Der geheimnisvolle Sekretär - Wilotte Wiegand - E-Book

Der geheimnisvolle Sekretär E-Book

Wilotte Wiegand

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Beschreibung

Voller Wut und Verzweiflung drückt Helmut den Hörer auf die Gabel und lehnt sich wutschnaubend im Stuhl zurück. "Die Frauen denken wohl, sie können alles mit uns Männern machen…!" Es ist ihm, als würde jede Zelle seines Körpers vor Enttäuschung schmerzen. Und Daniela hat kummervoll erkannt, in welcher Weise ihr geliebter Freund das Gespräch abgebrochen hat. "Das darf nicht sein!", denkt auch sie voller Verzweiflung. "Er muss doch gespürt haben, dass ich ihn wirklich liebe. Wie kann er denn an meiner Liebe zweifeln?"

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Wilotte Wiegand

Der geheimnisvolle Sekretär

Liebe ist mehr als Glaube

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

Impressum neobooks

1. Kapitel

Der Alte aus dem Wald, wie er in der Umgebung der Bucha-Kapelle nur genannt wurde, ist mit Geld in der Jacke in seine Stamm-Wirtschaft gegangen. Schließlich hat er endlich Bargeld in der Tasche und das kam nicht oft vor! Der Alte war irgendwie verwahrlost oder sogar etwas schmuddelig gekleidet. Sein Bart scheint seit Wochen kein Messer mehr gespürt zu haben. Aber der abgegriffene aber breitkrempige, lederne Hut schien irgendwie zu dem Alten zu passen.

Schnell sind an der Bar ein paar Bier getrunken und dem Alten überkommt eine wohlige Stimmung, als der Alkohol langsam von seinem Verstand Besitz ergreift.

Der Wirt kennt seine Kundschaft und beäugelt den Alten mit vorsichtigen Blicken. Er weiß natürlich, dass der Alte normalerweise Schwierigkeiten hat, sein Bier zu bezahlen. Und dann mit einem Anflug von Erstaunen sieht der Wirt, wie der Alte Geld aus seiner Jacke zieht.

Mit einem gewissen Ansatz von Stolz legt zum Erstaunen des Wirtes der Alte einen 20 Euro Schein auf die Theke, um sein Bier zu bezahlen. Das Wechselgeld wird mit einer gewissen Lässigkeit auf der Bar zurückgelassen.

Leicht betrunken, aber erhobenen Hauptes verlässt der Alte dann das Lokal, nicht bemerkend, wie der Wirt mit erstaunten Blicken ihn hinterher schaut.

Der Heimweg des Alten führt ihn in den Wald, vorbei an der Bucha-Kapelle. Eine kleine Kapelle am Rande des Waldes, zu der er mit seinen Eltern oft Wallfahrten gegangen ist und für die er nun eine bedeutungsvolle Verantwortung trägt. Aber heute scheut er sich, diese Kapelle zu betreten.

Mit eiligen Schritten will er sich vorbeimogeln. Er fühlt sich trotz der leichten Bierlaune nicht gut. Aber es gelingt ihm nicht, die Kapelle zu ignorieren.

Irgendetwas treibt ihm, in die Kapelle hineinzugehen und sich vor dem Kreuz niederzuknien.

Und wie ein gewaltiger Blitz, begleitet von einem mächtigen Donnerschlag, fällt ihm der frevelhafte Verkauf des Sekretärs aus seiner Kapelle in sein vom Bier vernebeltes Hirn.

„Mein Gott!“, murmelt er. „Mein Gott, was habe ich getan?“ und traut sich dabei nicht, den Herrgott am Kreuze ins Gesicht zu schauen!

Die Erinnerungen der letzten Nacht fallen in seine Gedanken wie Hammerschläge.

