jedoch erst vor kurzer Zeit. Die Fantasy-Reihe um die Figur des Fantasten ist ihr Debüt im Bereich der Romane.
Danksagung
Ich danke Elisabeth Marienhagen und allen Menschen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben. Außerdem bedanke ich mich bei Kathrin Franke-Mois von Epic Moon – Coverdesign für die schöne Neugestaltung des Umschlags.
Alle Bände der Reihe
Der Fantast (Band 1)
Der Fantast und das Erbe der Ra (Band 2)
Der Fantast und die Macht der Gedanken (Band 3)
Der Fantast und das Apokryptikum (Band 4)
Der Fantast und die letzten Visionen (Band 5)
Sämtliche Charaktere in diesem Roman sind frei erfunden. Gemeinsamkeiten mit geschichtlichen Personen sind teilweise beabsichtigt, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen jedoch rein zufällig.
Impressum
Text: © Copyright by Michaela Göhr Birkenweg 24, 58553 [email protected]/derfantast24/derfantast.jimdo.com
independently published
Umschlaggestaltung: © Kathrin Franke-Mois
Epic Moon – Coverdesign / München
https://epicmooncoverdesign.com
Bilder: Erik Bjerkesjö
ISBN 9783739447223
Erstausgabe Juli 2016 letzte Überarbeitung: Dezember 2020
Glück
der Samen des Glücksist unglaublich zäh er wird keimenwo immergesät
dort wachsenwo mit Sorgfaltgepflegt
nur erblühnwo du festan ihn glaubst
Über mich
Ich bade oder dusche fast täglich und schwimme, so oft es geht, im eigenen Pool. Dabei liegt der Wasserverbrauch meiner Wohnung nahezu bei null. Eigentlich könnten sie mir den Hahn komplett abdrehen und ich würde es wahrscheinlich nicht mal bemerken. Eher schon der seltene Besucher, der sich bei mir nicht auskennt. Das liegt jedoch nicht daran, dass ich mir nie die Zähne putze, mein Geschäft im Garten erledige oder immer beim Nachbarn bade, sondern ist Ausdruck eines sparsamen Lebensstils. Echtes Wasser ist eben kostbar. Wenn ich eins auf meinen vielen Reisen in Wüstengebiete gelernt habe, dann das.
Ich mag dieses Element, sogar sehr. Nichts bereitet mir mehr Vergnügen, als in ein natürliches Gewässer einzutauchen und mich darin aufzuhalten – möglichst stundenlang. Aber wie mein bester Freund es einmal treffend formulierte: Gedachtes Wasser ist auch ziemlich nass und es genügt mir zur täglichen Reinigung vollkommen.
Diejenigen unter euch, die mein erstes Buch gelesen haben, mögen mir diese Erklärungen verzeihen, aber es ist nützlich zu wissen, dass mein Wasser tatsächlich nass ist, nicht nur für mich, sondern für jeden, der damit in Berührung kommt. Genauso, wie man sich mit vorgestellter Zahnpasta die Zähne effektiv reinigen kann, ein selbstkreierter Sessel mindestens ebenso bequem ist wie ein echter und imaginäres Klopapier seinen Zweck erfüllt – dies sogar besonders umweltgerecht.
Wer nun glaubt, einen Spinner vor sich zu haben, der in seiner völlig eigenen Welt lebt und nie unter Leute geht, den muss ich leider enttäuschen. Ich begebe mich tagtäglich aus dem Haus und ins gesellschaftliche Gewühl, reise viel und gehe selten einem Menschen aus dem Weg. Wenn ihr mich auf der Straße seht, falle ich euch vermutlich nicht besonders auf: durchschnittliche Größe, blau-graue Augen, dunkelblonde Haare, schlank, meistens sportlich gekleidet in Jeans und Turnschuhen, vorzugsweise alles in mittelblau. Diese Farbe trage ich gern, weil sie mich bei spontanen Ausflügen auf dem Luftweg besser tarnt. Okay, das ist sicherlich nicht perfekt, aber ab und an sind solche ungeplanten eiligen Ortswechsel dringend notwendig. Sie gehören zu meinem Job, der mich ordentlich auf Trab hält. Eigentlich ist es mehr eine Berufung als ein Beruf und verhilft mir nicht eben zu Reichtum, da die meisten Hilferufe von ehrenamtlich arbeitenden Einrichtungen stammen: Rotes Kreuz, Feuerwehr, Johanniter, Malteser, Luftrettung sowie weitere humanitäre Hilfsorganisationen haben meine Nummer. Um Miete zu bezahlen, notwendige Kleidungsstücke zu kaufen und ab und zu mal ins Kino zu gehen oder mir reale Lebensmittel zu gönnen, nehme ich als ‚Geheimagent in Teilzeit‘ Aufträge vom Bundesnachrichtendienst sowie von diversen Spezialeinheiten der Polizei an. Diese Tätigkeiten entsprechen meist nicht dem intellektuellen Niveau eines diplomierten Physikers. Die Naturwissenschaft leistet mir jedoch gute Dienste, indem sie mir ermöglicht, meine Fähigkeiten effektiver einzusetzen, um Menschen zu helfen. Ich weiß, wie furchtbar naiv sich das anhört – Spiderman und Co lassen grüßen. Ungern vergleiche ich mich mit Comic-Helden, aber was würdet ihr tun, wenn euch solche Kräfte in die Wiege gelegt worden wären? Eigentlich will ich es gar nicht wissen. Ich versuche auch nicht, mich in irgendeiner Weise für meine Lebenseinstellung oder mein Handeln zu rechtfertigen, da ich zutiefst dankbar dafür bin, dass es mir möglich ist.
Dieses Buch ersetzt mir den Seelendoktor, dem ich die Erlebnisse sonst erzählt hätte. Ich denke, jeder Mensch benötigt ein Ventil, um Dinge zu verarbeiten, die ihn besonders beschäftigen. Vor Kurzem habe ich das Schreiben als eine solche Chance für mich entdeckt. Es ist wie eine Sucht und gleichzeitig eine Notwendigkeit geworden, die ich bei jeder Gelegenheit ausnutze. Es entspannt ungemein, auch wenn ich objektiv betrachtet nur wenig Zeit dafür erübrigen kann. Ein unschätzbarer Vorteil ist, dass ich nicht darauf angewiesen bin, mich an einem bestimmten Ort dazu aufzuhalten oder ausschließlich diese Tätigkeit auszuführen. Ich schreibe in der Badewanne sitzend, auf dem Sofa liegend, beim Essen, Schwimmen, Radfahren, Joggen oder auf dem Weg zur Arbeit. Ist alles eine Frage der Übung.
Wer mich bereits kennt, wird das als völlig normal bei mir ansehen. Wem es befremdlich erscheint, dem erschließt es sich sicherlich beim Lesen der nachfolgenden Story, deshalb spare ich mir lange Erklärungen dazu.
Wer bereit ist, sich auf dieses ungewöhnliche und nervenaufreibende Abenteuer einzulassen, der hält sich am besten irgendwo fest, um nicht in den Sog der fantastischen Ereignisse gezogen zu werden und dabei den Boden der Realität unter den Füßen zu verlieren ...
Teil 1
Große Begegnungen
1.
He, Schlafmütze, Bock auf Frühstück?
„Hmm?“ Mühsam öffnete ich die Augen und stellte fest, mich im Badezimmer zu befinden, auf einer zwischen Klo und Badewanne gequetschten Matratze. Oha, ich musste sehr müde gewesen sein nach dem anstrengenden Auftrag gestern! Ich lag recht bequem und warm eingepackt. Allerdings änderte sich dieser Zustand abrupt, als mir die Lächerlichkeit meiner Lage bewusst wurde.
Da ich ohnehin seit Jahren kein reales Bett mehr besaß, war der Ort, wo ich mir eins dachte, eher nebensächlich – aber das hier war selbst mir zu peinlich.
Okay antwortete ich meinem Freund gedanklich, der mich soeben mit seinem mentalen Anklopfen geweckt hatte. Ausgiebig gähnend streckte ich mich und nahm eine kurze Dusche zum Wachwerden.
Wie lang brauchst du noch? Timo stand in seiner eigenen Wohnung in der Küche. Den Geräuschen und Gerüchen nach, die ich von ihm empfing, kochte er soeben Kaffee.
„Fünf Minuten“, gab ich lapidar zurück, zog mich an und öffnete die Wohnungstür.
Red keinen Quatsch, du stehst schon fast auf der Straße!
„Na dann eben drei Minuten.“
Im Eiltempo düste ich die Treppen hinab. Frühstück bei meinem besten Freund war eine seltene Sache. Es kam nicht oft vor, dass wir dafür Zeit fanden. Umso mehr genoss ich diese Momente, in denen ich ganz ich selbst sein durfte. Auf Inlinern benötigte ich für den knappen Kilometer nur zwei Minuten. Den ganzen Weg über begleiteten mich der Kaffeeduft sowie das Aroma der frischen Brötchen. Sinneseindrücke, die Timo so intensiv wahrnahm, dass sie mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. Rasch öffnete ich die Eingangstür und lief die wenigen Stufen zur Bleibe meines besten Kumpels und seiner Freundin hinauf.
„Hi Susanna.“ Beim Ankommen gab ich Timos Schnecke rasch einen Kuss auf die Wange. Sie lachte und stieß mich mit gespielter Empörung zurück.
