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»Ich muss leider zugeben, dass Machiavelli recht hat.« [Friedrich II.] Der Fürst (italienisch »Il Principe«) wurde um 1513 von Niccolò Machiavelli verfasst. Es gilt als sein Hauptwerk. Es geht in diesem politischen Werk Machiavellis um die Grundfrage: Wie kann man [d.i. der Herrscher, vulgo »Der Fürst«] in einer feindlichen politischen Umwelt erfolgreich sein, also Macht erwerben, sie erhalten und vergrößern? »Der Fürst« gilt als das erste Werk der modernen politischen Philosophie. Machiavelli wollte sich mit dieser Schrift, die er auch Lorenzo de' Medici widmete, bei den Medici, den Herrschenden, einschmeicheln, die ihn zuvor eingekerkert, gefoltert und ins Exil geschickt hatten. Gleichzeitig sah er Italien in Not; aufgerieben in Kleinstaaterei und umgeben von Feinden: Spanien, Frankreich und Deutschland, suchte er in diesem Werk eine Anleitung zur Bewältigung von politischen Krisen zu verfassen. »Wer glaubt, Machiavelli sage, Politik könne man nur mit Gift und Dolch, Lüge und Verbrechen machen, hat ihn gründlich missverstanden.« [Carlo Schmidt] Null Papier Verlag
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Niccolò Machiavelli
Der Fürst
Vom Erringen und Erhalten der Macht
Niccolò Machiavelli
Der Fürst
Vom Erringen und Erhalten der Macht
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Dr. Max OberbreyerÜbersetzung: J. Schulze, A. W. Rehberg 2. Auflage, ISBN 978-3-954185-52-8
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Inhaltsverzeichnis
Buch und Autor
Einleitung
Widmung
1. Verschiedene Arten der Herrschaft, und Wege, zu ihr zu gelangen
2. Von den erblichen Fürstentümern
3. Von vermischten Herrschaften
4. Warum das Reich des Darius nach Alexanders Tode gegen seine Nachfolger nicht aufstand?
5. Wie Städte oder Fürstentümer zu behandeln sind, die vor der Eroberung ihre eigene Verfassung hatten
6. Von neuen Herrschaften, die durch eigene Waffen und Tapferkeit errungen werden
7. Von neuen Fürstentümern, die durch fremde Unterstützung und durch Glücksfälle erworben werden
8. Von Denjenigen, welche durch Verbrechen zur Herrschaft gelangen
9. Vom Volke übertragene Herrschaft
10. Wie die Kräfte der Fürstentümer zu schätzen sind
11. Von geistlichen Fürstentümern
12. Von den verschiedenen Arten der Truppen
13. Von Hilfstruppen
14. Was der Fürst im Kriegswesen zu beobachten hat
15. Wodurch die Fürsten Lob und Tadel erwerben
16. Von der Freigebigkeit und dem Geize
17. Von der Grausamkeit und Milde
18. Inwiefern ein Fürst sein Wort halten muss
19. Verachtung und Hass sind zu vermeiden
20. Ob Festungen und andere Sicherheitsanstalten den Fürsten nützlich oder schädlich sind?
21. Wie ein Fürst sich zu betragen hat, um großen Ruhm zu erwerben
22. Von den Ministern
23. Schmeichler sind zu fliehen
24. Wie die Fürsten Italiens ihre Herrschaften verloren haben
25. Welchen Einfluss das Glück auf die Angelegenheiten der Menschen hat
26. Aufruf, Italien von der Fremdherrschaft zu befreien
Erläuterungen
1.
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5.
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26.
Abschluss
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Ihr Jürgen Schulze
Der Tee der drei alten Damen
Arme Leute und Der Doppelgänger
Der Vampir
Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde
Der Idiot
Jane Eyre
Effi Briest
Madame Bovary
Ilias & Odyssee
Geschichte des Gil Blas von Santillana
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»Ich muss leider zugeben, dass Machiavelli recht hat.« [Friedrich II.]
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Der Fürst (italienisch »Il Principe«) wurde um 1513 von Niccolò Machiavelli verfasst. Es gilt als sein Hauptwerk.
Es geht in diesem politischen Werk Machiavellis um die Grundfrage: Wie kann man (d.i. der Herrscher, vulgo »Der Fürst«) in einer feindlichen politischen Umwelt erfolgreich sein, also Macht erwerben, sie erhalten und vergrößern?
»Der Fürst« gilt als das erste Werk der modernen politischen Philosophie.
Machiavelli wollte sich mit dieser Schrift, die er auch Lorenzo de’ Medici widmete, bei den Medici, den Herrschenden, einschmeicheln, die ihn zuvor eingekerkert, gefoltert und ins Exil geschickt hatten.
Gleichzeitig sah er Italien in Not; aufgerieben in Kleinstaaterei und umgeben von Feinden: Spanien, Frankreich und Deutschland, suchte er in diesem Werk eine Anleitung zur Bewältigung von politischen Krisen zu verfassen.
