Der Freund in meinem Kopf - Dr. Matthias Hammer - E-Book

Der Freund in meinem Kopf E-Book

Dr. Matthias Hammer

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Beschreibung

Wir alle kennen es: Gedanken, die sich im Kreis drehen, Grübeleien, ständige Alltagssorgen. Wenn wir gar nicht mehr abschalten können, wird es Zeit, die freundlichen Kräfte des Bewusstseins zu nutzen. Hierbei hilft der innere Erwachsene. Er ist der Freund im Kopf, der weiß, dass wir bewusst und flexibel mit unseren Gedanken umgehen können und nicht alles glauben müssen, was uns durch den Kopf geht. Wenn der innere Erwachsene das Steuer übernimmt, erleben wir den Alltag bewusster, gelassener und fokussierter. Der erfahrene Psychotherapeut Matthias Hammer zeigt in seinem neusten Buch, wie wir negative Gedankenspiralen durch eine aktive – erwachsene – Lenkung der Aufmerksamkeit verlassen können, Freundlichkeit zu uns selbst entwickeln und im Hier und Jetzt ankommen. Dort, wo wir wirklich Einfluss nehmen können, auf uns selbst und unsere Umgebung. Zahlreiche Tipps, Übungen und Meditationen helfen bei der Umsetzung im Alltag.

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Seitenzahl: 207

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Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

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Projektleitung: Ariane Hug

Lektorat: Dr. Diane Zilliges

Bildredaktion: Simone Hoffmann

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, München, Anika Neudert

eBook-Herstellung: Teresa Klocker

ISBN 978-3-8338-9396-4

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Illustrationen: GU/Claudia Lieb; Fotolia.com/Abundzu

Fotos: Alamy; Ronny Schönebaum; iStockphoto.com; Bildagentur Image Professionals GmbH, Tumblingerstr.32, 80337 München www.imageprofessionals.com

Syndication: Bildagentur Image Professionals GmbH, Tumblingerstr. 32, 80337 München www.imageprofessionals.com

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wir wollen Ihnen mit diesem E-Book Informationen und Anregungen geben, um Ihnen das Leben zu erleichtern oder Sie zu inspirieren, Neues auszuprobieren. Wir achten bei der Erstellung unserer E-Books auf Aktualität und stellen höchste Ansprüche an Inhalt und Gestaltung. Alle Anleitungen und Rezepte werden von unseren Autoren, jeweils Experten auf ihren Gebieten, gewissenhaft erstellt und von unseren Redakteur*innen mit größter Sorgfalt ausgewählt und geprüft. Haben wir Ihre Erwartungen erfüllt? Sind Sie mit diesem E-Book und seinen Inhalten zufrieden? Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung. Und wir freuen uns, wenn Sie diesen Titel weiterempfehlen, in ihrem Freundeskreis oder bei Ihrem Online-Kauf.

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GRÄFE UND UNZER VERLAG Grillparzerstraße 12

Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Entdecken Sie den »Freund in Ihrem Kopf«! Das schenkt Ihnen:

Klarheit über eigene Denk- und Verhaltensmuster

Auswege aus dem Overthinking

eine Führungsposition im eigenen Inneren

Selbstmitgefühl und erhöhte Achtsamkeit

psychische Flexibilität und einen Zuwachs an Resilienz

Handwerkszeug für einen aufbauenden Umgang mit sich selbst

Alternativen zu bisherigen Gewohnheiten

deutlich mehr innere Ruhe

die Kraft, Lebenswünsche zu realisieren

Vorwort

Die meisten Menschen verwechseln ihr denkendes, kritisches Ich mit ihrem bewussten Erwachsenen-Ich. Sie sind vollständig identifiziert mit dieser denkenden, bewertenden, kritischen Stimme in ihrem Kopf. Bei vielen hat dieser sogenannte innere Kritiker komplett die Führung übernommen – und er verhält sich oft feindlich. Ich habe vor einigen Jahren ein Buch eigens dazu geschrieben: »Der Feind in meinem Kopf. Stopp den inneren Kritiker!« Dieser Kritiker sitzt dick und breit im Stuhl des Erwachsenen-Ichs und bewertet unbemerkt uns selbst und die Welt.