„Komm mir nicht zu nahe, du Unhold!“
Timo erschien mit dem Kaffee. „Na, baggerst du wieder meine Geliebte an?“
„Du kennst mich doch, ich kann einfach nicht widerstehen, wenn sie mich so ansieht ...“
„Das bildest du dir bloß ein“, knurrte die anziehende Brünette und hielt das Brotmesser wie ein Schwert vor sich. „En garde, du Schuft!“
Sie machte unbeholfene Fechtbewegungen in der Luft.
„Wie Sie wünschen, Madame“, entgegnete ich mit höfischer Verbeugung und parierte ihren Streich mit einer eleganten Bewegung meines gedachten Miniatursäbels. Wir fochten einen Augenblick verbissen, bis Timo vorsichtig das Tablett mit dem Brotbelag an uns vorbei bugsierte und zielsicher auf dem Tisch abstellte.
„Na, seid ihr fertig mit eurer Vorstellung?“, fragte er dabei spöttisch. „Ich für meinen Teil würde jetzt gern frühstücken.“
Wir schlossen sofort einen Friedensvertrag und nahmen Platz. Manchmal beneidete ich meinen Freund um diese Frau. Hübsch, klug und witzig verstand sie es perfekt, sich gegen uns beide zu behaupten. Sie akzeptierte mich, wie ich war und nahm mich als ‚Laune der Natur‘ völlig gelassen – ebenso wie die Tatsache, dass ihr Lover von Geburt an blind war und trotzdem viel von dem mitbekam, was um ihn herum geschah. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sie genau wusste, welche besondere Beziehung es zwischen Timo und mir gab und dass ihre Zweisamkeit mit meinem Freund deshalb nur selten wirklich bestand. Trotzdem schien sie es mir nicht im Geringsten krummzunehmen.
„Was liegt heute an?“, fragte ich mit vollem Mund. Frische Brötchen vom Bäcker hatten bei mir Seltenheitswert.
„Also ich würde gern in die Stadt gehen“, sagte Susanna und blickte verträumt aus dem Fenster, von wo aus man den Aussichtsturm sehen konnte, das Wahrzeichen unseres Ortes. „Ihr zwei habt sowieso wieder was Geheimnisvolles vor, bei dem ich nicht dabei sein darf. Und später muss ich noch einiges für morgen vorbereiten.“
„Ursprünglich hatte ich gedacht, du kommst mit zu Meik“, sagte Timo erstaunt. „Er hat sich doch extra dieses Wochenende für uns frei genommen.“
„Oh, ja – hatte ich total vergessen!“ Susanna schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.
„Apropos Meik!“, fiel mir da siedend heiß ein. „Er hat gestern am frühen Morgen angerufen und lässt sich für heute entschuldigen.“
„Ach, was du nicht sagst! Wann war das denn?“, fragte Timo verblüfft.
„Gegen halb sieben. Da wart ihr zwei ...“
„Schon gut“, wehrte mein Freund ab. „So genau brauchst du’s nicht zu beschreiben. Aber du hättest mir eher Bescheid sagen können.“
„Tut mir leid. Erst schienst du zu beschäftigt und dann war ich ziemlich eingespannt, da blieb einfach keine Luft dafür.“
„Ah, das war nicht so gemeint. Du hast die Sache gestern übrigens echt clever gelöst, wie ich finde. Nicht übel, dein Schachzug mit dem Sekundenkleber.“
Ich kicherte. „Gelöst ist dafür dann wohl das falsche Wort.“
Timo prustete ebenfalls los. Susanna sah mal wieder ratlos von einem zum anderen und schüttelte schmunzelnd den Kopf.
„Ihr zwei seid Kindsköpfe, wisst ihr das? Wenn man euch zuhört, könnte man glauben, dass ihr vollkomen abgedreht seid. Keiner, der euch zuhört, käme auf die Idee, zwischen hoch gebildeten Männern zu sitzen, die sich mit wichtigen Aufgaben für die Allgemeinheit beschäftigen.“
„Aber das tun wir doch!“, verteidigte ich mich. „Leider unterliegt der Fall nun mal strengster Geheimhaltung und solange du kein Mitglied meines Teams bist, darf ich dir nicht viel darüber erzählen.“
„Das ist unfair! Timo erfährt alles, obwohl er nicht offiziell beteiligt ist, aber ich werde nie eingeweiht!“
Es war ein rein rhetorischer Protest und keinesfalls ernstgemeint. Die Freundin meines besten Freundes wusste ziemlich viel über meine Tätigkeit beim Geheimdienst – jedenfalls mehr als sie sollte. Und sie war sich im Klaren darüber, dass ich Timo gar nichts davon verschweigen konnte – es sei denn, er war gerade sehr abgelenkt. Deshalb gingen wir nicht weiter darauf ein und besprachen, was wir an unserem freien Tag unternehmen wollten. Shoppen stellte keine annehmbare Alternative dar, darum versuchten wir uns zwischen verschiedenen Events zu entscheiden, die wir schon länger vorhatten, aber aus Zeitmangel bisher immer verschieben mussten.
„Kajak fahren in den Stromschnellen fänd ich super, das haben wir noch nie gemacht.“
„Du wolltest mir schon längst Drachenfliegen beibringen!“
„Auch gut. Aber danach fahren wir Kajak, ja?“
Susanna verabschiedete sich schließlich und ließ uns zwei allein, um ihre Kollektion an Sommerkleidung zu vergrößern. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass sie fort war, wechselten wir sofort das Thema.
„Und? Was hat Meik gesagt?“, hakte mein scharfsinniger Freund nach.
„Ich glaube, er hat etwas Dämliches vor. Am Telefon gab’s nur Andeutungen, aber ich befürchte, er möchte öffentlich auftreten. Er sprach von der ‚ganz großen Show‘.“
„Oh nein! Das hört sich so vertraut an.“ Timo machte ein finsteres Gesicht. Wir saßen noch immer am Tisch. Dennoch räumte ich derweil schon mal das Geschirr ab und schaffte notdürftig etwas Ordnung. Susanna mochte klug, geschickt und liebenswürdig sein, gleichzeitig war sie ebenso vielbeschäftigt, chaotisch und zerstreut wie mein bester Kumpel. Deshalb blieb oft einiges an Hausarbeit in der Wohnung liegen. Mir machte das zwar nicht viel aus, aber ich wusste, wie schwierig es für Timo war, sich in einem unaufgeräumten Zimmer zurechtzufinden. Unsere gemeinsame Zeit in der Studentenbude hatte mich gelehrt, Ordnung für uns beide zu halten.
Ich nickte. „Ja, du hast recht – wie immer. Wir müssen mit ihm reden, am besten jetzt gleich. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.“
Während Timo sich ausgehfertig machte, spülte ich rasch das Geschirr und räumte es ein, wischte den Tisch ab und fegte den Boden. Es war so automatisiert, dass ich dabei Zeitung las und die Zähne putzte. Alltägliches Multitasking, bei dem das Lesen bequem im Fernsehsessel eindeutig im Vordergrund stand.
Keine fünfzehn Minuten später befanden wir uns bereits auf dem Weg zu unserem gemeinsamen Freund Meik, der etwa acht Kilometer entfernt wohnte. Timos Tandem brachte uns zuverlässig und schnell überall hin – bei jedem Wetter. Susanna besaß einen Kleinwagen, doch der war hauptsächlich für ihre Dienstfahrten vorgesehen und stand an freien Tagen meistens im Carport. Von uns beiden durfte niemand offiziell damit fahren, da wir ohne Führerschein waren. Bei Timo war klar, dass er keinen machen konnte, und ich hatte ihn bisher nie benötigt. Was nicht heißt, dass ich nicht in der Lage war, bei Bedarf jedes Fahrzeug zu fahren. Aber ich bevorzugte umweltfreundliche Fortbewegungsmittel und das Tandem war zudem völlig unauffällig – zumindest, solange wir uns an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hielten.
Das Wetter an diesem milden Herbsttag lud geradezu zum Fahrradfahren ein. Deshalb wählten wir den längeren, aber schöneren Weg zum Nachbarort und genossen den Fahrtwind um die Nase. Wir hatten es nicht eilig. Unterwegs sprachen wir darüber, welche erstaunliche Entwicklung Meik gemacht hatte. Mittlerweile waren acht Monate ins Land gegangen, seitdem ich den jungen Mann verletzt im Wald gefunden und ihm das Auge des Ra anvertraut hatte. Zuvor war ich zehn Jahre lang Träger und Beschützer des Amuletts gewesen und hatte geglaubt, diese Rolle bis zum Lebensende ausfüllen zu müssen. Aber scheinbar war meine Bestimmung nun doch eine andere. Aus unserem Freund, dem bescheidenen, talentierten Medizinstudenten war mittlerweile ein hoch geachteter Naturheilkundiger geworden, dessen eigene Praxis boomte. Er hatte sein Studium mit Auszeichnung abgeschlossen, danach jedoch nicht den konventionellen Weg eingeschlagen, sondern sich sofort selbstständig gemacht – mit durchschlagendem Erfolg. Das Auge, dessen unheimliche Kräfte mir bestens vertraut waren, diente Meik auf höchst erstaunliche Weise. Es verstärkte seine heilenden Fähigkeiten bis hin zu absoluten Wundertaten. Meine Aufgabe hatte ich bisher darin gesehen, ihn und das Amulett vor Neidern und Anfeindungen zu beschützen und ihn im Gebrauch des machtvollen Symbols anzuleiten. Denn es war nicht ungefährlich, Ras Kraft in Anspruch zu nehmen – er forderte immer seinen Preis dafür. Meistens bestand dieser darin, abhängig vom Tragen des Schmuckstücks zu werden und das eigene Handeln in Einklang mit Ras Willen zu bringen.
