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Die Dunkelelfen sind die unangefochtenen Herrscher der Unterwelt. Jedes andere Volk der Dunkelheit duckt sich vor ihrer Grausamkeit. Doch die Oberwelt – die Welt der Sonne und des Lichts – ängstigt selbst die mächtigen Dunkelelfen. Nur einer von ihnen wagt es, in diese gefährlichen und unbekannten Regionen vorzudringen – der Verräter Drizzt do Urden. Dies ist seine Geschichte …
Der dritte Teil der Saga, mit der R.A. Salvatore Weltruhm erlangte - endlich in ungeteilter Ausgabe!
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Seitenzahl: 514
R. A. Salvatore
Der Fluch der Dunkelelfen
Roman
Aus dem Englischenvon Bettina Zeller
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Forgotten Realms. The Dark Elf Trilogy 03: Sojourn« bei Wizards of the Coast, Renton, USA. Zur ursprünglichen deutschen Ausgabe siehe Seite 2.
1. AuflageMai 2011 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.Original title: SOJOURN © 1992 Wizard of the Coast LLC.FORGOTTEN REALMS, WIZARD OF THE COAST,an their respective logos are trademarks of Wizards of the Coast LLC in the USA and other countries. © 2010 Wizards of the Coast LLC. Licensed by Hasbro.Published in the Federal Republic of Germanyby Blanvalet Verlag, MünchenDeutschsprachige Rechte bei der Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenUmschlaggestaltung: büro süd, MünchenDas Cover wurde erstellt von Todd Lockwood © Wizards of the Coast, LLCHK · Herstellung: samSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-06236-1www.blanvalet.de
Der vorliegende Roman ist bereits bei Blanvalet erschienen unter dem Titel »Die Saga vom Dunkelelf 5 + 6: In Acht und Bann & Der Hüter des Waldes«. Der Blanvalet Verlag veröffentlicht mit dieser Ausgabe eine überarbeitete Fassung. Erstmals wurde die amerikanische Originalausgabe für die deutsche Ausgabe nicht in zwei Teile aufgesplittet.
Autor
R. A. Salvatore wurde 1959 in Massachusetts geboren, wo er auch heute noch lebt. Bereits sein erster Roman »Der gesprungene Kristall« machte ihn bekannt und legte den Grundstein zu seiner weltweit beliebten Reihe von Romanen um den Dunkelelf Drizzt Do’Urden. Die Fans lieben Salvatores Bücher vor allem wegen seiner plastischen Schilderungen von Kampfhandlungen und seiner farbigen Erzählweise.
Informationen über den Autor auch unter: www.rasalvatore.com.
Als Blanvalet Taschenbuch von R. A. Salvatore lieferbar:
Die Dunkelelfen (26754), Die Rache der Dunkelelfen (26755), Der Fluch der Dunkelelfen (26756) Die Vergessenen Welten: 1. Der gesprungene Kristall (24549), 2. Die verschlungenen Pfade (24550), 3. Die silbernen Ströme (24551), 4. Das Tal der Dunkelheit (24552), 5. Der magische Stein (24553), 6. Der ewige Traum (24554) Die Saga vom Dunkelelf: 1. Der dritte Sohn (24562), 2. Im Reich der Spinne (24564), 3. Der Wächter im Dunkel (24565), 4. Im Zeichen des Panthers (24566), 5. In Acht und Bann (24567), 6. Der Hüter des Waldes (24568) Die Vergessenen Welten, weitere Bände: 1. Das Vermächtnis (24663) [= 7. Band], 2. Nacht ohne Sterne (24664) [= 8. Band], 3. Brüder des Dunkels (24706) [= 9. Band], 4. Die Küste der Schwerter (24741) [= 10. Band], 5. Kristall der Finsternis (24931) [= 11. Band], 6. Schattenzeit (24973) [= 12. Band], 7. Der schwarze Zauber (24168) [= 13. Band], 8. Die Rückkehr der Hoffnung (24227) [= 14. Band], 9. Der Hexenkönig (24402) [= 15. Band], 10. Die Drachen der Blutsteinlande (24458) [= 16. Band] Die Rückkehr des Dunkelelf: 1. Die Invasion der Orks (24284), 2. Kampf der Kreaturen (24299), 3. Die zwei Schwerter (24369) Die Legende vom Dunkelelf: 1. Der König der Orks (26580), 2. Der Piratenkönig (26618) Die Drachenwelt-Saga: Der Speer des Kriegers/Der Dolch des Drachen/Die Rückkehr des Drachenjägers. Drei Romane in einem Band! (24314)
Außerdem von R. A. Salvatore:
Star Wars: Episode II. Angriff der Klonkrieger (35761), Das Erbe der Jedi-Ritter 1. Die Abtrünnigen (35414)
Ich widme den vorliegenden Band Mary Kirchoff und J. Eric Severson, die an mich geglaubt haben und deren kreativer Einfluss mir geholfen hat,
DER DUNKELELF SASS auf einem kahlen Berghang und beobachtete besorgt, wie sich die rote Linie über dem östlichen Horizont ausbreitete. Heute erlebte er vielleicht zum hundertsten Mal einen Sonnenaufgang, und er wusste ganz genau, welche Pein das glühende Licht seinen lavendelfarbenen Augen bereiten würde – den Augen, die seit mehr als vier Jahrzehnten nur die Dunkelheit des Unterreichs gekannt hatten.
Der Drow wandte sich jedoch nicht ab, als die strahlende Sonne hinter dem Horizont aufstieg. Er verstand das Licht als sein Höllenfeuer, als einen erforderlichen Schmerz, wenn er sein selbstgewähltes Ziel verfolgen und ein Lebewesen werden wollte, das sein Zuhause auf dieser Welt hatte.