„Mein Gott!“, murmelt er ein ums andere Mal, „ich hab` unsern Sekretär verscherbelt…!“

Der Alte senkt sein Haupt von aufkommender Scham und spricht mit stotternden Worten zu seinem Gott: „Mein Gott! Ich woaß dass i di a sehn ko...!“

Und weiter: „Gott…, die Handschrift der Alten...!“

Und plötzlich reißt es den Alten von seiner Bank und mit einem lauten, verzweifelten Schrei rennt er aus der kleinen Kapelle und ist schnell in dem nahen Wald verschwunden.

Irgendwann reißt er seinen Gürtel aus der Hose und bleibt unter einem Baum stehen.

Mit wilden Blicken schaut er rechts und links und meint, in Richtung der Kapelle drei dunkel gekleidete Männer stehen zu sehen. Aber nicht, dass diese Männer sein verzweifeltes Treiben unter dem Baum beobachten können.

„Mein Gott!“, stöhnt der Alte verzweifelt auf. „Jetzt will mich der Teifi hol´n!“

2. Kapitel

Zwei Tage zuvor erhält ihrem Büro Daniela Geiger, die für die Verwaltung der kleinen Gemeinde im Bayerischen Wald zuständig ist, dort, wo der Wald in den Böhmerwald übergeht, Besuch von Guido Montana. Die junge Frau schaut lächelnd auf den Besucher. Natürlich kennt Daniela alle Bewohner des kleinen Ortes und weiß, dass Guido 68 Jahre alt ist und seit etwa 30 Jahren in diesem kleinen Ort lebt.

„Grüß dich, Guido! Was führt dich zu mir?“

Der so freundlich Angesprochene grüßt ebenso liebenswürdig zurück und setzt sich auf den freien Stuhl vor dem Schreibtisch. Daniela hat das Gefühl, dass ihr Besucher ein wenig zu lange zögert, um den Grund seines Besuches vorzubringen.

„Du schaust so ernst drein, Guido! Was ist los?“, dringt sie deshalb auf den Bewohner, der Name verrät die italienische Abstammung, des kleinen Ortes ein.

Aber zuvor dieser das Gespräch beginnt, schaut Guido nun etwas freundlicher auf die Frau vor ihm, die mit einem blauen Jeans-Anzug gekleidet ist und sagt dann: „Ich möchte mit dir über deinen Großonkel sprechen.“

Nun ist es an Daniela, ihr Gegenüber erstaunt anzuschauen. Ihre graublauen Augen ziehen sich dabei ein wenig zusammen.

Offensichtlich ist es ihr unangenehm, über ihren Onkel zu sprechen.

„Gibt es irgendeinen Grund? Hat er wieder einmal zu viel geredet?“, ist deshalb die vorsichtige Frage.

Die junge Frau macht nun kurz eine Pause und fährt dann mit festerer Stimme fort: „Er leidet doch sehr darunter, dass er sich nicht zu unserer Gemeinschaft zugehörig fühlen kann.“

„Wir finden es auch sehr bedauerlich, dass er nicht in unsere Reihen aufgenommen werden kann!“, stimmt Guido der jungen Frau zu. „Aber du weißt ja auch, warum!“

Bei seinen Worten schaut Guido, der frühere Mönch, Daniela mit unendlich traurigen Augen an. Man kennt sich schon seit langem. Daniela hatte mit 23 Jahren die Verwaltung der kleinen Gemeinde übernommen und das war jetzt 7 Jahre her.

Und Daniela antwortet nun mit gleicher Trauer in der Stimme: „Warum ist ausgerechnet er nicht in der Lage zu sehen?“

„Du weißt, Daniela, dass jeder Mensch in der Lage ist zu sehen...! Wenn er es will…!“

„Ja, natürlich!“, unterbricht Daniela ihren Besucher mit ungeduldiger Stimme. „Aber warum gerade er nicht?“

„Wir denken, dass er einfach Angst vor dieser Wahrheit hat! Er will nicht glauben, was er sieht.“

Guido hat dabei die Betonung auf das Wort will gelegt. Nach einer kurzen Pause fährt Guido dann fort: „Jeder Mensch hat seine Bestimmung innerhalb einer Gemeinschaft oder der Menschheit. Man nennt es Schicksal. Also wird auch dein Onkel seine Bestimmung haben.“