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»Wer glaubt, Machiavelli sage, Politik könne man nur mit Gift und Dolch, Lüge und Verbrechen machen, hat ihn gründlich missverstanden.« [Carlo Schmidt]
Niemals hat eine politische Schrift so gewaltiges Aufsehen erregt, und so viel gewirkt, als Macchiavellis hochberühmtes Buch vom Fürsten. Der Name des Verfassers ist durch die sogar in Staatsschriften als Kunstausdruck übliche Benennung des Macchiavellismus auch der großen Menge bekannt geworden, die das Buch selbst nicht gelesen hat. Aber unter den Großen und ihren Ministern haben sich viele danach gebildet. Hier glaubten sie das, was sie in einzelnen schlimmen Augenblicken getan, oder noch zu tun Lust hatten, durch zusammenhängende Grundsätze gerechtfertigt zu finden. Die es so benutzten, mögen oft ungehalten darüber geworden sein, dass alles, was sie sich, aber auch nur sich selbst, und als Ausnahme von der Regel erlauben wollten, in allgemeinen Maximen öffentlich aufgestellt, und dadurch Verdacht gegen ihre Absichten erregt ward. Daher ist es am lautesten von denen angeklagt, die am meisten daraus gelernt hatten. Andere Leser sind durch den Widerspruch, in welchem dieser Inbegriff fürstlicher Weisheit mit der gewöhnlichen Moral steht, zu dem Zweifel veranlasst worden, ob das Buch wol im Ernste geschrieben sei? Da sie die Bewunderung, welche der durchdringende Beobachtungsgeist und das treffende Urteil des Verfassers jedem abnötigt, der politische Verhältnisse zu beurteilen vermag, mit ihrem Widerwillen gegen die freche Immoralität, zu welcher seine Grundsätze führen, nicht zu vereinigen wussten, so haben sie geglaubt, Macchiavelli möge wol das vollständige Gemälde der Tyrannei und der Mittel zu ihr zu gelangen, in der Absicht entworfen haben, um den Tyrannen in der verabscheuungswürdigsten Gestalt darzustellen.
Mehrere italienische Schriftsteller haben diese Auslegung sehr früh gemacht, um dem Geschrei zu begegnen, das sich bald nach der öffentlichen Bekanntmachung des Werkes erhob. Die Vermutung erhält einigen Anschein durch den Widerspruch, in welchem die Gesinnungen, welche in diesem Buche herrschen, mit anderen Schriften des Verfassers zu stehen scheinen, und der umso auffallender ist, da das Buch vom Fürsten und die Betrachtungen über den Livius offenbar nicht in ganz verschiedenen Perioden seines Lebens geschrieben sind. Er bezieht sich in jeder derselben auf die andere, und hat sie also, wenigstens späterhin, zugleich wieder überarbeitet. Aber man kann dieser Erklärung durchaus keinen Beifall geben, sobald man das Buch selbst unbefangen liest. Es ist mit solchem Ernste geschrieben, mit solchem Nachdruck, und was noch mehr ist, es enthält auf jeder Seite so viel Wahrheit, dass man das Ganze unmöglich für Ironie halten kann. So treffende Lehren können nicht aus republikanischem Hasse gegen die Tyrannei gegeben sein, damit der Tyrann ins Verberben renne: diesen Zweck hätten sie sicherlich verfehlt! Wer den Verfasser aus der Geschichte kennen gelernt hat, wird auch nicht durch die Erklärung befriedigt, dass er hier die Naturgeschichte der Tyrannei gezeichnet habe, so wie er die Theorie der Republik in den Diskursen über den Livius abhandelt. Macchiavelli war kein gleichgültiger Zuschauer und bloßer Beobachter der politischen Welt. In allen seinen Schriften herrscht ein praktischer Geist. Seine Diskurse beweisen das lebhafteste Interesse an der Erhaltung und der Größe einer Republik. Sie sind ganz im Tone eines Mannes geschrieben, der selbst dazu mitwirken möchte, sie zu errichten oder zu befestigen. Eben so kräftige Ratschläge für den, der sich auf der errungenen Stelle eines Regenten erhalten will, eben so nachdrückliche Empfehlungen der wirksamsten Mittel, eben so lebhafte Verachtung des Zweckwidrigen, findet man in dem Buche vom Fürsten.
Die Auflösung dieses rätselhaften Widerspruchs ist in dem Zustande Italiens und in der Lebensgeschichte des Verfassers zu suchen.1 Man versteht ja überhaupt keinen ausgezeichneten Schriftsteller vollkommen, wenn man nicht eine lebendige Kenntnis von seiner Nation und seinem Zeitalter, und ein feineres Gefühl für ihre Art zu empfinden, aus den einheimischen Geschichtschreibern erlangt hat, welche selbst die Gesinnungen ihrer Nation teilen, und nicht bloß die Handlungen der Menschen, sondern ihre Quelle, die eigentümliche Gemütsart, darstellen. Aus solchen erhält man eine ganz andere Einsicht in den Zusammenhang der Begebenheiten, als aus der genauesten und sorgfältigsten Erzählung eines Fremden.