Bei unserer Ankunft stand ein geräumiger Transporter vor dem Anwesen des Wunderheilers. Eine Traube Schaulustiger versuchte, einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen. Aber die hohe Mauer und die vielen Koniferen schirmten das Gelände recht zuverlässig vor Neugierigen ab. Gut für uns, denn wir nahmen wie üblich nicht den Vordereingang, sondern schlichen uns weiter hinten über die drei Meter hohe Mauer, die zusätzlich mit Eisenspitzen versehen war. Meik kannte unsere Art des Eintretens – vor allem, wenn Andrang bei ihm herrschte oder er keinen offiziellen Besuch haben wollte – und war damit bisher völlig einverstanden.
Wir fanden unseren Freund draußen im Garten, wo ein Fernsehteam emsig dabei war, eine Art Studio einzurichten. Meik saß auf einem Stuhl und wurde für seinen Auftritt zurechtgemacht. Als er uns bemerkte, umwölkte sich seine Stirn kurz, bevor er mir zulächelte. „Hi, wollt ihr doch zusehen? Ich dachte, ihr hättet an eurem gemeinsamen freien Tag etwas Besseres zu tun. Außerdem bringt der Sender es bereits in knapp drei Wochen.“
„Wir müssen mit dir reden, Meik“, sagte ich ernst.
„Du siehst doch, dass es momentan schlecht ist. Wie wär’s mit morgen Abend? Da hätte ich Zeit für euch.“
„Nein, jetzt, vor deinem Auftritt. Nur fünf Minuten, bitte!“
Es war eigentlich keine Bitte. Meik hatte sich noch nie geweigert, mit mir zu sprechen, und es wäre mir nie nicht in den Sinn gekommen, ihn dazu zu zwingen, aber mir war wichtig, dass er die Dringlichkeit hinter diesen Worten bemerkte. Er wusste, dass ich durchaus in der Lage war, meinen Willen durchzusetzen. Dennoch schien er es heute darauf ankommen zu lassen – etwas, das mich noch mehr beunruhigte als die bloße Tatsache, dass er öffentlich mit seinen Wunderheilungen auftreten wollte. Wir starrten uns einen Augenblick lang unbewegt an. Timo krallte sich in meinen Arm und presste die Lippen zusammen.
Das ist nicht Meik, oder?
Ich sah den stillen Kampf im Gesicht des Mannes, dessen Make-up mittlerweile beendet war. Schließlich schloss er kurz die Augen und nickte unmerklich, gab den murrenden Fernsehleuten zu verstehen, dass er noch ein paar Minuten brauchte und ging mit uns ins Haus. Erleichtert folgten wir ihm den bekannten Weg ins Büro.
„Was hast du dir dabei gedacht?“, fragte ich übergangslos. „Du erinnerst dich doch sicherlich daran, was ich dir von der Bruderschaft erzählt habe und dass es da draußen noch immer Leute gibt, die für den Besitz des Amuletts über Leichen gehen.“
„Mach dir keine Sorgen um mich“, meinte Meik leichthin. „Ich weiß genau, was ich tue. Es wird Zeit, dass die Leute von mir erfahren. Schließlich möchte ich meinen Wirkungskreis vergrößern. Umso mehr Menschen kann geholfen werden.“
„Aber was ist mit deiner Privatsphäre und Sicherheit – bedeutet dir das gar nichts?“
„Du bist nicht mein Vormund, Simon, nicht einmal mein Mentor. Du hast mir viele wertvolle Tipps gegeben, aber nun bin ich stark genug, um die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Ich brauche deinen Schutz nicht mehr. Und auch keine Belehrungen über Moral. Es ist nichts Verwerfliches daran, meine Fähigkeiten in den Dienst aller zu stellen.“
„Aber es sind nicht deine eigenen Kräfte, Meik“, sagte Timo leise. „Es sind diejenigen, die das Amulett dir verleiht. Und dieses Ding ist gefährlich! Es beeinflusst dich bereits mit seinem Streben nach Macht. Sieh dich an! Der Meik, den ich von früher her kannte, hätte so etwas nie getan.“
„Ja, ich bin anders geworden – selbstbewusster, stärker. Ich bin es leid, mich vor der Welt zu verstecken. Gerade du solltest das nachvollziehen können, Simon!
„Was willst du damit bezwecken, dass du dich outest? Es wird einen wahnsinnigen Medienrummel geben, du wirst ein Star werden – mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt. Keine ruhige Minute mehr, kein Privatleben, Anfeindung, Neid, Missgunst und die enorm erhöhte Gefahr, dass jemand von der Bruderschaft davon erfährt, dass du das Auge besitzt.“
„Wie gesagt, ich kann auf mich selbst aufpassen. Keine Sorge, Freunde, ich werde nicht verraten, woher meine Kräfte stammen. Niemand wird das Schmuckstück zu Gesicht bekommen. Es bleibt unser Geheimnis.“
„Es ist trotzdem ein unwägbares Risiko“, sagte Timo düster. „Du solltest die Show besser abblasen oder so wenig zeigen, dass sie von alleine das Interesse an dir verlieren.“
„Bist du verrückt?“, rief Meik aufgebracht. „Ich kann jetzt nicht mehr zurück – und ich mach mich bestimmt nicht vor laufender Kamera zum Affen! Also entschuldigt mich, ich habe einen wichtigen Auftritt. Wenn ihr wollt, dürft ihr zusehen, aber ich warne euch – mischt euch besser nicht mehr in meine Angelegenheiten ein!“
Er erhob sich und marschierte zur Tür, ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen.
Es ist wirklich nicht mehr Meik.
Ich stimmte meinem Freund vollkommen zu. Resigniert und betrübt folgten wir ihm nach draußen, wo er sowohl vom Fernsehteam als auch von einem geladenen Publikum empfangen wurde. Es waren nur wenige Menschen, denen der Live-Zugang zu diesem Fernsehauftritt gewährt wurde, hauptsächlich Kranke oder Verletzte, die anschließend gesund nach Hause gehen würden. Wir wussten es so sicher, dass wir nicht zusehen mussten. Eigentlich hatten wir dennoch vorgehabt, zu bleiben. Aber mein Handy vibrierte und verriet mir, dass ein Notfall mal wieder meine Anwesenheit erforderte.
„Tut mir leid“, murmelte ich, „Bombendrohung in einem Einkaufszentrum. Scheint ernst zu sein, dauert wahrscheinlich nicht lange. Soll ich dich nachher wieder abholen?“
„Nimm mich lieber mit“, stöhnte mein Freund kopfschüttelnd. „Ich ertrag das Theater hier nicht ohne dich.“
Wir verdrückten uns klammheimlich. Ich brachte Timo auf direktem Luftweg nach Hause und setzte ihn sanft mit dem Fallschirm nah seiner Bleibe ab, bevor ich in größerer Höhe beschleunigte, um den Auftrag des Sondereinsatzkommandos auszuführen.
2.
Der Fall sah nach Routine aus. Die knallharte Sprengstoffexpertin Elena, die ich bereits aus etlichen Einsätzen kannte, begrüßte mich strahlend, als ich auftauchte.
„Hallo Simon, schön dich zu sehen! Hier ist seit einer halben Stunde die Hölle los. Es gab einen anonymen Anruf und einer der Shopper hat eine Bombe entdeckt. Das Zentrum wird zurzeit evakuiert und wir warten nur noch auf das Okay für den Einsatz des Teams. Vermutlich gibt es mehrere Sprengsätze, aber sie haben erst den einen gefunden. Darf ich dir unseren Einsatzleiter vorstellen?“
Sie brachte mich zu einem Mann in Schutzkleidung, der sich angeregt mit zwei weiteren unterhielt. Einen davon kannte ich. Der junge Soko-Mitarbeiter wurde zurecht ‚Sven Glückspilz‘ genannt, war notorischer Wiederholungstäter, was gemeinsame Spezialeinsätze mit dem Fantasten anbelangte, und ich konnte ihn mit Fug und Recht als hartnäckigen Fan bezeichnen.