Grauer Rauch stieg dem dunkelhäutigen Drow ins Gesicht. Er wusste ohne hinunterzusehen, was das zu bedeuten hatte. Sein piwafwi, der Zauberumhang der Dunkelelfen, der ihn im Unterreich oftmals vor dem suchenden Blick seiner Feinde beschützt hatte, löste sich im Sonnenlicht langsam auf. Der Zauber des Umhangs wurde schon seit Wochen schwächer, und der Stoff schmolz einfach dahin. Große Löcher breiteten sich aus, das Gewebe zerfiel immer mehr, und der Dunkelelf umschlang den Stoff mit den Armen, um so viel wie möglich davon zu retten.
Doch er wusste, dass das keinen Unterschied machte; der Umhang war dazu verdammt, in dieser Welt, die so anders war als die, in der er gefertigt worden war, zu zerfallen. Voller Verzweiflung klammerte sich der Drow an den Stoff, denn er hatte irgendwie das Gefühl, dass das Schicksal des Umhangs seinem eigenen entsprechen könnte.
Die Sonne stieg höher, und aus den zusammengekniffenen Augen des Dunkelelfen rollten Tränen. Den Rauch konnte er nicht mehr sehen, sondern nur noch den grellen Schein dieses grausamen Feuerballs, der ihn blendete.
Um zu überleben, musste er sich anpassen.
Mit dem Zeh stieß er voller Wucht gegen eine Steinkante, um sich so von der Benommenheit abzulenken, die ihn zu überwältigen drohte. Er dachte daran, wie dünn seine fein gewobenen Schuhe geworden waren, und wusste, dass auch sie sich bald in nichts auflösen würden.
Dann vielleicht seine Krummsäbel? Würden diese ausgezeichneten Drow-Waffen, die ihn bei so vielen Prüfungen unterstützt hatten, sich auch als vergänglich erweisen? Und welches Schicksal erwartete Guenhwyvar, seinen Zauberpanther, der ihm ein so guter Kamerad war? Unbewusst steckte der Drow die Hand in seine Tasche und betastete die fabelhafte Statuette. Jedes Detail der Figur, mit deren Hilfe er die Katze rief, war perfekt. Die solide Statuette beruhigte ihn in diesem Moment der Verzweiflung, obwohl auch sie von den Dunkelelfen gemacht und mit dem Zauber ausgestattet worden war, der in ihrer Welt so hilfreich war. Würde sich Guenhwyvar auch in nichts auflösen?
»Als was für eine bemitleidenswerte Kreatur werde ich wohl enden?«, lamentierte der Drow in seiner Muttersprache. Er fragte sich – und zwar nicht zum ersten Mal und mit Sicherheit auch nicht zum letzten Mal –, ob es klug gewesen war, das Unterreich zu verlassen und der Welt seines bösen Volkes zu entsagen.
Sein Kopf pochte, Schweiß tropfte in seine Augen, die jetzt umso mehr brannten. Die Sonne bewegte sich auf ihrer Bahn, aber der Dunkelelf konnte es nicht länger ertragen. Er stand auf und drehte sich zu der kleinen Höhle um, in der er sein Lager aufgeschlagen hatte. Wieder hatte er abwesend die Hand auf die Pantherstatuette gelegt.
Sein piwafwi – nur noch Fetzen – hing über seinen Schultern und bot nur geringen Schutz gegen den beißenden Wind in den Bergen. Im Unterreich gab es keinen Wind, abgesehen von den leichten Luftströmen, die aus den Magmatümpeln aufstiegen, und es gab eigentlich auch keinen Frost, außer der eisigen Berührung eines untoten Monsters. Diese Welt an der Oberfläche, die der Drow jetzt seit ein paar Monaten kannte, konfrontierte ihn mit vielen Unterschieden und unzähligen Gegensätzen – oftmals glaubte er, dass es zu viele waren.
Drizzt Do’Urden würde nicht aufgeben. Das Unterreich war die Welt seiner Verwandten, seiner Familie, und in dieser Dunkelheit würde er keine Ruhe finden. Er war den Anforderungen seiner Prinzipien gefolgt und hatte Lloth, die Spinnenkönigin, angegriffen, die böse Göttin, die von seinem Volk mehr als das Leben verehrt wurde. Die Dunkelelfen, Drizzts Familie, würden ihm seine Blasphemie nicht verzeihen, und im Unterreich gab es keine Löcher, die tief genug waren, um ihrem langen Arm zu entwischen.
Und wenn Drizzt auch glaubte, dass die Sonne ihn verbrannte, wie sie seine Schuhe und seinen wertvollen piwafwi versengte, ja selbst wenn sich sein Körper verflüchtigte wie grauer Rauch, den der frostige Wind in den Bergen wegtrug, so würde er doch an seinen Prinzipien und an seiner Würde festhalten, denn das waren die beiden Dinge, die sein Leben lebenswert machten.
Drizzt zog das, was von dem Umhang noch übrig war, aus und warf es in eine tiefe Kluft. Der eisige Wind strich über seine Stirn, die schweißnass war, aber der Drow ging aufrecht und stolz, das Kinn vorgestreckt, die lavendelfarbenen Augen weit geöffnet.
Das war das Schicksal, das er vorzog.
Auf dem Hang eines anderen Berges, gar nicht so weit entfernt, beobachtete eine andere Kreatur den Sonnenaufgang. Auch Ulgulu hatte seinen Geburtsort verlassen, die dreckigen, rauchenden Spalten, die die Dschehenna-Ebene markierten, aber dieses Monster war nicht aus freien Stücken gekommen. Es war Ulgulus Schicksal, seine Strafe, in dieser Welt zu wachsen, bis er stark genug war, wieder in seine Heimat zurückzukehren.