Unser Geist aber lässt sich zum Glück nicht auf diese plappernde bewertende Stimme reduzieren, er ist viel größer, klarer, freundlicher und mitfühlender als unser Denker-Ich. Und wir alle tragen einen weiteren inneren Anteil in uns, der uns hilft, dies zu erkennen. Es ist unser bewusstes Erwachsenen-Ich. Mit ihm können wir lernen, Abstand zu unseren Gedanken zu finden und bewusst zu wählen, womit wir uns aufmerksam beschäftigen wollen. Wir können wieder in einen direkten lebendigen Kontakt mit unserem Leben und Erleben kommen. Dieser innere Anteil ist eine freundliche Kraft unseres Bewusstseins und in diesem Buch geht es darum, diese Kraft und ihre Fähigkeiten, die auch in Ihnen schlummern, wieder zu entdecken und zu nutzen.

Sie haben die Wahl, ob Sie den Freund oder den Feind in Ihrem Kopf nähren.

Ich denke, die Wahl fällt Ihnen nicht schwer. In diesem Buch erfahren Sie deshalb, wie Sie den Freund im Kopf unterstützen und immer wieder aussteigen können aus psychischer Starrheit und Überidentifikation mit dem eigenen Denken. Es zeigt Ihnen Wege auf, Ihr Bewusstsein flexibler zu nutzen und den Verstand als hilfreiches Werkzeug zu entdecken.

Was wir hier beginnen, ist eine lohnende Entdeckungsfahrt in Ihr eigenes Bewusstsein. Ich verspreche Ihnen, Sie werden dabei viel Neues erfahren und erproben. Die gute Nachricht lautet: Sie tragen einen Freund in Ihrem Kopf, der Sie bereits sehr lange begleitet. Und jetzt ist der Moment gekommen, wo Sie ihn bewusst kennenlernen.

DAS TYPISCHE OVERTHINKING

Wenn der bewusste innere Erwachsene nicht aktiv ist, passiert uns oft das, was ein Klient von mir schilderte und was Sie möglicherweise auch kennen. Robin beklagte sich über »Overthinking«. Ich fragte ihn, was er damit meine. Er antwortete: »Ich mache mir ständig Gedanken über alles Mögliche. Ob ich mich gestern im Gespräch mit meiner Nachbarin richtig verhalten habe. Ob ich den richtigen Beruf gewählt habe. Ob ich mit meiner Freundin zusammenbleiben soll oder nicht. Während der Lockdownphase war es manchmal besonders schlimm, da habe ich nur noch gedacht und gedacht und gar nichts mehr getan. Ich war viel am Handy und in meinen Gedankenschleifen. Ich konnte mich gar nicht mehr um anstehende Entscheidungen kümmern.«

So wie Robin geht es vielen. Immer mehr Menschen können sich und ihr Erleben in dem Begriff »Overthinking« wiederfinden. In der Psychologie wird häufig von »sorgenvollem Denken« und »Grübeln« gesprochen oder auch von »automatischen Gedanken«. Genau das müssen wir uns ansehen, wenn wir zu dem Freund in unserem Kopf vordringen wollen. Im ersten Kapitel werden wir uns deshalb mit verschiedenen Formen des Denkens beschäftigen. Denn Denken ist eigentlich ganz normal. »Ich denke, also bin ich«, hat der französische Philosoph und Naturwissenschaftler René Descartes im 17. Jahrhundert formuliert. Und in vielen wissenschaftlichen Konzepten spielt das denkende Ich bis heute eine zentrale Rolle für unsere Identität. Wir definieren uns als menschliche, bewusste Wesen über unser Denken. Wie kann es dann sein, dass Denken zum Problem wird? Solche Fragen werden wir klären.