„Chef, hier ist der Spezialist, den ich angerufen habe! Er wird uns garantiert helfen, die Bomben zu finden, und entschärft sie auch bei Bedarf.“
Der Mann namens Henderson begrüßte mich knapp mit einem Stirnrunzeln. „Wo ist Ihre Schutzausrüstung? Nun, Sie können welche von uns haben ...“
Er erging sich lang und breit über die bisherigen Maßnahmen und mutmaßliche Anzahl von Bomben. Ich hörte ihm höflich zu und durchforstete währenddessen gründlich das Gebäude. Als er seinen Vortrag beendet hatte, war ich ebenfalls fertig und vernahm mit voller Aufmerksamkeit: „... also ziehen Sie sich besser sofort um, da wir jetzt reingehen. Alle bereit?“
Ich nickte wie die anderen auch und bemerkte: „Es wird höchste Eisenbahn. Die acht mit Zeitzündern versehenen Sprengsätze liegen im Gebäude verteilt und lassen uns nur noch wenige Minuten. Vier davon habe ich bereits entschärft, aber die restlichen sind problematisch, da sie zusammengeschaltet sind und zu weit voneinander entfernt liegen, um gleichzeitig die nötigen Kabel zu kappen. Dafür brauche ich die Hilfestellung Ihrer Truppe.“
Der Einsatzleiter sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren, aber meine beiden Bekannten lachten bloß und versicherten ihrem Boss, dass es wohl stimmen würde. Ohne weitere Diskussionen betrat ich mit den sechs Spezialisten im Schlepptau das evakuierte Gebäude. Die drei oder vier Polizisten, die sich dort aufhielten, räumten beim Anblick des Bombenkommandos eilig das Feld. Rasch verteilten wir die Aufgaben. Elena, Sven und dem Einsatzleiter beschrieb ich, wo die scharfen Bomben angebracht waren, den übrigen drei die Positionen der entschärften. Ich selbst machte mich auf den Weg zum vierten aktiven Sprengsatz. Die Zeit wurde langsam knapp – noch fünf Minuten bis zur Detonation. Aber wir brauchten nur drei davon, um uns zu koordinieren. Von den anderen bekam ich über Funk die Bestätigung, dass sie bereit waren, und schließlich kappten wir den entscheidenden Draht genau gleichzeitig. Erledigt.
„Das war verdammt knapp!“, hörte ich den Einsatzleiter durchs Funkgerät. „Gut, dass Sie da waren, sonst hätten wir es niemals rechtzeitig geschafft. Obwohl ich absolut keine Ahnung habe, wie Sie das angestellt haben.“
„Ich sage es ja nur ungern, aber der Countdown der vier anderen Bomben zeigte bei ihrer Entschärfung jeweils noch etwas über drei Minuten“, erklärte ich düster, als die Gruppe wieder beisammenstand.
Sechs Augenpaare starrten mich an. Die Schlussfolgerung, dass es jemand bewusst auf das Sonderkommando abgesehen hatte, lag nahe und jagte der Truppe manchen Schauer über den Rücken. Aber sie trugen es mit Fassung.
„Na, wenigstens hatte er dank dir keinen Erfolg mit seinem Plan“, stellte Elena nüchtern fest. „Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass du mir den Hals rettest.“
Wir redeten auf dem Weg zum Polizeirevier und auch dort noch eine Weile über die Bombenleger und ihre Motive.
„Vielleicht eine Terrorgruppe?“, vermutete Henderson, dem das Ganze nicht geheuer schien.
„Möglich. Aber hätten Terroristen vorher die Einkäufer gewarnt und genug Zeit gelassen, um das Gebäude zu evakuieren?“, überlegte einer der Männer.
„Sicherlich nicht“, entgegnete Elena kopfschüttelnd. „Ich denke, Simon hat recht – es war ein Anschlag gegen die Polizei.“
„Oder es war nur ein Ablenkungsmanöver“, murmelte ich und sah die Frau vor mir scharf an. „Wessen Vorschlag war es eigentlich, mich einzuschalten?“
„Meine natürlich. Wieso?“
„War nur eine Idee ...“
Die Art der Verkabelung und die knapp bemessene Zeit bis zur Detonation kamen mir wie eine extra für mich überlegte Fleißaufgabe vor. Der Gedanke machte mich nervös.
„Ach was, woher sollte der Bombenleger denn wissen, dass jemand vom Team auf die Idee kommen würde, den Fantasten anzurufen?“, winkte Sven ab.
„Das war gar nicht so unwahrscheinlich, weil er wusste, dass du dich freiwillig melden würdest“, meinte ich. „Immerhin hat er extra ein Einkaufszentrum gewählt, das in deinem Heimatbezirk liegt.“
Wenigstens schien bei meinen Freunden, Bekannten und bei meinen Eltern zu Hause alles bestens zu sein. Das beruhigte mich wieder ein wenig. Wir rätselten noch etwas herum, aber zu einem Ergebnis kamen wir nicht.
Bei meinem Team vom Geheimdienst versuchte ich es als Nächstes. Das miese Gefühl, als die Verbindung erst nicht zustande kam und ich ein wenig nachhelfen musste, bestätigte sich gleich darauf, als ich Sörens gedämpfte Stimme vernahm.
„Gott sei Dank, dass du anrufst! Ich hatte extra eins der Telefone versteckt für den Fall, dass du dich zufällig melden solltest. Von hier aus kommt man nämlich nicht mehr raus und die Handys haben sie uns alle abgenommen. Wir werden belagert, Simon, schon seit einer Stunde! Sie haben den Boss geschnappt und in seinem Büro eingesperrt. Die restlichen Mitarbeiter haben sie zusammengepfercht und drohen damit, jeden zu erschießen, der nicht ihren Anweisungen folgt.“
„Wer sind diese Kerle und was wollen sie?“
Ich befand mich bereits auf den Weg zu einem geeigneten Startplatz.
„Offiziell suchen sie nach irgendwelchen Geheimakten. Aber ihr Anführer scheint immens an dir interessiert zu sein. Er hat jeden einzeln rausgeholt und über dich sowie das Auge des Ra ausgefragt. Er drohte uns Folter an, um deine Adresse zu erfahren. Zum Glück kennt die niemand von uns ... nur der Boss. Ich befürchte, dass sie ihn gerade in die Mangel nehmen. Kannst du herkommen?“
„Bin schon auf dem Weg“, grummelte ich und gab Vollgas, Großstadt hin oder her. Meine Gedanken überschlugen sich. Wer hatte auf einmal ein solches Interesse an dem Amulett? Auf Anhieb fielen mir nur sehr wenige Menschen ein, die noch immer hinter dem Auge her waren. Aber es gab sie natürlich, die hartnäckigen Anhänger der geheimen Bruderschaft, die weiterhin hofften, dass eines Tages zu ihnen zurückkehren würde. Mehr als zwanzig Jahre lang warteten sie nun schon vergeblich darauf, aber manche gaben eben nie auf.
„Kannst du den Anführer der Bande beschreiben?“
„Den habe ich nur kurz gesehen“, flüsterte Sören. „Er wirkt wie ein ehemaliger Soldat. Harter Gesichtsausdruck, militärischer Haarschnitt, mittelgroß, stark wie ein Ochse.“
„Hmm, das sagt mir nichts. Komisch, aber ist ja auch egal, wer es ist. Jedenfalls werde ich ihn mir mal vorknöpfen.“„Oh Mist! Ich muss Schluss machen!“
Fluchend beendete ich die Verbindung, in der Hoffnung, dass mein Teamkollege nicht für dieses Gespräch bezahlen musste. Zumindest war ich nun fast da und machte mich für eine unauffällige Blitzlandung bereit. Gänzlich unbemerkt blieb mein Aufschlag diesmal nicht. Als ich aus dem Wäldchen heraustrat, starrte mir ein etwa siebenjähriger Junge entgegen, der einen Fußball trug.
„Ich hab dich beobachtet“, sagte er. „Du bist gerade vom Himmel gefallen.“
„Ach Quatsch“, gab ich zurück und trabte auf die Mauer des Hauptquartiergeländes zu. „Dann wäre ich doch jetzt tot oder nicht?“
„Aber ich hab’s genau gesehen!“, rief der Kleine empört und lief hinter mir her.
„Okay, du hast recht“, gab ich zu. „Behalte es bitte für dich. Ich bin nämlich Geheimagent und muss einen schwierigen Fall lösen.“
„Wirklich?“ Der Fußballer blieb vor Verblüffung stehen. Wir waren fast bei der hohen Absperrung angelangt.
„Ja, ehrlich. Weißt du, was dahinter ist?“ Ich deutete nach vorn. Der Junge schüttelte den Kopf.
„Auf diesem Gelände befindet sich das Hauptquartier des deutschen Geheimdienstes“, erklärte ich sachlich. „Soeben haben Bösewichte meine Kameraden dort drinnen gefangen genommen. Sie stecken in Schwierigkeiten. Also werde ich jetzt meine geheimen Fähigkeiten als Agent einsetzen und über die Mauer springen, um sie alle zu retten. Wenn du magst, kannst du mir helfen und die Polizei verständigen.“
„Du erzählst Quatsch!“, rief der Knabe und lachte. „Da kann doch keiner rüberspringen ...“
Ich antwortete nicht mehr, schwang mich mit einem Satz über die eisenspitzen- und stacheldrahtbewehrte Zinne. Ein Blick zurück zeigte mir einen Kinderblick, der jede Sekunde unseres kurzen Gesprächs wert war. Selbstverständlich hatte ich die entsprechenden Kameras für den passenden Moment ausgeschaltet und vorher nachgesehen, ob die Luft rein war. Dennoch musste ich vorsichtig sein, um meine Anwesenheit nicht vorzeitig publik zu machen und jemanden zu gefährden. Jederzeit konnte einer der sechs Männer auf die Idee kommen, nach draußen zu treten, um frische Luft zu schnappen. Drei von ihnen befanden sich in den größten Räumen des Hauptquartiers, wo sie alle Mitarbeiter zusammengetrieben hatten: Mensa, Sitzungssaal und Foyer. Im Büro meines Chefs fand ich diesen an seinen Bürostuhl gefesselt vor. Der Anführer der Eindringlinge stand drohend vor ihm und hatte die rechte Faust zum Schlag erhoben.