Ulgulus Los war Mord. Er ernährte sich von der Lebenskraft der schwachen Sterblichen, die ihn umgaben. Er war kurz davor, erwachsen zu werden: riesig und stark und erschreckend. Jeder Mord machte ihn stärker.
ES BRANNTE MIR in den Augen und peinigte jeden meiner Körperteile. Es hat meinen piwafwi und meine Schuhe zerstört, den Zauber meiner Rüstung genommen und meine treuen Krummschwerter geschwächt. Und trotzdem saß ich jeden Tag ohne Unterlass auf meinem Ausguck, dem Platz, der über mein Schicksal entschied, und wartete auf den Sonnenaufgang.
Der Widerspruch offenbarte sich jeden Tag aufs Neue. Das Brennen konnte nicht geleugnet werden, aber ich konnte mich auch nicht der Schönheit dieses Spektakels entziehen. Die Farbtöne, kurz bevor die Sonne aufging, nahmen meine Seele auf eine Art und Weise gefangen, wie es den Mustern der ausströmenden Hitze im Unterreich niemals gelungen ist. Zuerst dachte ich, dass meine Verzückung daher kam, dass mir das Schauspiel so fremd war, aber selbst jetzt, viele Jahre später, spüre ich, wie mein Herz einen Sprung macht, wenn das schwache Leuchten sichtbar wird, das den Sonnenaufgang ankündigt.
Ich weiß, dass die Zeit, die ich in der Sonne verbracht habe – mein tägliches Los –, mehr war als der Wunsch, mich an die Gegebenheiten der Oberwelt anzupassen. Die Sonne wurde zum Symbol für den Unterschied zwischen dem Unterreich und meiner neuen Heimat.
Die Gesellschaft, vor der ich geflohen war, eine Welt der geheimen Abmachungen und verräterischen Verschwörungen, konnte in der Weite und im Tageslicht nicht existieren.
Trotz aller Qualen, die sie mir physisch zufügte, wurde diese Sonne für mich zum Zeichen meiner Absage an die andere, dunklere Welt. Diese Strahlen, die alles bloßlegen, bestärkten mich in meinen Prinzipien, auch wenn sie meine von den Dunkelelfen gefertigten Zaubergegenstände schwächten.
Im Sonnenlicht war der piwafwi, der Schutzumhang, der wachsame Augen überlistete, der Stoff der Diebe und Mörder, nicht mehr als ein wertloser Stofffetzen.
Drizzt Do’Urden
DRIZZT KROCH AN den schützenden Büschen vorbei über den flachen, nackten Stein, der zu der Höhle führte, die ihm als Heim diente. Er wusste, dass vor kurzer Zeit – vor sehr kurzer Zeit, etwas hier vorbeigegangen war. Man konnte zwar keine Spuren sehen, aber der Geruch war sehr stark.
Guenhwyvar zog auf den Felsen über der Höhle im Berghang seine Kreise. Der Anblick des Panthers vermittelte dem Drow ein gewisses Maß an Zuversicht. Drizzt vertraute Guenhwyvar mittlerweile stillschweigend und wusste, dass die Katze jeden Feind, der sich im Hinterhalt versteckte, aufstöbern würde. Drizzt verschwand in der dunklen Öffnung und lächelte, als er hörte, dass der Panther nach ihm heruntergestiegen war, um über ihn zu wachen.
Drizzt blieb kurz hinter einem Stein direkt hinter dem Eingang stehen, damit sich seine Augen an die Düsterkeit gewöhnen konnten. Die Sonne strahlte immer noch, aber in der Höhle war es wesentlich dunkler – so dunkel, dass Drizzt sein Sehvermögen auf das infrarote Spektrum umschalten konnte. Sobald die Umstellung eingetreten war, sichtete Drizzt den Eindringling. Die Hitzequelle – eine lebendige Kreatur – war allzu deutlich. Das Wesen kauerte hinter einem zweiten Felsen, ein Stück weiter hinten in der Höhle. Guenhwyvar war jetzt nur noch ein paar Schritte entfernt. Drizzt wurde ruhiger. Da der Felsen nicht sonderlich groß war, konnte es sich auch nicht um ein großes Tier handeln.
Doch Drizzt war im Unterreich erzogen worden, wo jedes Lebewesen, ganz gleich, wie groß es auch war, respektiert und als gefährlich erachtet wurde. Er gab Guenhwyvar ein Zeichen, dass sie neben dem Eingang Stellung beziehen sollte, und kroch weiter, um den Eindringling besser ausmachen zu können.
Niemals zuvor hatte Drizzt solch ein Lebewesen gesehen. Es schien fast katzenähnlich zu sein, aber sein Kopf war viel kleiner und kantiger. Insgesamt konnte es nicht mehr als ein paar Pfund wiegen. Diese Tatsache und der buschige Schwanz und das dicke Fell des Tiers deuteten darauf hin, dass es sich eher um einen Futtersucher als um ein Raubtier handelte. Jetzt stöberte es gründlich einen Sack mit Nahrungsmitteln durch und war sich der Anwesenheit des Dunkelelfen offensichtlich nicht bewusst.
»Sachte, Guenhwyvar«, rief Drizzt leise und schob die Krummsäbel wieder in ihre Scheiden zurück. Er machte noch einen Schritt auf den Eindringling zu, um ihn genauer betrachten zu können, hielt dabei aber einen gewissen Abstand, als wolle er ihn nicht beunruhigen. Er dachte, dass er vielleicht einen neuen Kameraden gefunden hatte. Wenn er nur das Vertrauen des Tieres gewinnen könnte …
Auf Drizzts Ruf hin drehte sich das Tier abrupt um und stieß mit den kurzen Vorderpfoten gegen die Wand.