EIN NEUARTIGES KRAFTVOLLES ERLEBEN IHRER SELBST

Im weiteren Verlauf des Buches geht es darum, inwieweit wir tatsächlich unser denkendes Ich als bedeutendsten Teil unseres Selbsterlebens sehen. Wir identifizieren uns meist vollumfänglich damit und definieren uns über unseren Verstand. Das aber kann problematisch werden und deshalb versuchen verschiedene psychotherapeutische Ansätze den Klientinnen und Klienten einen über das Denken hinausgehenden Zugang zu sich selbst zu vermitteln. Einen solchen inneren Perspektivwechsel und das damit zusammenhängende veränderte Selbsterleben möchte ich Ihnen hier ebenfalls vermitteln. Und vielleicht kennen Sie es auch schon von Momenten, in denen Sie »selbstvergessen« alltäglichen Tätigkeiten nachgegangen sind, wie beispielsweise der Arbeit im Garten oder einem Spaziergang im Wald.

Menschen, die dieses andersartige Selbsterleben erfahren, beschreiben es als einen bewussten Kontakt zu ihrem inneren Erleben, als Abstand zu den Gedanken, als lebendiges bewusstes Gegenwartserleben, Mitgefühl für sich selbst und andere, als größeren inneren Freiraum und angenehme Ruhe. Klingt verlockend, oder?

Dieses Erleben hat in der Forschung viele Namen erhalten. Was dabei in uns wach ist, wird in verschiedenen psychologischen und psychotherapeutischen Ansätzen als »innerer Beobachter« bezeichnet, als »beobachtendes Selbst«, »transzendentes Selbst« oder einfach als »Selbst«. Im Kern bemerken all diese unterschiedlichen Auffassungen eine hohe Bewusstheit für innere und äußere Prozesse, die im gegenwärtigen Moment geschehen. Ich bezeichne diese Bewusstheit als »Freund im Kopf«. Und im Buch hier geht es darum, wie wir uns diese Seite unseres Selbsterlebens, diesen bewussten Anteil zugänglich machen können. Die gute Nachricht ist nämlich: Wir können aus unseren zwanghaften Sorgen, aus Overthinking und Grübeln aussteigen. Wir sind nicht gefangen in unseren gedanklichen und emotionalen Schleifen.

Wir können lernen, uns tiefer mit der Gegenwart zu verbinden und unser Leben von dort aus aktiv zu gestalten.

Um das bereits während des Lesens zu üben, haben Sie immer wieder die Möglichkeit, kurz innezuhalten, innerlich umzuschalten und sich Ihrer selbst bewusst zu werden. Diesen Freund im Kopf, das beobachtende Selbst zu entdecken, bedeutet für viele Menschen eine größere Bewusstheit im Alltag, einen flexibleren Umgang mit Gedanken und Gefühlen und einen freundlicheren Umgang mit sich und anderen sowie der Welt.

Ich wünsche Ihnen Neugierde, Offenheit und Interesse beim Entdecken dieser bewussten freundlichen Seite, die Sie in sich tragen. Es ist eine Ressource, ein Ort der Ruhe, von dem ausgehend Sie all Ihre Fähigkeiten besser nutzen können. Sie können damit auch lernen, Ihr Denken funktional wie ein Werkzeug einzusetzen und es aber auch beiseitezulassen und die Entspannung zu genießen.

Ich freue mich, dass ich Sie durch dieses Buch und auf dieser Entdeckungsreise zum Freund in Ihrem Kopf begleiten darf.

Ihr Matthias Hammer

Ich denke, denke, denke, also bin ich

Was hat es mit dem Denken eigentlich auf sich, dass es einerseits so ganz natürlich und auch wertvoll ist, uns andererseits aber auch schmerzen und schaden kann? Welche Denkweisen gibt es überhaupt? Schauen wir genauer hin.