Die italienische Nation zeichnet sich durch eine ungemeine Lebhaftigkeit aller Empfindungen und Leidenschaften aus, die ihren Gegenstand mit dem Feuer unauslöschlicher Begierde ergreift, und nie ablässt. So wie man von den Franzosen nicht ohne Grund sagt, dass sie aus allem Ernste Scherz machen, und dadurch so oft selbst ein Spiel ihrer eigenen witzigen Laune werden, so machen die Italiener aus allem Scherze Ernst. In allen Handlungen der Franzosen erscheint ein feines und unaufhörlich reges Ehrgefühl als die herrschende Triebfeder. Dieses zeigt sich in den schlechtesten, wie in den vorzüglichsten Individuen der Nation, auf verschiedene Art, aber immer gleich stark. Alle französischen Raisonnements über sittliche Gegenstände erhalten dadurch eine ganz eigene Farbe, und in der Geschichte des Volks spielt es die Hauptrolle. Aus der Verbindung dieses äußerst reizbaren Ehrgefühls, und der seinen Beobachtung aller Konvenienzen des Augenblicks, worin die Franzosen allen anderen so sehr überlegen sind, mit ihrer launigen Gemütsstimmung, entspringt eine Versatilität, von der man in der Geschichte der Italiener keine Spur findet. Diesen kommt es immer auf die Sache an, die sie wollen. Die bürgerlichen Unruhen, die ganz Italien so viele Jahrhunderte lang zerrissen haben, wären durch bloße Begebenheiten und Zufälle nicht so lange unterhalten. Ihr Charakter ist wesentlich verschieden von dem Faktionsgeiste 2 in der französischen Geschichte. Mit der Tenazität3 der Italiener ist eine tiefe Verschmitztheit nahe verwandt, die mit der Falschheit eines versatilen Menschen, der sein Vergnügen daran findet, mit anderen zu spielen, und schon dadurch befriedigt wird, wenn er sie äfft, durchaus keine Ähnlichkeit hat. Es ist bekannt, dass nichts in der Welt mit der Politik des römischen Hofes verglichen werden kann, und dass die geistliche Intrigue, als ein zusammenhängendes System die Zwecke der Herrschsucht zu erreichen, für das vollkommenste Erzeugnis des menschlichen Geistes in seiner Art angesehen werden muss. Dies Meisterstück eines feinen und dauerhaften Gewebes konnte nur in Italien zu Stande gebracht werden, und hat wieder einen großen Einfluss auf die Denkungsart der italienischen Staatsmänner gehabt, die ihre Aufmerksamkeit unaufhörlich auf den päpstlichen Stuhl richten mussten, welcher durch seine Bemühungen, die christliche Kirche zu beherrschen, zugleich mit in alle weltlichen Händel von Italien verwickelt ward.
In diesem ganzen Lande ist von Alters her ein republikanischer Geist verbreitet gewesen, und hat viele Jahrhunderte lang einen unaufhörlichen Kampf mit der Herrschsucht einzelner Häupter geführt, die in den inneren Bewegungen übel geordneter Gemeinden die Mittel fanden, sich zu erheben.
Unter der großen Zahl italienischer Republiken war allein Venedig schon früh zu einer festen Verfassung und inneren Ruhe gelangt. In allen übrigen verfolgten und vertrieben einander Parteien: eben so wie vormals in den griechischen Freistaaten einzelne Geschlechter mit ihrem Anhange, und Faktionen, von Optimaten, von Bürgern, und von kleinem Volke, alles unter einander kämpfte, und sich wechselsweise austrieb. Solchem inneren Zwiste war ganz vorzüglich das Vaterland des Macchiavelli unterworfen; eine der stürmischsten Republiken, die jemals existiert haben.
Die Geschichte der letzten hundert Jahre, wo Florenz als Freistaat bestand, von 1432 an, da Cosmus der Große von Medici zurückberufen ward und die Leitung aller öffentlichen Angelegenheiten ergriff, bis zu der endlichen Ernennung eines seiner Seitenverwandten, Cosmus des Ersten, zum Herzog, im Jahre 1536, gehört zu den interessantesten Partien der ganzen Weltgeschichte. Vorzüglich ist die letzte Hälfte dieses Zeitraums äußerst lehrreich, wegen der mannichfaltigen Abwechselungen der Verfassung, die beinahe zu allen Lehrsätzen der Politik Beispiele wirklicher Erfahrung bieten.4
Florenz war während des fünfzehnten Jahrhunderts durch das überwiegende Ansehen zweier Männer aus dem Hause Medici beruhigt, und in die Zeiten des letzteren von ihnen fiel Macchiavellis Jugend. Cosmus der Große und Lorenzo, sein Großsohn, hatten als einfache Bürger die Angelegenheiten ihres Vaterlandes geleitet, und großen Einfluss auf das Schicksal von ganz Italien gehabt. Macchiavelli kannte den ganzen Umfang ihrer Talente und Verdienste: er redet von ihnen mit Wärme und mit dem Wohlgefallen, welches niemand, ungeachtet aller Verschiedenheit der Grundsätze und Gesinnungen, Demjenigen versagen kann, durch welchen das Vaterland zu Ehre, Macht und Reichtum gelangt ist. Die Größe des letzten von jenen beiden ausgezeichneten Männern hatte Macchiavelli selbst noch gesehen. Er war etwas über zwanzig Jahre alt, als Lorenzo von Medici starb, dessen Tod allgemein als die Epoche angegeben wird, mit welcher die Zeit des Genusses und des Ruhms aufhörte, und eine endlose Reihe von Unglück und Elend begann, das der Ehrgeiz fremder Monarchen, die unverständige und leidenschaftliche Herrschsucht einheimischer Großen, der unbändige Geist kühner Abenteurer und schamloser Emporkömmlinge über Italien gebracht hatten, »Mit dem Tode Lorenzos von Medici fing der Same des Übels an aufzugehen, wodurch, da niemand mehr lebte, der ihn auszurotten verstand, Italien zu Grunde gerichtet ist, und noch immerfort zu Grunde gerichtet wird.« Mit diesen Worten schließt Macchiavelli seine florentinische Geschichte. Guicciardini beginnt seine Geschichte von Italien mit derselben Bemerkung. Die Schriftsteller aller Parteien stimmen darin überein.