»Sachte«, sagte Drizzt ruhig. Diesmal galt seine Aufforderung dem Eindringling. »Ich werde dir nichts tun.« Drizzt trat noch einen Schritt vor, und die Kreatur zischte und wirbelte herum. Seine kleinen Hinterläufe stampften auf den Steinboden.
Drizzt hätte beinahe laut gelacht, weil er glaubte, die Kreatur wolle sich durch die hintere Höhlenwand bohren. Dann machte Guenhwyvar einen Satz, und das urplötzliche Entsetzen des Panthers verbannte die Heiterkeit aus dem Gesicht des Drows.
Der Schwanz des Tiers flog hoch; Drizzt erkannte in dem schwachen Lichtschein, dass das Tier auffällige Rückenstreifen hatte. Guenhwyvar wimmerte und drehte sich um, um zu fliehen, aber es war zu spät …
Ungefähr eine Stunde später wanderten Drizzt und Guenhwyvar den Berg hinunter. Sie suchten ein neues Heim. Das, was zu retten gewesen war, hatten sie geborgen, doch viel war es nicht. Guenhwyvar hielt beträchtlichen Abstand zu Drizzt. In der Nähe war der Gestank kaum zu ertragen.
Drizzt schien mit dem Geruch spielend fertig zu werden, obwohl der Gestank seines Körpers die Lektion schmerzlicher machte, als es ihm gefiel. Er wusste nicht, wie das kleine Tier hieß – natürlich nicht –, aber er würde es um keinen Preis vergessen. Wenn er sich das nächste Mal einem Stinktier näherte, dann wusste er, womit er zu rechnen hatte.
»Was ist mit meinen anderen Kameraden in dieser seltsamen Welt?«, murmelte Drizzt vor sich hin. Es war nicht das erste Mal, dass der Dunkelelf solche Gedanken äußerte. Er wusste nur sehr wenig von der Oberflächenwelt und sogar noch weniger über die Wesen, die hier lebten. Die letzten Monate hatte er in und in der näheren Umgebung der Höhle zugebracht, und nur gelegentlich hatte er Ausflüge in die tiefen, dichter besiedelten Regionen unternommen. Dort hatte er bei seiner Nahrungssuche einige Tiere gesehen, zumeist allerdings aus der Distanz, und er hatte sogar ein paar Menschen beobachten können. Doch er hatte bis jetzt noch nicht den Mut gehabt, aus seiner Deckung herauszutreten und seine Nachbarn zu begrüßen, weil er die mögliche Zurückweisung fürchtete und wusste, dass es keinen weiteren Ort gab, an den er sich flüchten konnte.
Das Geräusch von fließendem Wasser lockte den stinkenden Dunkelelf und seinen Panther zu einem reißenden Bach. Innerhalb kürzester Zeit entdeckte Drizzt einen schattigen Flecken und begann, seine Rüstung und Kleider auszuziehen, während Guenhwyvar ein Stück flussabwärts zog und dort fischte. Als er hörte, wie der Panther geräuschvoll im Wasser herumwirbelte, musste der ernste Drow lächeln. Heute Abend würden sie gut speisen.
Mit spitzen Fingern öffnete Drizzt seine Gürtelschnalle und legte die handgefertigten Waffen neben sein Kettenhemd. Ohne seine Rüstung und seine Waffen fühlte er sich wirklich wehrlos – im Unterreich hätte er sich niemals so weit von ihnen entfernt –, aber viele Monate waren vergangen, und Drizzt hatte keinen Grund gefunden, sie zu benutzen. Er betrachtete seine Krummschwerter und wurde von den bittersüßen Erinnerungen an ihre letzte Verwendung überwältigt.
Damals hatte er mit Zaknafein, seinem Vater, Mentor und besten Freund, gekämpft. Aber nur Drizzt hatte diese Auseinandersetzung überlebt. Der berühmte Waffenmeister war jetzt tot, aber der Triumph dieses Kampfes gebührte ebenso Zaknafein als auch Drizzt, denn in Wirklichkeit war es nicht Zaknafein gewesen, der Drizzt über die Brücken eines mit Säure gefüllten Sees verfolgt hatte. Vielmehr war es Zaknafeins toter Körper gewesen, den Drizzts boshafte Mutter, die Oberin, unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Sie hatte sich an ihrem Sohn rächen wollen, weil er Lloth und die chaotische Drowgesellschaft im Allgemeinen verurteilt hatte. Drizzt hatte mehr als dreißig Jahre in Menzoberranzan gelebt, aber die arglistigen und bösen Umgangsformen, die in der Dunkelelfenstadt an der Tagesordnung waren, niemals akzeptiert. Und so hatte er immer und immer wieder Schande über das Haus Do’Urden gebracht, woran auch seine kunstfertige Handhabung der Waffen nicht viel änderte. Als er aus der Stadt floh, um in der Wildnis des Unterreichs ein Exilantendasein zu führen, hatte er damit dafür gesorgt, dass seine Mutter bei Lloth in Ungnade gefallen war.
Deshalb hatte die Oberin Do’Urden den Geist von Zaknafein, den Waffenmeister, den sie Lloth geopfert hatte, gerufen und das untote Wesen ihrem Sohn nachgeschickt. Doch die Oberin hatte sich verrechnet, denn in Zaks Körper war noch ein Rest Seele, der sich weigerte, Drizzt anzugreifen. Zu der Sekunde, wo es Zak gelang, sich der Kontrolle der Oberin zu entziehen, hatte er triumphierend aufgeschrien und war in den Säuresee gesprungen.
