Der Geist von Cornell Castle - Bettina Pechs - E-Book

Der Geist von Cornell Castle E-Book

Bettina Pechs

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Beschreibung

In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Catherine fühlte eine Woge der Erleichterung in sich hochsteigen. Mit raschen Sprüngen erreichte sie den Liegestuhl. »Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe«, sprudelte sie hervor. »Ich musste noch …« Das Wort erstarb ihr in der Kehle. Sie blickte in die weit geöffneten braunen Augen des Hausmädchens. Sanfte, unschuldige Kinderaugen, in denen noch das Entsetzen über das Geschehene lag. Ihr Mund war halb geöffnet, als habe sie nicht mehr Kraft gefunden, um Hilfe zu rufen. Aus ihrer Brust ragte der edelsteinverzierte Griff des malayischen Dolches. Erst jetzt gewahrte Catherine, was ihr unbewusst aufgefallen war, als sie den Strand betreten hatte: Catkin miaute herzzerreißend. Catherine schrie laut auf. Stella erreichte die Klippen. Wie ein glutroter Ball ging die Sonne über dem Meer unter, das sich in einem tiefen satten Blau zu ihren Füßen erstreckte. Allmählich senkte sich die Dämmerung über die einsame Landschaft im Norden Schottlands. Um diese Jahreszeit – Ende Mai – blieb es abends lange hell. Sie schloss die Augen und atmete die reine salzige Meeresluft ein. Es herrschte Flut, und das Wasser schlug in kurzen kräftigen Wellen gegen das Ufer. Stella hörte leise Schritte hinter sich, aber sie rührte sich nicht. Gleich würde er die Hände auf ihre geschlossenen Augen legen und fragen: »Wer bin ich?«

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Gaslicht – 41 –

Der Geist von Cornell Castle

Unveröffentlichter Roman

Bettina Pechs

Catherine fühlte eine Woge der Erleichterung in sich hochsteigen. Mit raschen Sprüngen erreichte sie den Liegestuhl. »Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe«, sprudelte sie hervor. »Ich musste noch …« Das Wort erstarb ihr in der Kehle. Sie blickte in die weit geöffneten braunen Augen des Hausmädchens. Sanfte, unschuldige Kinderaugen, in denen noch das Entsetzen über das Geschehene lag. Ihr Mund war halb geöffnet, als habe sie nicht mehr Kraft gefunden, um Hilfe zu rufen. Aus ihrer Brust ragte der edelsteinverzierte Griff des malayischen Dolches. Erst jetzt gewahrte Catherine, was ihr unbewusst aufgefallen war, als sie den Strand betreten hatte: Catkin miaute herzzerreißend. Catherine schrie laut auf.

Stella erreichte die Klippen. Wie ein glutroter Ball ging die Sonne über dem Meer unter, das sich in einem tiefen satten Blau zu ihren Füßen erstreckte.

Allmählich senkte sich die Dämmerung über die einsame Landschaft im Norden Schottlands. Um diese Jahreszeit – Ende Mai – blieb es abends lange hell. Sie schloss die Augen und atmete die reine salzige Meeresluft ein. Es herrschte Flut, und das Wasser schlug in kurzen kräftigen Wellen gegen das Ufer.

Stella hörte leise Schritte hinter sich, aber sie rührte sich nicht. Gleich würde er die Hände auf ihre geschlossenen Augen legen und fragen: »Wer bin ich?« Dann würde er ihr Gesicht zu sich umdrehen, und sein herrischer, fordernder Mund würde ihre Lippen finden. Ihr Körper erschauerte in Erwartung auf das köstliche Erlebnis.

Die Schritte hatten sie erreicht. Plötzlich spürte sie einen heftigen Stoß im Rücken. Sie verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Gellend schrie sie auf, aber es war zu spät. Sekundenlang wirbelte ihr Körper durch die laue Luft, bevor er mit einem dumpfen Geräusch auf einen Felsen prallte, wo ihn die Flut zischend verschlang.

*

Ein Jahr später.

»Und du willst wirklich deine Zelte hier abbrechen und nach Nordschottland ziehen?« Es sollte scherzhaft klingen, aber in Elaines Stimme schwang deutlich Bedauern mit.