DENKEN, EINE WERTVOLLE FÄHIGKEIT

Es ist normal, viel zu denken. So wie die Speicheldrüsen in unserem Mund Speichel produzieren, so produziert unser Gehirn laufend automatische Gedanken. Es ist, als ob es uns pausenlos Vorschläge macht, worüber wir nachdenken könnten. Was da im Kopf für gewöhnlich passiert, ist noch kein Nachdenken. Nachdenken besteht aus längeren Gedanken- und Vorstellungsketten. Es fordert von uns viel mehr Energie, Aufmerksamkeit und Zeit. Automatische Gedanken produziert unser Gehirn mit wenig Energieaufwand so nebenher. Wenn wir in eine gedankliche Kette einsteigen und uns intensiver damit beschäftigen, sprechen wir von Nachdenken. Es ist eine besondere Fähigkeit, nachdenken zu können. Auch wenn ich hier im Buch kritisch mit unserem Denken umgehe, möchte ich eines vorwegschicken: Wir sollten diese besondere Qualität unseres Gehirns wertschätzen und konstruktiv nutzen. Auch das lernen wir, wenn wir den Freund in unserem Kopf aktivieren.

Ob unser Gehirn automatische Gedanken produziert oder nicht, darauf haben wir wenig Einfluss. Ob wir über ein Thema vertieft nachdenken wollen oder nicht, darauf haben wir viel Einfluss. Heute Morgen kam mir zum Beispiel aus dem Nichts der automatische Gedanke: »Du brauchst noch ein Bahnticket für die nächste Dienstreise.« Nach dem Frühstück nahm ich mir Zeit und plante die Bahnfahrt. Wo muss ich hin, was sind die Anfangszeiten der Veranstaltung …? Meine Aufmerksamkeit war aktiv, in meinem Kopf hatte kein anderes Thema Platz. Nachdem ich die Fahrkarte gekauft und die Zeiten in meinen Kalender eingetragen hatte, war ich erleichtert und mit dem Ergebnis zufrieden. Das Nachdenken und Planen hatte sich gelohnt. Die eingesetzte Energie hatte zu einem Ergebnis geführt. Ein Thema war abgeschlossen, dann begann sich mein Kopf langsam mit dem nächsten Thema zu beschäftigen.

Nachdenken ist für uns sehr wertvoll. Es hilft uns, in der Welt zurechtzukommen.

Nachdenken hilft uns, Probleme zu lösen, kreativ zu sein, uns mit faszinierenden Themen zu beschäftigen. Interessiert nachdenken, etwas verstehen und Neues lernen, das macht dabei auch Spaß. Es kann uns sehr freudvolle und erfüllende Erfahrungen schenken. Daher möchte ich Sie nur ermuntern: Setzen Sie Ihre Fähigkeit zu denken bewusst ein. Denken ist Arbeit und kostet Energie. Wofür wollen Sie diese kostbare Energie im Beruf und in Ihrer Freizeit einsetzen?

Was Sie auf jeden Fall mithilfe Ihres Denkvermögens lernen können, ist das bewusste Aussteigen und Abstandnehmen von Denkformen, die Sie belasten und die sinnlos Energie kosten, weil sie zu keinem Ergebnis führen. Wie bei Romy. Sie arbeitet als Bauingenieurin und leitet aktuell mehrere Projekte. Keines davon läuft nach Plan. Baumaterialien fehlen, Handwerker können die Termine nicht halten, die Kosten gehen durch die Decke. Romy sitzt abends am Schreibtisch und sucht nach Lösungen. Sie weiß, dass es nicht an ihr liegt, dass die Projekte aus dem Ruder laufen, und doch fühlt sie sich verantwortlich. Immer öfter wacht sie nachts zwischen zwei und vier Uhr auf und denkt darüber nach, was sie noch tun kann. Sie ist schließlich die Projektmanagerin und hat die Verantwortung. Ihr fällt es immer schwerer, gedanklich Abstand zu finden und abzuschalten.

Ein Kollege versucht sie aufzumuntern: »Uns geht das doch gerade allen so. Kannst du dich an das letzte Projekt erinnern, bei dem Zeitplanung und Kostenkalkulation eingehalten wurden? Ehrlich gesagt, ich kann mich nicht mehr daran erinnern.« Bei Romy kommt die Botschaft nicht an. Sie fühlt sich verantwortlich und versucht gedanklich, die Probleme zu lösen. Sie geht hart und selbstkritisch mit sich um. Doch auch durch ihre nächtlichen Grübeleien gelingt es ihr nicht, die Probleme zu lösen, die nun mal struktureller Natur sind. Die Arbeitsbedingungen von Romy sind schwierig, vieles ist unplanbar und unsicher.