»Mein Vater«, flüsterte Drizzt. Aus diesen einfachen Worten zog er Stärke. Er hatte gesiegt, wo Zaknafein eine Niederlage erlebt hatte. Er hatte den Wegen des Bösen, nach denen die Drows lebten, abgeschworen, in denen Zaknafein jahrhundertelang gefangen gewesen war und nur als Bauer, als Schachfigur, im Machtkampf der Oberin agiert hatte. Aus Zaknafeins Niederlage und Tod war der junge Drizzt gestärkt hervorgegangen, und in Zaks Sieg auf dem Säuresee hatte Drizzt seine Bestimmung erkannt. Drizzt hatte die Lügengebäude ignoriert, die seine ehemaligen Lehrer an der Akademie von Menzoberranzan gesponnen hatten, und er war an die Oberfläche gekommen, um ein neues Leben zu beginnen.
Drizzt schauderte, als er in den kalten Fluss stieg. Im Unterreich hatte er relativ konstante Temperaturen und gleichbleibende Dunkelheit gekannt. Doch hier überraschte ihn die Welt jeden Tag aufs Neue. Er hatte schon bemerkt, dass die Perioden, in denen es hell und warm war, nicht konstant waren; jeden Tag ging die Sonne ein wenig früher unter, und die Temperatur – die sich anscheinend stündlich veränderte – war in den letzten Wochen stetig gesunken. In manchen Nächten hing ein silberleuchtender Mond am Himmel, und an manchen Tagen war der Himmel mit einem grauen Sargtuch überzogen und nicht eine Kuppel aus strahlendem Blau.
Dennoch empfand Drizzt seine Entscheidung, in diese unbekannte Welt zu gehen, meistens als richtig. Wenn er sich jetzt seine Waffen und Rüstung anschaute, musste Drizzt zugeben, dass die Oberflächenwelt trotz all ihrer Eigenheiten weitaus friedvoller war, als es das Unterreich jemals sein konnte.
Trotz all der Ruhe, die er fühlte, war erjetzt in der Wildnis. Er hatte vier Monate an der Oberfläche verbracht und war immer noch allein, wenn er nicht gerade seinen magischen Fellkameraden rufen konnte. Der Dunkelelf war jetzt tatsächlich wehrlos, ausgezogen bis auf seine zerschlissenen Hosen, mit seinen vom Gestank tränenden Augen und dem Geruchssinn, der in der Wolke des scharfen Dufts nicht funktionierte. Und sein ausgeprägtes Gehör wurde von dem Plätschern des rauschenden Wassers beeinträchtigt.
»Wie grauenhaft ich aussehen muss«, sinnierte Drizzt und fuhr sich mit den zarten Fingern durch das dicke, weiße Haar. Doch als sein Blick wieder auf seine Ausrüstung fiel, vergaß Drizzt diesen Gedanken blitzschnell. Fünf grobschlächtige Gestalten wühlten seine Habseligkeiten durch und kümmerten sich augenscheinlich wenig um das abgerissene Aussehen des Dunkelelfen.
Drizzt betrachtete die gräuliche Haut und dunklen Mäuler der sieben Fuß großen Humanoiden, die Hundegesichter hatten. Doch besonders interessierte er sich für die Speere und Schwerter, die sie nun in seine Richtung hielten. Er kannte diese Art Monster, denn er hatte ähnliche Kreaturen gesehen, die in Menzoberranzan als Sklaven dienten. In dieser Situation jedoch wirkten die Gnolle ganz anders, wesentlich bedrohlicher, als Drizzt sich erinnern konnte.
Einen kurzen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, sich auf seine Krummschwerter zu stürzen, verwarf dann aber die Idee, weil er wusste, dass ein Speer ihn aufspießen würde, bevor er auch nur in Reichweite seiner Waffen war. Der größte der Gnolltruppe, ein acht Fuß großer Riese mit auffallend rotem Haar, schaute Drizzt einen Moment an, blickte dann zur Ausrüstung des Drows hinunter und schaute schließlich wieder ihn an.
»Was denkst du?«, murmelte Drizzt keuchend. Er wusste wirklich sehr wenig über Gnolle. An der Akademie von Menzoberranzan hatte man ihm beigebracht, dass Gnolle eine goblinartige Rasse waren, böse, unberechenbar und ziemlich gefährlich. Das hatte man ihm von den Oberflächenelfen und auch von den Menschen gesagt – und, das erkannte er jetzt, von jeder anderen Rasse, die nicht zu den Dunkelelfen gehörte. Trotz seiner Zwangslage hätte Drizzt beinahe laut gelacht. Ironischerweise war die Rasse, die am ehesten die Bezeichnungen böse und unberechenbar verdiente, die der Drows selbst!
Die Gnolle bewegten sich nicht und gaben auch keine Befehle aus. Drizzt konnte ihr Zögern angesichts eines Dunkelelfen verstehen, und er wusste, dass er sich ihre natürliche Angst zunutze machen musste, wenn er überhaupt eine Chance haben wollte. Nachdem er sich auf die angeborenen Fähigkeiten – sein Zaubererbe – besonnen hatte, wedelte Drizzt mit seiner dunklen Hand und zeichnete die Silhouetten der fünf Gnolle in harmlosen, purpur-rotglühenden Flammen nach.
Eines der Biester fiel augenblicklich zu Boden, genau wie Drizzt gehofft hatte, aber die anderen hielten inne, als ihr erfahrener Anführer ihnen ein Zeichen gab, indem er die Hand ausstreckte. Nervös schauten sie sich um und fragten sich offenbar, ob es klug war, diese Begegnung fortzusetzen. Doch der Gnollanführer hatte früher schon einmal diese harmlosen Feenfeuer gesehen, bei einem Kampf mit einem unglücklichen – mittlerweile verstorbenen – Waldläufer, und wusste sie einzuschätzen.
Drizzt wartete angespannt und versuchte, sich seinen nächsten Schritt zu überlegen.