»So weit bin ich ja noch nicht«, entgegnete Catherine sachlich. »Vorläufig habe ich nur die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Aber ich will nicht mein ganzes Leben in diesem trostlosen Kaff verbringen.«

Die Freundin nickte zustimmend.

Glenmarrick, in der beide aufgewachsen waren, lag im Süden Schottlands, nahe der englischen Grenze. Eine triste Kleinstadt, die wenig Abwechslung für junge Leute bot.

»Wenn’s klappt, wirst du in einem Schloss wohnen?«, fragte Elaine.

Catherine nickte und überflog das vor ihr liegende Schreiben. »Sir Julian Cornell, der eine Sekretärin sucht, schreibt, dass auf seinem Anwesen eine Wohnung zur Verfügung steht. Cornell Castle liegt ein paar Meilen östlich von Inverness – direkt am Meer.«

»Ich werde dich vermissen«, sagte Elaine leise.

»Abwarten«, winkte Catherine ab. »Wenn der Schlossherr ein kauziger Eigenbrötler ist, bleibe ich hier und suche weiter nach meinem Traumjob.«

*

Als Catherine am frühen Nachmittag in Glenmarrick aufbrach, schien die Sonne. Je weiter sie jedoch nach Norden fuhr, desto mehr verdüsterte sich der Himmel, und schließlich setzte starker Regen ein. Sie erreichte Cornell Castle erst am Abend. Die Türme des Schlosses ragten schwarz in den nächtlichen Himmel.

Eine ältere Frau in einer weißen Schürze öffnete das Portal und führte sie in die Halle. »Ich bin Evie Douglas, die Haushälterin. Sir Julian wartet schon auf Sie.«

Catherine betrat das geräumige elegante Arbeitszimmer. Ihre Füße versanken in dem weichen Teppich, der den Parkettboden bedeckte. An den Wänden standen Regale, die bis unter die Decke mit Büchern gefüllt waren. Sanftes Licht erhellte den Raum. Im Kamin prasselte ein Feuer.

Der Hausherr stand am Fenster und sah hinaus in den Regen, der unvermindert heftig niederrauschte. Bei ihrem Eintritt wandte er sich um.

Er war groß und kräftig gebaut. Catherine sah in markante, ein wenig unregelmäßige Gesichtszüge. Er wirkte jung, aber durch sein dichtes dunkles Haar zogen sich bereits silberne Strähnen. Ein Paar ernste graue Augen blickten ihr entgegen.

»Nicht gerade das richtige Wetter, um eine neue Umgebung kennenzulernen«, er reichte ihr die Hand und wies auf eine elegante Ledergarnitur in der Ecke. »Nehmen Sie doch Platz. Tee oder Kaffee?«

»Eine heiße Tasse Tee ist jetzt genau das Richtige«, aufatmend sank die junge Frau in den tiefen Sessel.

Sie plauderten über dies und das, bevor Sir Julian nach ihren Bewerbungsunterlagen griff. »Warum haben Sie gerade auf mein Inserat geantwortet?«

»Sie schreiben Biografien über historische Persönlichkeiten und verfassen Bildbände«, sie strich sich das feuchte Haar aus der Stirn. »Ich interessiere mich sehr für Geschichte.«

Mit gerunzelter Stirn überflog er ihren Lebenslauf. »In diesem Bereich waren Sie aber noch nie tätig. Derzeit arbeiten Sie in einer Walzengießerei«, stellte er fest.

»In meiner Heimat Glenmarrick gibt es nur Eisen- und Stahlindustrie. Ich will mich verändern.«

Zum ersten Mal trat ein Lächeln in die ernsten grauen Augen. »Ein Neuanfang also«, murmelte er.

Er lehnte sich zurück. »Können Sie sich vorstellen, mit mir zusammenzuarbeiten?«

Catherines Herz schlug rascher. »Heißt das …?«

»Ich biete Ihnen die Stelle hiermit an. Können Sie zum Ersten des nächsten Monats anfangen?«

Ihre Augen leuchteten auf. »Natürlich.«

Er räumte ihre Bewerbungsunterlagen zusammen und stand auf. Catherines Blick fiel auf einen Dolch, der auf dem Schreibtisch lag. Eine schmale Waffe, deren Griff mit Edelsteinen verziert war.