WENN WIR AM DENKEN LEIDEN

Nicht nur für Romys Verstand ist es schwer, die Situation nüchtern und sachlich zu betrachten und am Feierabend ruhen zu lassen. Was kann Romy daran ändern, dass Rohstoffe aus China oder Indien gerade nicht geliefert werden können? Doch ihr Verstand arbeitet weiter an den unlösbaren Schwierigkeiten.

Vielleicht kennen Sie das aus Ihrem eigenen Leben, dass Sie gedanklich an Problemen hängen bleiben, die Sie nicht lösen können. Immer mehr Menschen fühlen sich gefangen in ihren Bewertungen und in den Geschichten, die sie sich unentwegt selbst erzählen. »Ich bin ein Overthinker«, so hat sich kürzlich Robin, mein schon erwähnter Klient, selbst beschrieben. Der Begriff »Overthinking« ist neu, aber das damit beschriebene Phänomen und Erleben ist sehr alt. Wenn wir das Wort hören, meinen wir sofort zu verstehen, was es bedeutet: zu viel denken, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. In Zirkeln und Schleifen denken, sodass man sich immer mehr in seine Bewertungen und Vorstellungen verstrickt. Sorgen um bestimmte Themen, mit denen wir nichts ausrichten können. Vorwürfe, die nichts verändern können.

Overthinking:Große Denkaktivität, aber wenig oder kein gedanklicher Fortschritt.

Wenn Denken wehtut: Overthinking

Bisher gibt es keine einheitliche Definition von Overthinking, die uns helfen könnte, das Phänomen vom normalen alltäglichen Denken zu unterscheiden. Und doch erfassen wir intuitiv, was mit Overthinking gemeint ist. Gefühlt geht dabei unsere ganze Aufmerksamkeit und Energie in unsere Gedanken. Mit Overthinking meinen wir unerwünschte, negative Denkgewohnheiten, mit denen wir uns selbst das Leben schwermachen. Die Stopp-Taste scheint unauffindbar.

Denk-, Erinnerungs- und Vorstellungsprozesse laufen meist hochautomatisch ab. Wir sind uns ihrer nicht bewusst. In den folgenden Kapiteln möchte ich daher durch eine Mischung aus Erklärungen, Beispielen und Selbsterfahrungsmöglichkeiten Ihr Bewusstsein und Ihr Verständnis für Ihre Gedanken und Denkprozesse schärfen. Es ist hilfreich, wenn Sie die Inhalte mit Ihren persönlichen Erfahrungen verbinden. Beim Lesen und Durcharbeiten dieses Buches können Sie Ihr Bewusstsein und Ihre Aufmerksamkeit trainieren und automatische Gedanken leichter erkennen und durchschauen.

Es ist wie bei einem Waldspaziergang. Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum ersten Mal durch einen Wald. Die Geräusche sind Ihnen fremd, die dicht stehenden Bäume erscheinen Ihnen dunkel und riesig. Dann begegnen Sie einem Förster, der Ihnen die alten Eichen zeigt, die neben den Buchen stehen. Er erklärt Ihnen den Unterschied zwischen Fichten und Tannen. Der Specht ist zu hören und der Förster weist Sie auf die warnenden Rufe des Eichelhähers hin. Plötzlich haben Sie ein größeres Bewusstsein für Pflanzen und Tiere des Waldes entwickelt. Sie hören und sehen erste Zusammenhänge. Der Förster hat Ihr Interesse geweckt und Ihnen Orientierung für die Phänomene und Geschehnisse im Wald gegeben. Sie nehmen von nun an vieles bewusster wahr, wenn Sie durch den Wald gehen. In verwandter Weise geht es genau darum in diesem Buch. Nur ist der Wald hier Ihr Bewusstsein, das Sie für gedankliche Prozesse schulen, für Ihre automatischen Bewältigungsstrategien und Ihre Aufmerksamkeit im Alltag.