Nach des großen Mannes Tode ward sein unfähiger Sohn Piero mit seinen vornehmsten Anhängern vertrieben. Achtzehn Jahre lang war Florenz ein Spiel republikanischer Unruhen. Die Republik, die unter der Leitung des Lorenzo auf die Verhältnisse der großen Mächte von Europa so großen, oft entscheidenden Einfluss gehabt hatte, ward mit allen übrigen italienischen Staaten in den allgemeinen Strudel hineingezogen, den der Ehrgeiz der französischen Könige erregte. Von den Heereszügen Karl des Achten und Ludwig des Zwölften ward ganz Italien wie von Meereswellen verschlungen. Während dieser Periode war Macchiavelli Staatssekretär der florentinischen Republik, und mehr als zwanzig Mal Gesandter an großen und kleinen Höfen, in den wichtigsten Angelegenheiten. Diese Aufträge führten ihn zu intimen Verhältnissen mit den mächtigsten Männern der Zeit: unter anderen mit dem Pandolfo Petrucci, der sich in Siena vom Führer einer Partei bis zum Oberhaupte des Staats emporgeschwungen hatte, und denselben von 1487 bis an seinen Tod, 1512, ungefähr durch Künste, wie sie Macchiavelli lehrt, fast unumschränkt beherrschte. Dieser Petrucci hatte den Anfang seiner Größe damit gemacht, zwei der wichtigsten Personen der Gegenpartei aus dem Wege zu räumen, und ließ darauf seinen eigenen Schwiegervater, den Giovanni Borghese, einen sehr angesehenen und wegen seiner Gelehrsamkeit berühmten Mann, dessen Einfluss er fürchtete, ebenfalls ermorden. Er hielt es seinem Interesse angemessen, sich mit den Florentinern zu verbinden, und überließ ihnen Monte Pulciano, über dessen Besitz sie mit den Sienesern in einen alten Streit verwickelt waren. Bei der politischen Freundschaft zwischen dem Pandolfo und dem damaligen Gonfaloniere Piero Soderini, war Macchiavelli nicht allein der Mittelsmann, sondern er unterhielt auch selbst eine genaue Verbindung und freundlichen Briefwechsel mit dem Tyrannen von Siena, wie der Geschichtschreiber desselben5 ausdrücklich bemerkt. Die Medici wurden 1512 in Florenz wieder eingeführt. Gleich im ersten Jahre entspann sich eine Verschwörung gegen sie, deren Häupter Nicolo Valori und Giovanni Folchi, mit dem Leben büßten. Macchiavelli geriet als Teilnehmer in Untersuchung, ward gefoltert und verbannt, bald darauf aber von der Familie, welche die Oberhand behalten hatte, wegen seiner großen Talente gesucht. Nicht volle zwei Jahre darauf zog ihn Papst Leo X. durch seinen Freund, den gemeinschaftlichen Landsmann und florentinischen Gesandten zu Rom, Vettori, über die verwickelten Angelegenheiten Italiens, und über die Verhältnisse zu den fremden Mächten, welche er als Staatssekretär der Republik und als Gesandter so genau kennen gelernt hatte, zu Rate, wie aus den Briefen des Vettori erhellt. Aber noch näher als alles dieses lag dem Macchiavelli die Frage, wie die Medici das wieder erlangte Übergewicht in ihrem Vaterlande benutzen würden?