Sir Julians Augen folgten ihr. »Der stammt noch aus der Kolonialzeit«, bemerkte er. »Einer meiner Vorfahren hat Malaysia bereist und sich dieses Souvenir mitgebracht.«

»Er ist wunderschön«, bewundernd strich sie über die Brillanten. »Aber gefährlich.«

Er nahm die zierliche Waffe und fuhr leicht mit der Hand über die scharfe Klinge. »Hier dient er nur friedlichen Zwecken. Ich benutze ihn als Brieföffner.«

Sie besprachen die Einzelheiten des Arbeitsvertrages, bevor Catherine sich verabschiedete. In der Eingangshalle stieß sie auf die Haushälterin.

»Es hat geklappt. In drei Wochen arbeite ich als Assistentin bei Sir Julian«, rief Catherine ihr fröhlich zu.

Mrs Douglas zuckte zusammen. Ein Schrecken glitt über ihre freundlichen Gesichtszüge.

»Liebes Kind«, spontan ergriff sie die Hand der jungen Frau. »Sie wissen nicht, worauf Sie sich einlassen.«

Catherine sah sie betroffen an.

»Evie«, klang die Stimme des Hausherrn aus dem Büro.

Die Wirtschafterin drückte Catherines Hand, die sie noch immer hielt.

»Kommen Sie nicht nach Cornell«, flüsterte sie beschwörend. »Auf diesem Schloss liegt ein Fluch.« Sie verschwand hinter der hohen Flügeltür des Arbeitszimmers.

Verwirrt trat die junge Frau durch das Portal. Der Regen schlug ihr heftig ins Gesicht. Ein greller Blitz erschien am schwarzen Himmel und beleuchtete den Innenhof fast taghell.

Etwas Bedrohliches ging plötzlich von den düsteren alten Mauern aus.

*

»Jetzt wird es also wirklich ernst?«, wehmütig betrachtete Elaine den stetig wachsenden Berg von Koffern und Taschen, der sich in dem kleinen Schlafzimmer ihrer Freundin türmte.

»Ja, morgen gehts los«, Catherine setzte sich auf ihr Bett. »Ich kanns kaum erwarten. Nur eines irritiert mich – die Haushälterin hat so komisch reagiert. Sie sagte, ich wisse nicht, worauf ich mich einließe.«

Elaine zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich kann sie nicht verstehen, dass du deine Zelte hier abbrichst und die Heimat hinter dir lässt.«

»Nein, so war es nicht. Sie raunte mir zu, dass – ein Fluch auf dem Schloss läge. Dabei macht sie eigentlich einen ganz patenten Eindruck – gar nicht abergläubisch«, nachdenklich fügte sie hinzu: »Mrs Douglas wollte mich vor etwas warnen.«

»Das scheint dich aber nicht abzuschrecken«, entgegnete die Freundin.

Catherine schüttelte energisch den Kopf.

»Bestimmt nicht. Ich freue mich auf die neue Stelle. Dieses Arbeitsgebiet wünsche ich mir schon seit Langem.«

»Über deinen zukünftigen Chef hast du mir noch gar nichts erzählt«, bemerkte Elaine.

Ein rosiger Hauch stieg in Catherines Wangen. »Eine starke Persönlichkeit. Aber irgendwie umgibt ihn – eine düstere Aura. Als ob eine schwere Last auf ihm läge. –

Du musst mich besuchen«, fuhr sie nach kurzem Schweigen fort und umarmte die Freundin. »Dann machen wir einen gemütlichen Einkaufsbummel durch Inverness.«

*

Diesmal erreichte Catherine ihr Ziel am frühen Nachmittag. Die Wolkendecke riss plötzlich auf, und Cornell Castle lag im vollen Sonnenlicht. Das Schloss lag auf einer Hügelkuppe. Es war aus braunem Sandstein erbaut, und an den vier Ecken des Hauptgebäudes befanden sich kleine Erkertürme. Rings um die Burg verlief ein Zinnenkranz, der im Mittelalter offensichtlich der Verteidigung gedient hatte.