„Sie sagen mir jetzt sofort, wo dieser Bursche wohnt, oder Ihre eigene Mutter wird Sie nicht wiedererkennen!“, brüllte er außer sich vor Wut.
Mit bewundernswerter Ruhe blickte der Gefesselte seinen Peiniger an. Ein schmales Rinnsal an Blut aus seiner Nase und eine aufgeplatzte Lippe kündeten davon, dass dies nicht die ersten Schläge waren, die er einstecken würde. Und dem Grad der Gereiztheit seines Gegenübers zufolge hatte mein Boss sich bisher wenig kooperativ gezeigt.
„Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass mich Ihre plumpen Verhörmethoden beeindrucken. Diese Informationen sind streng geheim, ich nehme sie mit ins Grab, wenn’s sein muss.“
„Dann machen Sie sich bereit, Ihrem Schöpfer entgegenzutreten“, knurrte der Anführer. „Aber erwarten Sie nicht, dass es ein leichtes und schnelles Ende sein wird!“
„Ihre Drohungen können Sie sich ebenfalls sparen. Auch wenn Sie meinen, im Vorteil zu sein, werden Sie damit sicherlich nicht durchkommen. Die Polizei wird Sie finden und für alles zur Rechenschaft ziehen.“
Während dieses dramatischen Dialogs hatte ich mich durch die menschenleeren Flure und durchs Treppenhaus geschlichen und war nun bereits im richtigen Stockwerk angekommen.
„Jetzt reicht es mir aber!“, kreischte der aufgebrachte Eindringling und holte blitzschnell aus. Dennoch traf seine Faust nicht das Ziel, das er vermutete, sondern eine recht solide Betonmauer kurz vor dem Gesicht meines Chefs. In Erwartung des Schlags auf seine ohnehin schon lädierte Nase hatte dieser die Augen zusammengekniffen, die er nun bei dem dumpfen Geräusch des Aufpralls blinzelnd wieder öffnete. Er erblickte den bleich gewordenen Angreifer, der soeben wimmernd seine mitgenommen aussehende Hand mit aufgeplatzten Knöcheln zurückzog und ungläubig betrachtete. Sie schwoll rasch an. Nach einem winzigen Moment der völligen Irritation fiel bei meinem Boss der Groschen. Beinah konnte ich das Pling hören, denn danach ging ein Strahlen über sein Gesicht.
„Na endlich!“, seufzte er, noch bevor ich das Zimmer vollständig betreten hatte. „Das wurde höchste Zeit ... Wo hast du dich bloß wieder rumgetrieben?“
„Tut mir leid, Chef, ich wurde abgelenkt. Vermutlich stecken diese Kerle hinter dem Anschlag auf das Einkaufszentrum, den ich in letzter Sekunde verhindern konnte.“
Während meiner Entschuldigung versah ich den Anführer der Bande mit schmucken Stahlarmbändern an den Handgelenken, die er praktischerweise soeben stöhnend zusammenhielt. Sein Versuch, sie gleich darauf wieder auseinanderzureißen, um sich auf mich zu stürzen, scheiterte. Ebenso schlug seine Anstrengung fehl, sich vom Schreibtisch wegzubewegen. Dort hatte ich ihn vorsichtshalber festgekettet und die Fesseln meines Brötchengebers stattdessen gelöst. Dieser massierte seine tauben Arme, wischte sich das Blut aus dem Gesicht und stand auf. Wir begrüßten uns herzlich ohne auf die Wutschreie des Dritten im Raum zu achten. Mit Blick auf die lästige Lärmquelle meinte der Boss: „Wärst du so freundlich, ihn zum Schweigen zu bringen? Sonst tue ich es – und dann wird’s eher unschön.“
„Okay, wir befragen ihn später“, stimmte ich zu und stopfte dem Mann einen Knebel in den Mund, der sicherlich nicht nach Erdbeerkuchen schmeckte. Er hustete und würgte ein wenig, aber ich achtete sorgsam darauf, dass er genug Luft bekam. Schließlich würden wir ihn noch lebend brauchen. Es widersprach zudem meinen Prinzipien, irgendwem – egal, wer es war – mehr Schaden als nötig zuzufügen. Danach waren seine Proteste viel gedämpfter. Wir verließen zufrieden den Raum. Dieser Kerl würde nie im Leben hier herauskommen, weder durch die Tür noch durchs Fenster. Jedenfalls nicht, solange ich an ihn dachte.
Jetzt weiß ich’s wieder! Ich kenn den Kerl von früher ... Er war einer meiner Entführer!
Timo klang aufgeregt. Ich blieb einen Moment stocksteif stehen, sodass der Chef mich fast umrannte und stirnrunzelnd ansah. „Ist etwas?“
Ich schüttelte den Kopf und fragte lautlos in Timos Richtung: „Bist du sicher? Das ist schon siebzehn Jahre her, da warst du gerade mal neun.“
Ganz sicher! Erst mal musste ich die Stimme einordnen, aber sie ist unverkennbar, vor allem, wenn sie wütend ist. Da würde ich meine rechte Hand drauf verwetten!
Timos Entführer waren nie gefasst worden, standen jedoch mit der Bruderschaft des Ra in Verbindung. Damals hatten sie auf Befehl der beiden russischen Wissenschaftler gehandelt, die mich untersuchen sollten. Ob der im Büro Eingesperrte auch diesmal für die Russen arbeitete? Ich verdrängte diesen Gedanken und schob ihn auf später, da jetzt dringendere Probleme anstanden.
Während wir gemeinsam durch die Flure nach unten eilten, berichtete ich meinem Chef von dem Gespräch mit Sören und von Timos Verdacht. Gleichzeitig sondierte ich die Lage bei den gefangenen Mitarbeitern. Dort hatte sich nicht viel verändert, seit ich das letzte Mal nachgesehen hatte. Marina und Kerim befanden sich in dem Raum, der mir am nächsten lag und hockten missmutig in einer Ecke. Ich berührte sie erst an der Schulter, bevor ich beiden den Finger auf den Mund legte, als sie herumfahren wollten. Sie sahen sich gegenseitig an. Kerim formte tonlos meinen Namen und Marina grinste. Sie machte spielerisch eine zuschnappende Bewegung, mit der sie mich verfehlte. Ich drückte ihr kurz die Hand, bevor ich der Wache unsichtbar auf die Schulter tippte. Der Kerl drehte sich überrascht um.
„Wer war das?“, fragte er drohend, seine unbrauchbare Schusswaffe erhoben.
„Das war ich!“, rief ich beim Aufreißen der Tür. Er fuhr wieder herum und starrte mich an. Diesen Moment nutzten meine beiden Teamkollegen, denen diese Ablenkungstaktik vertraut war, um den Mann zu überwältigen. Ich wartete ihren Erfolg nicht erst ab, sondern machte mich sofort auf den Weg in den nächsten Raum, wo Sören unter einem Schreibtisch hockte. Ihm klaute ich das Telefon, das in seinem Gürtel steckte und tippte die 110 ein – Zeichen dafür, dass er die Polizei damit rufen sollte. Die Leitung war zwar gekappt, aber dieses Problem hatte ich schon mit knapp fünf Jahren in den Griff gekriegt. Den Geiselnehmer in jenem Raum schaltete ich nach bewährter Manier durch Zusammenbinden von Armen und Beinen aus. Er stand in verlockend passender Position und war so schön nichtsahnend, dass ich nicht widerstehen konnte. Als Sören den Kerl stolpern und umfallen sah, brach er in Lachen aus und bemerkte erst jetzt das Telefon, das neben ihm lag. Ich wusste, dass ich mich auf meinen Teamkollegen verlassen konnte – und darauf, dass die übrigen Menschen in dem Raum dafür sorgen würden, dass ihr Peiniger nicht wieder aufstand.
Den dritten Wachmann im Sitzungssaal überwältigten Sören und mein Boss, nachdem ich ihnen zu verstehen gegeben hatte, dass seine Waffe entschärft war. Derweil kümmerte ich mich um die verbliebenen zwei Einbrecher, die sich missmutig auf dem Rückweg vom Archiv befanden. Sie hatten für ihren Diebstahlversuch den falschen Zeitpunkt gewählt, da alle wichtigen Daten bereits ins nagelneue Hauptquartier nach Berlin umgezogen waren. Mein Chef und seine Mitarbeiter saßen quasi auf gepackten Koffern und sollten in einigen Tagen ebenfalls dorthin verlegt werden. Weil schon etliche Abteilungen hier geschlossen worden waren, traf der Überfall verhältnismäßig wenige Geheimdienstler. Dementsprechend sauer sahen die beiden erfolglosen Gauner drein, als ich ihnen auf dem Kellerflur den Weg versperrte.
„Hallo Leute, wohl kein Glück gehabt, was? Ich würde euch ja bedauern, aber leider habt ihr ein bisschen viel Chaos hier angerichtet und meine Freunde bedroht. Also ergebt euch, bevor ihr noch mehr Ärger bekommt.“
„Halt’s Maul, du Hanswurst!“, knurrte der eine und zog seine Waffe.