Der Gnollanführer betrachtete seine Kameraden, als studiere er, ob sie von den tanzenden Flammen ganz und gar eingerahmt waren. Da der Zauber wirkungsvoll ausgeführt war, konnte es sich nicht um einen einfachen Dunkelelfbauern handeln, der da im Fluss stand – zumindest hoffte Drizzt, dass der Anführer zu diesem Ergebnis kam.
Drizzt entspannte sich ein wenig, als der Anführer sein Schwert herunternahm und den anderen bedeutete, es ihm gleichzutun. Dann bellte der Gnoll ein Wirrwarr aus Worten, die sich in den Ohren des Drows wie Kauderwelsch anhörten. Als der Gnoll registrierte, dass Drizzt offensichtlich verwirrt war, rief er etwas in der Sprache der Goblins.
Drizzt verstand die Koboldsprache, aber der Dialekt des Gnolls war so eigen, dass er nur ein paar Worte, nämlich »Freund« und »Anführer«, ausmachen konnte.
Vorsichtig ging Drizzt ein paar Schritte die Uferböschung hinauf. Die Gnolle machten ihm Platz, damit er zu seinen Habseligkeiten gelangen konnte. Zögernd trat Drizzt noch einen Schritt nach vorn und wurde sicherer, als er bemerkte, dass sich in kürzester Entfernung eine schwarze Fellgestalt in den Büschen versteckte. Wenn er den Befehl geben würde, würde Guenhwyvar mit einem Satz über die Goblintruppe herfallen.
»Sollen wir alle zusammen weitergehen?«, fragte Drizzt den Anführer. Er benutzte die Goblinsprache und versuchte, den Dialekt der Kreatur nachzuahmen.
Der Gnoll antwortete schnell und laut, und das einzige Wort, das Drizzt zu verstehen glaubte, war das, mit dem die Frage aufhörte: »… Verbündeter?«
Drizzt nickte bedächtig und hoffte, dass er die Kreatur richtig verstanden hatte.
»Verbündeter!«, krächzte der Gnoll. Seine Kameraden grinsten und lachten erleichtert und klopften sich gegenseitig auf die Schulter. Dann endlich bückte sich Drizzt und legte blitzschnell seine Krummschwerter an. Als ihm auffiel, dass die Gnolle abgelenkt waren, warf der Drow einen Blick auf Guenhwyvar und deutete mit dem Kinn auf das dicke Gebüsch, das sich ein Stück weiter neben dem Pfad befand. Behende und leise nahm Guenhwyvar eine neue Position ein. Es hatte keinen Sinn, alle Geheimnisse preiszugeben, dachte Drizzt, jedenfalls nicht bevor er die Absichten seiner neuen Begleiter wirklich verstand.
Zusammen mit den Gnollen marschierte Drizzt die tiefer gelegenen, windigen Bergpässe hinunter. Die Gnolle hielten Abstand zu dem Dunkelelf. Ob aus Respekt vor Drizzt und dem Ruf, den seine Rasse hatte, oder aus einem anderen Grund, das konnte er nicht wissen. Drizzt argwöhnte, dass sie wahrscheinlich wegen seines Geruchs Abstand hielten, denn das Bad hatte nicht viel genützt.
Der Gnollanführer sprach Drizzt ziemlich häufig an und unterstrich seinen Wortschwall mit einem verschlagenen Zwinkern oder mit einer plötzlichen Bewegung seiner dicken, fleischigen Hände. Drizzt hatte nicht die geringste Ahnung, wovon der Gnoll sprach, aber aus der Art und Weise, wie die Kreatur sich eifrig die Lippen leckte, schloss er, dass er ihn zu einer Art Festgelage führte.
Schon bald erriet Drizzt, welches Ziel die Truppe hatte, denn er hatte oftmals, wenn er auf den hochaufragenden Kämmen der Berge saß, die Lichter einer kleinen Bauerngemeinde im Tal gesehen. Drizzt war sich über die Beziehung zwischen den Gnollen und den bäuerlichen Menschen nicht ganz klar, aber er spürte, dass sie nicht freundlich war. Als sie dem Dorf näher kamen, bewegten sich die Gnolle nur noch vorsichtig weiter, sprangen von einem Strauch zum anderen und hielten sich so weit wie möglich im Schatten. Die Dämmerung setzte rasch ein, als die Truppe um die Dorfmitte schlich, bis sie ein einzelnes Bauernhaus im Westen im Blickfeld hatten.
Der Gnollanführer flüsterte Drizzt etwas zu und sprach jedes Wort sorgfältig aus, damit der Dunkelelf ihn verstehen konnte. »Eine Familie«, krächzte er. »Drei Männer, zwei Frauen …«
»Eine junge Frau«, fügte ein anderer eifrig hinzu.
Der Gnollanführer knurrte. »Und drei junge Männer«, schloss er.
Drizzt meinte, dass er jetzt den Zweck der Reise begriff, und sein überraschter und fragender Gesichtsausdruck veranlasste den Gnoll, ihm umgehend jeden Zweifel zu nehmen.
»Feinde«, erklärte der Führer.
Drizzt, der eigentlich gar nichts über die beiden Rassen wusste, steckte in einem Zwiespalt. Die Gnolle waren Verbrecher – so viel war klar –, und sie hatten vor, über das Bauernhaus herzufallen, sobald der letzte Hauch Tageslicht weg war. Drizzt hatte nicht vor, sich ihnen in ihrem Kampf anzuschließen, bis er nicht mehr über die Ursache des Konflikts in Erfahrung gebracht hatte.
»Feinde?«, fragte er.