DIE PERSPEKTIVE WECHSELN

Ich kann mich gut an den Tag erinnern, als meine Frau und ich während eines Urlaubes plötzlich feststellten, dass unser älterer Sohn verschwunden war. Wir liefen durch das Feriendorf am Meer und begannen zunächst relativ entspannt an seinen Lieblingsplätzen zu suchen. Mit der Zeit wurden wir immer unruhiger. Sorgenvolle Gedanken machten sich breit, dass ihm etwas passiert sein könnte. Nach einer Stunde waren wir extrem besorgt. In meinem Kopf tauchten Bilder und Geschichten von Entführungen auf. Je gestresster wir wurden, desto realer schienen mir diese Bilder in meinem Kopf, in denen er entführt worden war oder einen Unfall im Meer hatte. Der Albtraum schien total real. Angst und Panik machten sich breit. Das Feriendorf hatte jegliches Urlaubsfeeling verloren. Es war ein Ort des Horrors und des Schreckens geworden, an dem mein Kind das Opfer einer Gewalttat oder eines Unfalls geworden war.

Wir entschieden uns, laut seinen Namen rufend durch das Dorf zu laufen. Und irgendwann hörte ich seine helle Kinderstimme. Er kam fröhlich mit ein paar anderen Kindern aus einem Hauseingang. Er hatte mit den anderen in einer Wohnung ferngesehen und uns nicht Bescheid gesagt. Der Albtraum in meinem Kopf zerplatzte wie eine Seifenblase. Es waren nur Fantasien und Gedanken gewesen, glücklicherweise keine Wirklichkeit. Ich konnte sofort erkennen: »Ah, das waren ja nur Gedanken.« Ich hatte die Perspektive gewechselt.

Wenn wir uns hundertprozentig mit unseren Gedanken identifizieren, wenn wir sie für die Realität halten, bezeichnen Psychologen dies auch als Objektmodus. Unser Geist ist gern ein Geschichtenerzähler, der uns eine spannende Story nach der anderen auftischt. Und als wirklich guter Geschichtenerzähler schafft er es natürlich, dass wir voll eintauchen und alles für real und wirklich halten. Wir erleben jedes Detail hautnah. In unserer Vorstellungskraft liegt eine große Fähigkeit. Doch sie hat auch ihre Schattenseiten. Denn leider sind die Geschichten, die uns der Verstand erzählt, meist nicht so unterhaltend wie eine Serie oder eine Komödie. Häufig sind es solche Geschichten, wie ich und meine Frau sie in dem Feriendorf erlebt haben. Viele Verstandes-Geschichten sind mit Ängsten, Unsicherheiten oder Schamgefühlen verbunden. Nicht angenehm.

Als mir klar wurde, dass mein Sohn nur vor dem Fernseher gesessen hatte und alle meine Katastrophenideen bloß innere Bilder waren, die nicht der Realität entsprachen, hatte ich sofort Abstand zu meinen Fantasien. Sie waren nicht real. Mein innerer Geschichtenerzähler hatte einen Horrorfilm gedreht und nun war ich mir dessen bewusst geworden: Es war nur Kopfkino. Auch hierfür gibt es einen Fachausdruck, Psychologen nennen das Entlarven des Kopfkinos den metakognitiven Modus: Wir sind uns dessen bewusst, dass Bilder, Gedanken und Vorstellungen durch unseren Kopf geistern und dass es sich nicht um die Realität, nicht um Fakten handelt.

Im Alltag wechseln wir häufig automatisch vom metakognitiven Modus in den Objektmodus und umgekehrt. Im Laufe dieses Buches werden Sie hingegen trainieren, dies bewusst zu tun. Es kann von Vorteil sein, wenn Sie sich bewusst in den Objektmodus begeben, wenn Sie zum Beispiel eine Präsentation vorbereiten. Sie können sich dann aktiv den Ablauf der Präsentation vor Augen führen und mit Ihrer Aufmerksamkeit und Ihrem Erleben ganz dabei sein. Ähnlich gut passt der Objektmodus, wenn Sie einen Roman lesen oder wenn Sie sich in einem Tagtraum an ein schönes Urlaubserlebnis am Meer erinnern und das wohlige Gefühl von Wind und Sonne auf der Haut erneut spüren. Bei den meisten kreativen Prozessen ist es ebenfalls sehr hilfreich, mental tief einzutauchen.