Und der Besucher bei Daniela Geiger fährt fort: „Heute Abend findet ja im Vereinsheim der Fußballer oben in Schönwald ein geselliges Beisammensein statt. Dort sind natürlich dann auch die Besucher aus der Hauptstadt anwesend. Wir wollen hoffen, dass dein Onkel in einer seiner Bierlaune dort nichts Unrechtes erzählt.“

„Ich bin ja auch anwesend!“, antwortet Daniela mit beruhigender Stimme. „Ich helfe als Bedienung aus. Dabei kann ich ein Auge auf ihn werfen.“

„Das ist gut so, Daniela“, antwortet Guido offensichtlich beruhigt.

Nun hat auch die Stimme von Guido wieder seine gewöhnliche, beruhigende Tonlage angenommen. „Wir alle wissen, was für uns auf dem Spiel steht…“

Mit diesen bedeutungsvoll gesprochenen Worten erhebt sich der Besucher, gibt Daniela die Hand und strebt auf die Türe zu, von der er sich noch einmal der jungen Frau zuwendet: „Nichts für ungut, Daniela…“

„Ist schon in Ordnung, Guido. Ich weiß, wie du es gemeint hast. Du kannst dich auf mich verlassen.“

„Wir wissen das, Daniela! Und das ist gut so…!“

Damit ist Guido Montana, der frühere italienische Mönch, durch der Tür nach draußen entschwunden. Daniela Geiger lässt sich gedankenvoll auf ihren Arbeitsstuhl zurücksinken. Ihre graublauen Augen blicken dabei nachdenklich.

3. Kapitel

Helmut Hinterstober war unterwegs zu einem Fußball-Freundschaftsspiel in den Bayerischen Wald. Auf dem Weg von seinem Wohnort, konnte er bald die Autobahn bis Marktl am Inn nehmen, dem Geburtsort des Papstes. Und das weckte in ihm einen merkwürdigen Stolz, obwohl er mit der Kirche nicht viel am Hut hatte. Aber schließlich stand er als Jugendlicher damals in der ersten Reihe, als der „Deutsche Papst“ in Altötting zu Besuch war.

Und die Straße ging weiter bis Passau, was ihm mehr Zeit gekostet hatte, als er es zuvor glauben wollte.

„Die Straße hält das, was man von ihr sagt. Wird Zeit, dass die Autobahn ganz fertig gestellt wird. Aber wenn die Politiker etwas versprechen, dauert es halt seine Zeit.“, sinnierte er während der Fahrt angestrengt, um aber sofort wieder auf sein Lieblingsthema zu kommen. „Aber vielleicht habe ich Glück und finde ein altes Möbelstück für mein Hobby.“

Mit seinen 32 Jahren wähnte sich Helmut Hinterstober im besten Mannesalter. Also als ein Mann, der mit beiden Füßen fest auf der Erde und im Leben stand. Zumindest, was seine Entscheidung zum Fußballspielen betraf. Darum hatte er im letzten Jahr dem Fußball den Rücken gekehrt, was ihm mehr Gewicht und weniger Fitness eingebracht hatte. Aber schließlich wollte und sollte er die Schreinerwerkstatt seines Vaters übernehmen. Und da würde eine eventuelle Verletzung durch den Sport nicht passen.

Aber die Bitte seines Freundes und Kameraden, dem Mannschaftsführer der Alten Herren, ihnen auszuhelfen, weil der eigentliche Mittelstürmer ausgefallen war, konnte er dann doch nicht abschlagen. Und mit seiner 185 cm Größe hatte er schließlich fast immer als Mittelstürmer fungiert.

Als er daran dachte, welche Ratschläge ihm sein Vater mit auf den Weg gegeben hatte, schlich sich ein leichtes Lächeln in sein Gesicht.