Es ist einzigartig, dachte Catherine fasziniert. Plötzlich überkam sie ein Frösteln. Die seltsame Warnung der Haushälterin fiel ihr wieder ein.

Ein junges Hausmädchen empfing sie und führte sie in ihre Suite, die sich in einem Seitenflügel des Schlosses befand.

Aufatmend stellte Catherine ihre Koffer ab. »Wann gibt es Abendessen?«

Das Mädchen legte den Kopf auf die Seite. »Ich weiß nicht«, antwortete sie vage.

Catherine betrachtete sie genauer.

Die Kleine war ihr gleich sonderbar vorgekommen. Sie mochte etwa achtzehn Jahre alt sein. Ihre sanften braunen Augen erinnerten Catherine an ein verirrtes Reh. In diesem Moment erkannte sie, dass das Mädchen nicht im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte war.

»Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte sie freundlich. »Ich komme allein zurecht.«

Als sie allein war, trat sie ans Fenster. Ein atemberaubender Anblick bot sich ihr. Direkt unter dem Schloss erstreckte sich ein steiler Abhang ins Meer. In hohen Wellen brandete die See gegen die schroffen Felsen.

Catherine begutachtete ihr neues Domizil. Die Möbel aus der Zeit von Königin Viktoria gaben ihm eine warme, behagliche Atmosphäre. Der hintere Teil des Raumes mündete in eine kleine leere Nische. Dort waren die Wände holzgetäfelt; durch ein Buntglasfenster fiel die Nachmittagssonne.

Wie eine Kapelle, dachte sie ehrfürchtig.

Als sie ihre Koffer ausgepackt hatte, stellte sie fest, dass ihr in jedem Fall noch reichlich Zeit bis zum Abendessen blieb. Sie beschloss, die neue Umgebung ein wenig zu erkunden.

Hinter dem Schloss erstreckte sich ein weitläufiger Park. Vergissmeinnicht, Goldregen und violetter Flieder standen in voller Blüte. Catherine schloss die Augen und atmete die weiche Frühlingsluft in vollen Zügen ein.

»Sie müssen die Neue sein«, hörte sie eine affektierte Stimme hinter sich.

Überrascht drehte sie sich um. Vor ihr stand ein unglaublich attraktiver Mann. Wie gemeißelt wirkten seine regelmäßigen Gesichtszüge. Dichtes goldblondes Haar fiel ihm in die Stirn. Ein Paar kalte blaue Augen musterten sie abschätzend von Kopf bis Fuß.

»Donnerwetter«, er pfiff durch die Zähne. »Da hat sich der Chef aber was Leckeres in sein altes Gemäuer geholt.«

Ohne ein weiteres Wort drehte sie ihm den Rücken und ging weiter. Er holte sie ein. Sein gespreizter Gang unterstrich das selbstgefällige Auftreten.

»Was ist los? Haben Sie die Sprache verloren?«

»Das nicht«, gab sie zurück. »Aber ich schätze Männer mit guten Manieren.«

»Na und? Das sollte ein Kompliment sein.«

»Sie verstehen unter einem Kompliment offensichtlich etwas anderes als ich.«

»Wir sind aber vornehm«, spottete er. »Jetzt laufen Sie mir doch nicht dauernd davon!«

Sie blieb stehen. Zögernd legte sie die Fingerspitzen in seine ausgestreckte feuchte Hand.

»Ich bin Steve Ogilvy, der Verwalter von Cornell Castle. Ohne mich läuft hier nichts.«

»Catherine Hudson.«

»Sie haben sich also tatsächlich in die Höhle des Löwen gewagt?« Sie hatten den Springbrunnen erreicht. Die Wasserfontäne funkelte im Sonnenlicht.

»Wie meinen Sie das?«

»Wie ich es sage«, er grinste. »Sie werden es schon noch erleben.«

Sie glaubte, er wolle sich wichtig machen, und wechselte das Thema. »Ich habe das Hausmädchen wegen des Abendessens gefragt, aber sie wusste nicht …«

»Ach, das war Emily«, er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Die hat einen Sprung in der Schüssel.«

Obwohl Catherine selbst zu diesem Schluss gekommen war, missfiel ihr seine Bemerkung.