Die Ahnherrn ihres Geschlechts hatten, wie gesagt, als einfache Bürger die öffentlichen Angelegenheiten desselben aus ihrem Kabinet geleitet, ohne die äußere Dekoration einer höheren Würde zu verlangen. Aber die Zeiten hatten sich geändert. In Frankreich, in Spanien, in Deutschland hatten sich seit Kurzem kräftige Monarchien erhoben. Italien hingegen ward von inneren Zwistigkeiten zerrissen. Insbesondere war Mittelitalien voll kleiner Herren, die sich alles erlaubten, um zu der höchsten Gewalt in ihrer Vaterstadt, und zu der Herrschaft über kleine Distrikte umher, zu gelangen. Mehrere Päpste hatten mit einigem Erfolge gesucht, in ihren Familien Herrschaften zu gründen, die dahin führen konnten, die italienischen Freistaaten und Fürsten zu einem Bunde unter Leitung eines angesehenen Oberhauptes zu vereinigen. So hatte sich das Haus della Rovere durch zwei Päpste, Sixtus den Vierten und Julius den Zweiten, aus dem Staube zu der herzoglichen Würde von Urbino emporgeschwungen. Mit größerem Nachdrucke hatte Alexander der Sechste seinen Sohn Cäsar Borgia zu einem gefürchteten Herrn in Romagna gemacht. Leo der Zehnte konnte seinen Verwandten noch mit ganz anderer Kraft unterstützen, als Alexander den seinigen. Denn was der Spanier Borgia bloß durch sein päpstliches Ansehen zu Stande bringen musste, das unternahm Leo mit dem ganzen Gewichte des Hauses Medici, welches im mächtigen und reichen Florenz so tiefe Wurzeln geschlagen hatte. Ein Kind seiner Zeit war er nicht damit zufrieden, seinem Geschlechte die Lage im Vaterlande zu sichern, in der sich seine Vorfahren befunden hatten. Der große Lorenzo war schon von der Lebensart derselben etwas abgewichen: er hatte sich mit einer Prinzessin Orsini vermählt, und seinen Reichtum angewandt, Landgüter zu kaufen, die mehr der Grundlage eines Fürstentums, als Privatbesitzungen eines Bürgers glichen. Leo X. machte seinen Neffen Lorenzo zum Herzoge von Urbino, und legte es darauf an, diesem und nach ihm immer dem Haupte der Familie einen Anteil an der Regierung von Florenz zuzuwenden, der in seinem Umfange und in der Art der Ausübung einige Ähnlichkeit mit der Herrschaft hatte, die Augustus in Rom nach der Auflösung der Triumvirate führte.
Lorenzo ward Oberhaupt der Kriegsmacht, und führte den Titel: Il Magnifico (der Prächtige). In den öffentlichen Angelegenheiten durfte nichts ohne seine Genehmigung geschehen. Dennoch bestanden alle republikanischen Formen, und er überließ die gesamten Stellen in der Verwaltung Bürgern, die jedoch nur unter seinem Einflusse gewählt wurden. Im Wesentlichen war es eben so schon damals zugegangen, als seine großen Vorfahren regierten. Seit undenklichen Zeiten war aus republikanischer Eifersucht die obrigkeitliche Gewalt nur auf wenige Monate verliehen. Jahrhunderte lang bildeten bald acht, bald zehn, bald zwölf Personen, unter dem Titel: »Priori dell’ arti«, »Priori della Libertà«, »Otto della pratica«, oder anderen Namen, den obersten Rat der Republik, der unter dem Vorsitz des Gonfaloniere meist alle zwei Monate wechselte. Die Personen, welche bestimmt waren, nach und nach einzutreten, wurden von einem Ausschusse von Bürgern auf eine Reihe von Jahren im Voraus gewählt. Diesen Ausschuss aber setzte die mächtigste Partei des Augenblicks, die sich unter dem Namen »balia« eine außerordentliche Gewalt anmaßte, willkürlich zusammen. Bei diesem beständigen Wechsel der Staatsbeamten ward eine geheime Direktion der öffentlichen Angelegenheiten notwendig. Diese ging lange von dem Kabinette der Medici aus, und eben in jenen unaufhörlichen äußern Veränderungen, wodurch die Verfassung den Anschein einer Demokratie erhielt, lag ein Mittel, das Ansehen der Familie zu befestigen, welche sich durch ihren Reichtum, ihre Verwandtschaften, den Verstand und die Regierungsweisheit einiger ausgezeichneten Häupter, einen so großen Anhang gemacht hatte. So oft die Medici nach einem kurzen Exil in ihr Vaterland zurückgekehrt waren, hatten sie die republikanischen Formen, die sie für sich selbst so vorteilhaft fanden, beschützt. Es scheint, Leo X. wollte ungefähr auf gleiche Art sein Vaterland beherrschen. Aber der ehrgeizige eitle Neffe, der mehr auf seinen Vater, den Piero, der wegen seines unverständigen Leichtsinns vertrieben war, als auf seinen weisen Großvater Lorenzo artete, verlangte mehr. Macchiavelli, der ihn daran nicht hindern konnte, der weder in Florenz eine Partei hatte, die mächtig genug gewesen wäre, die Republik herzustellen, noch Einfluss genug auf den Papst, um die Angelegenheiten seines Vaterlandes auf diesem Wege zu leiten, wandte sich an den neuen Herzog von Urbino und gab ihm in dem Buche, welches er ausdrücklich für diesen Zweck schrieb, Ratschläge, wie er sich zum Herrn machen und wie er die Herrschaft behaupten könne. Von seiner persönlichen Verbindung mit diesem Fürsten ist übrigens nichts Näheres bekannt. Sein ganzes Leben in dieser Zeit ist beinahe noch völlig im Dunkeln.