„Im Wald gibt es schöne Madel, mein Sohn!“, hatte sein Vater mit der ihm eigenen Ironie gesagt. „Das kannst du jeden Tag an deiner Mutter sehen…!“

Helmut Hinterstober wusste natürlich, was sein Vater ihm damit sagen wollte. Er solle sich nach einem Madel umschauen. Aber seine letzte Liebschaft war gerade erst einmal ein Jahr her, weshalb er für solche Gedanken überhaupt nichts abgewinnen konnte.

Ab Passau nimmt Helmut Hinterstober bewusst nicht die große Straße, die bis tief in den Bayerischen Wald hineinführt.

Er will durch die vielen kleinen Dörfer, die auf seiner Strecke liegen, nach alten Möbelstücken Ausschau halten. Er weiß, dass die Zeiten vorbei sind, dass man in abgelegenen Gebieten so einfach mal ein altes Möbel finden wird. Längst hatte man den Wert für solche alten Sachen erkannt.

„Die Hoffnung stirbt zuletzt!“, dachte er und lachte ob dieses Gedanken laut los.

Ihm gefiel diese hügelige Landschaft mit den grandiosen weiten Blicken. Ausblicke auf eine andere Art. Nicht so anzusehen, wie er diese Ausblicke von den Bergen der Bayerischen Alpen kannte.

Und bei Regenwetter dachte er, wenn die Wolken die Spitzen die Hügel verdeckten, dann war es gerade so, als würden diese Hügel die Säulen für den Himmel sein.

Aber der lang gestreckte Bergrücken zur rechten Seite schien im Nebel zu liegen. Auf dem zweiten Blick allerdings musste er feststellen, dass es kein Nebel war, der diesen Bergrücken zu hell erscheinen ließ.

„Baumsterben!“, schoss es ihm durch den Kopf. „Da oben ist der ganze Wald tot und trocken!“

Und dann lachte er innerlich los, wegen eines aufkommenden Gedankens, welcher ihm von seinem Vater eingepflanzt worden war: „Der bayerische Hiasl! Der Wahrsager aus dieser Gegend. Er hatte doch in seinen Wahrsagungen Ende des 18. Jahrhunderts so ein Waldsterben vorausgesagt!“

Und was hatte der Vater weiter über die Weissagungen des Hiasl gesagt: „Wenn der Wald Löcher hat, wie des Bettelmann Rock!“

Er machte sich wegen solcher Dinge keine Gedanken. Diese Weisheiten hatte er von seinem Vater, der sich mit dem Hiasl gut auskannte. Wie mit all den seltsamen Heiligen und Wahrsagern dort im Wald. Sein Vater war wegen dieser Heiligen oft in den Bayerischen Wald gefahren und hatte auch dort eine Frau gefunden.

Sein Ziel, der kleine Ort, wunderschön auf einer Anhöhe, war ja nicht weit entfernt von dem Geburtsort seiner Mutter. Die Glasbläserei in der Nähe hatte dieses Dorf aufblühen lassen.

Schnell richtet Helmut seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße. Aber so sehr er auch in den Ortschaften seinen Kopf nach links oder rechts schießen ließ, er konnte keinen Hinweis für seinen Wunsch finden.

Helmut Hinterstober war seit einigen Jahren nicht mehr im Wald gewesen und sah nun mit Erstaunen, mit welchen Veränderungen die Ortschaften aufweisen konnten.

„Ja, früher“, dachte er ein wenig belustigt, „da konnte man noch ein Schnitzel oder ein Schweinertes unter 5 Euro bekommen. Aber die Preißen hatten mit ihrer Rederei: „Mei, ist das billig!“, schnell die Preise nach oben schießen lassen.“

Es waren nur mehr wenige km bis zu seinem Zielort, als er in einem kleinen Ort unbewusst langsamer fuhr. Dieser Ort schien ihm seltsam. Als gehöre er nicht in den Wald… Warum, das konnte er sich allerdings nicht sagen.