„Ich muss doch sehr bitten“, entgegnete ich mit gespielter Entrüstung und nahm ihm das Teil kurzerhand weg. Er war so verblüfft, dass er nicht mal reagierte. Der zweite Mann war schneller, stellte sich breitbeinig hin und zielte auf mich.
„Keine Bewegung, Arschloch, oder du bist tot!“
„Also zunächst mal gefällt mir deine Vulgärsprache nicht und zweitens schaffst du es nicht, diesen Abzug zu drücken“, erwiderte ich, ging in aller Ruhe auf ihn zu und nahm ihm ebenfalls die Waffe weg. Er rührte sich keinen Zentimeter dabei, weil er ebenso wie sein Kollege vollständig in einen Gipsanzug eingepackt war. Selbst seinen Mund hatte ich zugekleistert, weswegen er mich lediglich mit einer Mischung aus Wut und Entsetzen anstarrte. Wenn Blicke töten könnten, hätte ich sicherlich mindestens zweimal das Zeitliche gesegnet, bis die Verstärkung durch die Polizei eintraf.
„Du verblüffst mich immer wieder“, ertönte Sörens Stimme hinter mir. „Was hast du mit ihnen angestellt?“ Er lachte sich scheckig, als er die Sache mit dem Gips erfuhr. „Das ist sicher das erste Mal in der Geschichte, dass Halunken auf diese Weise unschädlich gemacht wurden.“ Schulterzuckend begleitete ich ihn zurück nach oben. „Ich mag halt Abwechslung, sonst wird es ja irgendwann öde.“
„Also, davon bist du sicherlich noch Ewigkeiten entfernt. Mit dir wird es nie langweilig.“
Kann ich bestätigen! Wann kommst du nach Hause? Wir wollten doch Drachen fliegen ...
Timos Wunsch musste leider noch warten. Die Täter wurden abgeführt und in Polizeigewahrsam genommen – alle, bis auf den Anführer. Mein Chef bat darum, ihn zuvor persönlich vernehmen zu dürfen. Als angesehenem Führungsmitglied des Bundesnachrichtendienstes gestattete man ihm das Privileg ohne weitere Nachfrage. Natürlich wollte ich unbedingt dabei sein. Timo war dies trotz seiner Anfrage recht, weil er mindestens ebenso interessiert an der Aussage des Kerls war. Deshalb betrat ich in Begleitung meines Bosses schon bald wieder das vertraute alte Büro, wo der Gefangene uns grimmig erwartete.
„Er sieht aus, als hätte er faule Eier im Mund“, schmunzelte der Büroinhaber.
„So was Ähnliches“, gab ich zu. „Nur halt nicht essbar.“
„Ich befürchte, du musst ihn jetzt wieder davon befreien, da er uns sonst nicht viel erzählen kann – auch wenn ich ihm gerne ein wenig mehr Zeit mit diesem Spaß gegönnt hätte.“
Ich nickte. Der Gefesselte spuckte angewidert aufs Parkett und bekam dafür eine Ohrfeige von mir.
„Sowas macht man nicht!“, schalt ich beim Aufwischen des Schadens. Statt einer Antwort würgte der Mann, der leicht grünlich aussah und spie sein Mittagessen hinterher. Ein gedachter Eimer verhinderte Schlimmeres. Aber nun war er bereit für ein ordentliches Geständnis und ich brauchte kaum weitere Überredungskunst, um ihm alles zu entlocken. Es stellte sich heraus, dass Timo recht gehabt hatte: Der Kerl war wirklich an der Entführung des blinden Jungen vor so langer Zeit beteiligt gewesen. Auch meine eigene Vermutung bezüglich des Einkaufszentrums bestätigte er mit etwas Nachhilfe. Er hatte Spezialisten für diese Aufgabe angeheuert und sie bereits fürstlich dafür entlohnt. Eigentlich hatte er vorgehabt, seine Ausgaben mit dem Verkauf der Geheimakten zu finanzieren, die als Nebenprodukt abfallen sollten. Allerdings dementierte er, für die Bruderschaft zu arbeiten.
„Ich bin mein eigener Chef“, sagte er kämpferisch. „Befehle lasse ich mir von niemandem mehr erteilen. Die Geheimgesellschaft kann mir gestohlen bleiben, sie ist tot. Aber du existierst – und dieses wertvolle Amulett ebenfalls! Ich wollte es haben, weil es einigen Leuten Unsummen wert ist. In den Kreisen, in denen ich verkehre, wird von einer halben Milliarde oder noch mehr gesprochen – in Euro.“
Es beruhigte mich ungemein, dass seine Motive rein finanzieller Art waren. Erst wollte ich fragen, woher er so gut über mich und meine Gewohnheiten sowie meinen Arbeitgeber Bescheid wusste, doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich selbst hatte es ihm und aller Welt erzählt. Er hatte ganz einfach mein Buch gelesen.
3.
In den nächsten zwei Wochen geschah nichts weiter Ungewöhnliches. Timo schloss einen Vertrag mit einer Hilfsmittelfirma, die sein Angebot nutzen wollte, ihre Geräte im Bereich ‚Nutzung neuer Medien durch blinde Menschen‘ zu optimieren. Dieses Geschäft war sehr wichtig für ihn, denn er spülte das erste Mal richtig Geld auf sein bis dato recht leeres Konto. Susanna bestand ihr zweites theologisches Examen mit Auszeichnung und beendete damit ihr Vikariat. Sie hatte zwar noch keine Pfarrstelle in Aussicht, ihre Referenzen sprachen jedoch dafür, dass sich die Gemeinden bald um sie reißen würden.
Wir feierten beide Ereignisse bei Luigi, unserer Stehpizzeria am Ort, bei der es die besten Pizzen im gesamten Umkreis gab. Sogar Meik erschien beim zweiten Mal und brachte Glückwünsche mit sowie einen weiteren Grund zur Freude. Als er Susanna umarmte, um ihr zu gratulieren, strahlte er sie hernach an.
„Na, das ist ja mal eine Überraschung! Hast du es den anderen schon erzählt?“
Timos Partnerin sah ihn so verwirrt an, dass er verlegen wurde und murmelte: „Oha, du weißt es noch gar nicht – entschuldige bitte. Aber du bekommst ein Baby!“
Susanna unterdrückte einen Schrei und presste die Hand vor den Mund. In ihren dunklen Augen erschien langsames Begreifen. Mein Freund stieß ein leises Keuchen aus und hielt sich am Tisch fest.
„Bist du sicher?“, krächzte er schwach.
„Natürlich!“ Meik nahm sowohl Susannas Hand als auch die meines besten Kumpels, führte sie zusammen, hielt seine von oben und unten dagegen. „Und? Spürt ihr es jetzt?“
Beide nickten beklommen. Manchmal waren Meiks Kräfte selbst mir unheimlich. Aber er konnte auch unendlich behutsam damit sein. Also lagen die Verliebten sich mit tränenfeuchten Augen in den Armen.
„Ich werde Vater!“, stammelte Timo. „Ich ... brauch was zum Sitzen, Simon – jetzt gleich!“ Er ließ sich einfach nach hinten sacken. Rasch erdachte ich ihm einen Sessel. Zum Glück waren wir die einzigen Gäste bei Luigi und dieser drehte uns praktischerweise soeben den Rücken zu. Dennoch stellten wir uns sicherheitshalber vor meinen Freund und seine Begleiterin. Diese setzte sich händchenhaltend auf die Lehne.
„Falls es euch interessiert – es ist ein Mädchen“, raunte Meik den beiden zu. „Etwa vierte Woche.“
Susanna lächelte zögernd. „Das ... kommt alles sehr überraschend. War überhaupt nicht geplant. Eigentlich wollten wir damit noch warten und ich dachte, wir hätten genug Vorsorge getroffen. Aber gegen die Natur ist wohl manchmal einfach kein Kraut gewachsen, wie mir scheint.“
Mir kam es äußerst seltsam vor, dass diesem gewissenhaften, rational denkenden Paar ein Fehler bei der Verhütung unterlaufen sein sollte. Ich spürte, dass Timo sich ebenfalls Gedanken machte. Wir tauschten uns bei der nächsten Gelegenheit darüber aus. Diese bestand am folgenden Abend, an dem ich ein paar einsame Runden im Pool drehte, während mein Freund an seinem Rechner saß.
„Ich habe ausführlich mit Susanna gesprochen“, begann er. „Sie war beim Doc. Der hat Meiks Ansage bestätigt, auch was das Alter des Embryos betrifft. Wir haben zurückgerechnet und festgestellt, dass meine Liebste in den letzten Wochen weder die Pille vergessen hat, noch unter Magen-Darm-Erkrankungen litt. Also wie kann das sein?“
„Kein Medikament ist unfehlbar. Man hört immer wieder, dass es trotz Hormonzugabe zu Schwangerschaften kommt.“
„Aber in den allermeisten Fällen wurden Fehler bei der Anwendung gemacht“, konterte mein Freund. „Nein, ich denke, Meik hat da irgendwie seine Finger im Spiel. Keine Ahnung, was er damit bezweckt, doch in dem fraglichen Zeitraum war Susanna zweimal bei ihm. Einmal, als sie sich den Knöchel verstaucht hatte und das zweite Mal, um sich einen Halswirbel einrenken zu lassen.“
„Hmm. Klingt merkwürdig. Ich traue Meik durchaus zu, dass er die Wirkung der Hormone aufheben kann, aber der Sinn erschließt sich mir nicht.“
„Mir auch nicht, vielleicht erfahren wir es bald.“
Dieses Geheimnis lösten wir noch nicht. Dafür sahen wir Meik im Fernsehen und konnten nicht fassen, was er alles zum Besten gab. Es war wie eine Magier-Show ohne Tricks und doppelten Boden. Er heilte nicht nur Prellungen, Stauchungen und Brüche, Schnittwunden und einen Kreuzbandriss vor laufender Kamera – er verhalf auch einem seit fünfzehn Jahren gelähmten Mann wieder auf die Beine. Und das innerhalb weniger Minuten. Timo und ich waren regelrecht geschockt, da wir solche Dinge bisher nie live bei ihm beobachtet hatten. Am Ende kam jedoch der Hammer – Meiks Ansprache an die Welt.