Der frühe Tod des Herzogs von Urbino unterbrach 1519 die Pläne, die Macchiavelli auf den unternehmenden Geist desselben gebaut haben mochte; nun benutzte er seine Verbindung mit dem Papst Leo, diesem einen Entwurf vorzulegen, wie Florenz durch eine neue Verfassung beruhigt werden könne, indem die Liebe der Einwohner zur Republik befriedigt, und zugleich dem Papst Leo ein dauernder Einfluss auf dieselbe für die Zeit seines Lebens gesichert würde. Diesen Entwurf wird jeder, der die Geschichte von Florenz seit dem Tode des großen Lorenzo, die Parteien, die das Gemeinwesen zerrissen, ihre Wünsche und die Bedürfnisse des Staats aus den Quellen kennen gelernt hat, für ein Meisterstück erkennen. Der Verfasser desselben hatte nicht die Befriedigung, seine Ideen ausgeführt zu sehen, die vermutlich dem Ehrgeize der Medici noch nicht genug einräumten.
Lorenzo war so jung gestorben! Papst Leo folgte ihm bald darauf in seinen besten Jahren. Dennoch entstand keine Veränderung in der Lage des florentinischen Staates. Das Schicksal rief viele Generationen hindurch die einzelnen Häupter der Medici frühzeitig ab: der Familie hatte es die Herrschaft von Florenz bestimmt. Seit dem großen Cosmus war kein bedeutender Medici fünfzig Jahre alt geworden; aber so oft einer aus diesem Hause den Schauplatz verließ, trat allemal ein anderer wieder auf, freilich mit sehr verschiedenem Maße von Talenten ausgerüstet, und mit abwechselndem Glücke. Jetzt traf die Reihe den Julius, der zuerst als Kardinal und bald darauf als Papst Clemens der Siebente Haupt der Familie ward. Von ihm hing nunmehr das Schicksal der Republik ab. Eine Partei, die aus den vorzüglichsten jungen Männern von Florenz bestand, mit denen Macchiavelli in der intimsten Verbindung lebte, und zu deren Belehrung er seine Betrachtungen über den Livius geschrieben, die zweien derselben, dem Zanobi Buondelmonti und Cosimo Ruccellai, zugeeignet sind, – dieser Club, der von den Gärten Ruccellai, wo er sich versammelte, benannt ward, machte Pläne zu einer Herstellung der Republik, die dem Kardinale Giulio vorgelegt wurden. Die Hoffnung, die man auf seine anscheinende Mäßigung gebaut hatte, ward vereitelt. Er bewies auch hier die furchtsame verschlossene Falschheit, die sein ganzes Leben charakterisiert. Er hatte nie die Absicht gehegt, zu willfahren, oder er änderte seine Entschließung, als er sah, wohin die Pläne, die man ihm angab, führen würden. Aber der Patriotismus jener Freunde der Freiheit war ernstlich gemeint. Sie machten (1523) Anstalt, ihren Entwurf mit Gewalt auszuführen, und den Kardinal, der im Wege stand, wegzuräumen. Die Verschwörung ward entdeckt. Luigi Alamanni und Jacopo da Diaceto verloren das Leben auf dem Blutgerüste. Zanobi Buondelmonti, ein anderer Ludovico Alamanni, (dem Macchiavelli sein Leben des Castruccio Castracani zugeeignet hat), Batista della Palla, Anton Bruccioli und einige ihrer Anhänger geringeren Standes wurden verbannt. Macchiavelli war ebenfalls in diese Unternehmung verwickelt: er entfloh.6 Die Medici fühlten sich noch nicht stark genug, den republikanischen Geist der Florentiner zu unterdrücken: sie versuchten es, ihn einzuschläfern, indem sie die letzten Vorfälle möglichst geschwind vergessen ließen. Der Kardinal fürchtete Erbitterung zu erregen, die seinen Absichten auf den päpstlichen Stuhl hinderlich gewesen wäre. Als er diesen ein Jahr darauf wirklich bestieg, suchte Macchiavelli sich wieder an ihn anzuschließen, und erhielt Aufträge von Wichtigkeit, von ihm und von der florentinischen Regierung. Wenige Jahre darauf erlaubten die Umstände noch einen Versuch zur Wiederherstellung der Republik zu machen. 1527 wurden die Medici aufs Neue vertrieben und die Freiheit proklamiert. Macchiavelli erschien sogleich in seiner Vaterstadt. Allein die Bemühungen seiner Freunde Zanobi Buondelmonti und Luigi Alamanni, ihn in den Rat von zehn Männern wählen zu lassen, dem die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten übergeben werden sollte, wurden durch die allgemeine Abneigung vereitelt, die das Volk gegen den Ratgeber der Medici und den Verfasser des Buchs vom Fürsten gefasst hatte. Vergeblich suchte er die Schrift zu unterdrücken, welche seine Gesinnungen so verdächtig machte.7 Der Verdruss über die fehlgeschlagenen Versuche, sich wieder zu heben, hatte vermutlich Anteil an seinem Tode, der bald darauf erfolgte.