Waren zu wenig Menschen auf den Straßen? Fehlten die Leute vor den Geschäften oder vor dem Wirtshaus…? Warum sah er keine Kinder...?

Die Gedanken verfliegen jedoch so schnell, wie sie gekommen waren.

Er war durch diesen kleinen Ort durchgefahren und die Ortstafel kündigte als nächstes Dorf seinen Zielort an.

Helmut Hinterstober musste sich auf die Suche nach dem Fußballplatz dort konzentrieren. So viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Mittlerweile war es bereits 16:00 Uhr geworden und das Spiel sollte um 17:30 Uhr beginnen. Und auf das Spiel wollte er sich schon vorbereiten. Waren doch die Mannschaften aus dem Wald allesamt als kampfstark bekannt.

Dann ist das Spiel ist gelaufen. Helmut Hinterstober steht frisch geduscht in der Tür zum Saal des Vereinsheims, in dem bereits die Fußballspieler beider Mannschaften zu einem ersten Umtrunk zusammengekommen sind. Schließlich werden Spiele dieser Art auch aus dem Grunde durchgeführt, dass man hinterher bei einem oder mehreren Bierchen gemütlich über das Spiel und dann über die kleinen und großen Dinge des Lebens reden konnte.

Ehe sich Helmut für einen Platz in dem Saal entscheiden kann, hört er einen lauten Ruf: „Hei, 9-er! Komm, setz dich zu mir!“

Helmut stutzt nicht lange. Mit diesem Ruf ist bestimmt er gemeint, bzw. seine Trikotnummer. Als Mittelstürmer seiner Mannschaft hatte der die Nummer 9 auf seinem Trikot.

Helmut schaut in die Richtung des Rufenden und erkennt in ihm seinen Gegenspieler während des Spiels.

„Hallo, 5-er“, geht er auf den Spieler zu und mustert diesen mit Wohlwollen.

Was ihm sofort auffällt ist, dass sein Gegenspieler mit der ortsüblichen Tracht gekleidet ist. Lederne Kniehose mit den dazugehörigen Trägern und das passende Hemd. Er bevorzugt dagegen Jeans-Hosen. Dazu ein passendes Sakko mit entsprechendem Hemd. Meistens mit einer blauen Farbe.

Aber Helmut gefällt es, wenn zu Anlässen wie diesem, sich die Dorfjugend in ihrer orts- oder landesüblichen Tracht zeigt und nicht nur, wie es sonst üblich ist, aus Gründen der Werbung.

„Nichts für ungut, 9-er. Aber ich musste dich umlegen! Hätte ich es nicht gemacht, wären meine Mitspieler auf mich sauer gewesen. Das wäre schlimmer, als wenn du nun sauer auf mich bist“, erzählt lachend der junge Mann von einer heiklen Situation wegen des Spiels.

Und nach einer kurzen Pause, in der Helmut die Hand gereicht wird, fügt er hinzu: „Übrigens, ich bin der Werner.“

Helmut Hinterstober lacht laut auf. Er erinnert sich sofort an die Szene, auf die sein Gegenspieler hinweisen will.

„Schon gut, Werner. Fußballspielen ist eben kein Mikado-Spiel. Und nach dem Duschen ist sowieso alles vergessen.“

Helmut ergreift mit diesen Worten die ausgestreckte Hand von Werner und grinst diesen an: „Mir geht es genauso. Nach dem Duschen bin ich wieder Mensch! Ich bin der Helmut.“

„Warst ein verdammt unangenehmer Gegner“, knurrt Werner freundlich Helmut an, nachdem dieser sich neben ihn gesetzt hat. „Kannst deinen Körper gekonnt einsetzen…!“

„Das kann ich nur zurückgeben“, ist die respektvolle Antwort.

Ein Grund für die beiden jungen Männer, laut aufzulachen und mit dem Gespür, dass man sich sympathisch findet.