»Es mag sein, dass sie nicht im vollen Besitz ihrer geistigen Fähigkeiten ist«, erwiderte sie kühl. »Aber das ist kein Grund für blöde Sprüche«, mit diesen Worten ließ sie ihn stehen und kehrte um.

Verdutzt blickte er ihr nach, dann verengten sich seine Augen. Ein sardonisches Lächeln entblößte zwei Reihen blitzender weißer Zähne.

»Du bist eine Spröde«, murmelte er. »Aber das macht die Jagd erst richtig interessant.«

*

Catherine fühlte sich müde nach dem langen Tag voll neuer Eindrücke. Zufrieden streckte sie sich in dem breiten bequemen Bett aus und betrachtete den zartblauen Baldachin über sich, bevor sie die Nachttischlampe löschte. Einige Minuten lauschte sie dem sanften Rauschen der Wellen unter ihrem Fenster – dann war sie fest eingeschlafen.

Später wusste sie nicht, ob ein Geräusch sie geweckt hatte. Plötzlich war sie hellwach. Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Aus der holzgetäfelten Nische drang ein helles Licht.

Catherine trat zögernd näher. Im nächsten Moment erkannte sie eine Gestalt. Vor der dunklen Wand stand eine Frau völlig regungslos. Dichtes kupferfarbenes Haar fiel ihr in glänzenden Locken über die Schultern. Große grüne Augen leuchteten in dem wachsbleichen Gesicht und blickten Catherine unverwandt an. Durch das Spitzbogenfenster floss das Mondlicht und hüllte die Erscheinung in ein unheimliches Licht.

Catherine schauderte. »Wer bist du?«, flüsterte sie. Aber die Gestalt blieb stumm. Sie verharrte unbeweglich auf derselben Stelle, nicht einmal ihre Augenlider verrieten eine Bewegung.

Catherine streckte die Hände aus, aber sie griff ins Leere. Vor ihren Augen wurde das Trugbild immer schwächer, und schließlich sah sie wieder die dunkle Holztäfelung vor sich.

Sie kehrte ins Bett zurück. Plötzlich überkam sie ein Grauen. Zitternd verkroch sie sich unter die Decke; erst nach einer Weile wurde ihr wieder warm.

Lange fand sie keinen Schlaf.

Am nächsten Morgen war der Spuk zerstoben. Hell schien die Morgensonne in Catherines Schlafzimmer, und nichts erinnerte an die geisterhafte Erscheinung in der Nacht.

Ich muss geträumt haben. Sie strich sich das wirre Haar aus der Stirn.

Aber ein Unbehagen blieb zurück.

*

Die nächsten Wochen waren so ausgefüllt, dass keine Zeit zum Grübeln blieb. Sir Julian nahm sich viel Zeit, um seine neue Assistentin in das fremde Arbeitsgebiet einzuarbeiten.

»Ich schreibe an einer Biografie über Queen Victoria«, erklärte er. »Natürlich ist schon viel über sie veröffentlicht worden. Aber über ihre Kindheit gibt es nur wenige Bücher, und genau damit will ich mich befassen.«

Catherine hätte ihm stundenlang zuhören können.

Sie hatte sich schon von jeher für Geschichte interessiert. Aber die finanziellen Verhältnisse hatten sie bisher gezwungen, eine Stelle anzunehmen, die sie nur wenig interessierte.

»Sie bringen gute Vorkenntnisse mit und verfügen über eine rasche Auffassungsgabe«, sagte er einmal anerkennend, als sie ein Kapitel in wenigen, treffenden Stichworten zusammenfasste.

»Geschichte war mein Lieblingsfach in der Schule«, antwortete sie. »Leider hatte ich nie die Möglichkeit, mein Hobby beruflich umzusetzen.«

In den ernsten grauen Augen erschien ein Lächeln. »Also kein Heimweh nach der Walzengießerei?«

Catherine lachte. »Sie kennen Glenmarrick wohl nicht, Sir Julian? Sonst würden Sie diese Frage nicht stellen.«

»Ich muss gestehen, dass es mich noch nie dorthin verschlagen hat. Und lassen Sie den ›Sir‹ weg«, bat er. »Einfach nur Julian.«

Sie nickte.