Die Republik, die der Enthusiasmus des Volks unter günstigen Umständen errichtet hatte, unterlag nach zwei Jahren der vereinten Macht des Papstes und des Kaisers. Nachdem Clemens der Siebente sie durch Unterstützung Karl des Fünften bezwungen hatte und mit ihr nach Gefallen walten konnte, erneuerten die Freunde des Macchiavelli zum letzten Male ihre Bemühungen. Sie baten den Papst, neben der ersten Stelle in der Republik, die er seinem angeblichen Neffen Alessandro zuwenden wollte, die Hauptzüge einer republikanischen Verfassung bestehen zu lassen, welche schon Macchiavelli dem Papste Leo X. empfohlen hatte. Das Wesentliche dieses Entwurfs, wodurch die Bürger einen wirklichen Anteil an der Verwaltung des Staats erhalten hätten, verwarf Clemens: den Anschein behielt er anfangs bei, nahm bald aber auch dieses Schattenbild eines Gemeinwesens weg. Alessandro ward 1531 unumschränkter Herr, und genoss seine Größe als ein echtes Kind des Glücks, das weder durch Talente, noch durch eigene, seien es rühmliche, seien es ruchlose Unternehmungen, sondern bloß durch die Macht eines anderen erhoben war. Mit Dirnen und Buhlknaben, wie Tacitus vom Domitian sagt, spielte er den Fürsten, zog Schmausereien und Maskenbälle fürstlichen Beschäftigungen vor, zu denen es ihm mehr an Lust als an Geschicklichkeit fehlte, und erhielt nach fünf Jahren von einem Vetter Lorenzino von Medici den Lohn seiner Nichtswürdigkeit, ohne dass dieser Mord den florentinischen Republikanern zu Gute gekommen wäre. Ein anderer Medici, Cosmus, ward 1536 zum Herzoge ausgerufen, und nach einem Siege über die republikanische Partei, die sich zum letzten Male unter Anführung des Filippo Strozzi erhob, wirklicher Beherrscher von Florenz. Dieser beruhigte endlich das Volk: er bezähmte die Widerspenstigen, besänftigte die Gemüter, lähmte jede gefährliche Kraft, schmeichelte dem Talente, beschenkte, versorgte, ehrte alle, die berechtigte oder unberechtigte Ansprüche machten;8 und erstickte damit das ganze Geschlecht vorzüglicher Männer aller Art, wodurch Florenz bis auf seine Zeiten als der hellste Stern in der neueren Geschichte der Kultur des menschlichen Geistes geglänzt hatte.
In die Mitte dieser Periode fällt das Leben des Macchiavelli (von 1469 bis 1527). In der an Talenten, Künsten und Wissenschaften aller Alt reichen Stadt, in einem Volke, das sich durch den lebhaftesten Verstand und die heftigsten Leidenschaften auszeichnete, unter den Stürmen einer unsicheren Verfassung und den häufigen Katastrophen derselben war er selbst unaufhörlich tätig. Die Geschäftswelt hatte ihn gebildet. Der eigenen Erfahrung verdankte er es, dass er aus den großen Schriftstellern des Altertums mehr lernte, als andere darin finden. Sie gab seinem Urteile über die frühere Geschichte und über die Ereignisse seiner Zeit die treffende Schärfe, die man immer mehr bewundert, je mehr man seine Bemerkungen mit dem vergleicht, was seinem Vaterlande nach seinem Tode widerfuhr. Die Verhältnisse, in die er verwickelt war, hatten ihm das Innere der Republiken und die Geheimnisse der Fürsten aufgedeckt. Er verstand sich auf die Politik jeder Partei. Man findet ihn aber auch in den entgegengesetztesten Faktionen.
Er liebte die Verfassung, in der er geboren und so lange Zeit auf die glänzendste Art tätig gewesen war. Aber er mochte wol in gewissen Augenblicken daran verzweifeln, eine dauernde Republik in Florenz hergestellt zu sehen. Er zeigt selbst im siebzehnten Kapitel des dritten Buchs seiner »Discorsi«, dass ein verdorbenes Volk sich schwerlich bei der Freiheit erhalten könne; und im folgenden Kapitel, dass es eben so schwer sei, die verlorne Freiheit wieder herzustellen. Er sagt es gerade heraus, einem solchen Volke sei es besser, dass sich seine Staatsverfassung der Alleinherrschaft eines Einzigen nähere: und die Anwendung auf sein Vaterland liegt nahe genug!
Im Anfange des siebenten Buchs seiner Geschichte bemerkt er, dass die inneren Uneinigkeiten das Leben der Republiken ausmachen, und ihre Stärke vermehren, so lange sie nicht in Anhang einzelner Häupter oder Familien ausarten; sobald aber dieses eintritt, den Staat schwächen und das Wesen der Republik vernichten. In Florenz, sagt er selbst, waren alle inneren Zwistigkeiten von dieser verderblichen Art. »Daher wissen die Florentiner die Freiheit nicht zu behaupten, und können die Knechtschaft nicht ertragen.«
In der Tat, wenn man die innere Geschichte von Florenz überdenkt, deren letzte Katastrophen oben angegeben sind, so findet man, dass die Republik in den schlechten Zeiten nur elende Anarchie, in den besseren maskierte Monarchie gewesen war.