„Ich werde erst einmal ein Bier für uns besorgen…! Du trinkst doch Bier…?“

„Nein, Werner, tut mir leid. Ich bevorzuge eine Weinschorle.“

„Ist auch gut!“, grinst Werner und winkt der Bedienung. Schnell sind die beiden Männer in einem lockeren Gespräch vertieft.

„Ihr ward der erwartet kämpferisch, starke Gegner. Aber ich denke, letztlich haben wir dank unserer besseren Technik verdient gewonnen, “ geht Helmut auf das Spiel ein.

„Das sehe ich leider auch so“, ist die kurze, ironische Antwort.

„Aber nicht nur wegen unseres Sieges gefällt es mir hier im Wald immer wieder, auch wenn man hier keine andere Partei als die Christliche kennt.“

„Ja, mei!“, antwortet Werner grinsend. „Das ist halt unsere bayerische Partei. Die wird hier gewählt. Eine andere Partei gibt es für uns nicht. Eine andere Partei zu wählen, käme für die meisten Menschen hier im Wald einem Sakrileg gleich!“

„Mich wundert nur, warum die immer noch das „C“ für christlich in ihrem Logo haben. Sind doch mittlerweile auch Islamiten in dieser Partei“, geht Helmut auf das Thema ein.

„Was redest du da? Du bist doch a Bayer!“, wundert sich Werner. Er spricht dieses angenehme Bayerisch, welches nur im Wald gesprochen wird. Bereits in Passau wird schon wieder ein anderer Dialekt gesprochen.

„Ne, mein Lieber! Ich bin kein Bayer! Meine Eltern mussten während der Bundeswehrzeit meines Vaters in den Norden der Republik. Und während dieser Zeit bin ich dort geboren worden. Auch wenn meine Eltern Bayern sind, so bleibe ich wegen meiner Geburt im Preißenland mein Leben lang ein Preiß! Ein Bayer mit Migrationhintergrund sozusagen. So will es unsere Bayerische Verfassung!“

„So ein Schmarren! Wenn z. B. ein türkisches Ehepaar nach Bayern kommt und hier ihr Kind zur Welt bringen, dann ist deren Kind ja auch ein Bayer!“

„Richtig! Es wurde ja auch in Bayern geboren!“

„So, Helmut? Du scheinst dich gut auszukennen. Das wusste ich gar nicht! Aber lassen wir das Politisieren. Du weißt ja, wie das mit unserer Politik ist: Hauptsache wir sind dagegen, was die in der Hauptstadt machen wollen. Und du weißt bestimmt auch, wie wir hier bei uns über die Preiß`n denken. Ein Norddeutscher, der nach seinem Urlaub wieder heimfährt, ist a Preiß! Einer, der hier in Bayern bleibt, ist a Saupreiß!“

Die beiden jungen Männer lachen erst lauthals los und grinsen sich dann verständnisvoll an. Beide wissen, dass in Bayern die Politik am Stammtisch gemacht wird und ein derbes Derblecken zur bayerischen Kultur gehört.

„Kommst du oft hier in den Wald?“, fragt Werner nach einer kurzen Pause.

„Ja, eigentlich schon. Das hängt mit meinem Beruf zusammen. Ich bin immer auf der Suche nach alten Möbelstücken, die ich dann restaurieren will. Das ist mein Hobby zu meinem Beruf.“

„Da kann ich dir vielleicht helfen. Als Versicherungskaufmann komme ich weit herum und vor allen Dingen lässt man mich in alle Häuser.“

Ehe Helmut auf dieses für ihn so interessante Thema weiter eingehen kann, ruft Werner einem alten Mann zu, er solle sich zu ihm an den Tisch setzen.

Und wieder zu Helmut gewandt sagt er: „Er gehört nirgends hin. Ich zahle ihm ab und zu ein Bier.“

Nur kurz schaut Helmut zu den Alten mit dem ledernen Cowboy-Hut. Dieser kommt ihn reichlich verwahrlost vor. Zumindest was die Kleidung betrifft.