„Liebe Mitmenschen“, begann er ernst. Die Großaufnahme brachte sein jugendliches Gesicht mit den weisen Augen dabei perfekt zur Geltung, verlieh seinen Worten noch mehr Wirkung.
„Es gibt eine Menge Dinge in unserer Gesellschaft, die schieflaufen. Wir erleben täglich vieles, was uns krankmacht. Ich dagegen biete euch etwas an, das gesundmacht. Jemand Großes hat mal gesagt: ‚Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.‘ Genau das biete ich heute an. Wenn ihr euch mir anschließt, werdet ihr nicht nur von euren körperlichen Gebrechen geheilt, sondern ihr werdet erfahren, wie es ist, an etwas Großartigem teilzuhaben, Teil einer mächtigen Gemeinschaft zu sein. Ich will eine Organisation aufbauen, sie anführen, ihr den Weg zu dauerhaftem Frieden und Wohlergehen zeigen. Wenn ihr dazu bereit seid, kommt zu mir und holt euch als Zeichen der Verbundenheit ein solches Armband.“
Er zeigte ein schlichtes Lederarmband in die Kamera, das seinen Arm zierte. In das Band war ein stilisiertes Auge eingraviert. Mir wurde übel bei dem Anblick. Timo, der sich genau wie Susanna neben mir auf dem Sofa befand und das Ganze durch meine Augen mit angesehen hatte, saß wie erstarrt auf seinem Platz. Wir hatten uns zum Ausstrahlungstermin von Meiks Show bei meinem Freund verabredet, da ich keinen echten Fernseher besaß. Das Spektakel kam zur besten Sendezeit auf einem der beliebtesten Kanäle. Vorab war jede Menge Werbung gemacht worden, sodass wir sicher sein konnten, dass sehr viele Menschen diese hausgemachte Katastrophe mitbekommen hatten.
Den Rest der Sendung, bei dem der Moderator irgendwelche nichtssagenden Allgemeinplätze von sich gab, bekamen wir kaum mehr mit. Minutenlang herrschte Stille im Wohnzimmer. Susanna sprach zuerst wieder.
„Ganz schön große Töne, die Meik da spuckt“, sagte sie kopfschüttelnd. „Das hört sich an, als hätte er völlig den Verstand verloren.“
Timo vergrub stöhnend den Kopf in den Händen. Auch mich erfasste eine heiße Welle der Verzweiflung. Warum hatten wir das nicht eher kommen sehen? Ich hätte dafür sorgen sollen, dass die Show gar nicht erst aufgezeichnet werden konnte. Etwas legte mir beruhigend die Hand auf die Schulter und gab mir zu verstehen: Dann hätte er es heimlich getan, ohne dir Bescheid zu geben. Du hättest es nicht verhindert. Aber du musst jetzt handeln!
Entschlossen stand ich auf.
„Ich gehe sofort zu ihm. Er wird mit mir reden müssen. Morgen früh steht garantiert bereits die halbe Welt bei ihm vor der Tür.“
„Und was willst du ihm sagen?“, fragte Timo tonlos. „Es ist eh zu spät – alle haben es gesehen und gehört. Er wird eine neue Bruderschaft gründen. Jeder ehemalige Bruder wird den Hinweis verstehen und sich ihm anschließen.“
„Ich werde ihn dazu bringen, das Amulett abzulegen. Er muss es tun, sonst gibt es eine Katastrophe!“
Susanna sah verständnislos von Timo zu mir. „Wovon redet ihr da? Meik hat den Verstand verloren – na und? Er wird schon wieder zu sich kommen. Kein Mensch wird ihm nachlaufen, außer ein paar Junkies und armen Irren, die auf der Suche nach einer ausgeflippten Sekte sind. Für mich klingt das viel zu abgedreht.“
Erklär du es ihr, bat ich Timo mental und war schon auf dem Weg zur Tür. „Warte!“, rief dieser. „Soll ich nicht lieber mitkommen?“
„Nein, besser nicht. Es ist sicherlich nicht ungefährlich – und du wirst bald Papa. Bleib bei Susanna. Erzähl ihr von der Bruderschaft, damit sie die Zusammenhänge begreift. Du kannst mir ja trotzdem beistehen, wenn du magst. Bis dann!“
Im Schutz der anbrechenden Nacht schwang ich mich leise ins Dunkel hinauf und schoss wie ein Pfeil Richtung Meiks Domizil. Bei meiner Ankunft sah ich, dass ich keineswegs der Einzige war, der trotz der späten Stunde den Weg zu seinem Anwesen gefunden hatte. Vor dem Tor sammelten sich Nachbarn, Bekannte, Freunde. Sie wollten ihm zu seiner Sendung gratulieren oder sich bereits eins der Armbänder abholen. Aber sie wurden wieder weggeschickt. Meik erschien nicht persönlich, doch seine Assistentin verkündete schüchtern, dass ihr Chef an diesem Abend nicht zur Verfügung stünde und erst am folgenden Morgen für sie da sei. Da gingen die meisten Neugierigen nach Hause oder setzten sich murrend in ihre Autos, mit denen sie die gesamte Straße zugeparkt hatten. Erst als wieder Ruhe eingekehrt war, landete ich und betrat das Haus durch die Terrassentür. Meik saß telefonierend im Büro. Als er mich sah, umwölkte sich seine Stirn, seine Augen wurden schmal. Er beendete das Gespräch und wandte sich mir zu.
„Was willst du?“, fragte er schroff. „Ich denke, du bist nicht gekommen, um mir persönlich zu meinem Fernseherfolg zu gratulieren, oder?“
Ich schüttelte stumm den Kopf.
„Dann geh bitte wieder“, knurrte er. „Heute habe ich weder Zeit noch Lust, mit dir zu diskutieren.“
„Du bist nicht mehr du selbst“, stellte ich leise fest. „Merkst du es nicht? Das Auge hat dich längst im Griff. Es beherrscht dich durch und durch.“
„Unsinn!“ Der Träger des Amuletts winkte fahrig ab. „Du bist bloß eifersüchtig, weil du nicht auf diese Idee gekommen bist. Niemand wird dir jetzt mehr nachlaufen ...“
„Wenn es dich nicht beherrscht, dann nimm es doch einmal ab“, bat ich freundlich. „Wärst du so nett?“
Meik sah mich an und lächelte plötzlich kalt. „Warum sollte ich das tun? Mir scheint, du möchtest selbst mal wieder ‚Träger des Auges‘ spielen. Du vermisst bloß seine Macht, ist es nicht so?“
Ich sah ihn einen Moment lang schweigend an und erkannte, dass es ihm ebenso ging wie mir damals, als Timo gedroht hatte, vom Turm zu springen. Ich konnte mich deshalb nur allzu gut in ihn hineinversetzen. Die schicksalhafte Erfahrung, bei der mir vor neun Jahren auf recht harte Weise klargeworden war, wie stark dieses Amulett mich beherrscht hatte, wirkte bis heute nach. Aber ich wusste auch, dass Meik mir längst nicht so nahestand wie mein geistiger Zwillingsbruder. Selbst auf Timo hatte ich erst nicht hören wollen, bis er mich richtiggehend dazu zwang. Was sollte ich also tun? Mit Vernunftargumenten konnte ich nichts mehr erreichen, er würde sie alle so auslegen, wie es ihm das Amulett einflüsterte. Deshalb antwortete ich: „Und wenn es so wäre? Würdest du es mir für ein paar Augenblicke ausleihen? Nur um der alten Zeiten willen!“
Ich zwang mich zu einem Lächeln und hob bittend die Hand.
Meik kicherte. „Aha, ich hab’s ja gewusst. Nicht ich werde beherrscht – du möchtest wieder herrschen! Aber da hast du dich geschnitten, ich gebe das Auge nicht her, nicht für eine Minute. Sobald ich es ablege, erlangst du die Kontrolle darüber und wirst es mir wegnehmen, vielleicht für immer, weil du nicht erträgst, was es aus mir macht.“
„Und was macht es aus dir?“, fragte ich tonlos.
„Einen Helden.“ Meik breitete die Arme aus. „Nein, mehr als das – einen Propheten, einen Führer, einen GOTT!“
Ich wartete darauf, dass ihn ein Blitz treffen würde, aber natürlich geschah dies nicht. Stattdessen begann er von innen her zu leuchten. Die Szene erinnerte mich grotesk und grausam an die Bilder, die ich als Kind von meinem Freund und Mentor Scheich Ali empfangen hatte, lange bevor ich selbst Träger des Auges wurde. Hinter meiner Stirn hörte ich Timo fluchen. Verdammt, es ist noch viel schlimmer, als ich dachte!