Augenscheinlich konsterniert runzelte der Gnollanführer die Stirn. Dann brachte er wieder ein Kauderwelsch hervor, in welchen nach Drizzts Meinung die Worte »Mensch … Schwächling … Sklave« vorkamen. Jeder der Gnolle spürte die plötzliche Beklommenheit des Drows, und dann fingen sie an, sich gegenseitig nervöse Blicke zuzuwerfen.
»Drei Männer«, sagte Drizzt.
Der Gnoll stieß seinen Speer voller Wucht in den Boden. »Töte den Ältesten! Erwische zwei!«
»Frauen?«
Das gemeine Grinsen, das sich auf dem Gesicht der Gnolle ausbreitete, beantwortete die Frage zweifelsohne, und langsam erkannte Drizzt, auf welcher Seite er in dieser Auseinandersetzung stand.
»Was ist mit den Kindern?« Er beobachtete den Gnollanführer ohne Umschweife und sprach jedes Wort deutlich aus. Da konnte es kein Missverständnis geben. Die letzte Antwort bestätigte alles, und obwohl Drizzt die Grausamkeit, mit der man Todfeinden begegnete, akzeptieren konnte, konnte er das eine Mal, als er bei einem Überfall mitgewirkt hatte, doch niemals vergessen. An jenem Tag hatte er ein Elfenkind gerettet, hatte das Mädchen unter dem Leichnam der Mutter versteckt, damit sie nicht dem Zorn seiner Dunkelelfkameraden ausgeliefert war. Von den vielen bösen Geschehnissen, deren Zeuge Drizzt geworden war, war Kindermord am schlimmsten gewesen.
Der Gnoll donnerte mit dem Speer auf den Boden, auf seinem Hundegesicht zeichnete sich eine verrückte Schadenfreude ab.
»Ich denke nicht«, lautete Drizzts schlichte Antwort. In seinen lavendelfarbenen Augen loderte ein Feuer auf. Die Gnolle mussten feststellen, dass er urplötzlich die Krummschwerter in Händen hielt.
Wieder bewegte sich der Rüssel des Gnolls, dieses Mal aus Verwirrung. Er versuchte, den Speer hochzuziehen, um sich zu verteidigen, denn er wusste nicht, was der eigenwillige Dunkelelf als nächstes vorhatte, aber da war es schon zu spät.
Drizzt bewegte sich sehr schnell. Bevor sich die Speerspitze des Gnolls auch nur rührte, stürzte sich der Drow mit erhobenen Krummschwertern auf ihn. Die anderen vier Gnolle sahen verwundert zu, wie Drizzts Klingen zweimal zustachen und ihrem mächtigen Anführer die Gurgel durchschnitten. Der riesige Gnoll fiel lautlos nach hinten und umklammerte unsinnigerweise seinen Hals.
Der Gnoll daneben reagierte zuerst, hob seinen Speer und hielt auf Drizzt zu. Der agile Dunkelelf wehrte den direkten Angriff ab, achtete dabei aber darauf, dass er den Schwung des Gnolls nicht abschwächte. Als die große Kreatur an ihm vorbeiwalzte, drehte sich Drizzt um und trat gegen seine Knöchel. Der Angreifer verlor das Gleichgewicht, taumelte ein Stück weiter und bohrte seinen Speer in die Brust eines überraschten Kameraden.
Der Gnoll zerrte an der Waffe, aber sie steckte fest. Der Widerhaken des Speers hatte sich am Rückgrat des anderen festgesetzt. Der Gnoll kümmerte sich nicht um seinen sterbenden Begleiter; er wollte nur seine Waffe. Er riss und drehte, fluchte und spuckte seinem Freund in das schmerzverzerrte Gesicht, bis ein Krummschwert den Schädel des Biests zerschmetterte.
Ein anderer Gnoll hob seinen Speer hoch und wollte ihn werfen, als er sah, dass der Dunkelelf abgelenkt war. Er hielt es für klüger, den Feind aus der Ferne zu bekämpfen. Sein Arm fuhr hoch, aber bevor er die Waffe von sich schleudern konnte, stürzte Guenhwyvar heran, und der Gnoll und der Panther gingen zu Boden. Der Gnoll schlug mit voller Kraft in die muskulöse Seite des Panthers, aber Guenhwyvars reißende Klauen waren wesentlich effektiver. Im Bruchteil einer Sekunde hatte Drizzt sich von den drei toten Gnollen zu seinen Füßen abgewandt, und der vierte der Truppe lag tot neben dem großen Panther. Der fünfte hatte die Flucht ergriffen.
Guenhwyvar schüttelte die Hand des toten Gnolls ab. Die langen Muskelstränge der Katze waren erwartungsvoll angespannt, während sie auf einen Befehl wartete. Drizzt betrachtete die grauenhaft verzerrten Gesichter der Toten. Er wollte aufhören, denn er hatte erkannt, dass er sich in einer Situation befand, die ihm fremd war. Mit zwei Rassen war er konfrontiert worden, und über keine der beiden wusste er sonderlich viel. Doch er überlegte nicht lange, denn immer wieder ging ihm derselbe Gedanke im Kopf herum: Der Anführer der Gnolle hatte schadenfroh über den Tod der Menschenkinder gesprochen. Zu viel stand auf dem Spiel.
Drizzt wandte sich an Guenhwyvar. Nun wirkte er entschlossen. »Geh und hol ihn!«
Der Gnoll rannte über die Pfade und schaute sich dabei hektisch um, weil er hinter jedem Baum oder Stein dunkle Gestalten witterte.