Helmut kann sich eine spaßige Frage nicht verkneifen: „Hey, Alter! Wo hast du denn dein Pferd?“

„Das steht draußen und scheißt gerade deinen Kofferraum voll!“

„Das ist eine richtige Antwort auf meine provokante Frage in erstaunlich klarer Sprache“, denkt Helmut mehr als amüsiert.

Werner prustet sofort laut los und Helmut stimmt belustigt in das Lachen ein.

„Das war die richtige Antwort!“, lacht er den Alten an.

Aber er wendet sich sofort wieder Werner, dem Versicherungsvertreter zu.

„Ich, d. h. mein Vater und ich, wir haben in der Nähe von München ein Möbelgeschäft mit Schreinerei. Ich habe mich dabei auf die Restauration von alten Möbelstücken spezialisiert. Und einmal, so hoffe ich, kann ich einen alten Sekretär ergattern. Das wäre mein Traum. Am besten einen, der auch noch ein Geheimnis in sich birgt.“

Helmut lacht Werner dabei Beifall heischend an. Er will ihn dazu animieren, eine Gelegenheit zu einem Fund zu verschaffen.

Doch es erscheint ihm, dass dieser ihm gar nicht zugehört hat. Sein Nachbar schaut in den Saal in Richtung der langen Theke und gestikuliert wild mit den Armen.

„Daniela!“, ruft er laut. Und noch einmal: „Daniela! Komm einmal bitte her!“

Die Angerufene, Daniela Geiger, sieht in den Rufenden den Versicherungsvertreter Werner, den sie schon seit Jahren kennt. Sie sieht auch, dass neben ihm ihr Onkel sitzt. Bei einem Bier, welches er bestimmt von Werner gezahlt bekommen hat. Ein Grund mehr, den Ruf zu folgen und an den Tisch der Männer zu gehen. Dabei schaut Daniela interessiert auf den jungen Mann zur linken Seite von Werner.

„Die beiden sehen sehr frisch aus“, denkt sie und lächelt dabei ein wenig. „Kein Wunder, die haben ja gerade geduscht.“

Dabei wird ihr gar nicht bewusst, dass ihr Blick ein wenig zu lange auf den jungen Mann hängen bleibt.

„Ein sympathischer Typ!“, denkt sie weiter. „Ein offener und klarer Blick. Der Mann weiß, was er will. Seine Kleidung ist zwar nicht als elegant zu bezeichnen, aber sehr gepflegt. Scheint verheiratet zu sein.“

Während sie so den Fußballspieler aus dem oberbayerischen Landkreis begutachtet, bemerkt sie nicht, dass sie ebenfalls gemustert wird. Von Helmut, der sofort von dem Anblick der jungen Frau in dem geschmackvollen Jeans-Anzug und dem hellblauen Sonnentop gefangen war.

Was Helmut sofort fasziniert, ist das ausdrucksvolle, schöne Gesicht dieser jungen Frau.

„Grünblaue Augen“, stellt Helmut sofort fest. „Und ein leicht rot geschminkter Mund.“

Der Mund lächelnd und doch so klar gezeichnet. Dazu passend die wohl leicht blonden Haare (leichte Dauerwelle), knapp hinter den Ohren zurückgelegt, so dass man die einfachen hellblauen Ohrklipse sehen konnte.

Eine schöne, junge Frau“, denkt Helmut beeindruckt. „Wohl knapp über die 25 Jahre“, schätzt er und ist über sich erstaunt, wie genau er sich diese Frau angeschaut hat.

Und wieder fällt sein Blick auf das Gesicht mit der kecken Nase und den roten Lippen. Helmut spürt innerlich die erotische Ausstrahlung, die dieses Gesicht für ihn hat.