Ich gab ihm recht.
„Was soll ich bloß tun?“, murmelte ich lautlos.
Nimm es ihm doch ab.
Natürlich. Es war so einfach! Komisch, dass ich nicht selbst darauf gekommen war. Aber dann wurde mir klar, dass ich es nicht konnte. Keine Kopie, kein Geschöpf, nichts aus meiner Vorstellung war fähig, das Amulett zu nehmen – weil es nicht von mir berührt werden wollte. Ich musste es persönlich tun, es dazu zwingen, diese Berührung zuzulassen. Also trat ich vorsichtig näher an Meik heran, der noch immer in selbstherrlicher Pose vor mir stand, umgeben von einem unheimlichen Strahlen. Einen Schritt schaffte ich, dann sah mein Gegenüber mich an und hob warnend die Hand. Das Leuchten verblasste, dennoch wirkte er nun regelrecht gefährlich.
„Lass das, komm nicht näher, Simon! Du möchtest doch, dass wir Freunde bleiben, oder?“
„Natürlich“, erwiderte ich sanft. „Genau deshalb solltest du zulassen, dass ich komme. Ich möchte es nur kurz anfassen, wirklich. Eine Berührung kann deiner Macht doch nicht schaden ...“
Ich ging einen winzigen Schritt vorwärts.
„Bleib stehen!“ Meiks Blick traf mich wie ein Speer an der Schulter und riss eine klaffende Wunde hinein. Es waren höllische Schmerzen, wie ich sie noch nie im Leben verspürt hatte. Vielleicht, weil es das erste Mal passierte. Nichts und niemand hatte es bisher geschafft, mich körperlich zu verletzen. Doch sein Angriff kam nicht von außen, sondern von innen. Dagegen half weder Schutzschild noch Panzerung, nichts, was ich erdenken konnte. Lediglich die Blutung vermochte ich zu stoppen und den klaffenden Schnitt zu verkleben. Mein Aufschrei erfuhr ein inneres Echo, weil Timo den Schmerz ebenso fühlte. Sofort verschloss ich mich vor ihm – er sollte dies nicht unnötig ertragen.
„Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, ich sei wehrlos!“, rief mein Gegenüber rau. „Jede Fähigkeit lässt sich auf zwei Arten einsetzen.“
„Selbstverständlich. Ich hätte bloß nicht gedacht, dass du sie gegen mich einsetzt – deinen Freund ...“
Keuchend schob ich die Verletzung und den damit verbundenen Schmerz in den Hintergrund, nahm meine Vorstellung zur Hilfe, um ihn zu ignorieren.
„Freund! Dass ich nicht lache! Freunde wollen einen nicht betrügen oder bestehlen. Dein blinder Busenkumpel mit seiner schwangeren Schnepfe sollte sich besser ebenfalls nie wieder hier blicken lassen!“
Er wirkte bedrohlich und finster, überhaupt nicht mehr wie Meik. Das gab den Ausschlag. Ich wusste jetzt, dass ich Ra gegenüberstand, der meinen Freund vollkommen kontrollierte. Ihn musste ich besiegen. Aber wie sollte mir das gelingen? Ra besaß eine Macht, die weit über das bisher Erlebte hinausging. Ich besann mich auf das, was ich ihm entgegenzusetzen hatte – meine Fähigkeiten und das bedingungslose Vertrauen in eine noch viel stärkere Kraft. Ich war ebenso wie mein Kontrahent einer der Großen und ihm somit vielleicht ebenbürtig. Aber ich besaß etwas, das Ra sicherlich nicht hatte, vermutlich niemals kennenlernen würde – ich hatte Glauben, Hoffnung und die Liebe als stärkste Macht überhaupt auf meiner Seite. Dieses Vertrauen gab mir den Mut zu dem, was ich als Nächstes tat, obwohl meine Stimme heiser war vor Angst.
„Ich bin dein Freund Meik. Und nur deshalb tue ich das jetzt für dich. Für niemanden sonst, hörst du? Ich liebe dich!“
Ich trat erneut einen Schritt auf ihn zu. Und noch einen. Bei jedem Näherkommen explodierte ein neuer Schmerz, entstand eine weitere Wunde, verblutete ich innerlich. Es war unerträglich, aber es musste sein. Meine gesamte Konzentration, mein Wille, alles, was ich aufbringen konnte, war auf dieses eine Ziel fokussiert: Ra musste Meik loslassen.
„WAS TUST DU DA, SIMON?“, schrie er plötzlich, als ich nur noch Zentimeter von ihm entfernt zusammenbrach. Mein Herzschlag setzte aus, als etwas in meiner Brust zerriss. Dann wurde es Nacht.
Ich schwebte auf ein Licht zu, leicht und gewichtslos, war weniger und zugleich mehr als jemals zuvor. Dort in dem Licht wartete jemand auf mich. Der Erste der Großen sah mich an. Er war mir vertraut wie ein Bruder, hatte mir soeben die Kraft gegeben, meinen Weg bis zum Ende durchzuhalten. Und nun stand er vor mir.
„Bin ich tot?“, fragte ich. Dämliche Frage. Natürlich war ich tot. Trotzdem musste ich es genau wissen. Denn irgendwo hegte ich noch den winzigen Funken Hoffnung in mir, dass dies hier nicht so endgültig sein könnte, wie es schien.
„Nur, wenn du dich dafür hältst.“
„Hmm?“
„Nun, du bist der Fantast.“ Die Gestalt vor mir lächelte. „Deine Vorstellung gilt. Ich bin ziemlich sicher, dass du gar nicht hier sein möchtest.“
„Nein, natürlich nicht! Da gibt es ein paar Leute, die mich brauchen und Dinge, die ich gern zu Ende bringen würde.“
„Nun, ich brauche dich auch noch. Also lass dich nicht aufhalten“, sagte er und gab mir die Hand. Die Berührung war wie ein Heimkommen, die Erfüllung einer Sehnsucht, gleichzeitig elektrisierend wie ein Blitzschlag.
„Hol Ra nach Hause ...“, hörte ich noch. Dann war ich zurück in meinem Körper, spürte meinen Pulsschlag und Nässe auf dem Gesicht.
„Gott sei Dank, er ist wieder da“, vernahm ich eine andere vertraute Stimme. Ich lag auf einem weichen Untergrund. Beim Öffnen der Augen erblickte ich mehrere Gestalten, die sich über mich gebeugt hatten. Soweit ich es beurteilen konnte, fehlte mir nichts. Alles schien heil. Heil?
„Meik!“, flüsterte ich heiser und sah hoch. Da saß er an der Bettkante, tropfte eine Träne auf meine Stirn. Timo stand auf der anderen Seite und hielt meine Hand. Auch Susanna war da. Beide wirkten sehr blass mit Tränenspuren im Gesicht. Meik sah mich merkwürdig an, freudig, dennoch verzweifelt.
„Es ... es ...“, brachte er krächzend hervor, dann barg er seinen Kopf in den Händen, schluchzte hemmungslos.
„Schon gut.“ Ich berührte ihn sachte am Arm. „Du warst es nicht wirklich – es war Ra. Er wollte mich vernichten. Aber du hast mich gerettet, wie mir scheint.“ „Nein, du hast mich gerettet“, gab Meik rau zurück, während er sich die Augen trockenwischte. Dann nahm er meine Hand und legte etwas hinein.
„Tu damit, was du für richtig hältst.“ Er wandte sich ab und schlurfte mit hängenden Schultern davon.
„Du kannst mich jetzt wieder loslassen“, bemerkte ich zu Timo gewandt. Er tat es und umarmte mich stattdessen wortlos. Auch Susanna fiel mir um den Hals. Tränen liefen unaufhörlich über ihre Wangen.
„Wir dachten, wir hätten dich verloren“, sagte sie schwankend. „Als Timo den ersten Hieb spürte und du dich daraufhin von ihm abwandtest, sprangen wir direkt ins Auto und überlegten, wie wir Meik dazu bringen könnten, die Tür zu öffnen. Aber als wir ankamen, zog uns sofort hinein und schrie regelrecht um Hilfe. Du lagst auf dem Boden, überall war Blut ... Es sah aus, wie nach einer Schlacht ...“
Ihre Stimme versagte kurz. Dann räusperte sie sich und fuhr fort: „Du sahst gelinde gesagt horrormäßig aus, fast wie zerfleischt. Meik bat mich, ihm zu helfen, dich auf das Bett zu legen. Es war mir beinah unmöglich, weil ich so geschockt war ... Er heilte all diese schrecklichen Wunden, aber mehr konnte er nicht tun. Dann nahm er das Amulett ab und meinte, dein Geist hätte sich gelöst, er sei nicht mehr da. Er sagte, du seist tot ...“
„Ich hab den beiden gesagt, dass du nicht so einfach totzukriegen bist“, mischte Timo sich mit schiefem Lächeln ein, wobei seine Stimme alles andere als fest klang. „Du hattest schon immer eine Ader für theatralische Auftritte, doch diesmal sah es wirklich verdammt echt aus!“
Ich sah meine Freunde an und versicherte: „Das war es. Wie mir soeben jemand mitgeteilt hat, war es genauso echt wie alles, was ich mir vorstelle.“
4.
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