»Drow!«, keuchte er immer und immer wieder. Die unablässige Wiederholung des Wortes verhalf ihm auf seiner Flucht zu etwas Mut. »Drow! Drow!«
Schnaufend und keuchend gelangte der Gnoll in ein Wäldchen, das sich zwischen zwei steile, kahle Felswände zwängte. Er stolperte über einen umgefallenen Baumstamm, rutschte aus und schlug mit dem Brustkorb auf der Kante eines moosbewachsenen Felsens auf. Doch da die Schmerzen nur gering waren, lief die verängstigte Kreatur unbeirrt weiter. Der Gnoll wusste, dass er verfolgt wurde. Er spürte die Anwesenheit eines anderen Wesens, das sich im Schatten bewegte, nahm es aber nur hin und wieder aus dem Augenwinkel wahr.
Als er den Waldrand erreichte, hatte die Abenddämmerung schon eingesetzt, und er entdeckte ein paar gelbleuchtende Augen, die ihn anstarrten. Da der Gnoll gesehen hatte, wie sein Begleiter von dem Panther überwältigt worden war, konnte er natürlich erraten, was ihm da den Weg versperrte.
Gnolle waren feige Monster, aber sie konnten mit erstaunlicher Zähigkeit kämpfen, wenn sie in die Ecke gedrängt worden waren. Und so war es jetzt auch. Als der Gnoll registrierte, dass Flucht sinnlos war – er konnte ja nicht umkehren und in Richtung Dunkelelf rennen –, knurrte er und hob seinen schweren Speer.
Der Gnoll hörte ein Schlurfen, einen Schlag und einen Schmerzensschrei, als der Speer sein Ziel traf. Die gelben Augen verschwanden kurz, und dann huschte eine Kreatur zu einem Baum. Sie bewegte sich dicht am Boden, fast wie eine Katze, aber der Gnoll wusste sofort, dass er nicht den Panther getroffen hatte. Als das verwundete Tier den Baum erreichte, schaute es sich um, und der Gnoll konnte es deutlich erkennen.
»Waschbär«, entfuhr es dem Gnoll, und er lachte. »Ich bin vor einem Waschbär geflohen!« Der Gnoll schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Seine Heiterkeit hatte sich wieder verflüchtigt. Der Anblick des Waschbären hatte ihn ein wenig erleichtert, aber der Gnoll konnte nicht vergessen, was vorhin geschehen war. Er musste jetzt zu seinem Lager zurück und Ulgulu, seinem riesigen Koboldherrn, seinem Gottwesen, von dem Drow erzählen.
Er trat einen Schritt vor, wollte den Speer holen und blieb dann abrupt stehen, weil er merkte, wie sich hinter ihm etwas bewegte. Ganz vorsichtig drehte der Gnoll den Kopf. Er konnte seine eigene Schulter sehen und dahinter den moosbewachsenen Felsen.
Der Gnoll stand wie angewurzelt da. Nichts rührte sich hinter ihm, nicht das geringste Geräusch drang aus dem Wäldchen, aber das Biest wusste, dass dort hinten irgendetwas war. Der Atem des Goblins ging jetzt stoßweise, seine dicken Hände krampften sich zu Fäusten zusammen und hingen dann unbeweglich an seinen Seiten.
Der Gnoll drehte sich blitzschnell um und stieß einen Schrei aus, aber dieser Wutausbruch verwandelte sich in einen Angstschrei, als sich der sechshundert Pfund schwere Panther von einem tief hängenden Ast auf ihn stürzte.
Die Wucht des Tieres warf den Gnoll zu Boden, aber er war kein schwaches Wesen. Der Bedrängte ignorierte den reißenden Schmerz, den die unerbittlichen Panthertatzen verursacht hatten, umklammerte Guenhwyvars eingezogenen Schädel und hielt sich verzweifelt fest, in der Hoffnung, dass die todbringenden Fänge sich nicht in seinen Hals bohrten.
Fast eine Minute setzte sich der Gnoll zur Wehr, seine Arme zitterten unter dem kraftvollen Gegendruck des Panthers. Dann fuhr der Schädel herunter, und Guenhwyvar schnappte zu. Riesige Zähne umklammerten das Genick des Gnolls, und die verlorene Kreatur bekam keine Luft mehr. Der Gnoll wedelte mit den Armen und schlug wie ein Wilder um sich. Irgendwie gelang es ihm, auf den Panther zu rollen. Doch Guenhwyvars Fänge waren wie ein Schraubstock. Die Gegenwehr des Gnolls interessierte ihn nicht. Die Zähne ließen nicht nach.
Nach ein paar Minuten hörte der Gnoll auf, um sich zu schlagen.
DRIZZT LIESS SEIN Sehvermögen ins infrarote Spektrum gleiten, der Nachtsicht, mit der er die kleinsten Temperaturunterschiede so klar erkennen konnte, als würde er die Dinge bei Tageslicht betrachten. In seinen Augen leuchteten die mit frischem Blut verschmierten Krummsäbel hell, und die zerrissenen Gnollkörper verströmten ihre Wärme.
Drizzt bemühte sich wegzusehen und sich auf Guenhwyvars Fährte zu konzentrieren, die den fünften Gnoll verfolgt hatte, aber immer wieder wanderte sein Blick zu den toten Gnollen und den blutverschmierten Krummsäbeln zurück.
»Was habe ich getan?«, fragte Drizzt sich laut. Wirklich, er wusste es nicht. Die Gnolle hatten davon geredet, Kinder niederzumetzeln, ein Gedanke, der Drizzt wütend gemacht hatte, aber was wusste Drizzt denn von dem Streit, den die Gnolle und die Menschen in dem Dorf hatten? Wäre es nicht möglich, dass die Menschen, ja selbst die Menschenkinder, Monster sind? Vielleicht hatten sie das Gnolldorf überfallen und die Bewohner gnadenlos getötet. Vielleicht hatten die Gnolle vorgehabt zurückzuschlagen, weil sie keine andere Wahl hatten, und sie sich verteidigen mussten.
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