In anderen Situationen ist besser, sich klar bewusst zu machen: Es sind nur Gedanken. So bei Maja: Wenn sie im Regen Auto fährt, dann erlebt sie immer wieder Ängste und die Fantasie, dass gleich ein Unfall passiert. Vor Jahren hatte sie bei regennasser Fahrbahn tatsächlich einmal einen Unfall, bei dem glücklicherweise niemand verletzt wurde. Für Maja ist es heute wichtig, immer neu zu registrieren, dass in ihrem Kopf bei Regen im Auto Erinnerungen an damals aufkommen. Es sind nur Gedanken, auch wenn es sich sehr bedrohlich anfühlt. Ihr hilft es, bewusst in den metakognitiven Modus zu wechseln.

Im Laufe des Buches können Sie mehrfach üben, sich Ihrer Gedanken bewusst zu werden. Es wird also nicht nur um die Inhalte gehen, sondern immer wieder auch darum, die Perspektive zu wechseln. Es ist, wie wenn Sie einen Thriller sehen und plötzlich bemerken, dass Sie auf Ihrem Sofa sitzen und Lust auf ein paar Chips haben. In dem Moment haben Sie die Verschmelzung mit dem Film verlassen. Sie sind sich der realen Situation bewusst geworden und nachdem Sie Naschnachschub geholt haben, kann das Eintauchen in den spannenden Film weitergehen. Eine solche Bewusstmachung führt Sie bereits an den Freund in Ihrem Kopf heran, den Sie bald besser kennenlernen werden.

ERLEBEN

Gedanken beobachten und begrüßen

Halten Sie einen Moment inne. Registrieren Sie die Gedanken, die gerade in Ihrem Geist auftauchen und vorbeiziehen. Auch die kleinsten Minigedanken, Bewertungen oder Worte. Nehmen Sie diesen automatischen Fluss wahr. Beobachten und begrüßen Sie innerlich diesen kreativen Fluss automatischer Gedanken. Verändern Sie ihn nicht, bemerken Sie ihn nur. Notieren Sie die Gedanken und dann beobachten Sie weiter: Welcher Gedanke kommt als Nächstes?

DENKFORMEN. KONSTRUKTIV ODER BELASTEND

Inzwischen gibt es viele wissenschaftliche Studien zu Denkweisen, die Stress erzeugen und uns belasten, sowie zu Denkweisen, die hilfreich und funktional sind. Gleich am Anfang dieses Buches ist es mir daher wichtig, Ihnen einige Denkformen vorzustellen und herauszuarbeiten, wie man sie unterscheiden kann. Erinnern Sie sich vielleicht an den oben erwähnten Waldspaziergang mit dem Förster. Er hat Eichen von Buchen unterschieden, erklärt, was eine Eibe und was einen Ahorn ausmacht, und dafür bestimmte Erkennungsmerkmale wie Rinde oder Blattform genannt. Ähnlich können wir auch anhand von klaren Erkennungsmerkmalen unterschiedliche Denkformen unterscheiden. Das ist hilfreich, weil wir erst dann entscheiden können, welche davon wir bewusst weiterverfolgen wollen, weil es sich lohnt. Bei anderen Denkweisen hingegen erkennen wir, dass es besser wäre, wann immer möglich in den metakognitiven Modus zu wechseln und auszusteigen.