Daniela dachte indes: „Der Mann wird wohl knapp über die 30 sein, ja, und sicherlich verheiratet. Ein Junggeselle sieht sicherlich nicht so adrett aus.“

„Komm her, Daniela. Setz dich ein wenig zu uns. Das hier ist Helmut, ein Spieler der gegnerischen Mannschaft.“

Und zu seinem Kameraden gewandt: „Das ist Daniela, wir kennen uns bereits seit einer Ewigkeit.“

Diese Personenvorstellung reißen Daniela und Helmut aus ihren Gedanken. Die junge Frau hatte sich erheblich schneller wieder in der Gewalt.

„Onkel, du sitzt ja auch hier!“, grüßt sie den Alten neben Werner und setzt sich auf den Stuhl gegenüber den beiden jungen Männern. Nicht bemerkend, wie noch immer der Blick von Helmut wie festgenagelt auf ihrem Gesicht ruht.

„Onkel, versprich mir, dass du nicht zu viel trinkst!“, ermahnte Daniela den Alten in erstaunlich strenger Weise.

„Is scho recht, Daniela“, brummelte der Alte im tiefsten Wald`ler Dialekt nur kurz, um sich wieder schnell seinem Bier zu widmen.

Dann ist es Werner, der dem Gespräch eine andere Wendung geben wollte.

„Ja, Daniela, das ist Helmut, mein unerbittlicher Gegenspieler während des Spiels…“

Dieser Satz veranlasst Helmut zum einen, dass er aus seinen Träumen gerissen wird und zum anderen, dass die junge Frau in nun direkt ins Gesicht schaut.

„Ich hoffe für euch aus dem Flachland, dass ihr den Abend genau so gut übersteht, wie das Spiel. Wie ich meine Männer hier im Dorf kenne, werden die euch zumindest im Trinken überlegen sein!“

Bei ihrer zweideutigen Bemerkung lacht Daniela laut auf, was die beiden Spieler ebenfalls zu einem lauten Lachen animiert.

„Was für ein helles, klares Lachen!“, denkt Helmut, seltsam berührt.

„Was für ein offenes, freies Lachen!“, dachte Daniela mit einem Gefühl von Sympathie.

Werner wollte das Anliegen für seinen Kameraden auf den Punkt bringen und sagt deshalb zu Daniela: „Der Helmut ist Restaurator für alte Möbelstücke. Bei euch unten im Ort könnte es so etwas doch noch geben.“

„Trottel!“, denkt Helmut erschrocken. „Jetzt hast du die schöne Stimmung zerstört!“

Er sieht nicht nur, sondern er spürt es auch körperlich, wie augenblicklich nicht nur das offene Gesicht der jungen Frau abweisend wirkt, sondern der gesamte Körper der Frau eine starre Haltung einnimmt. Über dieses, zuvor so schöne, ausdrucksvolle Gesicht, fällt ein Schatten wie eine dunkle Wolke, die sich an einem warmen Frühlingstag vor die Sonne schiebt.

Die Stimme von Daniela ist entsprechend schroff, als sie antwortet: „Das, was es bei uns gibt oder nicht, geht keinem etwas an!“

Und zu ihrem Onkel gewandt fährt sie erneut mit erstaunlich strenger Stimme fort: „Und du gehst jetzt am besten nach Hause!“

Für Helmut ist es, als würde die Zeit für einen Moment stillstehen. Auch zwischen den beiden Männern ist es für einen Augenblick ruhig, als Daniela mit den Worten: „Ich lasse euch noch ein Bier bringen“, aufgestanden ist und sich quasi kurz und bündig verabschiedet hat.

Und Werner schaut seinen neu gefundenen Freund spöttisch an und lacht: „Gell, die Daniela tat dir gefallen!“

Helmut ist tatsächlich verwirrt. Werner hat das ausgesprochen, was er die ganze Zeit gefühlt hatte. Doch ehe die Verlegenheit von ihm Besitz ergreifen kann, sagt sein neuer Freund: „Lass uns etwas essen! Das Schweinerte hier im Wald kann ich sehr empfehlen!“

„Ich weiß“, antwortet Helmut erleichtert darüber, dass das Gespräch einen anderen Inhalt annimmt. „Aber ich nehme lieber eine Hausplatte.“