Von der früheren Zeit sagt Macchiavelli im Anfange des dritten Buchs seiner Geschichte: »Die inneren Uneinigkeiten, welche in Rom Wetteifer und Streit erregten, sind in Florenz sehr frühe in Faktionen und inneren Krieg ausgeartet. In Rom veranlassten sie neue Gesetze, um abzuhelfen: in Florenz endigten sie stets mit Mord und Verbannung angesehener Bürger. In Rom dienten sie dazu, dass einzelne große Häupter sich erhoben. In Florenz haben sie alles gleich gemacht. In Rom wollte das Volk der größten Ehren gleich dem Adel teilhaft werden. In Florenz wollte es ausschließlich herrschen. Die neuen erzwungenen Gesetze waren daher ungerecht gegen den Adel. In Rom wurden die Niedriggebornen immer edler und fähiger, die Stellen zu bekleiden, nach denen sie strebten. Durch ihre zunehmende Kraft und Talente ward der Staat groß. In Florenz wurden die Edlen aus den öffentlichen Ämtern vertrieben, und mussten dem niedrigen Volke gleich werden, um zu jenen zu gelangen. Die edlen Eigenschaften, wodurch die Männer aus dem Volke in Rom den Edelgebornen gleich zu werden trachteten, wurden in Florenz auch im Adel ausgelöscht. So ward der Staat immer niedriger und verächtlicher. So wie Rom durch den Übermut der Bürger dahin geriet, dass es nicht mehr ohne einen Herrn bestehen konnte, so kam es mit Florenz dahin, dass jede Verfassung durch eine geschickte Hand aufgedrungen werden konnte.«
Die alten Zwistigkeiten des Adels mit dem Volke, von denen Macchiavelli hier redet, endigten um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts mit der Tyrannei des Herzogs von Athen,9 der den Florentinern durch neapolitanische Waffen aufgedrungen ward. Aber nach der Vertreibung desselben teilte sich das Volk aufs Neue in Faktionen der Bürger und des gemeinen Pöbels, welche abermals den Staat zerrissen, bis die Familie Medici im fünfzehnten Jahrhunderte mächtig genug ward, ihm Festigkeit und innere Ruhe zu geben, die jedoch von Zeit zu Zeit durch gewaltsame Katastrophen unterbrochen ward. Als dieser Zustand 1492 mit dem Tode des Lorenzo von Medici endigte, und das ganze Geschlecht desselben vertrieben ward, lebte der demokratische Geist wieder auf. Aber in einem Staate, in dem man so wenig Bürgergeist, dafür desto mehr Parteiwut kannte, war es nicht möglich, einen dauerhaften Zustand zu begründen. Die Familie der Medici, welche sechzig Jahre lang (von 1432 bis 1492) mit so großem eigenen Ruhme ihr Vaterland zu Größe, Ehre und Ruhm geführt, und innerlich einigermaßen ruhig gehalten hatte, konnte dies nur dadurch bewirken, dass sie den Staat durch eine Partei regierte, die sich hinter republikanische Formen versteckte, ohne dem Volke wahren Anteil an der Verwaltung zu verstatten. Sie hatte beständig, wie man sich in unseren Tagen ausdrücken würde, eine Art von revolutionärer Regierung geführt. Sie behaupteten nämlich, wie Macchiavelli ihnen vorwirft, dass Florenz nicht anders regiert werden könne, als durch eine von fünf zu fünf Jahren zu wiederholende außerordentliche Maßregel, (»Ripigliar lo Stato« genannt), wodurch die gefährlichen Bürger willkürlich aus der Stadt oder von öffentlichen Ämtern entfernt, diese aber eben so willkürlich mit Hintansetzung aller vorgeschriebenen Formen besetzt wurden: das heißt, sagt Macchiavelli, alle fünf Jahre den Schrecken und die Furcht erneuern, wodurch das erste Mal diejenigen Menschen in die Flucht geschlagen waren, welche, mit den Medici zu reden, schlecht gehandelt hatten.
Wahrlich, eine schöne Republik, in welcher die Formen, Gleichheit und Teilnehmung so vieler Bürger an den öffentlichen Angelegenheiten vorspiegeln, in der Tat aber eine Familie unumschränkter herrscht, als ein Fürst nur immer könnte; wo diese Familie um desto eifersüchtiger alle entfernt, deren Ansprüche sie fürchtet, weil sie das öffentlich anerkannte Recht allezeit gegen sich hat! Cosmus ist ein großer Mann, Lorenzo ein noch größerer Mann gewesen. Aber ist der Staat frei zu nennen, wo solche Männer ausschließlich regieren, und die anderen alten Geschlechter angesehener reicher Bürger, in der Verzweiflung ihr Recht nicht durchsetzen zu können, zu verräterischen Anschlägen ihre Zuflucht nehmen?10 Wo die Soderini sich herablassen müssen, Clienten zu werden, und den Pazzi, unterdrückten Nebenbuhlern, nur Meuchelmord übrig bleibt, um sich Luft zu machen: wo daher selbst ein Mann wie Lorenzo von Medici seines Lebens nicht sicher ist!
So dachte Macchiavelli über die Verfassung seines Vaterlandes vor dem Exile der Medici: das beweist der ganze Ton aller seiner Schriften, in denen er von den großen Männern aus jenem Hause stets mit Lobe redet, ihre Nebenbuhler und die Verschwörungen gegen sie nie tadelt.