DENKEN IST ALLTÄGLICH

Denken, das ist zunächst etwas ganz Normales. Unser Gehirn produziert am laufenden Band Gedanken – das automatische Denken. Wir können uns gar nicht entscheiden, ob wir denken wollen oder nicht. Man weiß, dass wir etwa 40 000 bis 50 000 Gedanken pro Tag denken. Kleinste Bewertungen, Assoziationen, Erinnerungen, Vorstellungsbilder, Begriffe, Geschichten – all diese inneren Phänomene bezeichnen wir als Denken. Gedanken tauchen in jeder Situation auf. Sobald Sie einem Menschen begegnen oder einen Raum betreten, tauchen Assoziationen und Bewertungen auf. Beim Geruch von Zimt denken viele von uns an Weihnachten und Plätzchen. Sobald Ihr Handy ein Geräusch macht, taucht sofort eine Gedankenkette auf. So funktioniert unser assoziatives Gedächtnis. Nur ein kleiner Teil unserer Gedanken ist dabei neu. Wir wiederholen in der Regel das, was wir schon kennen oder was uns gesagt wurde. Und so haben wir pausenlos eine Gedankenflut im Kopf. Nicht nur wenn wir wach sind, sondern auch im Schlaf ist unser Geist aktiv und springt von einer Assoziation zur nächsten. Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann unterscheidet zwischen zwei Formen des Denkens: »System 1« beschreibt er als »schnelles Denken«, das hochautomatisch abläuft. Es ist uns oft wenig bewusst und läuft so nebenher. »System 2« hingegen erfordert mehr Anstrengung und Aufmerksamkeit, dieses Denken ist planvoller, bewusster und zielgerichtet. Dieses »langsame Denken« hilft uns, die Steuererklärung fertigzustellen oder Französisch-Vokabeln zu lernen. Es erfordert Aufmerksamkeit und ist an Lernprozessen beteiligt.

Es ist der Job unseres Geistes, in diesen beiden Weisen aktiv zu sein. Wir können mit der Hilfe unseres Denkens Probleme lösen, Brücken bauen, uns in andere Menschen hineinversetzen, Fehler erkennen und korrigieren. Unser Denken kann sich mit dem Lösen eines Schachproblems beschäftigen oder mit der Auswahl eines Urlaubsortes.

WENN DENKEN BELASTEND WIRD

Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden bildhaft sehen, was Menschen denken, wie in den Gedankenblasen von Comics. Wie viele Blasen würden Sie sehen bei Menschen, die wartend an einer Bushaltestelle stehen oder im Zug sitzen? Bei Menschen, die mit ihren Handys oder Tablets beschäftigt sind? Bei Menschen, die mit ihren Sorgen befasst sind? Bei manchen Menschen würde man vermutlich eine ganze Menge Gedankenblasen auf einmal sehen, weil so viele Geschichten und Gedanken durch ihren Verstand drängen. Sehr viele von ihnen sind im Overthinking-Zustand. Das Denken ist für sie zu einer Belastung geworden. Und diese Belastung kann sich vielfältig zeigen.

In den vergangenen Jahren haben die Informationen, die auf uns einströmen, deutlich zugenommen. In jeder kleinen Pause können wir unser Handy zücken und uns auf vielfältige Weise mental beschäftigen. Wir können die neusten Bilder hochladen oder am Leben anderer teilnehmen. Wir können uns vergleichen und bewerten, ob wir mit dem Leben der anderen mithalten können oder nicht. Wir können uns ablenken mit Spielen, Podcasts oder Serien. Es wird auf jeden Fall nie langweilig für unseren Geist. Wir können zu jeder Zeit in irgendeine Geschichte eintauchen.

Aber auch am Arbeitsplatz haben für die meisten die mentalen Anforderungen zugenommen. Wo früher ein Formular genügte, sind heute bestimmt vier notwendig. Auch die Digitalisierung hat an den meisten Arbeitsplätzen zu einer deutlichen Zunahme der Bürokratie geführt. Ökonomisierung, Arbeitsverdichtung und Mental Overload sind die Schlagwörter. Viele Menschen in der Pflege oder Kita, in der Ergopraxis oder im Architekturbüro arbeiten am Limit, getrieben von hohem Zeitdruck und ständigen Unterbrechungen. Wenn die ganze Herde rennt, fällt es dem einzelnen Schaf schwer, langsam zu gehen.